20 Die Schlacht am Paß

Es war am Morgen des dritten Tages nach dieser kleinen Szene mit der Landkarte, als Sir Henry und ich aufbrachen. Mit Ausnahme einer kleinen Wachmannschaft war die Hauptmasse des Heeres schon in der Nacht losmarschiert. Nun lag die finster blickende Stadt fast leer und totenstill da. Wir hatten es uns einfach nicht leisten können, irgendeine größere Besatzung zurückzulassen außer der persönlichen Leibwache Nylephtas und ungefähr tausend Mann, die wegen Krankheit oder aus sonstigen Gründen nicht mit in den Kampf ziehen konnten; aber da Milosis praktisch uneinnehmbar war, und da unser Feind sich vor uns befand und nicht in unserem Rücken, war das nicht so schlimm.

Good und Umslopogaas waren schon mit dem Heer vorausgeeilt, und so begleitete uns Nylephta allein zum Stadttor. Sie ritt einen herrlichen Schimmel, der als das schnellste und ausdauerndste Pferd in ganz Zu-Vendis galt. Ich konnte sehen, daß sie geweint hatte; doch in diesem Moment waren keine Tränen mehr in ihren Augen. Ich muß sagen, sie verhielt sich wirklich bewundernswert tapfer angesichts dieser für sie so schweren Schicksalsprüfung. Am Stadttor angekommen zügelte sie ihr Pferd und sagte uns Lebewohl.

Am Tage zuvor hatte sie noch die Parade abgehalten und eine Rede an die Offiziere des großen Heeres gehalten. Sie hatte in solch erhabenen, bewegten Worten zu ihnen gesprochen und dabei so überzeugend ihr Vertrauen in ihren Heldenmut und ihren Sieg zum Ausdruck gebracht, daß sie wahrlich ihrer aller Herzen im Sturm erobert hatte, und als sie von Linie zu Linie geritten war, hatten ihr die Männer zu-gejubelt, daß der Boden schier erbebte. Und heute, in diesem Augenblick, schien sie wieder von derselben Glut beseelt zu sein.

»Leb wohl, Macumazahn!« rief sie mir zu. »Und vergiß nicht, ich vertraue darauf, daß es deinem Ver-stande, der wie eine Nadel ist zu einem Speergriff im Vergleiche zu dem meines Volkes, gelingen wird, uns vor Sorais zu bewahren. Ich weiß, daß du deine Pflicht tun wirst.«

Ich verbeugte mich und erklärte ihr, welche Angst ich vor dem Kampfe hätte und daß ich befürchtete, meinen Kopf zu verlieren. Aber sie lächelte nur sanft und wandte sich Curtis zu.

»Leb wohl, mein Geliebter! Kehre als stolzer Sieger und als König zurück - oder auf den Speeren deiner Krieger[15]

Sir Henry sagte nichts, sondern wendete sein Pferd, um loszureiten.

»Hier, an diesem Tor«, fügte Nylephta hinzu, »werde ich dich empfangen, wenn du im Triumphzug zurückkehrst. Und nun, zum letzten Male: Lebt wohl!«

Dann ritten wir los. Als wir uns etwa hundert Yards vom Tor entfernt hatten, blickten wir uns um und sahen, daß sie noch immer an derselben Stelle auf ihrem Pferd saß und uns unter dem Schutz ihrer Hand, die sie wie einen Schirm über die Augen gelegt hatte, nachblickte. Und bald war sie außer Sichtweite.

Wir waren jedoch kaum eine Meile geritten, als wir hinter uns das Galoppieren von Hufen hörten. Wir schauten uns um und erblickten einen berittenen Soldaten, der rasch näher kam. Am Zügel führte er Nylephtas unvergleichliches Roß - Daylight!

»Die Königin sendet ihrem Gebieter Incubu den weißen Hengst als Abschiedsgeschenk, und sie gab mir den Auftrag, ihrem Gebieter zu sagen, daß es das schnellste und ausdauerndste Pferd im ganzen Lande ist«, sagte der Soldat und verbeugte sich vor uns bis zum Sattelbogen.

Zuerst wollte Sir Henry das Pferd nicht annehmen, mit der Begründung, es sei zu schade für eine so rauhe Arbeit, wie sie uns bevorstand. Es gelang mir jedoch schließlich, ihn zu überzeugen. Ich war sicher, Nylephta würde gekränkt sein, wenn er es ablehnte. Zu jenem Zeitpunkt hatte ich noch keine Ahnung, welch unbezahlbaren Dienst uns dieses edle Pferd noch in unserer schlimmsten Not erweisen sollte. Es ist merkwürdig, wenn man manchmal zurückschaut und sieht, von welch trivialen und offensichtlich rein zufälligen Umständen Ereignisse von höchster Bedeutsamkeit so manches Mal abhängen. Nun, wir nahmen also das Pferd, ein wirklich wunderschönes Tier - es war ein Vergnügen, seinen anmutigen und doch so kraftvollen Bewegungen zuzuschauen -, Curtis gab dem Manne seine Grüße und seinen Dank mit auf den Weg, und dann ritten wir weiter.

