Octavio Píccolomini. Kammerdiener leuchtet. Gleich darauf Max
Piccolomini.
Octavio.
Sobald mein Sohn herein ist, weiset ihn
Zu mir-Was ist die Glocke?
Kammerdiener.
Gleich ist's Morgen.
Octavio.
Setzt Euer Licht hieher-Wie legen uns
Nicht mehr zu Bette, Ihr koennt schlafen gehn.
(Kammerdiener ab. Octavio geht nachdenkend durchs Zimmer. Max
Piccolomini tritt auf, nicht gleich von ihm bemerkt, und sieht
ihm einige Augenblicke schweigend zu.)
Max.
Bist du mir boes, Octavio? Weiss Gott,
Ich bin nicht schuld an dem verhassten Streit.
-Ich sah wohl, du hattest unterschrieben;
Was du gebilliget, das konnte mir
Auch recht sein-doch es war-du weisst-ich kann
In solchen Sachen nur dem eignen Licht,
Nicht fremdem folgen.
Octavio. (geht auf ihn zu und umarmt ihm)
Folg ihm ferner auch,
Mein bester Sohn! Es hat dich treuer jetzt
Geleitet als das Beispiel deines Vaters.
Max.
Erklaer dich deutlicher.
Octavio.
Ich werd es tun.
Nach dem, was diese Nacht geschehen ist,
Darf kein Geheimnis bleiben zwischen uns.
(Nachdem beide sich niedergesetzt.)
Max, sage mir, was denkst du von dem Eid,
Den man zur Unterschrift uns vorgelegt?
Max.
Fuer etwas Unverfaenglich's halt ich ihn,
Obgleich ich dieses Foermliche nicht liebe.
Octavio.
Du haettest dich aus keinem andern Grunde
Der abgedrungnen Unterschrift geweigert?
Max.
Es war ein ernst Geschaeft-ich war zerstreut-
Die Sache selbst erschien mir nicht so dringend-
Octavio.
Sei offen, Max. Du hattest keinen Argwohn-
Max.
Worueber Argwohn? Nicht den mindesten.
Octavio.
Dank's deinem Engel, Piccolomini!
Unwissend zog er dich zurueck vom Abgrund.
Max.
Ich weiss nicht, was du meinst.
Octavio.
Ich will dir's sagen:
Zu einem Schelmenstueck solltest du den Namen
Hergeben, deinen Pflichten, deinem Eid
Mit einem einz'gen Federstrich entsagen.
Max. (steht auf)
Octavio!
Octavio.
Bleib sitzen. Viel noch hast du
Von mir zu hoeren, Freund, hast jahrelang
Gelebt in unbegreiflicher Verblendung.
Das schwaerzeste Komplott entspinnet sich
Vor deinen Augen, eine Macht der Hoelle
Umnebelt deiner Sinne hellen Tag-
Ich darf nicht laenger schweigen, muss die Binde
Von deinen Augen nehmen.
Max.
Eh' du sprichst,
Bedenk es wohl! Wenn von Vermutungen
Die Rede sein soll-und ich fuerchte fast,
Es ist nichts weiter-Spare sie! Ich bin
Jetzt nicht gefasst, sie ruhig zu vernehmen.
Octavio.
So ernsten Grund du hast, dies Licht zu fliehn,
So dringendern hab ich, dass ich dir's gebe.
Ich konnte dich der Unschuld deines Herzens,
Dem eignen Urteil ruhig anvertraun,
Doch deinem Herzen selbst seh ich das Netz
Verderblich jetzt bereiten-Das Geheimnis, (ihn scharf mit den Augen fixierend)
Das du vor mir verbirgst, entreisst mir meines.
Max. (versucht zu antworten, stockt aber und schlaegt den
Blick verlegen zu Boden)
Octavio. (nach einer Pause)
So wisse denn! Man hintergeht dich-spielt
Aufs schaendlichste mit dir und mit uns allen.
Der Herzog stellt sich an, als wollt' er die
Armee verlassen; und in dieser Stunde
Wird's eingeleitet, die Armee dem Kaiser
-Zu stehlen und dem Feinde zuzufuehren!
Max.
Das Pfaffenmaerchen kenn ich, aber nicht
Aus deinem Mund erwartet' ich's zu hoeren.
Octavio.
Der Mund, aus dem du's gegenwaertig hoerst,
Verbuerget dir, es sei kein Pfaffenmaerchen.
Max.
Zu welchem Rasenden macht man den Herzog!
Er koennte daran denken, dreissigtausend
Gepruefter Truppen, ehrlicher Soldaten,
Worunter mehr denn tausend Edelleute,
Von Eid und Pflicht und Ehre wegzulocken,
Zu einer Schurkentat sie zu vereinen?
