5 Umslopogaas gibt ein Versprechen ab

Am nächsten Morgen vermißte ich beim Frühstück Flossie. Ich fragte, wo sie sei.

»Nun«, sagte ihre Mutter, »als ich heute morgen aufstand, fand ich außen an meiner Tür einen Zettel, auf dem - Aber lesen Sie doch selbst, ich habe die Nachricht hier.« Sie reichte mir den Zettel, auf dem folgendes zu lesen war:


Liebste Mutter! Es wird gerade hell, und ich habe mich zu den Hügeln aufgemacht, um Mr. Quatermain eine Blüte der Lilie zu suchen, die er so sehr mag. Ich habe den weißen Esel mitgenommen. Warte bitte nicht auf mich, ich bin bald wieder da. Das Kindermädchen und ein paar der Boys sind auch mit. Zu essen haben wir auch mitgenommen, da wir vielleicht den ganzen Tag über wegbleiben. Ich bin nämlich entschlossen, die Lilie zu finden, und wenn ich zwanzig Meilen dafür laufen muß.

Flossie


»Hoffentlich macht sie nichts Unvernünftiges«, sagte ich. Mir war gar nicht wohl bei dem Gedanken. »Ich hatte wirklich nicht die Absicht, Flossie wegen der Blume Unannehmlichkeiten zu bereiten.«

»Ach, Flossie kann schon für sich selbst sorgen«, sagte ihre Mutter. »So etwas tut sie oft. Sie ist eben ein echtes Kind der Wildnis.« Mr. Mackenzie jedoch, der in diesem Augenblick hereinkam und den Zettel selbst zum erstenmal las, machte ein ziemlich ernstes Gesicht, auch wenn er nichts sagte.

Nach dem Frühstück nahm ich ihn beiseite und fragte ihn, ob es nicht möglich wäre, jemanden hinter dem Mädchen herzuschicken und es wieder zurück nach Hause zu holen. Ich dachte dabei natürlich noch immer an die Möglichkeit, daß noch Masai in der Gegend waren. Und wenn Flossie in deren Hände geraten sollte, dann wäre das sicherlich nicht ungefährlich.

»Ich fürchte, das hätte keinen Zweck«, sagte er. »Inzwischen kann sie schon fünfzehn Meilen entfernt von hier sein, und es ist unmöglich zu sagen, welchen Weg sie genommen hat. Dort hinten sind die Hügel.« Er deutete auf eine lange Hügelkette, die sich beinahe parallel zum Verlauf des Tanaflusses hinzog und in der Ferne allmählich in eine mit dichtem Buschwerk bewachsene Ebene überging.

Ich schlug vor, auf den großen Baum im Innenhof zu klettern und die Umgebung mit dem Fernglas abzusuchen. Mr. Mackenzie gab noch schnell ein paar seiner Leute Anweisung, Flossies Fährte zu folgen, und dann stiegen wir auf den Baum. Der Aufstieg war trotz der beidseitig befestigten, soliden Strickleiter eine nicht ganz einfach zu bewältigende Aufgabe, zumindest für eine Landratte. Good hingegen kletterte so behende hinauf, als hätte er nie in seinem Leben etwas anderes gemacht.

Als wir die Höhe erreichten, auf der die ersten farnförmigen Äste aus dem Stamm kamen, stiegen wir ohne jede Schwierigkeit auf eine Plattform aus Brettern, die quer über mehrere Äste genagelt waren. Die Plattform bot Platz für mindestens ein Dutzend Leute. Die Aussicht, die sich uns von hier oben bot, war überwältigend. Meilenweit, soweit das Fernglas reichte, wogte der Busch in alle Richtungen wie ein grünes Meer, nur hie und da unterbrochen durch das hellere Grün bebauter Flächen oder durch die glitzernde Oberfläche eines Sees. Im Nordwesten erhob der Mount Kenia sein mächtiges Haupt, und wir konnten fast von seinem Fuße aus den Lauf des Tana verfolgen, der sich wie eine silbern glänzende Schlange durch das Meer von Grün wand, bis er, weit außerhalb unserer Sichtweite, in den Ozean mündete. Es ist ein herrliches Land, und es bedarf nur der Hand des zivilisierten Menschen, um zu einem höchst produktiven zu werden.

Aber soviel wir auch schauten, von Flossie und ihrem weißen Esel war nichts zu sehen, so daß wir schließlich enttäuscht wieder hinunterkletterten. Als ich auf die Veranda kam, traf ich Umslopogaas an, der dort saß und mit langsamen Bewegungen seine Axt schärfte. Er tat dies mit dem kleinen Wetzstein, den er ständig bei sich trug.

»Was tust du, Umslopogaas?« fragte ich ihn.

»Ich rieche Blut«, lautete seine Antwort. Mehr war nicht aus ihm herauszubekommen.

