Siebenter Auftritt

Vorige. Questenberg, beide Piccolomini, Buttler, Isolani, Maradas

und noch drei andere Generale treten herein. Auf den Wink des

Generals nimmt Questenberg ihm gerad gegenueber Platz, die andern

folgen nach ihrem Range. Es herrscht eine augenblickliche Stille.

Wallenstein.

Ich hab den Inhalt Ihrer Sendung zwar

Vernommen, Questenberg, und wohl erwogen,

Auch meinen Schluss gefasst, den nichts mehr aendert.

Doch, er gebuehrt sich, dass die Kommandeurs

Aus Ihrem Mund des Kaisers Willen hoeren-

Gefall' es Ihnen denn, sich Ihres Auftrags

Vor diesen edeln Haeuptern zu entledigen.

Questenberg.

Ich bin bereit, doch bitt ich zu bedenken,

Dass kaiserliche Herrschgewalt und Wuerde

Aus meinem Munde spricht, nicht eigne Kuehnheit.

Wallenstein.

Den Eingang spart.

Questenberg.

Als Seine Majestaet

Der Kaiser ihren mutigen Armeen

Ein ruhmgekroentes, kriegserfahrnes Haupt

Geschenkt in der Person des Herzogs Friedland,

Geschah's in froher Zuversicht, das Glueck

Des Krieges schnell und guenstig umzuwenden.

Auch war der Anfang ihren Wuenschen hold,

Gereiniget ward Boeheim von den Sachsen,

Der Schweden Siegeslauf gehemmt-es schoepften

Aufs neue leichten Atem diese Laender,

Als Herzog Friedland die zerstreuten Feindesheere

Herbei von allen Stroemen Deutschlands zog,

Herbei auf einen Sammelplatz beschwor

Den Rheingraf, Bernhard, Banner, Oxenstirn

Und jenen nie besiegten Koenig selbst,

Um endlich hier im Angesichte Nuernbergs

Das blutig grosse Kampfspiel zu entscheiden.

Wallenstein.

Zur Sache, wenn's beliebt.

Questenberg.

Ein neuer Geist

Verkuendigte sogleich den neuen Feldherrn.

Nicht blinde Wut mehr rang mit blinder Wut,

In hellgeschiednem Kampfe sah man jetzt

Die Festigkeit der Kuehnheit widerstehn

Und weise Kunst die Tapferkeit ermueden.

Vergebens lockt man ihn zur Schlacht, er graebt

Sich tief und tiefer nur im Lager ein,

Als gaelt' es, hier ein ewig Haus zu gruenden.

Verzweifelnd endlich will der Koenig stuermen,

Zur Schlachtbank reisst er seine Voelker hin,

Die ihm des Hungers und der Seuchen Wut

Im leichenvollen Lager langsam toetet.

Durch den Verhack des Lagers, hinter welchem

Der Tod aus tausend Roehren lauert, will

Der Niegehemmte stuermend Bahn sich brechen.

Da ward ein Angriff und ein Widerstand,

Wie ihn kein gluecklich Auge noch gesehn.

Zerrissen endlich fuehrt sein Volk der Koenig

Vom Kampfplatz heim, und nicht ein Fussbreit Erde

Gewann es ihm, das grause Menschenopfer.

Wallenstein.

Ersparen Sie's, uns aus dem Zeitungsblatt

Zu melden, was wir schaudernd selbst erlebt.

Questenberg.

Anklagen ist mein Amt und meine Sendung,

Es ist mein Herz, was gern beim Lob verweilt.

In Nuernbergs Lager liess der schwedische Koenig

Den Ruhm-in Luetzens Ebenen das Leben.

Doch wer erstaunte nicht, als Herzog Friedland

Nach diesem grossen Tag wie ein Besiegter

Nach Boeheim floh, vom Kriegesschauplatz schwand,

Indes der junge weimarische Held

Ins Frankenland unaufgehalten drang,

Bis an die Donau reissend Bahn sich machte

Und stand mit einem Mal vor Regenspurg,

Zum Schrecken aller gut kathol'schen Christen.

Da rief der Bayern wohlverdienter Fuerst

Um schnelle Hilf' in seiner hoechsten Not,-

Es schickt der Kaiser sieben Reitende

An Herzog Friedland ab mit dieser Bitte

Und fleht, wo er als Herr befehlen kann.

Umsonst! Es hoert in diesem Augenblick

Der Herzog nur den alten Hass und Groll,

Gibt das gemeine Beste preis, die Rachgier

An einem alten Feinde zu vergnuegen.

Und so faellt Regenspurg!

Wallenstein.

Von welcher Zeit ist denn die Rede, Max?

Ich hab gar kein Gedaechtnis mehr.

Max.

Er meint,

Wie wir in Schlesien waren.