Octavio.
So was nichtswuerdig Schaendliches begehrt
Er keinesweges-Was er von uns will,
Fuehrt einen weit unschuldigeren Namen.
Nichts will er, als dem Reich den Frieden schenken;
Und weil der Kaiser diesen Frieden hasst,
So will er ihn-er will ihn dazu zwingen!
Zufriedenstellen will er alle Teile
Und zum Ersatz fuer seine Muehe Boehmen,
Das er schon innehat, fuer sich behalten.
Max.
Hat er's um uns verdient, Octavio,
Dass wir-wir so unwuerdig von ihm denken?
Octavio.
Von unserm Denken ist hier nicht die Rede.
Die Sache spricht, die klaeresten Beweise.
Mein Sohn! Dir ist nicht unbekannt, wie schlimm
Wir mit dem Hofe stehn-doch von den Raenken,
Den Luegenkuensten hast du keine Ahnung,
Die man in Uebung setzte, Meuterei
Im Lager auszusaeen. Aufgeloest
Sind alle Bande, die den Offizier
An seinen Kaiser fesseln, den Soldaten
Vertraulich binden an das Buergerleben.
Pflicht-und gesetzlos steht er gegenueber
Dem Staat gelagert, den er schuetzen soll,
Und drohet, gegen ihn das Schwert zu kehren.
Es ist so weit gekommen, dass der Kaiser
In diesem Augenblick vor seinen eignen
Armeen zittert-der Verraeter Dolche
In seiner Hauptstadt fuerchtet-seiner Burg;
Ja im Begriffe steht, die zarten Enkel
Nicht vor den Schweden, vor den Lutheranern
-Nein! vor den eignen Truppen wegzufluechten.
Max.
Hoer auf! Du aengstigest, erschuetterst mich.
Ich weiss, dass man vor leeren Schrecken zittert;
Doch wahres Unglueck bringt der falsche Wahn.
Octavio.
Es ist keinWahn. Der buergerliche Krieg
Entbrennt, der unnatuerlichste von allen,
Wenn wir nicht, schleunig rettend, ihm begegnen.
Der Obersten sind viele laengst erkauft,
Der Subalternen Treue wankt; es wanken
Schon ganze Regimenter, Garnisonen.
Auslaendern sind die Festungen vertraut,
Dem Schafgotsch, dem verdaechtigen, hat man
Die ganze Mannschaft Schlesiens, dem Terzky
Fuenf Regimenter, Reiterei und Fussvolk,
Dem Illo, Kinsky, Buttler, Isolan
Die bestmontierten Truppen uebergeben.
Max.
Uns beiden auch.
Octavio.
Weil man uns glaubt zu haben,
Zu locken meint durch glaenzende Versprechen.
So teilt er mir die Fuerstentuemer Glatz
Und Sagan zu, und wohl seh ich den Angel,
Womit man dich zu fangen denkt.
Max.
Nein! Nein!
Nein, sag ich dir!
Octavio.
Oh! oeffne doch die Augen!
Weswegen, glaubst du, dass man uns nach Pilsen
Beorderte? Um mit uns Rat zu pflegen?
Wann haette Friedland unsers Rats bedurft?
Wir sind berufen, uns ihm zu verkaufen,
Und weigern wir uns-Geisel ihm zu bleiben.
Deswegen ist Graf Gallas weggeblieben-
Auch deinen Vater saehest du nicht hier,
Wenn hoehre Pflicht ihn nicht gefesselt hielt.
Max.
Er hat es keinen Hehl, dass wir um seinetwillen
Hieher berufen sind-gestehet ein,
Er brauche unsers Arms, sich zu erhalten.
Er tat so viel fuer uns, und so ist's Pflicht,
Dass wir jetzt auch fuer ihn was tun!
Octavio.
Und weisst du,
Was dieses ist, das wir fuer ihn tun sollen?
Des Illo trunkner Mut hat dir's verraten.
Besinn dich doch, was du gehoert, gesehn.
Zeugt das vefaelschte Blatt, die weggelassne,
So ganz entscheidungsvolle Klausel nicht,
Man wollte zu nichts Gutem uns verbinden?
Max.
Was mit dem Blatte diese Nacht geschehn,
Ist mir nichts weiter als ein schlechter Streich
Von diesem Illo. Dies Geschlecht von Maeklern
Pflegt alles auf die Spitze gleich zu stellen.
Sie sehen, dass der Herzog mit dem Hof
Zerfallen ist, vermeinen ihm zu dienen,
Wenn sie den Bruch unheilbar nur erweitern.
Der Herzog, glaub mir, weiss von all dem nichts.
