Kapitel 13

»Er kommt gleich«, rief die Frau am Empfang Simon und Kari zu, die auf einem Ledersofa unter einem gigantischen Gemälde warteten, das wohl einen Sonnenuntergang darstellen sollte.

»Das hat sie vor zehn Minuten auch schon mal gesagt«, flüsterte Kari.

»Allein Gott bestimmt, wie spät es im Himmel ist«, sagte Simon und schob sich Snus unter die Oberlippe. »Was, glauben Sie, kostet so ein Bild? Und warum hängt das gerade hier?«

»Der Einkauf von Bildern für öffentliche Einrichtungen ist nichts anderes als eine versteckte Subvention der nationalen Kunstszene in all ihrer Mittelmäßigkeit«, sagte Kari. »Den Einkäufern ist es in der Regel egal, was an den Wänden hängt, Haupt­sache, es passt zu Möbeln und Budget.«

Simon sah sie von der Seite an. »Hat Ihnen schon mal jemand gesagt, dass Sie sich hin und wieder anhören, als würden Sie Zitate aufsagen, die Sie zu Hause auswendig gelernt haben?«

Kari lächelte schief. »Und Snus ist nur ein schlechter Ersatz für Zigaretten. Ebenso gesundheitsgefährdend. Ich nehme mal an, dass Sie das Ihrer Frau zuliebe tun, weil auch ihre Kleider irgendwann nach Qualm gestunken haben?«

Simon schüttelte amüsiert den Kopf. Diesen modernen Humor verstand er wirklich nicht. »Guter Versuch, aber nein. Sie hat mich gebeten aufzuhören, weil sie mich so lange wie möglich bei sich haben will. Sie weiß gar nicht, dass ich Snus nehme. Ich habe die Dosen im Büro.«

»Lass Sie rein, Anne«, donnerte eine Stimme.

Simon sah hoch. Hinter der Schleuse stand ein Mann in Uniform und mit einer Mütze, die sogar dem weißrussischen Präsidenten gefallen hätte. Er trommelte mit den Fingern ungeduldig gegen die Stahltür.

Simon stand auf.

»Mal sehen, ob wir die anschließend auch wieder rauslassen«, sagte Arild Franck.

Die Frau am Empfang verdrehte die Augen. Diesen Witz hatte sie offenbar schon häufiger gehört.

»Nun, wie fühlt es sich an, wieder ganz unten in der Gosse zu sein?«, fragte Franck, als er sie durch die Schleuse und zur Treppe führte. »Sie sind doch im Dezernat für Wirtschaftskriminalität, ach nee, wie dumm von mir, da sind Sie ja gefeuert worden.«

Simon versuchte nicht einmal, über diese wohlüberlegte Be­leidigung zu lachen. »Wir sind wegen Per Vollan hier.«

»Habe ich gehört. Ich dachte, der Fall ist abgeschlossen.«

»Wir schließen keine Fälle ab, bei denen es noch offene Fragen gibt.«

»Irgendwelche neuen Erkenntnisse?«

Simon verzog den Mund und deutete so ein Lächeln an. »Per Vollan war noch am Tag seines Todes hier und hat mit Häftlingen gesprochen, ist das richtig?«

Franck öffnete die Tür seines Büros. »Vollan war Gefängnispastor, ich gehe davon aus, dass er seinen Job gemacht hat, ja. Ich kann im Besuchsprotokoll nachsehen, wenn Sie wollen.«

»Ja, danke. Und dann wüssten wir auch gerne, mit wem er gesprochen hat.«

»Ich habe leider keine Übersicht darüber, mit wem er alles spricht. Dokumentiert werden nur die offiziellen Termine.«

»Wir wissen auf jeden Fall von einem, mit dem er an diesem Tag Kontakt hatte«, sagte Kari.

»Ach ja?« Franck nahm hinter dem Schreibtisch Platz, der ihn seine ganze Karriere über begleitet hatte. Es gab keinen Grund, öffentliche Mittel zu verschwenden. »Junge Frau, Sie können schon mal die Kaffeetassen aus dem Schrank hinter sich nehmen, während ich das Besuchsprotokoll überprüfe. Wenn Sie denn so lange bleiben wollen.«

»Danke, ich brauche kein Koffein«, sagte Kari. »Sein Name ist Sonny Lofthus.«

Franck sah sie ausdruckslos an.