Gegen Mittag holten wir die Nachhut der großen Armee ein, und Sir Henry übernahm nun offiziell das Kommando. Es war eine schwere Verantwortung, und sie bedrückte ihn sehr, aber in diesem Punkte hatte es für Nylephta nicht die geringste Diskussion gegeben. Curtis begann sich allmählich darüber bewußt zu werden, daß Größe und Wichtigkeit nicht nur Ruhm, sondern auch ein gerüttelt Maß an Verantwortung mit sich bringen.

Wir marschierten weiter, ohne auf irgendwelchen Widerstand zu treffen. Nur selten sahen wir einmal Menschen; die Bevölkerung, die in den Städten und Dörfern längs unserer Marschroute lebte, war schon zum größten Teil geflohen, aus Furcht, zwischen die beiden Armeen zu geraten und dort zu Pulver zerrieben zu werden wie das Korn zwischen den Mühlsteinen.

Am Abend des vierten Tages - das Vorankommen einer solch großen Menschenmenge war naturgemäß sehr langsam - schlugen wir unser Lager etwa zwei Meilen vor dem Paß auf, von dem ich schon berichtete. Unsere Späher überbrachten uns alsbald die Nachricht, daß sich Sorais mit ihrer ganzen gewaltigen Streitmacht auf uns zubewegte. Sie hatte ihr Lager etwa zehn Meilen vor dem Paß, auf der anderen Seite desselben, aufgeschlagen.

Wir sandten daher noch vor Morgengrauen fünfzehnhundert Mann Kavallerie aus, um die Position zu besetzen. Kaum hatten sie jedoch die Stellung erreicht, als sie auch schon von einem etwa gleichstarken Trupp von Sorais' Reiterei angegriffen wurden. Und sogleich entbrannte ein flottes kleines Kavalleriescharmützel, im Verlaufe dessen wir ungefähr dreißig Mann verloren. Als jedoch von unserer Seite her Verstärkung eintraf, machte Sorais' Truppe schnell einen Rückzug; ihre Toten und Verwundeten nahmen sie mit.

Das Gros des Heeres erreichte den Paß etwa gegen Mittag. Ich muß sagen, Nylephta hatte nicht zuviel versprochen; die Stelle eignete sich hervorragend für eine Schlacht, besonders wenn man es mit einer zahlenmäßig überlegenen Streitmacht zu tun hatte.

Der Weg zog sich etwas mehr als eine Meile über ein Gelände hin, das zu unwegsam war, als daß man eine größere Truppe hätte aufmarschieren lassen können. Schließlich erreichte er den Kamm einer bewaldeten Anhöhe, die sanft zum Ufer eines kleinen Flusses hin abfiel. Hinter dem Fluß stieg das Land wieder leicht an und ging in eine Ebene über. Der Abstand von dem Kamm bis zum Fluß betrug etwas mehr als eine halbe Meile; vom Fluß bis zur Ebene war er etwas geringer. Die Länge dieser bewaldeten Anhöhe, die exakt der Breite der Landenge zwischen den bewaldeten Hügeln entsprach, betrug, etwa an ihrer höchsten Stelle gemessen, ungefähr zweieinviertel Meilen. Sie war zu beiden Seiten von dichtem, felsigem, mit Büschen bewachsenem Gelände geschützt, das den Flanken der Armee eine äußerst wirksame Deckung bot.

Curtis ließ die Armee auf der uns zugewandten Seite des Hügels vor der Landenge Stellung beziehen, und zwar in der Formation, die er nach Absprache mit den einzelnen Generälen, Good und mir als diejenige ausgewählt hatte, die sie auch in der bevorstehenden Schlacht einnehmen sollte.

Unser sechzigtausend Mann starkes Heer war grob gesehen etwa folgendermaßen gegliedert: das Zentrum des Heeres bildete ein dichtgestaffelter Trupp von ungefähr zwanzigtausend Mann Fußvolk. Die Bewaffnung dieser Infanterie bestand aus Speeren, Schwertern, Brust- und Rückenschutz sowie Schilden aus Flußpferdleder[16]. Dieser Trupp bildete sozusagen die Brust der Armee; als Reserve standen fünftausend Fußsoldaten und dreitausend Kavalleristen bereit. Beide Seiten dieses Zentrums wurden flankiert von je siebentausend Reitern, die in mächtigen, dichtgestaffelten Schwadronen angeordnet waren; noch weiter außen und ein wenig vorgeschoben standen zwei weitere Truppenkörper, die jeweils etwa siebentausendfünfhundert Speerwerfer umfaßten. Sie bildeten die beiden Flügel der Armee, von denen jeder noch einmal von einem Kontingent von fünfzehnhundert Kavalleristen unterstützt wurde. Das macht insgesamt sechzigtausend Mann.

Curtis hatte das Oberkommando inne, ich befehligte die siebentausend Reiter zwischen dem Zentrum und dem rechten Flügel, über den wiederum Good das Kommando führte. Die restlichen Bataillone und Geschwader standen unter der Befehlsgewalt von Zu-Vendi-Generälen.