Wallenstein.

So! So! So!

Was aber hatten wir denn dort zu tun?

Max.

Die Schweden draus zu schlagen und die Sachsen.

Wallenstein.

Recht! Ueber der Beschreibung da vergess ich

Den ganzen Krieg-

(Zu Questenberg.)

Nur weiter fortgefahren!

Questenberg.

Am Oderstrom vielleicht gewann man wieder,

Was an der Donau schimpflich ward verloren.

Erstaunenswerte Dinge hoffte man

Auf dieser Kriegesbuehne zu erleben,

Wo Friedland in Person zu Felde zog,

Der Nebenbuhler Gustavs einen-Thurn

Und einen Arnheim vor sich fand. Und wirklich

Geriet man nahe g'nug hier aneinander,

Doch, um als Freund, als Gast sich zu bewirten.

Ganz Deutschland seufzte unter Kriegeslast,

Doch Friede war's im Wallensteinischen Lager.

Wallenstein.

Manch blutig Treffen wird um nichts gefochten,

Weil einen Sieg der junge Feldherr braucht.

Ein Vorteil des bewaehrten Feldherrn ist's,

Dass er nicht noetig hat, zu schlagen, um

Der Welt zu zeigen, er versteh' zu siegen.

Mir konnt' es wenig helfen, meines Gluecks

Mich ueber einen Arnheim zu bedienen ;

Viel nuetzte Deutschland meine Maessigung,

Waer' mir's geglueckt, das Buendnis zwischen Sachsen

Und Schweden, das verderbliche, zu loesen.

Questenberg.

Es glueckte aber nicht, und so begann

Aufs neu das blut'ge Kriegesspiel. Hier endlich

Rechtfertigte der Fuerst den alten Ruhm.

Auf Steinaus Feldern streckt das schwedische Heer

Die Waffen, ohne Schwertstreich ueberwunden-

Und hier, mit andern, lieferte des Himmels

Gerechtigkeit den alten Aufruhrstifter,

Die fluchbeladne Fackel dieses Kriegs,

Matthias Thurn, des Raechers Haenden aus.

-Doch in grossmuet'ge Hand war er gefallen:

Statt Strafe fand er Lohn, und reich beschenkt

Entliess der Fuerst den Erzfeind seines Kaisers.

Wallenstein. (lacht)

Ich weiss, ich weiss-Sie hatten schon in Wien

Die Fenster, die Balkons vorausgemietet,

Ihn auf dem Armensuenderkarrn zu sehn-

Die Schlacht haett' ich mit Schimpf verlieren moegen,

Doch das vergeben mir die Wiener nicht,

Dass ich um ein Spektakel sie betrog.

Questenberg.

Befreit war Schlesien, und alles rief

Den Herzog nun ins hartbedraengte Bayern.

Er setzt auch wirklich sich in Marsch-gemaechlich

Durchzieht er Boeheim auf dem laengsten Wege;

Doch eh' er noch den Feind gesehen, wendet

Er schleunig um, bezieht sein Winterlager, drueckt

Des Kaisers Laender mit des Kaisers Heer.

Wallenstein.

Das Heer war zum Erbarmen, jede Notdurft, jede

Bequemlichkeit gebrach-der Winter kam.

Was denkt die Majestaet von ihren Truppen?

Sind wir nicht Menschen? Nicht der Kaelt' und Naesse,

Nicht jeder Notdurft sterblich unterworfen?

Fluchwuerdig Schicksal des Soldaten! Wo

Er hinkommt, flieht man vor ihm-wo er weggeht,

Verwuenscht man ihn! Er muss sich alles nehmen;

Man gibt ihm nichts, und jeglichem gezwungen

Zu nehmen, ist er jeglichem ein Greuel.

Hier stehen meine Generals. Caraffa!

Graf Deodati! Buttler! Sagt es ihm,

Wie lang der Sold den Truppen ausgeblieben?

Buttler.

Ein Jahr schon fehlt die Loehnung.

Wallenstein.

Und sein Sold

Muss dem Soldaten werden, darnach heisst er!

Questenberg.

Das klingt ganz anders, als der Fuerst von Friedland

Vor acht, neun Jahren sich vernehmen liess.

Wallenstein.

Ja, meine Schuld ist es, weiss wohl, ich selbst

Hab mir den Kaiser so verwoehnt. Da! Vor neun Jahren

Beim Daenenkriege, stellt' ich eine Macht ihm auf

Von vierzigtausend Koepfen oder fuenfzig,

Die aus dem eignen Saeckel keinen Deut

Ihm kostete-Durch Sachsen Kreise zog

Die Kriegesfurie, bis an die Schaeren

Des Belts den Schrecken seines Namens tragend.