Nach dem Mittagessen stiegen wir wieder auf den Baum und suchten die Umgebung mit einem Fernglas ab, aber auch diesmal ohne Erfolg. Als wir wieder unten waren, war Umslopogaas noch immer damit beschäftigt, Inkosi-kaas zu schärfen, obwohl sie schon eine Klinge wie ein Rasiermesser hatte. Vor ihm stand Alphonse und beäugte ihn mit einer Mischung aus Furcht und Faszination. Umslopogaas bot in der Tat einen furchterregenden Anblick: Er hockte da, in der Manier der Zulus, die Beine über Kreuz, schaute mit drohenden Augen aus seinem wilden und dennoch intelligenten Gesicht und schärfte ohne Unterlaß seine mörderische Axt.

»Oh, das Ungeheuer, der schrecklichste Mann!« rief der kleine französische Koch, wobei er in höchster Verwunderung die Arme hob. »Sehen Sie nur das Loch in seinem Kopf! Die 'aut darauf schägt auf und ab wie die von eine kleine Bebe! Aber wer würde schon so eine Bebe auf den Schoß nehmen?« Bei diesem Gedanken fing er laut prustend an zu lachen.

Umslopogaas schaute von seiner Beschäftigung auf, und ein drohender Glanz trat in seine Augen.

»Was sagt die kleine >Büffelkuh

Zu seinem Unglück jedoch lachte Alphonse, der inzwischen seine Furcht überwunden zu haben schien, immer lauter über »ce drole d'un monsieur noir«. Gerade wollte ich ihm die Warnung zurufen, daß er besser damit aufhören solle, als plötzlich der riesige Zulu mit einem gewaltigen Satz von der Veranda sprang und vor Alphonse landete. In seinen Augen leuchtete eine Art bösartiger Begeisterung. Er begann, seine Axt im Kreise dicht über dem Kopf des Franzosen wirbeln zu lassen.

»Bewegen Sie sich nicht!« rief ich. »Bleiben Sie ganz still stehen, wenn Ihnen Ihr Leben lieb ist. Er wird Ihnen nichts tun.« Ich bezweifle, daß Alphonse mich überhaupt hörte. Zu seinem Glück schien der Schreck ihn fast versteinert zu haben, so daß er sich auch ohne meine Warnung nicht vom Fleck rührte.

Was dann folgte, war die außergewöhnlichste Darbietung mit dem Schwert, oder besser, mit der Axt, die ich jemals gesehen habe. Zuerst kreiste die Axt über Alphonses Kopf, mit einem scharfen Pfeifton und einer so immensen Geschwindigkeit, daß die Schneide aussah wie ein durchgehendes Band aus blitzendem Stahl. Der wirbelnde Kreis kam immer näher an den Kopf des unglückseligen Alphonse, bis er schließlich wie eine Sense durch den Haarschopf des Kochs fuhr. Plötzlich änderte der singende Kreis seine Richtung, und nun flog die Schneide buchstäblich am Körper des Franzosen entlang, immer auf und ab, nie mehr als ein Achtelzoll von den Gliedmaßen entfernt, ohne sie jedoch auch nur zu streifen. Es war ein faszinierender Anblick: Der kleine Mann, dem offenbar klar geworden war, daß er sich nicht bewegen durfte, ohne einen raschen Tod zu riskieren, stand zur Salzsäure erstarrt da, während sein schwarzer Peiniger sich drohend über ihm erhoben hatte und ihn mit den stählernen Blitzen seiner Axt gleichsam einwickelte. Dies ging so länger als eine Minute, bis ich plötzlich das pfeifende Ungeheuer seitlich am Kopf des Franzosen vorbeihuschen sah. Es folgte ein bogenförmiger Schwung nach außen, und dann blieb die Schneide abrupt hoch erhoben in der Luft stehen. Ein schwarzes, buschiges Etwas fiel im selben Moment zu Boden; es war eine der hochgezwirbelten Bartspitzen des kleinen Franzosen.

Umslopogaas lehnte sich auf den Stiel von Inkosi-kaas und brach in ein langanhaltendes, dröhnendes Lachen aus. Alphonse sank, überwältigt und ermattet vor Furcht, auf die Knie, während wir wie gebannt dastanden, noch immer gefangen in atemloser Faszination über diese Lehrstunde nahezu übermenschlicher Meisterschaft in der Handhabung einer Waffe. »Inkosi-kaas ist scharf genug!« rief Umslopogaas. »Der Hieb, der der Büffelkuh das eine Horn abschnitt, hätte ausgereicht, den Schädel eines Mannes vom Scheitel bis zum Kinn zu spalten. Nur wenige hätten ihn so führen können wie ich; und keiner hätte ihn außer mir so führen können, daß er nicht auch die Schulter mit abgehackt hätte. Sieh her, du kleines Kalb! Glaubst du noch immer, daß man ungestraft über mich lachen kann? Nur um Haaresbreite bist du dem Tode entronnen. Lache nicht noch einmal, sonst wird diese Haaresbreite schwinden! Ich habe gesprochen!«

»Was soll diese Narretei?« rief ich Umslopogaas empört zu. »Bist du verrückt geworden? Zwanzigmal warst du nahe daran, den Mann zu töten!«

