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Nicht von Hauptmann Hastings selbst erzählt


Mr. Cust trat aus dem Kino und sah zum Himmel empor. Ein herrlicher Abend… ein ganz wundervoller Abend…

Eine Zeile von Browning fiel ihm ein.

«Gott ist in Seinem Himmel. Alles steht zum besten mit der Welt.» Dieses Zitat hatte ihm von jeher gut gefallen.

Nur hatte es Zeiten gegeben, oft sogar, da er fühlte, dass diese Worte nicht stimmten…

Er schlenderte die Straße entlang und lächelte vor sich hin. Dann stand er plötzlich vor dem «Black Swan», wo er logierte.

Er stieg die zwei Treppen zu seinem Zimmer hinauf… ein dumpfiges, kleines Zimmer, das auf einen gepflasterten Hof und eine Garage hinausging.

Als er die Tür hinter sich geschlossen hatte, erstarb das Lächeln auf seinen Lippen plötzlich. Vorn, bei der Manschette, war ein Fleck auf seinem Ärmel. Er berührte ihn… Feucht und rot! Blut…

Seine Hand griff in die innere Rocktasche und zog ein langes, schmales Messer hervor. Die Klinge war ebenfalls rot und klebrig…

Mr. Cust setzte sich und blieb lange Zeit reglos sitzen.

Einmal ließ er seinen Blick im ganzen Zimmer umherschweifen, gehetzt, wie ein verfolgtes Tier. Seine Zunge fuhr fieberhaft immer wieder über die Lippen.

«Ich kann nichts dafür», sagte er laut.

Es klang, als verteidige er sich gegenüber jemandem – als versuche ein Schuljunge, sich vor seinem Lehrer herauszureden.

Wieder feuchtete er seine Lippen an… Wieder griff er tastend nach seinem Mantelärmel… Dann schweifte sein Blick zu der Waschschüssel.

Sekunden später goss er aus dem altmodischen Krug Wasser in die Porzellanschüssel. Dann schlüpfte er aus dem Mantel und spülte den Ärmel ab.

Das Wasser färbte sich rot.

Man klopfte an seine Zimmertür.

Er blieb wie erstarrt stehen – horchte…

Die Tür ging auf. Eine schwerfällige junge Frau mit einem Wasserkrug in der Hand trat ein.

«Oh, verzeihen Sie, Sir. Ihr heißes Wasser, Sir.»

Da erst vermochte er ein paar Worte zu sprechen.

«Danke… ich habe mich bereits mit kaltem gewaschen.»

Warum hatte er das sagen müssen? Die junge Person blickte unwillkürlich in das Waschbecken.

Hastig stotterte er: «Ich… ich habe mich geschnitten… an der Hand…»

Nun entstand eine Stille – ein sehr langes Schweigen – ehe sie ein gedehntes «Ja, Sir» äußerte. Dann ging sie hinaus und machte die Tür zu.

Mr. Cust schien zu Stein erstarrt zu sein.

Nun war es also soweit… endlich…

Er horchte angestrengt.

Hörte man Stimmen – Ausrufe – Schritte, die die Treppe heraufhasteten?

Er hörte nichts als das Klopfen seines Herzens…

Dann schüttelte er plötzlich die gelähmte Reglosigkeit ab. Er zog seinen Mantel an, schlich auf Fußspitzen zur Tür und öffnete sie leise. Kein Geräusch hörbar, außer dem gewohnten Gemurmel, das aus dem Restaurant heraufdrang. Er ging vorsichtig die Treppe hinunter.

Niemand zu sehen. Das war Glück. Unten angelangt überlegte er, welchen Weg er nun einschlagen wollte.

Rasch entschlossen lief er den Korridor entlang und durch eine Tür, die auf den Hof hinausführte, ins Freie. Zwei Chauffeure arbeiteten dort an ihren Wagen herum, wobei sie eifrig über die Gewinner und Verlierer des Rennens sprachen.

Mr. Cust rannte über den Hof und auf die Straße hinaus. Um die erste Ecke nach rechts – dann nach links – und wieder nach rechts…

Durfte er sich in den Bahnhof wagen?

Ja – dort waren ja jetzt bestimmt Tausende von Menschen – Extrazüge – wenn er nur ein wenig Glück hatte, dann musste es ihm gelingen…

Wenn er nur ein wenig Glück hatte.

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