Max Piccolomini. Octavio Piccolomini. Questenberg.
Max.
Da ist er ja gleich selbst. Willkommen, Vater! (Er umarmt ihn. Wie er sich umwendet, bermerkt er Questenbergen
und tritt kalt zurueck.)
Beschaeftigt, wie ich seh? Ich will ihn nicht stoeren.
Octavio.
Wie, Max? Sieh diesen Gast doch naeher an.
Aufmerksamkeit verdient ein alter Freund;
Ehrfurcht gebuehrt dem Boten deines Kaisers.
Max. (trocken)
Von Questenberg! Willkommen, wenn was Gutes
Ins Hauptquartier Sie herfuehrt.
Questenberg. (hat seine Hand gefasst)
Ziehen Sie
Die Hand nicht weg, Graf Piccolomini,
Ich fasse sie nicht bloss von meinetwegen,
Und nichts Gemeines will ich damit sagen. (Beider Haende fassend.)
Octavio-Max Piccolomini!
Heilbringend, vorbedeutungsvolle Namen!
Nie wird das Glueck von Oesterreich sich wenden,
Solang zwei solche Sterne, segenreich
Und schuetzend, leuchten ueber seinen Heeren.
Max.
Sie fallen aus der Rolle, Herr Minister,
Nicht Lobens wegen sind Sie hier, ich weiss,
Sie sind geschickt, zu tadeln und zu schelten-
Ich will voraus nichts haben vor den andern.
Octavio. (zu Max)
Er kommt vom Hofe, wo man mit dem Herzog
Nicht ganz so wohl zufrieden ist als hier.
Max.
Was gibt's aufs neu denn an ihm auszustellen?
Dass er fuer sich allein beschliesst, was er
Allein versteht? Wohl! daran tut er recht,
Und wird's dabei auch sein Verbleiben haben.-
Er ist nun einmal nicht gemacht, nach andern
Geschmeidig sich zu fuegen und zu wenden,
Es geht ihm wider die Natur, er kann's nicht.
Geworden ist ihm eine Herrscherseele,
Und ist gestellt auf einen Herrscherplatz.
Wohl uns, dass es so ist! Es koennen sich
Nur wenige regieren, den Verstand
Verstaendig brauchen-Wohl dem Ganzen, findet
Sich einmal einer, der ein Mittelpunkt
Fuer viele Tausend wird, ein Halt;-sich hinstellt
Wie eine feste Saeul', an die man sich
Mit Lust mag schliessen und mit Zuversicht.
So einer ist der Wallenstein, und taugte
Dem Hof ein andrer besser-der Armee
Frommt nur ein solcher.
Questenberg.
Der Arme! Jawohl!
Max.
Und eine Lust ist's, wie er alles weckt
Und staerkt und neu belebt um sich herum,
Wie jede Kraft sich ausspricht, jede Gabe
Gleich deutlicher sich wird in seiner Naehe!
Jedwedem zieht er seine Kraft hervor,
Die eigentuemliche, und zieht sie gross,
Laesst jeden ganz das bleiben, was er ist,
Er wacht nur drueber, dass er's immer sei
Am rechten Ort; so weiss er aller Menschen
Vermoegen zu dem seinigen zu machen.
Questenberg.
Wer spricht ihm ab, dass er die Menschen kenne,
Sie zu gebrauche wisse! Ueberm Herrscher
Vergisst er nur den Diener ganz und gar,
Als waer' mit seiner Wuerd' er schon geboren.
Max.
Ist er's denn nicht? Mit jeder Kraft dazu
Ist er's, und mit der Kraft noch obendrein,
Buchstaeblich zu vollstrecken die Natur,
Dem Herrschtalent den Herrschplatz zu erobern.
Questenberg.
So kommt's zuletzt auf seine Grossmut an,
Wieviel wir ueberall noch gelten sollen!
Max.
Der seltne Mann will seltenes Vertrauen.
Gebt ihm den Raum, das Ziel wird er sich setzen.
Questenberg.
Die Proben geben's.
Max.