»Und doch habe ich ihn nicht getötet, Macumazahn. Dreimal erschien in mir, als Inkosi-kaas noch über ihm kreiste, das Begehren, ihm ein Ende zu bereiten und sie ihm mit lautem Krachen durch den Schädel fahren zu lassen. Und doch tat ich es nicht. Nein, es war nur ein Scherz. Aber sag der >Kuh<, daß es nicht gut ist, einen wie mich zu verspotten. Und nun gehe ich mir einen Schild machen, Macumazahn, denn ich rieche Blut; fürwahr, ich rieche Blut. Hast du nie gesehen, wenn vor der Schlacht plötzlich die Geier am Himmel erscheinen? Sie riechen das Blut, Macumazahn, und meine Nase ist feiner als ihre. Dort hinten ist eine getrocknete Ochsenhaut; daraus werde ich mir einen Schild machen.«

»Da haben Sie aber einen ungemütlichen Gefolgsmann bei sich«, sagte Mr. Mackenzie, der Zeuge dieser außergewöhnlichen Szene gewesen war. »Er hat Alphonse zu Tode erschreckt; schauen Sie doch nur!« Er machte eine Geste in die Richtung des kleinen Franzosen, der sich wieder aufgerappelt hatte und mit kalkweißem Gesicht und zitternden Knien ins Haus wankte. »Ich glaube kaum, daß er noch einmal seine Späße mit >le monsieur noir< treiben wird.«

»Ja«, antwortete ich, »mit Umslopogaas ist nicht gut Kirschen essen. Wenn man ihn reizt, dann ist er wie ein Rasender; und doch hat er auf seine Weise ein weiches Herz. Ich erinnere mich noch, wie er vor Jahren mal wochenlang ein krankes Kind gesundpflegte. Er ist schon ein eigenartiger Mensch, aber er ist treu wie Gold und eine ehrliche Haut, und wenn Gefahr droht, dann ist er eine Stütze von unschätzbarem Wert.«

»Er sagt, er rieche Blut«, fuhr Mr. Mackenzie fort. »Ich will nur hoffen, daß er nicht recht behält. Ich beginne mir langsam große Sorgen wegen meiner Tochter zu machen. Sie muß sehr weit gegangen sein, sonst wäre sie schon längst wieder hier. Es ist schon halb vier.«

Ich erinnerte ihn daran, daß Flossie doch Proviant mitgenommen hatte und auch, wenn alles glatt abliefe, nicht vor Einbruch der Dunkelheit zu erwarten sei. Dabei machte ich mir längst selber große Sorgen und fürchtete, daß der Missionar nicht merken würde, wie wenig ich von dem, was ich gesagt hatte, überzeugt war.

Kurz darauf kehrten die Männer zurück, die Mr. Mackenzie ausgesandt hatte, um nach Flossie zu suchen. Sie hatten wohl die Fährte des Esels ein paar Meilen verfolgen können, hatten sie dann jedoch auf steinigem Boden verloren und nicht wiederfinden können. Daraufhin hatten sie die ganze Umgebung der Stelle, an der die Spur aufhörte, durchkämmt, jedoch ohne Erfolg.

Der Nachmittag schleppte sich träge dahin; die Stimmung war sehr gedrückt. Als allmählich die Abenddämmerung hereinbrach und von Flossie noch immer kein Lebenszeichen gekommen war, wuchs die Besorgnis fast ins Unerträgliche. Die arme Mutter schien von ihrer Furcht arg mitgenommen und machte einen äußerst niedergeschlagenen Eindruck. Der Vater indessen behielt einen bewundernswert kühlen Kopf. Alles, was getan werden konnte, wurde auch getan. In alle Himmelsrichtungen wurden erneut Späher ausgesandt; Schüsse wurden abgefeuert und der Ausguck auf dem großen Baum wurde nun ständig besetzt gehalten. Aber auch diese Maßnahmen fruchteten nichts.

Die Nacht kam, und von der kleinen blonden Flossie war nach wie vor nichts zu sehen.

Um acht Uhr aßen wir zu Abend. Es war ein trauriges Mahl, Mrs. Mackenzie war gar nicht bei Tisch erschienen. Wir drei schwiegen die ganze Zeit über; denn abgesehen von unserer natürlichen Sorge um das Verbleiben der kleinen Flossie lastete schwer das Gefühl auf uns, daß wir es waren, die unseren freundlichen Gastgeber in diese traurige Lage gebracht hatten. Kurz bevor das Essen beendet war, stand ich auf, entschuldigte mich und verließ die Tafel. Ich wollte nach draußen und die Situation überdenken. Ich ging auf die Veranda, zündete meine Pfeife an und setzte mich auf einen Stuhl, der etwa zwölf Fuß von der rechten Seite des Gebäudekomplexes entfernt stand, das heißt - der aufmerksame Leser wird sich gewiß daran erinnern - genau gegenüber einer der engen Türen des Schutzwalles, der das Haus und den Blumengarten umschloß. Ich hatte etwa sechs oder sieben Minuten dort gesessen, als ich glaubte, das Geräusch einer sich öffnenden oder schließenden Tür wahrzunehmen. Ich schaute angestrengt in die Richtung der Tür und horchte, aber da sich nichts tat, war ich ziemlich sicher, mich getäuscht zu haben. Es war stockfinster; der Mond war noch nicht aufgegangen.