Da war noch eine Zeit! Im ganzen Kaiserstaate

Kein Nam' geehrt, gefeiert wie der meine,

Und Albrecht Wallenstein, so hiess

Der dritte Edelstein in seiner Krone!

Doch auf dem Regenspurger Fuerstentag,

Da brach es auf! Da lag es kund und offen,

Aus welchem Beutel ich gewirtschaft't hatte.

Und was war nun mein Dank dafuer, dass ich,

Ein treuer Fuerstenknecht, der Voelker Fluch

Auf mich gebuerdet-diesen Krieg, der nur

Ihn gross gemacht, die Fuersten zahlen lassen?

Was? Aufgeopfert wurd ich ihren Klagen,

-Abgesetzt wurd ich.

Questenberg.

Eure Gnaden weiss,

Wie sehr auf jenem ungluecksvollen Reichstag

Die Freiheit ihm gemangelt.

Wallenstein.

Tod und Teufel!

Ich hatte, was ihm Freiheit schaffen konnte.

-Nein, Herr! Seitdem es mir so schlecht bekam,

Dem Thron zu dienen, auf des Reiches Kosten,

Hab ich vom Reich ganz anders denken lernen.

Vom Kaiser freilich hab ich diesen Stab,

Doch fuehr' ich jetzt ihn als des Reiches Feldherr,

Zur Wohlfahrt aller, zu des Ganzen Heil,

Und nicht mehr zur Vergroesserung des einen!

-Zur Sache doch. Was ist's, das man von mir begehrt?

Questenberg.

Fuers erste wollen Seine Majestaet,

Dass die Armee ohn' Aufschub Boehmen raeume.

Wallenstein.

In dieser Jahreszeit? Und wohin will man,

Dass wir uns wenden?

Questenberg.

Dahin, wo der Feind ist.

Denn Seine Majestaet will Regenspurg

Vor Ostern noch vom Feind gesaeubert sehn,

Dass laenger nicht im Dome lutherisch

Gepredigt werde-ketzerischer Greul

Des Festes reine Feier nicht besudle.

Wallenstein.

Kann das geschehen, meine Generals?

Illo.

Es ist nicht moeglich.

Buttler.

Es kann nicht geschehn.

Questenberg.

Der Kaiser hat auch schon dem Oberst Suys

Befehl geschickt, nach Bayern vorzuruecken.

Wallenstein.

Was tat der Suys?

Questenberg.

Was er schuldig war.

Er rueckte vor.

Wallenstein.

Er rueckte vor! Und ich,

Sein Chef, gab ihm Befehl, ausdruecklichen,

Nicht von dem Platz zu weichen! Steht es so

Um mein Kommando? Das ist der Gehorsam,

Den man mir schuldig, ohne den kein Kriegsstand

Zu denken ist? Sie, meine Generale,

Seien Richter! Was verdient der Offizier,

Der eidvergessen seine Ordre bricht?

Illo.

Den Tod!

Wallenstein. (da die uebrigen bedenklich schweigen, mit

erhoehter Stimme).

Graf Piccolomini, was hat er

Verdient?

Max. (nach einer langen Pause)

Nach des Gesetzes Wort-den Tod!

Isolani.

Den Tod!

Buttler.

Den Tod nach Kriegesrecht!

(Questenberg steht auf. Wallenstein folgt, es erheben sich alle.)

Wallenstein.

Dazu verdammt ihn das Gesetz, nicht ich!

Und wenn ich ihn begnadige, geschieht's

Aus schuld'ger Achtung gegen meinen Kaiser.

Questenberg.

Wenn's so steht, hab ich hier nichts mehr zu sagen.

Wallenstein.

Nur auf Bedingung nahm ich dies Kommando;

Und gleich die erste war, dass mir zum Nachteil

Kein Menschenkind, auch selbst der Kaiser nicht,

Bei der Armee zu sagen haben sollte.

Wenn fuer den Ausgang ich mit meiner Ehre

Und meinem Kopf soll haften, muss ich Herr

Darueber sein. Was machte diesen Gustav

Unwiderstehlich, unbesiegt auf Erden?

Dies: dass er Koenig war in seinem Heer!

Ein Koenig aber, einer, der es ist,

Ward nie besiegt noch als durch seinesgleichen-

Jedoch zur Sach'. Das Beste soll noch kommen.

Questenberg.

Der Kardinal-Infant wird mit dem Fruehjahr

Aus Mailand ruecken und ein spanisch Heer

Durch Deutschland nach den Niederlanden fuehren.

Damit er sicher seinen Weg verfolge,

Will der Monarch, dass hier aus der Armee

Acht Regimenter ihn zu Pferd begleiten.

Wallenstein.

Ich merk, ich merk-Acht Regimenter-Wohl!

Wohl ausgesonnen, Pater Lamormain!

