Ich freute mich darauf, mit Mrs. Baudelaire zu sprechen. Ich wählte ihre Nummer, und Bill kam an den Apparat.
«Hallo«, sagte ich überrascht.»Tor Kelsey hier. Wie geht’s Ihrer Mutter?«
Eine lange, schreckliche Stille trat ein.
«Sie ist krank«, sagte ich besorgt.
«Sie… ehm… sie ist heute am frühen Morgen… gestorben.«
«Oh… nein. «Das konnte nicht sein, dachte ich. Es konnte nicht wahr sein.»Ich habe gestern noch mit ihr gesprochen«, sagte ich.
«Wir wußten. sie wußte. daß es nur noch Wochen sein würden. Aber gestern abend kam eine Krise.«
Ich schwieg. Ich empfand ihren Verlust so, als wäre Tante Viv mir zurückgegeben und dann wieder entrissen worden. Ich hätte sie so gern kennengelernt.
«Tor?«sagte Bills Stimme.
Ich schluckte.»Ihre Mutter… war großartig.«
Er würde die unterdrückten Tränen in meiner Stimme hören, dachte ich. Er würde mich für verrückt halten.
«Falls es Ihnen etwas nützt«, sagte er,»die gleiche Meinung hatte sie von Ihnen. Sie haben ihr die letzten Tage verschönt. Sie wollte noch erleben, wie es ausgeht. Mit das letzte, was sie sagte, war… >Ich will nicht gehen, bevor die Geschichte zu Ende ist. Ich möchte den unsichtbaren jungen Mann sehen…< Dabei ließen ihre Kräfte… immer mehr nach.«
Geh nicht so sanft in diese gute Nacht, Das Alter sollte lodern, rasen, wenn der Tag sich senkt;
So wüte, wüte doch, daß man das Licht dir umgebracht…
«Tor?«sagte Bill.
«Es tut mir sehr leid«, sagte ich, schon beherrschter.»Sehr leid.«
«Danke.«
«Ich nehme nicht an. «sagte ich und hielt hilflos inne.
«Sie irren sich«, erwiderte er sofort.»Ich habe hier auf Ihren Anruf gewartet. Wir würden sie enttäuschen, wenn wir nicht voll weitermachten. Ich hatte Zeit, darüber nachzudenken. Das letzte, was sie gewollt hätte, wäre, daß wir aufgeben. Zur Sache also: Wir haben ein Telex von Filmer erhalten, in dem er behauptet, der alleinige Besitzer von Laurentide Ice zu sein, aber wir werden ihm mitteilen, daß die Rennsportkommission von Ontario seine Besitzerlizenz für ungültig erklärt. Und daß er zu dem Präsidentenlunch in Exhibition Park nicht zugelassen wird.«
«Ich, ehm… würde es gern anders machen«, sagte ich.
«Wie meinen Sie das?«
Ich seufzte tief und redete auch mit ihm lange Zeit. Er hörte zu wie der Brigadier, mit einem gelegentlichen kehligen Brummen, und zum Schluß sagte er bloß:»Ich wünschte, sie hätte das alles noch hören können.«
«Ja, das wünschte ich auch.«
«Also«, er hielt inne.»Ich gebe meine Zustimmung. Das eigentliche Problem ist die Zeit.«
«M-hm.«
«Am besten sprechen Sie selbst mit Mercer Lorrimore.«
«Aber.«
«Kein Aber. Sie sind doch da. Ich kann erst morgen am späten Nachmittag kommen, wenn ich hier alles nach Ihren Wünschen erledigen soll. Sprechen Sie unverzüglich mit Mercer — Sie wollen doch nicht, daß er nach Toronto zurückkehrt.«
Ich sagte widerstrebend:»Na schön. «Aber ich hatte gewußt, daß es auf mich zukam.
«Gut. Machen Sie alle nötige Autorität geltend. Val und ich stehen hinter Ihnen.«
«Danke… vielen Dank.«
«Bis morgen«, sagte er.
Ich legte langsam den Hörer auf. Der Tod konnte ungeheuer unfair sein, das wußte man, aber Wut, Wut… Ich empfand ebensoviel Zorn wie Trauer um sie. Geh nicht so sanft in diese gute Nacht… wenn ich mich recht erinnerte, waren das wohl die letzten Worte, die sie zu mir gesagt hatte:»Gute Nacht. «Gute Nacht, liebe, liebe Mrs. Baudelaire. Gehen Sie sanft. Gehen Sie ganz sanft in diese gute Nacht.
Ich saß eine Zeitlang kraftlos da, spürte den Schlafmangel, spürte die nagenden Schmerzen, spürte die Verzagtheit, der ihr Tod die Tür geöffnet hatte; fühlte mich den kommenden beiden Tagen nicht gewachsen, obwohl ich ihren Ablauf selbst geplant hatte.
Nach einer Ewigkeit raffte ich mich zusammen, rief im Four Seasons Hotel an und verlangte Mercer, sprach aber unversehens mit Nell.