Eine Minute war verstrichen, als plötzlich etwas Rundes mit einem weichen, dumpfen Aufschlag auf den Steinfußboden der Veranda fiel und an mir vorbeikullerte.

Ich blieb einen Moment lang regungslos sitzen und überlegte, was das Ding sein konnte. Ich kam schließlich zu dem Ergebnis, daß es sich um ein Tier handeln müsse. Da schoß mir mit einem Mal ein ganz anderer Gedanke durch den Kopf, und ich sprang mit einem Satz auf. Das runde Ding lag nur ein paar Schritte von mir entfernt regungslos auf dem Boden. Ich streckte meine Hand danach aus; es rührte sich nicht. Ein Tier war es also ganz eindeutig nicht. Ich berührte es vorsichtig mit der Hand. Es fühlte sich weich und warm an. Hastig hob ich es hoch und hielt es gegen das matte Licht der Sterne.

Es war ein frisch abgetrennter Menschenkopf!

Ich bin ein alter Haudegen und nicht mehr so leicht aus der Fassung zu bringen, aber ich gestehe freimütig, daß mir übel wurde beim Anblick dieses grausigen Fundes. Wie war der Kopf hierhergelangt? Wes-sen Kopf war es? Ich legte ihn wieder auf den Boden und rannte zu der schmalen Tür. Nichts zu hören, niemand zu sehen. Ich wollte schon in die Dunkelheit außerhalb des Schutzwalles hinausgehen, als mir bewußt wurde, daß ich damit riskierte, erstochen zu werden. Ich trat also wieder zurück in den Schutz der Mauer, zog die Tür zu und verriegelte sie. Dann ging ich zurück auf die Veranda und rief mit so ruhiger Stimme, wie ich konnte, Curtis. Anscheinend hatte mich dennoch der Klang meiner Stimme verraten, denn nicht nur Sir Henry kam aufgeregt herausgelaufen, sondern auch Good und Mackenzie hatten sich vom Tisch erhoben und kamen auf die Veranda.

»Was ist passiert?« rief der Geistliche mit nervöser Stimme.

Es blieb mir keine Wahl; ich mußte ihnen alles erzählen.

Mr. Mackenzie wurde unter seiner rosigen Gesichtshaut totenbleich. Wir standen unmittelbar neben der Flurtür, und in dem daraus fallenden Licht konnte ich alles recht gut erkennen. Mackenzie ergriff den Kopf bei den Haaren und hielt ihn ins Licht.

»Es ist der Kopf von einem der Männer, die Flossie begleitet haben«, brachte er keuchend hervor.

Wir standen wie angewurzelt da und starrten uns gegenseitig entsetzt an. Was sollten wir nun tun?

Im selben Moment klopfte es an der Tür, die ich gerade noch verriegelt hatte, und eine ängstliche Stimme rief: »Öffne, mein Vater, öffne!«

Die Tür wurde aufgeschlossen, und herein stürzte ein zu Tode verängstigter Mann. Es war einer der Späher, die Mackenzie ausgesandt hatte.

»Mein Vater«, schrie er, »die Masai sind hinter uns her! Ich sah eine riesige Anzahl von ihnen um den Hügel herumkommen. Sie sind auf dem Weg zu dem alten steinernen Kraal unten an dem kleinen Fluß. Mein Vater, mache dein Herz stark! Mitten unter ihnen sah ich den weißen Esel, und auf ihm ritt die Wasserrose (Flossie). Ein Elmoran führte den Esel und neben ihm ging weinend das Kindermädchen. Die Männer, die am Morgen mit ihr gegangen sind, konnte ich nicht erkennen.«

»Lebte das Kind?« fragte Mackenzie mit heiserer Stimme.

»Sie war weiß wie der Schnee, mein Vater, aber wohlbehalten. Sie kamen ganz dicht an mir vorbei, und als ich von meinem Versteck aufblickte, sah ich ganz deutlich ihr Gesicht im Licht der Sterne.«

»Gott stehe ihr und uns bei!« brachte der Geistliche mit einem Stöhnen hervor.

»Zu wie vielen sind sie?« wollte ich wissen.

»Mehr als zweihundert - zweihundert und ein halbes Hundert.«

Wieder warfen wir uns einen Blick zu. Was sollten wir in dieser Lage tun? Ein lautes, forderndes Rufen an der Tür schreckte uns aus unseren Gedanken auf.

»Öffne die Tür, weißer Mann; öffne die Tür! Hier ist ein Bote - ein Bote, der mit dir sprechen will.«

Umslopogaas rannte zur Mauer, hielt sich mit seinen langen Armen an der Krone fest, zog sich ein Stück hoch und schaute über die Mauer hinweg nach draußen.