Waer' der Gedank' nicht so verwuenscht gescheit,

Man waer' versucht, ihn herzlich dumm zu nennen.

Achttausend Pferde! Ja! Ja! es ist richtig,

Ich seh es kommen.

Questenberg.

Es ist nichts dahinter

zu sehn. Die Klugheit raet's, die Not gebeut's.

Wallenstein.

Wie, mein Herr Abgesandter? Ich soll's wohl

Nicht merken, dass man's muede ist, die Macht,

Des Schwertes Griff in meiner Hand zu sehn?

Dass man begierig diesen Vorwand hascht,

Den span'schen Namen braucht, mein Volk zu mindern,

Ins Reich zu fuehren eine neue Macht,

Die mir nicht untergeben sei. Mich so

Gerad beiseit' zu werfen, dazu bin ich

Euch noch zu maechtig. Mein Vertrag erheischt's,

Dass alle Kaiserheere mir gehorchen,

So weit die deutsche Sprach' geredet wird.

Von span'schen Truppen aber und Infanten,

Die durch das Reich als Gaeste wandernd ziehn,

Steht im Vertrage nichts-Da kommt man denn

So in der Stille hinter ihm herum,

Macht mich erst schwaecher, dann entbehrlich, bis

Man kuerzeren Prozess kann mit mir machen.

-Wozu die krummen Wege, Herr Minister?

Gerad heraus! Den Kaiser drueckt das Paktum

Mit mir. Er moechte gerne, dass ich ginge.

Ich will ihm den Gefallen tun, das war

Beschlossne Sache, Herr, noch eh' Sie kamen. (Es entsteht eine Bewegung unter den Generalen, welche immer zunimmt.)

Es tut mir leid um meine Obersten,

Noch seh ich nicht, wie sie zu ihren vorgeschossnen Geldern,

Zum wohlverdienten Lohne kommen werden.

Neu Regiment bringt neue Menschen auf,

Und frueheres Verdienst veraltet schnell.

Es dienen viel Auslaendische im Heer,

Und war der Mann nur sonsten brav und tuechtig,

Ich pflegte eben nicht nach seinem Stammbaum

Noch seinem Katechismus viel zu fragen.

Das wird auch anders werden kuenftighin!

Nun-mich geht's nichts mehr an. (Er setzt sich.)

Max.

Da sei Gott fuer,

Dass es bis dahin kommen soll!-Die ganze

Armee wird furchtbar gaerend sich erheben-

Der Kaiser wird missbraucht, es kann nicht sein.

Isolani.

Es kann nicht sein, denn alles ging' zu Truemmern.

Wallenstein.

Das wird es, treuer Isolan. Zu Truemmern

wird alles gehn, was wir bedaechtig bauten.

Deswegen aber find't sich doch ein Feldherr,

Und auch ein Kriegsheer laeuft noch wohl dem Kaiser

Zusammen, wenn die Trommel wird geschlagen.

Max. (geschaeftig, leidenschaftlich von einem zum andern

gehend und sie besaenftigend)

Hoer mich, mein Feldherr! Hoert mich , Obersten!

Lass dich beschwoeren, Fuerst! Beschliesse nichts,

Bis wir zusammen Rat gehalten, dir

Vorstellungen getan-Kommt, meine Freunde!

Ich hoff, es ist noch alles herzustellen.

Terzky.

Kommt, kommt! im Vorsaal treffen wir die andern.

(Gehen.)

Buttler. (zu Questenberg).

Wenn guter Rat Gehoer bei Ihnen findet,

Vermeiden Sie's, in diesen ersten Stunden

Sich oeffentlich zu zeigen, schwerlich moechte Sie

Der goldne Schluessel vor Misshandlung schuetzen.

(Laute Bewegungen draussen.)

Wallenstein.

Der Rat ist gut-Octavio, du wirst

Fuer unsers Gastes Sicherheit mir haften.

Gehaben Sie sich wohl, von Questenberg! (Als dieser reden will.)

Nichts, nichts von dem verhassten Gegenstand!

Sie taten Ihre Schuldigkeit. Ich weiss

Den Mann von seinem Amt zu unterscheiden. (Indem Questenberg mit dem Octavio abgehen will, dringen Goetz,

Tiefenbach, Colalto herein, denen noch mehrere Kommandeurs folgen.)

Goetz.

Wo ist er, der uns unsern General-

Tiefenbach. (zugleich)

Was muessen wir erfahren, du willst uns-

Colalto. (zugleich)

Wir wollen mit dir leben, mit dir sterben.

Wallenstein. (mit Ansehen, indem er auf Illo zeigt).

Hier der Feldmarschall weiss um meinen Willen.

(Geht ab.)

Dritter Aufzug

Ein Zimmer

Загрузка...