Kaum hatten wir unsere Stellungen bezogen, als auch schon Sorais' gewaltige Streitmacht auf der gegenüberliegenden Seite des Hügels, etwa eine Meile vor uns, auszuschwärmen begann. Im Handumdrehen schien die Erde jenseits des Hügelkammes schwarz zu werden von der Masse ihrer Speerträger, und der Boden erzitterte unter dem trampelnden Hufschlag ihrer Reiterei. Wir konnten nun deutlich ausmachen, daß die Späher nicht übertrieben hatten; ihr Heer war mindestens um ein Drittel größer als das unsrige. Zuerst glaubten wir, Sorais wolle uns sofort attackieren, da die riesigen Wolken von Kavallerie, die die Flanken ihrer Truppe bildeten, drohend vorpreschten, aber dann schien sie sich eines Besseren zu besinnen und pfiff ihre Bataillone wieder zurück. Heute also sollte es nicht mehr zum Kampf kommen. Die Formation ihrer Armee kann ich im Augenblick noch nicht exakt beschreiben; es würde wohl auch nur Verwirrung stiften. Auf den ersten Blick jedoch schien sie im großen und ganzen unserer zu ähneln, nur daß natürlich ihre Reserve weit größer war.

Der linke Flügel von Sorais' Heer, der unserem rechten Flügel genau gegenüberlag, bestand aus einem gewaltigen Trupp dunkler, verwegen aussehender Männer, die nur mit Schwertern und Schilden ausgerüstet waren. Es handelte sich dabei so teilte man mir mit, um Nastas fünfundzwanzigtausend wilde Hochländer.

»Bei Gott«, sagte ich zu Good, als ich ihn sah, »uns steht noch einiges bevor, wenn diese Herrschaften uns morgen angreifen!« Wen wundert's, daß Good daraufhin nicht gerade zuversichtlich dreinblickte.

Den ganzen Tag über blieben wir auf Beobachtungsposten und warteten, aber nichts geschah, und als schließlich die Nacht hereinbrach, erhellten Tausende von Lagerfeuern den Hügel, bis sie schließlich eins nach dem anderen verblaßten und schließlich er-starben wie die Sterne am Morgenhimmel. Und während die Stunden sich dahinschleppten, wurde die Stille, die über den sich gegenüberliegenden Heeren lag, immer tiefer.

Es war eine zermürbende lange Nacht, denn zusätzlich zu den tausend Dingen, auf die man acht haben muß, zerrte noch die fürchterliche Ungewißheit an den Nerven, was der kommende Tag uns wohl bringen würde. Die Schlacht, die uns bevorstand, würde so gewaltig sein und das Gemetzel so entsetzlich, daß man in der Tat schon ein Herz aus Stein besitzen mußte, wollte man von dem drohenden Ereignis nicht überwältigt werden. Und als ich darüber nachdachte, wozu dies alles geschehen sollte, da wurde mir ganz elend zumute. Der Gedanke, daß diese riesigen Armeen nur zu dem Zweck aufgestellt worden waren, zu zerstören, daß sie nur dazu dienten, den eifersüchtigen Haß einer Frau zu befriedigen, erfüllte mich mit tiefer Trauer. Dies also war die gewaltige, tief im Verborgenen schlummernde Macht, die bewirken konnte, daß jene dichten schwarzen Massen von Kavallerie wie Donnerkeile aus Menschenleibern über die Ebene dahinschossen, daß die Bataillone in dichten Wolken ungestüm aufeinanderprallten wie ein gewaltiger Hurrikan, der auf einen anderen trifft. Es war ein grauenvoller Gedanke, und ich mußte unwillkürlich über die Verantwortung nachdenken, die die Großen dieser Erde tragen.

Bis tief in die Nacht hinein saßen wir so beisammen und hielten Rat; unsere Gesichter waren bleich, und unsere Herzen waren schwer. Die Wachtposten schlenderten in regelmäßigem Rhythmus auf und ab, auf und ab, und die bewaffneten Generäle kamen und gingen wie finstere Schatten.

Und so dehnten sich die Stunden zur Unendlichkeit; endlich war alles bereit für das bevorstehende Gemetzel. Ich legte mich hin und grübelte nach. Ich versuchte ein wenig Schlaf zu finden, aber die Furcht vor dem Morgen hielt mich wach - wer konnte schon sagen, was der Morgen uns bringen würde? Tod und Elend in unvorstellbarem Ausmaß; das war gewiß! Alles andere wußten wir nicht, und ich muß gestehen, daß ich große Angst hatte. Und in jenem Moment wurde mir nur allzu deutlich bewußt, daß es sinnlos ist, die Zukunft, jene ewig unergründliche Sphinx, zu befragen. Tag für Tag liest sie uns mit lauter Stimme die Rätsel des Gestern vor, von denen die verwirrten Menschenkinder aller Generationen auch nicht eines gelöst haben, noch jemals lösen werden, raten sie auch noch so ausschweifend und schreien sie auch noch so laut.

Und so gab ich es schließlich auf, weiter nachzugrübeln, sah ich mich doch gezwungen, den Ausgang des morgigen Tages bescheiden und demütig der wägenden Hand des Schicksals zu überlassen.