»Ich sehe nur einen einzelnen Mann«, meldete er. »Er ist bewaffnet und trägt einen Korb bei sich.«

»Öffne die Tür!« rief ich ihm zu. »Nimm deine Axt, stell dich neben den Eingang und laß den Mann herein. Sollte noch ein weiterer folgen, dann töte ihn.«

Der Zulu öffnete die Tür. Rasch stellte er sich in den Schatten der Mauer und hob seine Axt, bereit, sofort zuzuschlagen. Just in diesem Augenblick ging der Mond auf. Ein paar Sekunden warteten wir gespannt, und dann kam ein Masai Elmoran zur Tür hereinstolziert. Er trug den vollen Kriegsschmuck, wie ich ihn schon beschrieben habe. Bei sich hatte er einen großen Korb. Die Spitze seines Speers blitzte hell im Mondlicht auf, während er auf uns zuging. Er war von athletischer Statur. Sein Alter schätzte ich auf etwa fünfunddreißig Jahre. Tatsächlich schien keiner der Masai, die ich bisher gesehen hatte, kleiner als sechs Fuß zu sein, obwohl die meisten von ihnen noch ziemlich jung waren. Der Masai blieb vor uns stehen, setzte den Korb ab und rammte seinen Speer in den Boden, so daß er aufrecht stand.

»Laßt uns sprechen«, sagte er. »Der erste Bote, den wir zu euch sandten, konnte nicht sprechen.« Er zeigte auf den Kopf, der auf dem Steinfußboden lag. Nun, da der Mond auf ihn schien, gab er einen grausigen Anblick ab. »Aber ich habe Worte zu sagen, wenn ihr Ohren habt, sie zu hören. Auch Geschenke habe ich mitgebracht« - er wies auf den Korb, der auf der Erde stand, und stieß ein solch unverschämtes Lachen aus, wie man es kaum beschreiben kann, aber welches man doch bewundern mußte, wenn man bedachte, daß er sich praktisch in der Höhle des Löwen befand.

»Sprich weiter!« sagte Mr. Mackenzie.

»Ich bin der >Lygonani< (Kriegshauptmann) einer Abteilung der Masai vom Guasa Amboni. Ich verfolgte mit meinen Männern diese drei weißen Män-ner« - er deutete auf Sir Henry, Good und mich -, »aber sie waren zu schlau für uns und konnten hierher fliehen. Wir haben mit ihnen einen Streit auszufechten und werden sie töten.«

»Werdet ihr das wirklich, mein Freund?« sagte ich mehr zu mir selbst.

»Als wir diese Männer verfolgten, fingen wir heute morgen zwei schwarze Männer, eine schwarze Frau, einen weißen Esel und ein weißes Mädchen. Einen der schwarzen Männer töteten wir - sein Kopf liegt dort auf dem Boden. Der andere konnte uns entkommen. Die schwarze Frau, das kleine weiße Mädchen und den weißen Esel nahmen wir mit. Als Beweis für das, was ich sage, habe ich diesen Korb mitgebracht. Das weiße Mädchen trug ihn bei sich. Ist es nicht der Korb deiner Tochter?«

Mr. Mackenzie nickte. Der Krieger fuhr fort: »Gut! Mit dir und deiner Tochter haben wir keinen Streit, wir wollen auch nichts von euch - nur dein Vieh. Wir haben es schon eingefangen - zweihundertvierzig Köpfe - ein Tier für den Vater eines jeden Kriegers.«

Mr. Mackenzie seufzte tief; seine Viehherde bedeutete ihm sehr viel. Er hatte sie mit Sorgfalt und unter großen Mühen herangezogen.

»So. Außer daß wir dein Vieh nehmen, wird nichts geschehen, aber nur ...«, fügte er freimütig hinzu, wobei er einen Blick auf die Mauer warf, »weil dieser Platz zu schwer einzunehmen ist. Aber mit diesen Männern ist es etwas anderes! Tage und Nächte haben wir sie verfolgt; wir müssen sie töten. Wenn wir unverrichteter Dinge zu unserem Kraal zurückkehren, dann werden alle Mädchen uns verspotten und verhöhnen. So lästig es auch sein mag; sie müssen sterben.

Nun habe ich einen Vorschlag für dich. Wir möchten nicht gerne das kleine Mädchen töten; es ist zu hübsch, um ihm ein Leid zuzufügen. Auch ist es sehr tapfer. Gib uns einen dieser drei Männer - Leben gegen Leben -, und wir werden sie freilassen, dazu noch die schwarze Frau. Dies ist ein großzügiges Angebot, weißer Mann. Wir wollen nur einen, nicht alle drei. Wir werden eine andere Gelegenheit abwarten, bis wir auch die anderen beiden töten können. Ich suche mir nicht einmal den Mann heraus, der mir am besten gefallen würde - nämlich der Große dort« - er zeigte auf Sir Henry -, »er sieht sehr kräftig aus und würde nicht so schnell sterben.«

»Und wenn ich sage, ich liefere den Mann nicht aus?« fragte Mr. Mackenzie.

»Tu das nicht, weißer Mann!« erwiderte der Masai. »Denn in diesem Fall wird deine Tochter sterben, sobald der Morgen graut. Die Frau, die bei ihr ist, sagt, du hättest keine anderen Kinder. Wenn sie älter wäre, dann würde ich sie als Sklavin nehmen; da sie aber noch so jung ist, werde ich sie mit meinen eigenen Händen töten - mit diesem Speer. Wenn du willst, kannst du Zeuge ihrer Hinrichtung werden. Ich gebe dir freies Geleit dazu.« Dann lachte der Schurke aus vollem Halse über seinen brutalen Scherz.

