29

Wieder eine Konferenz.

Der Commissioner, Crome, Poirot und ich. Der Commissioner sagte eben:

«Ausgezeichnete Anregung, Monsieur Poirot, alle großen Strumpfeinkäufe zu kontrollieren.»

Poirot spreizte die Finger beider Hände.

«Das lag auf der Hand. Dieser Mann kann kein normaler Reisender sein. Er tätigte Verkäufe von Haus zu Haus anstatt Bestellungen aufzunehmen.»

Crome überflog seine Notizen.

«Ich habe mit Churston, Paignton und Torquay Fühlung genommen. Es liegt nun eine Liste von Leuten vor, bei denen er Strümpfe zum Verkauf anbot. Der Mann hat gründlich gearbeitet. In Andover zum Beispiel bot er seine Ware Mrs. Fowler, der Nachbarin von Mrs. Ascher, an und weiteren sechs Frauen in der Straße. Das Paar, das bei Mrs. Ascher gefunden wurde, ist von derselben Marke, die Cust verkauft.»

«Soweit also alles in Ordnung», warf der Commissioner ein.

«Gestützt auf vertrauliche Informationen, die ich erhalten hatte, ging ich in das Haus, das mir Tom Hartigan bezeichnet hat, erfuhr aber, dass Mr. Cust vor etwa einer halben Stunde fortgegangen sei. Er habe einen Anruf bekommen, übrigens zum ersten Mal, seit er bei ihr wohne, erzählte mir seine Wirtin.»

«Ein Komplize?», fragte der Commissioner.

«Kaum», antwortete ihm Poirot. «Seltsam. Es sei denn…»

Aller Augen waren fragend auf ihn gerichtet, als er sich unterbrach. Aber er schüttelte nur den Kopf, und Crome fuhr in seinem Bericht fort.

«Ich habe sein Zimmer gründlich durchsucht. Ein Zweifel ist völlig ausgeschlossen. Erstens fand ich einen Schreibblock mit dem Papier, auf dem die Briefe jeweils geschrieben wurden, zweitens mehrere Dutzend Paar Strümpfe, und drittens – auf dem Gestell, wo er die Strümpfe aufbewahrte – ein Paket, das wie ein Strumpfpaket aussah, aber nicht Strümpfe, sondern – acht neue ABC-Fahrpläne enthielt!»

«Da haben wir ja den Beweis!», rief der Commissioner.

«Ich habe noch etwas gefunden, Sir.» Die Stimme Inspektor Cromes wurde beinahe menschlich im Triumph. «Erst heute früh, so dass ich noch gar nicht darüber rapportieren konnte. Man hatte doch bis dahin das Messer nicht entdeckt…»

«ABC müsste ja auch tatsächlich schwachsinnig sein, wenn er das Mordwerkzeug in sein Zimmer zurückgetragen hätte», fiel Poirot ihm ins Wort.

«Schließlich ist er ja kein normaler Mensch, nicht wahr?», gab Crome hochmütig zurück. «Nun, ich überlegte mir jedenfalls, dass er das Messer zwar vielleicht mit sich genommen hat, zu Hause jedoch – wie Mr. Poirot so richtig bemerkte! – die Gefährlichkeit seines Unterfangens erkannt und nach einem günstigen Versteck gesucht haben könnte. Welches Versteck konnte ihm sicher genug erscheinen? Ich fand es auf Anhieb! Der Garderobenständer! Kein Mensch rückt jemals einen Garderobenständer beiseite. Es brauchte allerhand Anstrengung, bis ich den Ständer von der Wand wegziehen konnte. Und dort lag es!»

«Das Messer?»

«Das Messer. Zweifellos das Mordwerkzeug. Das getrocknete Blut war noch darauf.»

«Gute Arbeit, Crome», lobte der Commissioner.

«Jetzt brauchen wir nur noch eines… den Mann selber!»

«Wir werden ihn erwischen, Sir, verlassen Sie sich darauf.» Der Inspektor strahlte förmlich Zuversicht aus.

«Was meinen Sie, Monsieur Poirot?»

Poirot fuhr aus tiefem Nachdenken auf. «Wie bitte?»

«Wir glauben, dass es nur noch eine Frage der Zeit ist, dass wir unseren Mann fangen. Meinen Sie nicht auch?»

«O gewiss! Ganz ohne Zweifel.»

Das äußerte er so geistesabwesend, dass wir ihn alle verwundert ansahen.

«Bedrückt Sie trotzdem noch etwas, Monsieur Poirot?»

«Ja. Etwas bedrückt mich sogar sehr. Und zwar das Warum! Das Motiv.»

«Aber, mein Bester, der Mann ist geistesgestört!», fuhr ihn der Commissioner fast barsch an.

«Ich verstehe genau, was Monsieur Poirot meint», kam Crome meinem Freund zu Hilfe. «Diesen Untaten muss eine klar erkennbare Besessenheit zu Grunde liegen. Ich persönlich denke, dass wir als Wurzel des Übels ein schweres Minderwertigkeitsgefühl erkennen werden. Vielleicht ist auch Verfolgungswahn dabei, und wenn ja, dann schließt dieser auch Monsieur Poirot mit ein. Der Mörder bildet sich vielleicht ein, dass Monsieur Poirot eigens dazu da sei, ihn zur Strecke zu bringen.»

«Ja – ehern – ja», brummte der Commissioner. «Das sind so die heutigen Fachausdrücke! Zu meiner Zeit war ein Mensch verrückt, und man suchte keine wissenschaftlichen Erklärungen dafür. Wahrscheinlich würde ein moderner Arzt raten, diesen ABC in ein Sanatorium zu schicken, wo man ihm so lange freundlich klar macht, dass er ein feiner Kerl ist, bis er als wertvolles Glied der menschlichen Gemeinschaft wieder hinausgelassen werden könnte!»

Poirot lächelte, aber er antwortete nichts darauf. Die Konferenz war beendet.

«Also schön», sagte der Commissioner und erhob sich, «dann ist es nur noch eine Frage der Zeit, bis wir ihn haben, Crome.»

«Wir hätten ihn längst gefasst, Sir, wenn er nicht so unauffällig aussehen würde. Es sind schon genug harmlose Bürger zu Unrecht belästigt worden seinetwegen.»

«Ich frage mich, wo der Kerl jetzt gerade sein mag!»

Загрузка...