»Wir haben uns gefragt, ob wir ihn vielleicht sprechen könnten?«, sagte Simon und nahm unaufgefordert Platz. Dann schaute er Franck direkt in das inzwischen rot angelaufene Gesicht. »Ach nee, wie dumm von mir, der ist ja ausgebrochen.«

Simon beobachtete, wie Franck versuchte, eine Antwort zusammenzuschustern, kam ihm aber zuvor: »Wir interessieren uns dafür, weil das Gespräch und der anschließende Ausbruch den Todesfall noch verdächtiger machen.«

Franck zupfte an seinem Hemdkragen herum. »Wie kommen Sie darauf, dass sie miteinander gesprochen haben?«

»Alle Polizeiverhöre werden in einer gemeinsamen Datenbank gespeichert«, sagte Kari, die noch immer stand. »Als ich einen Suchlauf für Per Vollan gemacht habe, tauchte sein Name in einem Verhör auf, das nach dem Ausbruch geführt worden ist. Mit einem Häftling namens Gustav Rover.«

»Rover ist gerade entlassen worden. Er wurde verhört, weil er sich unmittelbar vor dem Ausbruch mit Sonny Lofthus getroffen hatte. Wir wollten wissen, ob Lofthus etwas gesagt hat, das uns vielleicht einen Anhaltspunkt liefert, was er vorhat.«

»Wir? Uns?« Simon zog seine grauen Augenbrauen hoch. »Es ist doch wohl ausschließlich Sache der Polizei, Ausbrecher zu stellen, nicht wahr?«

»Lofthus ist mein Gefangener, Kefas.«

»Rover konnte Ihnen, wie es aussieht, nicht helfen«, sagte Simon. »Aus seiner Aussage geht aber hervor, dass er Per Vollan begegnet ist, als er aus der Zelle kam. Und dass Vollan zu Lofthus wollte.«

Franck zuckte mit den Schultern. »Ja, und?«

»Wir fragen uns nun, worüber sie gesprochen haben könnten. Und warum der eine gleich darauf ermordet wurde und der andere aus dem Gefängnis ausgebrochen ist.«

»Das kann doch ein Zufall gewesen sein.«

»Selbstverständlich. Kennen Sie Hugo Nestor, Franck? Auch genannt der Ukrainer?«

»Den Namen habe ich schon einmal gehört.«

»Ach, haben Sie? Gibt es irgendwelche Anhaltspunkte, dass Nestor mit diesem Ausbruch in Verbindung steht?«

»Wie meinen Sie das?«

»Nun, er könnte Lofthus geholfen haben. Vielleicht hat er Loft­hus aber auch hier im Gefängnis bedroht, und Lofthus hat sein Heil in der Flucht gesucht.«

Franck trommelte mit einem Stift auf die Tischplatte. Offenbar dachte er nach.

Aus den Augenwinkeln sah Simon, dass Kari eine SMS las.

»Ich weiß, wie nötig Sie einen Erfolg haben, aber hier werden Sie keinen dicken Fisch fangen«, sagte Franck. »Sonny Lofthus ist aus eigener Kraft getürmt.«

»So was.« Simon lehnte sich zurück und legte die Fingerkuppen aneinander. »Ein drogenabhängiger, junger Amateur bricht ohne fremde Hilfe einfach so aus dem Staten aus?«

Franck lächelte. »Amateur? Würden Sie darauf wetten, Kefas?« Sein Grinsen wurde noch breiter, als Simon nicht antwortete. »Ach nee, wie dumm von mir, Sie wetten ja nicht mehr. Wie dem auch sei, ich kann Ihnen Ihren Amateur zeigen.«

»Das sind die Aufnahmen der Überwachungskameras«, sagte Franck und zeigte auf den 24-Zoll-Bildschirm. »Zu diesem Zeitpunkt liegen alle Beamten des Kontrollraums mit der Nase auf dem Boden. Halden hatte gerade alle Türen des Gefängnisses geöffnet.«

Der Monitor war in sechs Felder unterteilt, eines für jede der Kameras, die verschiedene Bereiche des Gefängnisses zeigten. Am unteren Rand des Bildschirms lief eine Uhr.