In der Zwischenzeit hatte ich fieberhaft nachgedacht, wie man es häufig in Notsituationen tut. Ich war entschlossen, mich selbst gegen Flossie austauschen zu lassen. Ich wage kaum, das zu erwähnen, aus lauter Furcht, man könnte mich mißverstehen. Daß um Himmels willen bei keinem der Gedanke aufkomme, daran sei irgend etwas Heroisches oder sonst so ein Unsinn. Es war lediglich eine Frage des gesunden Menschenverstandes und zudem ein Gebot der Gerechtigkeit, die mich dazu verleiteten, mich als Tauschobjekt anzubieten. Mein Leben war alt und wertlos, ihres hingegen war jung und voller Zukunft. Ihren Tod hätten sowohl ihr Vater als auch ihre Mutter kaum verwinden können; mein Tod hingegen hätte bei niemandem eine sonderlich große Lücke hinterlassen; im Gegenteil - gewisse wohltätige Institutionen hätten allen Grund gehabt, sich darüber zu freuen. Außerdem trug indirekt ich die Schuld daran, daß das liebe kleine Mädchen in diese schlimme Situation geraten war. Und nicht zuletzt war ich der Meinung, daß ein Mann weit besser dafür gewappnet war, dem Tode in einer so schrecklichen Gestalt zu begegnen, als ein kleines Kind. Das heißt nicht, daß ich beabsichtigte, mich von diesen Bestien langsam und grauenvoll zu Tode martern zu lassen -dazu steckt viel zuviel von einem Feigling in mir; denn von Natur aus bin ich ein sehr furchtsamer Mensch. Mein Plan war, mich nach dem geglückten Austausch, wenn das Mädchen in Sicherheit war, sofort zu erschießen. Ich bin sicher, daß der Allmächtige die besonderen Umstände des Falles in Betracht gezogen und mir den Selbstmord verziehen hätte. All dies und vieles andere schoß mir innerhalb von nur ein paar Sekunden durch den Kopf.

»Hören Sie, Mackenzie«, rief ich. »Sagen Sie dem Mann, daß ich mich für Flossie austauschen lassen will. Die einzige Bedingung, die ich stelle, ist die, daß sie mich erst dann töten, wenn Flossie unversehrt hier im Haus angelangt ist.«

»Was?« entfuhr es Sir Henry und Good gleichzeitig. »Das läßt du schön bleiben!«

»Nein, nein«, mischte sich Mr. Mackenzie ein, »ich werde um keinen Preis meine Hände mit dem Blut eines Menschen besudeln. Wenn es Gottes Entscheidung ist, daß meine Tochter diesen schrecklichen Tod erleidet, so soll Sein Wille geschehen. Sie sind ein tapferer Mann, Quatermain (was auf keinen Fall stimmt), und ein edelgesinnter dazu, aber ich werde nicht zulassen, daß Sie in den Tod gehen.«

»Wenn sich keine andere Lösung finden läßt, dann werde ich gehen!« sagte ich in einem Ton, der keinen Widerspruch zuließ.

»Diese Angelegenheit ist zu wichtig, als daß wir sie auf der Stelle entscheiden könnten«, sagte Mackenzie, an den Elmoran gewandt. »Wir müssen die Sache erst überdenken. Du wirst unsere Antwort noch vor dem Morgengrauen erhalten.«

»Wie du willst, weißer Mann«, sagte der Wilde in gleichgültigem Ton. »Aber vergiß nicht: Wenn deine Antwort zu spät eintrifft, dann wird die kleine weiße Knospe niemals zu einer Blume heranwachsen. Denn hiermit werde ich die Knospe abschneiden.« Bei diesen Worten faßte er an den Speer, der neben ihm im Boden steckte. »Wenn ich nicht genau wüßte, daß deine Männer nicht hier sind, würde ich glauben, daß du uns hereinlegen und in der Nacht angreifen willst. Aber ich weiß von der Frau, die bei dem Mädchen ist, daß alle deine Männer bis auf zwanzig unten an der Küste sind. Es ist nicht klug, weißer Mann«, fügte er mit einem höhnischen Lachen hinzu, »für deinen >Boma< (Kraal) nur eine so kleine Besatzung zu haben. Ich wünsche dir eine gute Nacht, weißer Mann, und auch euch, ihr anderen weißen Männer, deren Augen ich bald für immer schließen werde, wünsche ich eine gute Nacht. Beim Morgengrauen erwarte ich eure Antwort. Wenn nicht, dann wird alles so geschehen, wie ich es gesagt habe; vergeßt das nicht.« Dann wandte er sich Umslopogaas zu, der die ganze Zeit hinter ihm gestanden und ihn beäugt hatte. »Öffne mir die Tür, Bursche, aber schnell!«

Das war zuviel für den Geduldsfaden des alten Häuptlings. Während der letzten zehn Minuten hatte es ihm schon gewaltig in den Fingern gejuckt, und bei dem Gedanken, es dem Masai Lygonani zu geben, war ihm buchstäblich das Wasser im Munde zusammengelaufen. Und jetzt das - da war das Maß voll. Er legte seine große Hand auf die Schulter des Elmorans und drehte den Masai so zu sich herum, daß sie sich Auge in Auge gegenüberstanden. Dann schob er sein wutverzerrtes Gesicht ganz nahe an die höhnisch grinsende, bösartige federumrahmte Fratze des Masai und knurrte leise:

»Siehst du mich?«

»Ja, Bursche, ich sehe dich.«

»Und siehst du das hier?« Bei diesen Worten hielt er ihm Inkosi-kaas ganz dicht vor das Gesicht.