Und endlich stieg die Sonne rot am Horizont auf, und die riesigen Heerlager erwachten mit lautem Geklirre und Gerassel und sammelten sich zum Kampfe. Es war ein schöner, zutiefst beeindruckender Anblick, und der alte Umslopogaas, der auf seine Axt gelehnt dastand, betrachtete die Szene mit grimmigem Vergnügen.

»Nie zuvor sah ich dergleichen, Macumazahn, nie zuvor!« rief er begeistert. »Die Schlachten meines Volkes sind wie das Spiel der Kinder verglichen mit dem, was kommen wird. Glaubst du, daß sie bis zum bitteren Ende kämpfen werden?«

»Ja«, antwortete ich mit trauriger Stimme, »bis zum letzten Blutstropfen. Du kannst zufrieden sein, >Specht<, denn du wirst noch bis zum Überdruß hak-ken können.«

Die Zeit verging, und noch immer gab es kein Anzeichen für eine Attacke.

Ein Kavallerietrupp überquerte den kleinen Fluß und ritt in weitem Abstand langsam an unserer Front entlang, offensichtlich mit der Absicht, sich über unsere Position und unsere Stärke einen Überblick zu verschaffen. Wir machten jedoch keinerlei Versuch, uns mit den Reitern anzulegen; wir hatten beschlossen, uns strikt in Verteidigungsposition zu halten und nicht einen Mann unnötig zu opfern. Die Männer frühstückten, während sie kampfbereit bei ihren Waffen standen. Die Zeit verging unendlich langsam. Gegen Mittag, als die Männer gerade ihr Mittagessen einnahmen (wir hielten es nämlich für besser, wenn sie mit vollem Magen kämpften), erscholl plötzlich der Ruf >Sorais, Sorais!< wie ein Donnerhall vom äußersten rechten Flügel des Feindes zu uns herüber. Ich nahm das Fernglas, schaute hindurch, und konnte deutlich die >Herrin der Nacht< erkennen, wie sie, von einem Stab prunkvoll gekleideter Offiziere umgeben, langsam an den Linien ihres Bataillons entlangritt. Und während sie sich vorwärtsbewegte, rollte dieser mächtige, donnernde Jubelschrei vor ihr her wie der Klang von Tausenden von Streitwagen, oder wie das Donnern des Ozeans, wenn der Sturm sich plötzlich dreht und seinen Schall an das Ohr des Lauschenden trägt. Das donnernde Getöse brachte die Erde zum Erbeben, und die Luft vibrierte von dem tausendfachen Rufe.

Da wir vermuteten, daß dies die Ouvertüre zum Beginn der Schlacht war, verhielten wir uns ruhig und abwartend und bereiteten uns auf den Kampf vor.

Wir brauchten nicht lange zu warten. Mit einem Mal schossen zwei große zungenförmige Kavalleriebrigaden wie Flammen aus der Mündung einer Kanone hervor und kamen den Abhang heruntergeprescht, auf den kleinen Fluß zu. Zuerst schienen sie sich relativ langsam vorwärtszubewegen, doch je näher sie herankamen, desto mehr gewannen sie an Schnelligkeit. Noch bevor sie den Fluß erreicht hatten, erhielt ich Order von Sir Henry, der offensichtlich die Befürchtung hatte, daß die Wucht eines solchen Angriffes, sollte sie ungehemmt auf unsere Infanterie prallen, zu stark für diese sein würde, fünftausend Reiter nach vorn zu werfen, um die auf meinem Flügel voranpreschende Kavallerie des Feindes aufzuhalten, und zwar in dem Augenblick da sie den steilsten Teil des Hügels, etwa vierhundert Yards vor unseren Linien, erreichte. Ich gab sofort den entsprechenden Befehl und blieb selbst mit dem Rest meiner Männer im Hintergrund.

Und schon sausten die fünftausend Reiter davon, in langgestreckter Keilform, und ich muß sagen, der sie kommandierende General verstand wirklich sein Handwerk. Er ließ die Männer in kurzem Galopp die ersten dreihundert Yards geradewegs auf die Spitze der angreifenden zungenförmigen Kavallerietruppe zusprengen. Die Zunge bestand, soweit ich es beurteilen konnte, aus ungefähr achttausend Reitern. Dann schwenkte unser Keil mit einem plötzlichen Ruck nach rechts herüber, wich der vorgezogenen Spitze der Zunge aus - ich sah, wie der ganze riesige Keil sich gleichsam wie eine Locke kräuselte, und bevor der Feind sich noch besinnen und wenden konnte, war die Spitze des Keils schon mit fürchterlicher Wucht genau auf halber Länge in die Flanke des Feindes gebrochen. Es gab ein entsetzliches Klirren und Krachen, wie wenn eine große Eisfläche aufbräche, der Keil sank tief mitten in das Herz der gegnerischen Truppe hinein und schnitt sich gleichsam seine blutige Bahn durch die Zunge. Hunderte von feindlichen Kavalleristen wurden auf beiden Seiten des Keils emporgeschleudert wie die Erde von einer stählernen Pflugschar, oder, um das Bild genauer zu treffen, sie spritzten zur Seite wie Gischt vor dem Bug eines dahinfliegenden Schiffes. Tiefer, immer tiefer! Vergebens winden sich die Enden der Zunge im Todeskampfe wie eine verwundete Schlange, danach strebend, die Mitte zu schützen; tiefer, immer tiefer! Und mitten hindurch schneidet der Keil, und unter dem Jubelschrei, der sich aus Tausenden von Kehlen erhebt, bricht er in die abgetrennten Enden der Zunge, wirbelt sie empor, treibt sie vor sich her wie der Sturm den Gischts bis schließlich, inmitten des Gewimmels reiterlos umherirrender Rosse, blitzender Schwerter und dem Getöse der Siegesschreie ihrer Verfolger die gewaltige Streitmacht in sich zusammensackt wie ein leerer Handschuh und sich in wilder Flucht zu den rettenden Linien der eigenen Armee davonmacht.