Octavio.
Es schmerzt mich, deinen Glauben an den Mann,
Der dir so wohlgegruendet scheint, zu stuerzen.
Doch hier darf keine Schonung sein-du musst
Massregeln nehmen, schleunige, musst handeln.
-Ich will dir also nur gestehn-dass alles,
Was ich dir jetzt vertraut, was so unglaublich
Dir scheint, dass-dass ich es aus seinem eignen,
-Des Fuersten Munde habe.
Max. (in heftiger Bewegung)
Nimmermehr!
Octavio.
Er selbst vertraute mir-was ich zwar laengst
Auf anderm Weg schon in Erfahrung brachte:
Dass er zum Schweden wolle uebergehn
Und an der Spitze des verbundnen Heers
Den Kaiser zwingen wolle-
Max.
Er ist heftig,
Es hat der Hof empfindlich ihn beleidigt;
In einem Augenblick des Unmuts, sei's!
Mag er sich leicht einmal vergessen haben.
Octavio.
Bei kaltem Blute war er, als er mir
Dies eingestand; und weil er mein Erstaunen
Als Furcht auslegte, wies er im Vertraun
Mir Briefe vor, der Schweden und der Sachsen,
Die zu bestimmter Hilfe Hoffnung geben.
Max.
Es kann nicht sein! kann nicht sein! kann nicht sein!
Siehst du, dass es nicht kann! Du haettest ihm
Notwendig deinen Abscheu ja gezeigt,
Er haett' sich weisen lassen, oder du
-Du stuendest nicht mehr lebend mir zur Seite!
Octavio.
Wohl hab ich mein Bedenken ihm geaeussert,
Hab dringend, hab mit Ernst ihn abgemahnt;
-Doch meinen Abscheu, meine innerste
Gesinnung hab ich tief versteckt.
Max.
Du waerst
So falsch gewesen? Das sieht meinem Vater
Nicht gleich! Ich glaubte deinen Worten nicht,
Da du von ihm mir Boeses sagtest; kann's
Noch wen'ger jetzt, da du dich selbst verleumdest.
Octavio.
Ich draengte mich nicht selbst in sein Geheimnis.
Max.
Aufrichtigkeit verdiente sein Vertraun.
Octavio.
Nicht wuerdig war er meiner Wahrheit mehr.
Max.
Noch minder wuerdig deiner war Betrug.
Octavio.
Mein bester Sohn! Es ist nicht immer moeglich,
Im Leben sich so kinderrein zu halten,
Wie's uns die Stimme lehrt im Innersten.
In steter Notwehr gegen arge List
Bleibt auch das redliche Gemuet nicht wahr-
Das eben ist der Fluch der boesen Tat,
Dass sie, fortzeugend, immer Boeses muss gebaeren.
Ich kluegle nicht, ich tue meine Pflicht,
Der Kaiser schreibt mir mein Betragen vor.
Wohl waer' es besser, ueberall dem Herzen
Zu folgen, doch darueber wuerde man
Sich manchen guten Zweck versagen muessen.
Hier gilt's, mein Sohn, dem Kaiser wohl zu dienen,
Das Herz mag dazu sprechen, was es will.
Max.
Ich soll dich heut nicht fassen, nicht verstehn.
Der Fuerst, sagst du, entdeckte redlich dir sein Herz
Zu einem boesen Zweck, und du willst ihn
Zu einem guten Zweck betrogen haben!
Hoer auf! ich bitte dich-du raubst den Freund
Mir nicht-Lass mich den Vater nicht verlieren!
Octavio. (unterdrueckt seine Empfindlichkeit)
Noch weisst du alles nicht, mein Sohn. Ich habe
Dir noch was zu eroeffnen. (Nach einer Pause.)
Herzog Friedland
Hat seine Zuruestung gemacht. Er traut
Auf seine Sterne. Unbereitet denkt er uns
Zu ueberfallen-mit der sichern Hand
Meint er den goldnen Zirkel schon zu fassen.
Er irret sich-Wir haben auch gehandelt.
Er fasst sein boes geheimnisvolles Schicksal.
Max.
Nichts Rasches, Vater! Oh! bei allem Guten
Lass dich beschwoeren. Keine Uebereilung!
Octavio.
Mit leisen Tritten schlich er seinen boesen Weg,
So leis und schlau ist ihm die Rache nachgeschlichen.
Schon steht sie ungesehen, finster hinter ihm,
Ein Schritt nur noch, und schaudernd ruehret er sie an.
-Du hast den Questenberg bei mir gesehn;
Noch kennst du nur sein oeffentlich Geschaeft-
Auch ein geheimes hat er mitgebracht,
Das bloss fuer mich war.
Max.