»Ja, Bursche, auch dein Spielzeug sehe ich; und was ist damit?«

»Du räudiger Hund von einem Masai, du jämmerlicher, prahlerischer Windbeutel, du elende Memme, die sich an kleinen Kindern vergreift, mit diesem >Spielzeug< werde ich dir deine Gliedmaßen der Reihe nach abhacken. Sei froh, daß du als Bote hier bist, sonst würde ich hier, auf der Stelle, deine stinkenden Glieder über das Gras verstreuen.«

Der Masai schüttelte seinen großen Speer und lachte laut und ausgiebig. »Ich wünschte, wir könnten uns Mann gegen Mann gegenüberstehen. Dann würden wir ja sehen.« Dann wandte er sich ab und ging, immer noch lachend, auf die Tür zu.

»Du wirst mir noch früh genug Mann gegen Mann gegenüberstehen, hab keine Angst«, erwiderte Ums-lopogaas, immer noch in demselben drohenden Tonfall. »Du wirst mir Auge in Auge gegenüberstehen, mir, Umslopogaas, vom Blute des Chaka, aus dem Volke der Amazulu, Hauptmann im Regiment der Nkomabakosi! Du wirst mir gegenüberstehen wie schon so viele vor dir, und du wirst dich Inkosi-kaas beugen, wie ebenfalls schon viele vor dir. Ja, lache nur weiter! In der übernächsten Nacht werden die Schakale lachen, wenn sie dir mit ihren Zähnen das Fleisch von den Rippen reißen!«

Als der Lygonani fort war, hatte einer von uns die Idee, den Korb zu öffnen, den er als Beweis dafür mitgebracht hatte, daß Flossie sich in seiner Hand befand. Als wir den Deckel hoben, fanden wir ein wunderschönes, vollständiges Exemplar der Goyalilie, die ich ja schon ausführlich beschrieben habe. Sie war voll aufgeblüht und gänzlich unversehrt. Darunter lag eine Botschaft in Flossies kindlicher Handschrift. Sie war mit Bleistift auf einen Fetzen fettiges Papier geschrieben, in das der Proviant eingepackt gewesen war:


Liebste Eltern! lautete die Anrede. Die Masai haben uns gefangen, als wir mit der Lilie auf dem Heimweg waren. Ich versuchte ihnen zu entkommen, aber es ist mir nicht gelungen. Sie haben Tom umgebracht; der andere Mann ist fortgelaufen. Dem Kindermädchen und mir haben sie nichts getan, aber sie sagen, sie wollen uns gegen einen von Mr. Quatermains Begleitern eintauschen. Das will ich auf keinen Fall! Laßt nicht zu, daß irgend jemand sein Leben für meines opfert. Versucht, sie während der Nacht anzugreifen. Sie wollen drei der Ochsen, die sie gestohlen haben, schlachten und damit ein Festmahl abhalten. Ich habe ja meine Pistole, und wenn bis zum Morgengrauen keine Hilfe gekommen ist, werde ich mich erschießen. Sie sollen mich nicht töten! Wenn ich sterben sollte, dann vergeßt mich nie, liebste Eltern. Ich habe schreckliche Angst, aber ich vertraue auf Gott. Ich wage nicht, noch mehr zu schreiben, weil sie anfangen, es zu merken. Lebt wohl.

Flossie


Quer über die Rückseite war gekritzelt: Liebe Grüße an Mr. Quatermain. Sie werden den Korb zu euch bringen, und er wird die Lilie bekommen.

Als ich diese Zeilen las, die jenes kleine, tapfere Mädchen in einer Lage geschrieben hatte, die schrecklich und aussichtslos genug gewesen wäre, selbst einen starken Mann in tiefste Verzweiflung sinken zu lassen, da traten mir Tränen in die Augen, und in meinem Innersten schwor ich, sie nicht dem Tode auszuliefern, wenn mein Leben doch reichen sollte, sie zu retten.

Unmittelbar nachdem wir die Nachricht gelesen hatten, begannen wir eifrig und leidenschaftlich, ja heftig, über die Situation zu diskutieren. Wieder sagte ich, daß ich gehen würde, und wieder lehnte Mak-kenzie es strikt ab, und Curtis und Good legten als die wahrhaft treuen Männer, die sie sind, feierlich das Versprechen ab, mitzugehen, wenn ich wirklich gehen sollte, und Seite an Seite mit mir zu sterben.

»Jedenfalls«, sagte ich schließlich, »müssen wir unbedingt noch vor der Morgendämmerung etwas unternehmen.«

»Dann laßt uns unsere Chance wahrnehmen und sie mit allen verfügbaren Leuten angreifen!« schlug Sir Henry vor.