Ja! so sind sie! Schreckt
Sie alles gleich, was eine Tiefe hat;
Ist ihnen nirgends wohl, als wo's recht flach ist.
Octavio. (zu Questenberg)
Ergeben Sie sich nur in gutem, Freund!
Mit dem da werden Sie nicht fertig.
Max.
Da rufen sie den Geist an in der Not,
Und grauet ihnen gleich, wenn er sich zeigt.
Das Ungemeine soll, das Hoechste selbst
Geschehn wie das Alltaegliche. Im Feld,
Da dringt die Gegenwart-Persoenliches
Muss herrschen, eignes Auge sehn. Es braucht
Der Feldherr jedes Grosse der Natur,
So goenne man ihm auch, in ihren grossen
Verhaeltnissen zu leben. Das Orakel
In seinem Innern, das lebendige-
Nicht tote Buecher, alte Ordnungen,
Nicht modrigte Papiere soll er fragen.
Octavio.
Mein Sohn! Lass uns die alten, engen Ordnungen
Gering nicht achten! Koestlich unschaetzbare
Gewichte sind's, die der bedraengte Mensch
An seiner Draenger raschen Willen band;
Denn immer war die Willkuer fuerchterlich-
Der Weg der Ordnung, ging' er auch durch Kruemmmen,
Er ist kein Umweg. Grad aus geht des Blitzes,
Geht des Kanonballs fuerchterlicher Pfad-
Schnell, auf dem naechsten Wege, langt er an,
Macht sich zermalmend Platz, um zu zermalmen.
Mein Sohn! Die Strasse, die der Mensch befaehrt,
Worauf der Segen wandelt, diese folgt
Der Fluesse Lauf, der Taeler freien Kruemmen,
Umgeht das Weizenfeld, den Rebenhuegel,
Des Eigentums gemessne Grenzen ehrend-
So fuehrt sie spaeter, sicher doch zum Ziel.
Questenberg.
Oh! hoeren Sie den Vater-hoeren Sie
Ihn, der ein Held ist und ein Mensch zugleich.
Octavio.
Das Kind des Lagers spricht aus dir, mein Sohn.
Ein fuenfzehnjaehr'ger Krieg hat dich erzogen,
-Du hast den Frieden nie gesehn! Es gibt
Noch hoehern Wert, mein Sohn, als kriegerischen;
Im Kriege selber ist das Letzte nicht der Krieg.
Die grossen, schnellen Taten der Gewalt,
Des Augenblicks erstaunenswerte Wunder,
Die sind es nicht, die das Beglueckende,
Das ruhig, maechtig Dauernde erzeugen.
In Hast und Eile bauet der Soldat
Von Leinwand seine leichte Stadt, da wird
Ein augenblicklich Brausen und Bewegen,
Der Markt belebt sich, Strassen, Fluesse sind
Bedeckt mit Fracht, es ruehrt sich das Gewerbe.
Doch eines Morgens ploetzlich siehet man
Die Zelte fallen, weiter rueckt die Horde,
Und ausgestorben, wie ein Kirchhof, bleibt
Der Acker, das zerstampfte Saatfeld liegen,
Und um des Jahres Ernte ist's getan.
Max.
Oh! lass den Kaiser Friede machen, Vater!
Den blut'gen Lorbeer geb ich hin mit Freuden
Fuers erste Veilchen, das der Maerz uns bringt,
Das duftige Pfand der neuverjuengten Erde.
Octavio.
Wie wird dir? Was bewegt dich so auf einmal?
Max.
Ich hab den Frieden nie gesehn?-Ich hab ihn
Gesehen, alter Vater , eben komm ich-
Jetzt eben davon her-er fuehrte mich
Der Weg durch Laender, wo der Krieg nicht
hingekommen-oh! das Leben, Vater,
Hat Reize, die wir nie gekannt.-Wir haben
Des schoenen Lebens oede Kueste nur
Wie ein umirrend Raeubervolk befahren,
Das, in sein dumpfig-enges Schiff gepresst,
Im wuesten Meer mit wuesten Sitten haust,
Vom grossen Land nichts als die Buchten kennt,
Wo es die Diebeslandung wagen darf.