«Alle Anrufe werden zu mir durchgestellt«, sagte sie.»Bambi hat sich hingelegt. Mercer und Xanthe sind unterwegs nach Hope — der Hubschrauber wurde doch für ihn bestellt, damit er Sheridans Leichnam identifizieren kann, der auf dem Straßenweg hingebracht wird.«
«Das hört sich alles so klinisch an.«
«Die Behörden wollen sichergehen, daß es Sheridan ist, ehe sie irgendwelche Anordnungen treffen.«
«Wissen Sie, wann Mercer und Xanthe zurückkommen?«
«Gegen sechs vermutlich.«
«Hm. der Jockey Club bat mich, ein kurzes Treffen anzusetzen. Meinen Sie, Mercer wäre damit einverstanden?«
«Er ist sehr hilfsbereit allen gegenüber. Fast schon zu ruhig.«
Ich dachte nach.»Können Sie ihn in Hope erreichen?«
Sie zögerte.»Ja, wahrscheinlich. Ich habe die Adresse, wo er hin ist, und die Telefonnummer, aber ich glaube, das ist eine Polizeistation. oder eine Leichenhalle.«
«Könnten Sie… könnten Sie ihm ausrichten, daß bei seiner Rückkehr ein Wagen am Hotel bereitstehen wird, um ihn direkt zu einem kurzen Treffen mit dem Jockey Club zu bringen? Sagen Sie ihm, der Jockey Club spricht sein aufrichtiges Beileid aus und möchte seine Zeit nur kurz in Anspruch nehmen.«
«Könnte ich wohl tun«, meinte sie zweifelnd.»Was ist mit Xanthe?«
«Mercer allein«, sagte ich entschieden.
«Ist es wichtig?«fragte sie, und ich konnte mir vorstellen, wie sie dabei die Stirn runzelte.
«Ich glaube, es ist wichtig für Mercer.«
«Na schön. «Sie entschloß sich.»Xanthe kann dann ja die Anrufe für ihre Mutter entgegennehmen, ich muß nämlich zu dieser Cocktailparty. «Ihr fiel etwas ein.»Kommen nicht auch Leute vom Jockey Club zu der Party?«
«Mercer wird nicht hingehen wollen. Sie möchten ungestört mit ihm allein sprechen.«
«Also gut, ich versuch das hinzukriegen.«
«Tausend Dank«, sagte ich inbrünstig.»Ich rufe noch mal an, ob es geklappt hat.«
Ich rief um fünf noch einmal an. Der Hubschrauber war auf dem Rückflug, sagte Nell, und Mercer war damit einverstanden, daß man ihn am Hotel abholte.
«Sie sind fabelhaft.«
«Bitten Sie den Jockey Club, ihn nicht lange aufzuhalten. Er wird müde sein… und er hat Sheridan identifiziert.«
«Ich könnte Sie küssen«, sagte ich.»Der Weg zum Herzen eines Mannes führt übers Reisebüro.«
Sie lachte.»Immer vorausgesetzt, daß man dort auch hin möchte.«
Mit einem leisen Klicken legte sie den Hörer auf. Ich wollte sie nicht verlieren, dachte ich.
Der Wagen, den ich für Mercer bestellte, holte ihn plangemäß ab und brachte ihn zum Hyatt, und wie gewünscht sagte ihm der Chauffeur auch gleich, in welches Zimmer er gehen solle. Er klingelte an der Suite, die ich mehr oder minder ihm zu Ehren belegt hatte, und ich öffnete die Tür, um ihn einzulassen.
Er kam etwa zwei Schritte herein, blieb dann stehen und blickte mir ungehalten ins Gesicht.
«Was soll das denn?«fragte er mit wachsendem Zorn und schickte sich an zu gehen.
Ich schloß die Tür hinter ihm.
«Ich arbeite für den Jockey Club«, sagte ich.»Den britischen Jockey Club. Ich bin für die Dauer des Rennexpreß-Festivals zum kanadischen Jockey Club abgestellt worden.«
«Aber Sie sind. Sie sind doch.«
«Mein Name ist Tor Kelsey«, sagte ich.»Man hielt es für besser, wenn ich nicht offen als eine Art Sicherheitsbeamter des Jockey Club im Zug wäre, deshalb fuhr ich als Kellner mit.«
Er musterte mich. Betrachtete den feinen Anzug, Marke reicher junger Besitzer, den ich für den Anlaß angezogen hatte. Betrachtete das teure Zimmer.
«Mein Gott«, sagte er schwach.»Weshalb bin ich hier?«
«Ich arbeite für Brigadier Catto in England«, sagte ich,»und hier für Bill Baudelaire. Das sind die Sicherheitschefs unserer Jockey Clubs.«
Er nickte. Er kannte sie.
«Da sie nicht hier sein können, haben beide mich ermächtigt, in ihrem Namen mit Ihnen zu sprechen.«
«Ja, aber… worüber denn?«
«Würden Sie bitte Platz nehmen? Möchten Sie etwas trinken?«
Er blickte mich mit einem gewissen trockenen Humor an.