Darf ich's wissen?
Octavio.
Max!
-Des Reiches Wohlfahrt leg ich mit dem Worte,
Des Vaters Leben dir in deine Hand.
Der Wallenstein ist deinem Herzen teuer,
Ein starkes Band der Liebe, der Verehrung
Knuepft seit der fruehen Jugend dich an ihn-
Du naehrst den Wunsch-Oh! lass mich immerhin
Vorgreifen deinem zoegernden Vertrauen-
Die Hoffnung naehrst du, ihm viel naeher noch
Anzugehoeren.
Max.
Vater-
Octavio.
Deinem Herzen trau ich,
Doch, bin ich deiner Fassung auch gewiss?
Wirst du's vermoegen, ruhigen Gesichts
Vor diesen Mann zu treten, wenn ich dir
Sein ganz Geschick nun anvertrauet habe?
Max.
Nachdem du seine Schuld mir anvertraut!
Octavio. (nimmt ein Papier aus der Schatulle und reicht es ihm hin)
Max.
Was? Wie? Ein offner kaiserlicher Brief.
Octavio.
Lies ihn.
Max. (nachdem er einen Blick hineingeworfen)
Der Fuerst verurteilt und geaechtet!
Octavio.
So ist's.
Max.
Oh! das geht weit! O ungluecksvoller Irrtum!
Octavio.
Lies weiter! Fass dich!
Max. (nachdem er weitergelesen, mit einem Blick des
Erstaunens auf seinen Vater)
Wie? Was? Du? Du bist-
Octavio.
Bloss fuer den Augenblick-und bis der Koenig
Von Ungarn bei dem Heer erscheinen kann,
Ist das Kommando mir gegeben-
Max.
Und glaubst du, dass du's ihm entreissen werdest?
Das denke ja nicht-Vater! Vater! Vater!
Ein unglueckselig Amt ist dir geworden.
Dies Blatt hier-dieses! willst du geltendmachen?
Den Maechtigen in seines Heeres Mitte,
Umringt von seinen Tausenden, entwaffnen?
Du bist verloren-Du, wir alle sind's!
Octavio.
Was ich dabei zu wagen habe, weiss ich.
Ich stehe in der Allmacht Hand; sie wird
Das fromme Kaiserhaus mit ihrem Schilde
Bedecken und das Werk der Nacht zertruemmern.
Der Kaiser hat noch treue Diener, auch im Lager
Gibt es der braven Maenner gnug, die sich
Zur guten Sache munter schlagen werden.
Die Treuen sind gewarnt, bewacht die andern,
Den ersten Schritt erwart ich nur, sogleich-
Max.
Auf den Verdacht hin willst du rasch gleich handeln?
Octavio.
Fern sei vom Kaiser die Tyrannenweise!
Den Willen nicht, die Tat nur will er strafen.
Noch hat der Fuerst sein Schicksal in der Hand-
Er lasse das Verbrechen unvollfuehrt,
So wird man ihn still vom Kommando nehmen,
Er wird dem Sohne seines Kaisers weichen.
Ein ehrenvoll Exil auf seine Schloesser
Wird Wohltat mehr als Strafe fuer ihn sein.
Jedoch der erste offenbare Schritt-
Max.
Was nennst du einen solchen Schritt? Er wird
Nie einen boesen tun.-Du aber koenntest
(Du hast's getan) den froemmsten auch missdeuten.
Octavio.
Wie strafbar auch des Fuersten Zwecke waren,
Die Schritte, die er oeffentlich getan,
Verstatteten noch eine milde Deutung.
Nicht eher denk ich dieses Blatt zu brauchen,
Bis eine Tat getan ist, die unwidersprechlich
Der Hochverrat bezeugt und ihn verdammt.
Max.
Und wer soll Richter drueber sein?
Octavio.
Du selbst.
Max.
Oh! dann bedarf es dieses Blattes nie!
Ich hab dein Wort, du wirst nicht eher handeln,
Bevor du mich-mich selber ueberzeugt.
Octavio.
Ist's moeglich? Noch-nach allem, was du weisst,
Kannst du an seine Unschuld glauben?
Max. (lebhaft)
Dein Urteil kann sich irren, nicht mein Herz. (Gemaessigter fortfahrend.)
Der Geist ist nicht zu fassen wie ein andrer.
Wie er sein Schicksal an die Sterne knuepft,
So gleicht er ihnen auch in wunderbarer,
Geheimer, ewig unbegriffner Bahn.
Glaub mir, man tut ihm Unrecht. Alles wird
Sich loesen. Glaenzend werden wir den Reinen
Aus diesem schwarzen Argwohn treten sehn.
Octavio.
Ich will's erwarten.