Was in den innern Taelern Koestliches
Das Land verbirgt, oh! davon-davon ist
Auf unsrer wilden Fahrt uns nichts erschienen.
Ocatvio. (wird aufmerksam)
Und haett' es diese Reise dir gezeigt?
Max.
Es war die erste Musse meines Lebens.
Sag mir, was ist der Arbeit Ziel und Preis,
Der peinlichen, die mir die Jugend stahl,
Das Herz mir oede liess und unerquickt
Den Geist, den keine Bildung noch geschmuecket?
Denn dieses Lagers laermendes Gewuehl,
Der Pferde Wiehern, der Trompete Schmettern,
Des Dienstes immer gleichgestellte Uhr,
Die Waffenuebung, das Kommandowort-
Dem Herzen gibt es nichts, dem lechzenden.
Die Seele fehlt dem nichtigen Geschaeft-
Es gibt ein andres Glueck und andre Freuden.
Octavio.
Viel lerntest du auf diesem kurzen Weg, mein Sohn!
Max.
O schoener Tag! wenn endlich der Soldat
Ins Leben heimkehrt, in die Menschlichkeit,
Zum frohen Zug die Fahnen sich entfalten,
Und heimwaerts schlaegt der sanfte Friedensmarsch.
Wenn alle Huete sich und Helme schmuecken
Mit gruenen Maien, dem letzten Raub der Felder!
Der Staedte Tore gehen auf, von selbst,
Nicht die Petarde braucht sie mehr zu sprengen;
Von Menschen sind die Waelle rings erfuellt,
Von friedlichen, die in die Luefte gruessen-
Hell klingt von allen Tuermen das Gelaeut,
Des blut'gen Tages frohe Vesper schlagend.
Aus Doerfern und aus Staedten wimmelnd stroemt
Ein jauchzend Volk, mit liebend emsiger
Zudringlichkeit des Heeres Fortzug hindernd-
Da schuettelt, froh des noch erlebten Tags,
Dem heimgekehrten Sohn der Greis die Haende.
Ein Fremdling tritt er in sein Eigentum,
Das laengstverlassne, ein; mit breiten Aesten
Deckt ihn der Baum bei seiner Wiederkehr,
Der sich zur Gerte bog, als er gegangen,
Und schamhaft tritt als Jungfrau ihm entgegen,
Die er einst an der Amme Brust verliess.
Oh! gluecklich, wem dann auch sich eine Tuer,
Sich zarte Arme sanft umschlingend oeffnen-
Questenberg. (geruehrt)
Oh! dass Sie von so ferner, ferner Zeit,
Und nicht von morgen, nicht von heute sprechen!
Max. (mit Heftigkeit sich zu ihm wendend)
Wer sonst ist schuld daran als ihr in Wien?-
Ich will's nur frei gestehen, Questenberg!
Als ich vorhin Sie stehen sah, es presste
Der Unmut mir das Innerste zusammen-
Ihr seid es, die den Frieden hinder, ihr!
Der Krieger ist's, der ihn erzwingen muss.
Dem Fuersten macht ihr's Leben sauer, macht
Ihm alle Schritte schwer, ihr schwaerzt ihn an-
Warum? Weil an Europas grossem Besten
Ihm mehr liegt als an ein paar Hufen Landes,
Die Oestreich mehr hat oder weniger-
Ihr macht ihn zum Empoerer und, Gott weiss!
Zu was noch mehr, weil er die Sachsen schont,
Beim Feind Vertrauen zu erwecken sucht,
Das doch der einz'ge Weg zum Frieden ist;
Denn hoert der Krieg im Kriege nicht schon auf,
Woher soll Friede kommen?-Geht nur, geht!
Wie ich das Gute liebe, hass ich euch-
Und hier gelob ich's an, verspritzen will ich
Fuer ihn, fuer diesen Wallenstein, mein Blut,
Das letzte meines Herzens, tropfenweis, eh' dass
Ihr ueber seinen Fall frohlocken sollt! (Er geht ab.)