»Ja, das ist gut!« knurrte Umslopogaas auf Zulu. »Du hast gesprochen wie ein Mann, Incubu. Wovor sollen wir uns fürchten? Zweihundertfünfzig Masai, fürwahr! Wie viele sind wir? Der Häuptling dort« - er deutete auf Mr. Mackenzie - »hat zwanzig Mann. Du, Macumazahn, hast fünf Männer, und dazu kommen fünf weiße Männer. Das sind insgesamt dreißig Mann - wahrlich genug. Höre, Macumazahn, der du schlau und erfahren im Kriege bist. Was sagt das Mädchen? Diese Männer essen und feiern; so soll es denn ihr Totenmahl sein! Was sagte der Hund, den ich beim Morgengrauen in Stücke zu hauen gedenke? Daß er keinen Angriff befürchte, weil wir so wenige seien. Kennst du den alten Kraal, in dem die Masai ihr Lager aufgeschlagen haben? Ich habe ihn heute morgen gesehen; er sieht so aus«; er beschrieb mit dem Finger ein Oval auf dem Fußboden. »Hier ist der große Eingang. Er ist angefüllt mit Dornengestrüpp und öffnet sich zu einer steilen Anhöhe hin. Nun, Incubu, du und ich, wir werden ihn mit Äxten gegen hundert Mann halten, die versuchen, auszubrechen! Nun seht; so soll die Schlacht gehen: Wenn das Licht auf den Hörnern der Ochsen zu schimmern beginnt - nicht vorher, sonst ist es zu dunkel, und nicht später, sonst wachen sie auf und erblicken uns -, soll Bougwan mit zehn Männern um den Kraal herumkriechen bis zu der Stelle am anderen Ende des Kraals, wo der schmale Eingang ist. Dort töten sie lautlos den Wachtposten, so daß er keinen Laut von sich gibt, und halten sich bereit. Dann kriechen Incubu, ich und einer der Askari - der mit der breiten Brust, er ist ein tapferer Mann - zu dem breiten Eingang, der mit Dornenbüschen gefüllt ist, und töten auch dort den Wachtposten, und dann beziehen wir, mit Streitäxten bewaffnet, unsere Stellung - jeder an einer Seite des Pfades, der zum Eingang führt, und der dritte ein paar Schritte vom Eingang entfernt, um die zu töten, die es schaffen, an den beiden am Tor vorbeizukommen. An der Stelle wird der größte Ansturm kommen. Es bleiben sechzehn Mann übrig. Laßt uns diese Männer in zwei Gruppen aufteilen. Mit einer davon sollst du gehen, Macumazahn, und mit einer der >Betmann< (Mr. Mackenzie). Sie sollen, mit Gewehren bewaffnet, auf die Seiten des Kraals gehen; eine Gruppe zur Rechten und eine zur Linken. Und wenn du, Macumazahn, wie ein Ochse brüllst, dann sollen alle aus ihren Gewehren das Feuer auf die schlafenden Masai eröffnen; sie müssen dabei aufpassen, daß sie nicht das kleine Mädchen treffen. Dann soll Bougwan am anderen Ende des Kraals seinen Kriegsschrei ausstoßen, über die Mauer springen und mit seinen zehn Männern die Masai zum Zweikampf stellen. Und es wird so sein, daß die Soldaten, benommen von der Speise und dem Schlaf, verwirrt vom Feuer der Gewehre, vom Fallen der Männer und von den Speeren Bougwans, aufspringen und wie gehetztes Wild auf den dornenbewehrten Eingang zustürzen. Und dann werden von beiden Seiten die Kugeln in sie hineinfahren, und am Eingang stehen Incubu und ich und warten auf jene, die den Feuerhagel überstanden haben und zum Eingang gelangt sind. Das ist mein Plan, Macumazahn; wenn du einen besseren hast, dann nenne ihn!«

Als er mit der Darlegung seines Plans fertig war, erklärte ich den anderen die Einzelheiten desselben, die sie nicht ganz verstanden hatten. Und einhellig und vorbehaltlos teilten sie meine Bewunderung für diesen klugen, wohldurchdachten Plan, den der alte Zulu da ausgeheckt hatte. Auf seine Art war Umslopogaas sicherlich der vortrefflichste General, den ich je kennengelernt habe. Nach einer kurzen Debatte entschlossen wir uns, den Plan, so wie er stand, zu akzeptieren, da er unter diesen Umständen das einzig Mögliche war und - angesichts der Tatsache, daß wir eigentlich auf verlorenem Posten standen - wenigstens ein Fünkchen Hoffnung auf Erfolg in uns weckte. Eine Hoffnung, die uns in Anbetracht der gewaltigen Übermacht und der Grausamkeit unserer Widersacher ohnehin nur theoretisch zu sein schien.

»Du alter Löwe«, sagte ich anerkennend zu Umslopogaas, »du verstehst es ebenso, zu beißen, wie auf der Lauer zu liegen. Du weißt genau, wann man zupacken und wann man warten muß.«

»Ja, ja, Macumazahn«, gab er zur Antwort. »Seit dreißig Jahren bin ich Krieger, und ich habe vieles erlebt. Es wird ein großer Kampf werden. Ich rieche Blut - ich sage dir, ich rieche Blut.«

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