»Da kommt er«, sagte Franck und zeigte auf einen Bildausschnitt, der einen Zellenkorridor zeigte.

Simon und Kari sahen eine Person aus einer der Zellen kommen und auf steifen Beinen in Richtung Kamera laufen. Der Mann trug ein langes weißes Hemd, das ihm fast bis zu den Knien reichte. Simon dachte, dass dieser Mann einen noch schlechteren Friseur als er selbst haben musste. Es sah fast so aus, als hätte man ihm die Haare vom Kopf gerissen.

Der junge Mann verschwand aus dem Bild und tauchte in einem anderen wieder auf.

»Da sehen Sie Lofthus in der Schleuse«, sagte Franck. »Zu dieser Zeit hielt Halden seine Rede, was er mit den Familien der Aufseher anstellen würde, wenn sie ihn aufzuhalten versuchten. Interessant ist aber, was anschließend in der Garderobe passiert, also in dem Raum, in dem der eigentliche Wachwechsel vonstattengeht.«

Sie sahen Lofthus einen Raum mit Garderobenschränken betreten, aber statt weiter zur nächsten Tür zu laufen, verschwand der Mann hinter der letzten Reihe. Franck tippte hart auf die Tastatur, und die Uhr am unteren Rand des Bildschirms blieb stehen.

»Jetzt bricht er den Garderobenschrank von Sørensen auf, einem derzeit krankgeschriebenen Wachmann. Er zieht sich um und verbringt die restliche Nacht im Schrank. Gegen Morgen kommt er wieder heraus und wartet auf die anderen.«

Franck legte den Cursor auf die Uhr, tippte 07.20 und ließ das Band mit vierfacher Geschwindigkeit weiterlaufen. Uniformierte Männer kamen auf den Bildern zum Vorschein. Sie gaben sich die Klinke der Garderobe in die Hand, und die Ausgangstür öffnete sich immer wieder. Es war unmöglich, die einzelnen Männer zu unterscheiden, bis Franck das Band mit einem weiteren Tastendruck anhielt.

»Da ist er«, sagte Kari. »Der in Uniform und Mantel.«

»Sørensens Uniform und Mantel«, sagte Franck. »Bevor die anderen gekommen sind, muss er aus dem Schrank geklettert sein, sich umgezogen und dann gewartet haben. Vielleicht hat er auf der Bank gesessen und so getan, als schnürte er sich die Schuhe, während die anderen kamen und gingen. Wir haben hier so viele Angestellte, dass niemand auf einen Neuen achten würde, der etwas langsamer ist. Er wartete, bis besonders viel los war, und ging dann gemeinsam mit den anderen nach draußen. Niemand erkannte Sonny, nachdem er sich Bart und Haare abgeschnitten und sie in seinen Kopfkissenbezug gesteckt hatte. Nicht einmal ich …«

Mit einem Tastendruck startete er wieder das Band, dieses Mal in Normalgeschwindigkeit. Die Bilder zeigten den jungen Mann in Mantel und Uniform auf dem Weg nach draußen, während Arild Franck und eine Person mit nach hinten gekämmten Haaren und grauem Anzug hereinkamen.

»Und draußen an der Pforte wurde er auch nicht aufgehalten?«

Franck zeigte auf das Bild in der unteren rechten Ecke des Bildschirms.

»Diese Kamera zeigt die Schranke beim Wachhäuschen. Wie Sie sehen, lassen wir Autos und Leute durch, ohne ihre Ausweise zu überprüfen. Es gäbe lange Wartezeiten, wenn wir auch während des Schichtwechsels die üblichen Routineüberprüfungen durchführen würden. Natürlich werden wir von jetzt an alle, die rein oder raus wollen, kontrollieren.«

»So viele Unbefugte werden wohl nicht rein wollen«, sagte ­Simon.

In der folgenden Stille hörten sie deutlich, wie Kari ein Gähnen unterdrückte.

»Da haben Sie Ihren Amateur«, sagte Franck.