Ich glaube nicht, daß es mehr als zwei Drittel waren, die die eigenen Linien heil und unversehrt erreichten. Die Linien, die nun zum Angriff vorrückten, öffneten sich und schluckten die zurückflutenden Reiter auf. Mein Trupp zog sich ebenfalls wieder zurück. Wir hatten einen Verlust von nicht mehr als fünfhundert Mann zu beklagen - das war wenig, wenn man bedachte, wie wütend der Kampf getobt hatte. Ich sah nun, daß sich die feindliche Kavallerie auch von unserem linken Flügel zurückzog; wie jedoch der Kampf mit ihnen ausgegangen war, konnte ich nicht erkennen. Ich kann gerade das beschreiben, was sich in meiner unmittelbaren Umgebung abspielte.

In der Zwischenzeit hatten die dichten Massen des feindlichen linken Flügels, die sich fast gänzlich aus Nastas Schwertkämpfern zusammensetzten, den kleinen Fluß überschritten, und unter lauten >Nasta<-und >Sorais<-Rufen schwärmten sie mit wehenden Fahnen und blitzenden Schwertern wie Ameisen auf uns zu.

Wieder erhielt ich die Order, den Versuch zu unternehmen, diese Bewegung aufzuhalten, und desgleichen den Hauptstoß gegen das Zentrum unserer Armee, indem ich wieder die Kavallerie nach vorn werfen sollte. Ich tat dies, so gut ich konnte, indem ich fortlaufend Einheiten von je tausend Reitern ins Kampfgetümmel schickte. Diese Brigaden rissen tiefe Lücken in die Reihen des Feindes, und sie boten einen überaus prächtigen Anblick, wie sie da den Hügelabhang hinunterbrausten und sich wie ein lebendes Messer tief in das Herz der feindlichen Armee bohrten. Aber auch wir verloren viele Männer, denn nachdem unsere Feinde mehrere Male diese Angriffe, die gleichsam eine Art blutiges Andreaskreuz von Toten und Verwundeten durch das Zentrum von Na-stas Truppe gezogen hatten, ohnmächtig hatten hinnehmen müssen, versuchten sie, der unwiderstehlichen Wucht dieser Attacken nicht länger eine starre, ungeschützte Front entgegenzusetzen, sondern wichen geschickt zurück und ließen den Ansturm wirkungslos ins Leere laufen, wobei sie sich auf den Boden warfen und Hunderten unserer Pferde die Knieflechsen zerschnitten und sie so zum Stürzen brachten.

Und so gelang es dem Feind allmählich, trotz aller unserer verzweifelten Anstrengungen, Yard um Yard vorzurücken, bis er sich schließlich auf Goods Truppe von siebentausendfünfhundert Berufssoldaten warf, die sich in drei quadratische Kampfblöcke aufgestellt hatten, um dem Gegner Paroli zu bieten. Zur selben Zeit verriet mir ein entsetzliches, markerschütterndes Gebrüll, daß die beiden Linien im Zentrum und auf der äußersten Linken zusammengeprallt waren und nun die Schlacht voll entbrannt war. Ich erhob mich in meinen Steigbügeln und schaute nach links hinüber: Soweit das Auge blickte, schien die Sonne auf eine langgezogene, blitzende Linie aus Stahl von fallenden Schwertern und zuckenden Speeren.

Hin und her wogten die miteinander ringenden Linien in jener erbitterten Schlacht. Manchmal gelang es der einen, ein wenig Boden zu gewinnen, dann war es wieder die andere, die nach vorn drängte. Wild wogte der Kampf, im verbissenen und doch geordneten Auf und Ab von Angriff und Verteidigung. Ich selbst hatte mehr als genug damit zu hin, die Übersicht über das, was sich auf unserem eigenen Flügel abspielte, zu behalten; und da für einen Augenblick die Kavallerie in die Deckung von Goods drei Kampfblöcken gegangen war, konnte ich sehr gut den gesamten rechten Flügel überblicken.

Nastas verwegene Schwertkämpfer brandeten jetzt in roten Wogen gegen die trutzigen, wie Felsen dastehenden quadratischen Blöcke an. Wieder und wie-der stießen sie ihren wilden Kriegsschrei aus und warfen sich gegen die langen Dreierreihen aus Speerspitzen, um sogleich wieder zurückzuprallen wie Wellen, die sich an einer Felsklippe brechen.