Simon Kefas antwortete nicht, sondern studierte den Rücken des Mannes, der an dem Wachhäuschen vorbeiging. Aus irgendeinem Grund musste er lächeln. Es lag am Gang dieses Mannes. Er erkannte ihn wieder.

Martha stand mit verschränkten Armen da und musterte die beiden Männer. Vom Drogendezernat waren die nicht, die hatte sie alle schon einmal gesehen. Diese beiden aber kannte sie nicht.

»Wir wollen nur …«, sagte der eine von ihnen, doch der Rest des Satzes ging im Heulen der Sirene eines Rettungswagens unter, der über die Waldemar Thranes gate raste.

»Was?«, rief Martha. Ob sie diese schwarzen Anzüge aus einer Reklame kannte?

»Sonny Lofthus«, wiederholte der Kleinere der beiden. Er hatte blonde Haare, und seine Nase schien mehrfach gebrochen zu sein. Martha hatte schon viele gebrochene Nasen gesehen, aber diese musste ein Resultat von Kampfsport sein.

»Ich kann Ihnen über unsere Bewohner keine Auskunft geben. Ich unterliege der Schweigepflicht«, sagte sie.

Der andere, ein großer, aber dennoch gedrungen wirkender Mann, der die paar schwarzen Locken, die er noch hatte, zu einem seltsamen Halbkreis frisiert hatte, zeigte ihr ein Bild.

»Er ist aus dem Staten ausgebrochen und gilt als gefährlich.« Als ein weiterer Rettungswagen näher kam, beugte sich der Mann zu ihr herunter und rief ihr ins Ohr: »Wenn er hier wohnt und etwas passiert, wird das auf Sie zurückfallen, sollten Sie uns etwas verschwiegen haben. Verstanden?«

Die waren nicht vom Drogendezernat, deshalb kannte sie sie nicht. Sie musterte sie noch einmal und nickte. Dann hob sie den Blick und wollte etwas sagen, aber der Wind blies ihr die dunklen Haare ins Gesicht. Sie unternahm einen neuen Anlauf, als sie hinter sich jemanden rufen hörte. Es war Toy, er stand auf der Treppe.

»Martha, komm schnell, Burre hat sich geschnitten. Selber. Ich habe damit nichts zu tun. Wirklich. Er sitzt im Café.«

»Wir haben hier im Sommer immer wieder neue Leute«, sagte sie. »Viele Stammbewohner schlafen jetzt lieber im Park, deshalb ist Platz für andere. Es ist nicht leicht, sich an alle Gesichter zu erinnern …«

»Sein Name ist, wie gesagt, Sonny Lofthus.«

»… und nicht alle geben ihren richtigen Namen an. Wir erwarten ja auch nicht gerade, dass unsere Bewohner sich ausweisen können, weshalb wir die Namen akzeptieren, die sie uns nennen.«

»Müssen Sie sie denn nicht im Sozialamt melden?«, fragte der Blonde.

Martha biss sich auf die Unterlippe.

»Martha, du musst wirklich kommen. Er blutet echt übel!«

Der Mann mit dem Lockenkranz legte seine große, haarige Hand auf ihren nackten Oberarm. »Lassen Sie uns doch einfach kurz nachschauen, vielleicht finden wir ihn ja.« Er bemerkte ihren Blick und nahm seine Hand weg.

»Apropos Identifikation«, sagte sie. »Dürfte ich vielleicht Ihre Ausweise sehen?«

Der Blick des Blonden verfinsterte sich. Und die Hand des Lockigen war plötzlich wieder da. Diesmal lag sie nicht auf ihrem Oberarm, sondern umschloss ihn.

»Burre ist bald leer.« Toy war zu ihnen nach unten getorkelt und richtete seinen glasigen Blick auf die beiden Männer.

»He, was geht denn hier ab?«

Martha befreite sich aus dem Griff des Mannes und legte Toy die Hand auf die Schulter. »Komm, dann sollten wir reingehen und sein Leben retten. Wenn Sie einen Moment warten könnten, meine Herren?«

Sie gingen zur Tür des Cafés, als draußen ein weiterer Rettungswagen vorbeiraste. Drei Rettungswagen, ihr lief es kalt den Rücken runter.

An der Tür des Cafés drehte sie sich noch einmal um, aber die beiden Männer waren bereits verschwunden.

»Dann haben Sie und Harnes Sonny sogar aus nächster Nähe gesehen?«, fragte Simon. Franck brachte ihn und Kari gerade nach unten.

Franck sah auf die Uhr. »Na ja, als wir durch die Tür drängten, haben wir einen jungen, kahlgeschorenen Mann in Uniform gesehen. Der Sonny, den wir kannten, trug immer ein dreckiges Hemd, hatte lange Haare und einen Bart.«

»Sie glauben also, dass es schwer sein wird, ihn zu finden, weil er jetzt so anders aussieht?«, fragte Kari.

»Die Bilder der Überwachungskamera sind nun mal von sehr schlechter Qualität.« Arild Franck drehte sich um und sah sie direkt an. »Aber wir werden ihn finden.«

»Blöd, dass wir nicht mit diesem Halden sprechen können«, sagte Simon.

»Tja, sein Gesundheitszustand hat sich tatsächlich von einem Tag auf den anderen verschlechtert«, sagte Franck und schleuste sie am Empfang vorbei nach draußen. »Ich werde mich bei Ihnen melden, sobald er wieder vernehmungsfähig ist.«

»Und Sie haben wirklich keine Idee, worüber der Flüchtige mit Per Vollan gesprochen haben könnte?«

Franck schüttelte den Kopf. »Vermutlich normale Seelsorge. Wobei Sonny ja selbst so etwas wie ein Seelsorger war.«

»Wie das?«

»Lofthus hat sich von den anderen Häftlingen ferngehalten. Er war neutral, gehörte keiner Fraktion an, wie sie sich im Gefängnis immer bilden. Und er redete nicht. Das ist doch wohl die Definition für einen guten Zuhörer, richtig? Er war hier so etwas wie ein Beichtvater für die Insassen, einer, dem sie alles anvertrauen konnten. An wen sollte er es auch weitergeben? Er hatte ja keine Vertrauten und außerdem noch eine lange Haftstrafe vor sich.«

»Was war das eigentlich für ein Mord, für den er einsaß?«, fragte Kari.

»Mord eben«, sagte Franck trocken.

»Ich meine …«

»Der grausamsten Sorte. Er hat einem asiatischen Mädchen eine Überdosis verpasst und einen Kosovo-Serben erstickt.« Franck hielt ihnen die Ausgangstür auf.

»Schrecklich, dass so ein schlimmer Finger jetzt auf freiem Fuß ist«, sagte Simon. Er war eigentlich kein Sadist, machte bei Arild Franck aber gerne eine Ausnahme. Nicht weil Franck als Mensch unausstehlich war, das war beinahe verzeihlich. Und auch nicht, weil der Mann seinen Job nicht gemacht hatte, schließlich war in den Reihen der Polizei bekannt, dass Franck und nicht der Gefängnisdirektor das Staten am Laufen hielt. Nein, es waren die Kleinigkeiten, diese sich auffällig häufenden Zufälle, sie hatten einen Verdacht in Simon geweckt, der schon so lange an ihm nagte, dass er fast zur Gewissheit geworden war. Er konnte es nicht beweisen, war sich aber beinahe sicher, dass Arild Franck korrupt war.

»Ich gebe ihm achtundvierzig Stunden, Herr Hauptkommissar«, sagte Franck. »Er hat weder Geld noch Verwandte oder Freunde. Er ist ein Einsiedler, der seit seinem achtzehnten Lebensjahr im Gefängnis gesessen hat. Das sind jetzt zwölf Jahre. Er kennt die Welt da draußen nicht, er weiß nicht, an wen er sich wenden soll, und er hat kein Versteck.«

Kari hatte auf dem Weg zum Auto Mühe, mit Simon Schritt zu halten. Der Hauptkommissar dachte über die achtundvierzig Stunden nach. Diese Wette reizte ihn. Er hatte an dem Jungen etwas wiedererkannt, ohne genau zu wissen, was. Vielleicht war es nur die Art, wie er sich bewegte. Vielleicht hatte er aber auch mehr geerbt.


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