Und so tobte die Schlacht vier Stunden lang nahezu ohne Pause, und als diese vorüber waren, hatten wir, wenn auch nichts gewonnen, so doch auch nichts verloren. Zwei Versuche, die der Feind unternommen hatte, sich von der Seite her durch den Wald einen Weg zu bahnen und in unsere linke Flanke einzubrechen, waren vereitelt worden; und bis zu diesem Zeitpunkt hatten Nastas Hochländer es trotz ihrer verzweifelten Attacken noch nicht geschafft, Goods drei Kampfblöcke zu zerbrechen, wenn sie auch ihre Stärke um gut ein Drittel verringert hatten.

Das Zentrum der Armee, in dem sich Sir Henry mit seinem Stab sowie Umslopogaas befanden, hatte gewaltige Verluste hinnehmen müssen, aber es hatte nichtsdestoweniger todesmutig standgehalten. Dasselbe konnte man auch von unserem linken Flügel berichten.

Schließlich büßten die Angriffe an Heftigkeit ein, und Sorais' Armee trat den Rückzug an. Ich dachte schon, sie hätten genug. Aber in diesem Punkte wurde ich sehr bald eines Besseren belehrt. Sie teilte ihre Kavallerie in vergleichsweise kleine Trupps auf und griff uns auf ganzer Linie mit ungeheurer Wucht von neuem an; und einmal mehr rollten ihre Zehntausende von Schwertkämpfern und Speerträgern gegen unsere geschwächten Kampfblöcke und Schwadronen an. Sorais selbst dirigierte den Angriff; furchtlos wie eine Löwin stürmte sie an vorderster Spitze voran. Sie kamen herangebraust wie eine Lawine - ich sah ihren goldenen Helm in der vordersten Reihe blitzen -, und unserer Kavallerie gelang es nicht, den Ansturm durch gezielte Gegenangriffe aufzuhalten. Sie durchbrachen unsere vordersten Reihen, und das Zentrum unserer Linien bog sich unter der Last ihres Angriffes wie ein Bogen nach innen. Dann brach unsere Linie auf, und hätten nicht die zehntausend Mann, die wir in Reserve hatten, in den Kampf eingegriffen, so wäre das Herz unserer Armee völlig aufgerieben worden. Goods drei Kampfblöcke wurden beiseite gewischt wie Boote von der heranwogenden Springflut. Der vorderste wurde regelrecht auseinandergesprengt und verlor die Hälfte seiner restlichen Männer. Aber die Anstrengung war zu heftig und zu fürchterlich gewesen, als daß sie hätte längere Zeit anhalten können. Plötzlich kam die Schlacht zu einem Wendepunkt, und für eine oder zwei Minuten hing sie in der Balance.

Und dann bewegte sie sich langsam auf Sorais' Lager zu. In diesem Moment wichen auch Nastas verwegene und nahezu unbezwingbare Hochländer, entweder, weil ihre Verluste sie entmutigt hatten, oder aufgrund irgendeiner List, zurück, und die Reste von Goods tapferen Kampfblöcken verließen ihre Stellungen, die sie über so viele Stunden hinweg behauptet hatten, und stießen unter wildem Jubelgeschrei rasch nach. Daraufhin stellten sich die zurückflutenden Schwertkämpfer wieder zum Kampfe und begannen, Goods Männer zu umzingeln. Und erneut stürzten sie sich mit gellenden Kriegsschreien auf sie. Das, was von dem ersten Kampfblock noch übriggeblieben war, wurde auf der Stelle aufgerieben, und ich sah, daß sich auch der zweite, in dessen Mitte Good auf einem großen Pferd sitzend zu erkennen war, kaum noch halten konnte. Einige Minuten später, und auch er war zerbrochen, seine wehenden Fahnen sanken in den Staub, und ich verlor Good inmitten des tobenden Schlachtgetümmels aus den Augen.

Sekunden danach brach ein blaßgelbes Pferd mit schneeweißer Mähne und Schwanz aus den Überresten des zerbrochenen Kampfblockes hervor und sprengte reiterlos und mit flatternden Zügeln an mir vorüber. Ich erkannte in ihm sofort das Offizierspferd, das Good geritten hatte. Ich zögerte nicht einen Moment und ritt sofort mit der Hälfte meiner restlichen Kavallerie, die zu diesem Zeitpunkt etwa noch vier- bis fünftausend Mann stark war, zu Good, und ohne irgendwelche Befehle abzuwarten, griff ich Nastas Schwertkämpfer an. Sie sahen mich kommen, und gewarnt von dem donnernden Hufschlag meiner Pferde wandte sich der größte Teil von ihnen um und bereitete uns einen heißen Empfang. Sie wichen nicht einen Zoll zurück; vergeblich hieben und trampelten wir sie nieder, als wir eine breite rote Furche durch die Masse ihrer Leiber zogen; sie schienen zu Hunderten wieder aufzustehen, hieben ihre fürchterlichen Schwerter in die Leiber unserer Pferde oder zerschnitten ihre Knieflechsen, um sogleich ihre Reiter, die auf die Erde fielen, buchstäblich in Stücke zu hak-ken. Auch mein Pferd sank, von Schwerthieben tödlich verwundet, unter mir zusammen, aber zum Glück hatte ich noch ein frisches, nämlich mein eigenes Lieblingspferd, eine pechschwarze Stute, die Nylephta mir geschenkt hatte. Sie wurde in Reserve gehalten, und später konnte ich sie besteigen. Vorerst jedoch mußte ich sehen, wie ich ohne Pferd zurechtkam, denn meine Männer hatten mich in dem wüsten Durcheinander völlig aus den Augen verloren. Und meine Stimme konnte man natürlich nicht hören; sie ging unter in dem Klirren des aufeinanderprallenden Stahls und wurde übertönt von den wütenden Kriegsschreien der Kämpfenden und den Schmerzensschreien der Verwundeten und Sterbenden. Gleich darauf fand ich mich mitten im Gewimmel der Überreste des zweiten Kampfblockes wieder. Die Männer hatten sich um ihren Befehlshaber Good geschart und kämpften verzweifelt um ihr Leben. Ich stieß mit dem Fuß gegen jemand, und als ich herunterblickte, erkannte ich Goods Monokel. Er war gestürzt und war auf die Knie gefallen. Über ihn gebeugt stand ein riesiger Bursche und holte zu einem Schwerthieb aus. Irgendwie gelang es mir, den Dolch von dem Masai, dem ich die Hand abgeschnitten hatte, in den Leib des Mannes zu rammen. Doch dabei schaffte er es noch, mir einen fürchterlichen Schwerthieb in die linke Seite der Brust zu verpassen. Zwar rettete mir mein Kettenhemd das Leben, aber ich fühlte, daß ich schwer getroffen war. Ich fiel auf die Hände und die Knie und lag so etwa eine Minute lang inmitten der Toten und Sterbenden. Mir wurde schwarz vor den Augen, und ich war einer Ohnmacht nahe. Als ich wieder einigermaßen zu mir kam, sah ich, daß Nastas Speerträger, oder besser das, was von ihnen noch übriggeblieben war, sich über den Fluß zurückzogen. Neben mir kniete Good und lächelte.

»Das war verdammt knapp!« rief er. »Aber Ende gut, alles gut!«

Ich nickte, aber ich hatte das Gefühl, daß es für mich nicht gut geendet hatte. Ich war schwer verwundet.

Just in dem Moment sahen wir, wie die kleineren Kavallerietrupps, sie sich auf unseren äußersten Flügeln befanden und die jetzt durch die dreitausend Reiter, die wir in Reserve bereitgehalten hatten, verstärkt worden waren, wie Pfeile aus ihren Stellungen hervorschossen und in die zerrissenen Flanken von Sorais' Armee fielen. Dieser Angriff sollte von entscheidender Bedeutung für den weiteren Verlauf der Schlacht sein. Nur wenige Minuten später zog sich der Feind in langsamer Rückwärtsbewegung, immer noch erbitterten Widerstand leistend, über den kleinen Fluß zurück, wo er sich noch einmal neu formierte. Noch einmal geriet die Schlacht ins Stocken, und während dieser kurzen Kampfpause gelang es mir, mein zweites Pferd zu besteigen. Ich ritt sofort zu Sir Henry, der mir die Anweisung gab, noch einmal anzugreifen. Und mit einem wilden Schlachtruf aus tausend Kehlen, mit wehenden Bannern und blitzendem Stahl gingen die Überreste unserer Armee in die Offensive und rückten vor, langsam zwar, doch stetig und mit unwiderstehlicher Gewalt. Zum erstenmal rückten wir aus den Stellungen, die wir den ganzen Tag über so tapfer gehalten hatten, noch vorn.

Endlich waren wir es, die die Initiative ergriffen.

Wir stießen weiter vor, Berge von Toten und Verwundeten überquerend. Als wir gerade am Fluß angelangt waren, wurde meine Aufmerksamkeit auf eine außergewöhnliche Szene gelenkt. In wildem Galopp, die Arme fest um den Hals des Pferdes geschlungen, die bleiche Wange an die Mähne des Tieres gepreßt, sprengte ein Reiter auf uns zu. Er trug die volle Uniform eines Zu-Vendi-Generals. Als er näherkam, erkannte ich, wer es war. Es war niemand anders als unser verschollener Alphonse. Selbst in dieser Verkleidung waren die hochgezwirbelten Spitzen seines Schnurrbartes unverkennbar. Eine Minute später flog er in wildem Galopp durch unsere Linien; um Haaresbreite wäre er niedergehauen worden. Schließlich fiel ihm jemand in die Zügel, und man brachte ihn zu mir, als unsere Vorwärtsbewegung gerade zu einem Stillstand kam, der es uns erlaubte, die Überreste unserer aufgeriebenen Kampfblöcke wieder in Reih und Glied zu bringen.

»Ah, Monsieur«, keuchte er mit vor Angst bebender Stimme, »dem 'immel sei Dank, Sie sind's! Ah, was isch 'abe erdulden müssen! Aber Sie gewinnen, Monsieur, Sie gewinnen; sie fliehen, diese 'unde. Aber 'ören Sie, Monsieur - isch 'ätte fast vergessen; etwas sehr Schlimmes! Die Königin soll morgen früh beim ersten Lischt des Tages im Palast von Milosis ermordet werden; ihre Gardisten werden sie verlassen, und die Priester werden sie töten. Ah! Wenn sie wüßten! Aber isch war versteckt unter ein Banner und konnte alles hören.«

»Was?« rief ich entsetzt. »Was wollen Sie damit sagen?«

»Wie isch sage, Monsieur; dieser diable Nasta ist letzte Nacht verschwunden, um die Sache mit dem Erzbischof Agon zu besprechen. Die Garde wird das kleine Tor auflassen, das von der großen Treppe zu dem Palast führt, und dann wird sie weglaufen. Und Nasta und Agons Priester werden 'ereinkommen und sie töten. Die Gardisten selbst 'aben sisch geweigert, das zu tun.«

»Kommen Sie mit!« rief ich. Ich rief dem nächstbesten Stabsoffizier zu, er solle für mich das Kommando übernehmen, griff die Zügel von Alphonses Pferd und galoppierte in irrwitzigem Tempo in Richtung der etwa eine halbe Meile entfernten Stelle, wo ich die königliche Fahne im Winde flattern sah, und wo ich, wie ich wußte, Curtis finden würde, falls er noch unter den Lebenden weilte. Wir flogen nur so dahin, unsere Pferde sprangen in Riesensätzen über Berge von Toten und Verwundeten, unter ihren trommelnden Hufen spritzte das Blut auf, das in großen Pfützen die ganze Walstatt bedeckte; weiter ging es entlang der zerrissenen Linie von Speerträgern, bis ich schließlich Sir Henrys mächtige Gestalt aus dem Kampfgetümmel herausragen sah. Er saß auf dem weißen Pferd, das Nylephta ihm zum Abschied geschenkt hatte, und überragte wie ein Turm in der Schlacht die ihn umringenden Generäle seines Stabes.

Gerade als wir ihn erreichten, begannen unsere Linien erneut, vorzurücken. Sir Henrys Kopf war mit einem blutigen Fetzen Tuch umwickelt, aber ich sah, daß sein Auge klar und scharf wie immer war. Neben ihm stand der alte Umslopogaas, die Axt rot vom Blut, aber auch er machte einen frischen und unversehrten Eindruck.

»Was ist passiert, Quatermain?« rief Sir Henry, als er meiner gewahr wurde.

»Etwas Entsetzliches! Es ist eine Verschwörung im Gange, mit dem Ziel, Nylephta im Morgengrauen zu ermorden. Alphonse, dem es gelungen ist, Sorais zu entkommen, hat alles gehört.« Ich wiederholte atemlos, was mir der Franzose berichtet hatte.

Curtis' Gesicht wurde leichenblaß, und sein Unter-kiefer fiel herunter.

»Im Morgengrauen!« keuchte er. »Und jetzt ist Sonnenuntergang! Es wird vor vier Uhr hell werden, und wir sind fast hundert Meilen entfernt - neun Stunden von Milosis! Was sollen wir nur tun?«

Ein Gedanke schoß mir durch den Kopf. »Ist dein Pferd frisch?« fragte ich Curtis.

»Ja, ich habe es eben erst bestiegen - als mein letztes getötet wurde. Und Futter hat es auch eben erst bekommen.«

»Meines ebenfalls. Steig schnell ab und gib es Umslopogaas; er ist ein hervorragender Reiter. Wir werden noch vor Morgengrauen in Milosis sein -wenn nicht, nun, dann haben wir jedenfalls alles versucht, was in unserer Macht steht. Nein, nein; du kannst jetzt unmöglich hier fort. Man würde dich erkennen, und die Schlacht würde sich möglicherweise noch einmal wenden. Sie ist noch nicht halb gewonnen. Die Soldaten würden glauben, du machst dich aus dem Staub. Nun rasch!«

Sofort stieg er von seinem Pferd, und auf mein Geheiß sprang Umslopogaas in den leeren Sattel.

»Und nun leb wohl«, sagte ich. »Sende tausend Reiter mit frischen Pferden hinter uns her; wenn möglich, etwa in einer Stunde. Bleibe du an Ort und Stelle, schicke einen General auf den linken Flügel, um das Kommando zu übernehmen, und erkläre den Männern meine Abwesenheit.«

»Du wirst doch alles tun, um sie zu retten, nicht wahr, Quatermain?« fragte er voller Verzweiflung.

»Ja, das werde ich. Und nun mach, daß du wieder zu deinen Leuten kommst; du bist schon ein ganzes Stück hinter ihnen.«

Er schaute uns noch einmal an, und dann sprang er, begleitet von seinem Stab, wieder zurück zu seinen Linien, die sich schon wieder auf dem Vormarsch befanden. Mittlerweile hatten sie den kleinen Fluß erreicht, dessen Wasser jetzt rot vom Blute der Gefallenen war.

Und Umslopogaas und ich jagten von der schrecklichen Walstatt davon wie Pfeile, die von der Sehne des Bogens schnellen. Nach wenigen Minuten war das Schlachtgetümmel schon außer Sichtweite; nur der Geruch des Blutes lag noch schwach in der Luft, und das Klirren der Waffen und die Schreie der Kämpfenden und der Sterbenden drangen zu uns herüber wie das weit entfernte Tosen der Brandung.

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