«Können Sie sich ausweisen?«
«Ja. «Ich nahm meinen Paß heraus. Er klappte ihn auf. Sah sich meinen Namen an, mein Bild und meinen Beruf: Ermittler.
Er gab mir den Paß zurück.»Ja, ich trinke was«, sagte er,»da Sie im Einschenken so geübt sind. Cognac, wenn’s geht.«
Ich öffnete den Schrank, den das Hotel auf meinen Wunsch mit Wein, Wodka, Scotch und Brandy ausgestattet hatte, und goß ihm die Menge ein, die er bevorzugte; auch das frevlerische Eis gab ich hinzu.
Er nahm das Glas mit einem schiefen Lächeln an und setzte sich in einen der Sessel.
«Niemand ist Ihnen draufgekommen«, sagte er.»Keiner hat es auch nur geahnt. «Nachdenklich trank er einen Schluck.»Weshalb waren Sie in dem Zug?«
«Ich wurde wegen einem der Passagiere entsandt. Wegen Julius Filmer.«
Die Ungezwungenheit, die bei ihm aufgekommen war, verschwand abrupt. Er stellte sein Glas auf den Tisch neben sich und starrte mich an.
«Mr. Lorrimore«, sagte ich und setzte mich ihm gegenüber,»ich bedaure den Tod Ihres Sohnes. Es tut mir wirklich leid. Der ganze Jockey Club spricht Ihnen seine Teilnahme aus. Ich glaube aber, ich sollte Ihnen geradeheraus sagen, daß Brigadier Catto, Bill Baudelaire und ich über den, ehm… Vorfall mit den Katzen im Bilde sind.«
Er sah zutiefst bestürzt aus.»Das ist doch nicht möglich!«
«Ich nehme an, Julius Filmer weiß ebenfalls davon.«
Er machte eine hilflose Geste mit der Hand.»Wie hat er das bloß rausbekommen?«
«Das untersucht der Brigadier in England.«
«Und wie haben Sie es rausbekommen?«
«Nicht durch irgend jemand, den Sie zum Schweigen verpflichtet haben.«
«Nicht über das College?«
«Nein.«
Er bedeckte sein Gesicht kurz mit der Hand.
«Julius Filmer könnte auch jetzt noch vorschlagen, daß Sie ihm Voting Right geben, damit er den Mund hält«, sagte ich.
Er ließ die Hand an seinen Hals sinken und schloß die Augen.
«Daran habe ich auch schon gedacht«, sagte er. Er schlug die Augen wieder auf.»Haben Sie die Schlußszene des Kriminalstücks gesehen?«
«Ja«, sagte ich.
«Ich weiß nicht mehr, was ich tun soll… seitdem.«
«Das müssen Sie entscheiden«, sagte ich.»Aber… darf ich etwas dazu anmerken?«
Er willigte mit einer unbestimmten Geste ein, und ich sprach auch mit ihm ziemlich lange. Er hörte äußerst konzentriert zu, wobei er mir fast unverwandt ins Gesicht schaute. Leute, die im Geiste jedes Wort, das man sagt, zurückweisen, sehen einen nicht an, sondern blicken auf den Boden, auf einen Tisch oder sonstwohin. Ich wußte zum Schluß, daß er tun würde, worum ich ihn bat, und dafür war ich dankbar, denn es würde ihm nicht leichtfallen.
Als ich geendet hatte, sagte er nachdenklich:»Dieser Krimi war kein Zufall, was? Der mit der Straftat seines Kindes erpreßte Vater, der Pfleger, der ermordet wurde, weil er zuviel wußte, der Mann, der sich umbringen wollte, wenn er seine Rennpferde nicht behalten konnte… Haben Sie das selbst geschrieben?«
«Den Teil schon. Nicht das Ganze.«
Er lächelte schwach.»Sie haben mir vor Augen geführt, was ich da machte… was ich zu tun bereit war. Aber darüber hinaus… haben Sie es Sheridan gezeigt.«
«Es kam mir so vor«, sagte ich.
«Ja? Wieso?«
«Er wirkte anders hinterher. Er hatte sich verändert.«
Mercer sagte:»Woran haben Sie das erkannt?«
«Das ist mein Beruf.«
Er sah verblüfft drein.»So einen Beruf gibt es nicht.«
«Doch«, sagte ich,»es gibt ihn.«
«Erklären Sie«, sagte er.
«Ich achte auf Dinge… die nicht so sind, wie sie waren, und versuche das zu verstehen und herauszufinden, wie es kommt.«
«Immerzu?«
Ich nickte.»Ja.«
Er trank nachdenklich etwas Brandy.»Welche Veränderung haben Sie bei Sheridan bemerkt?«
Ich zögerte.»Mir war einfach, als habe sich in seinem Kopf etwas bewegt. Als sähe er die Dinge aus einem anderen Blickwinkel. Wie eine Offenbarung. Ich wußte nicht, ob es lange vorhalten würde.«
«Das hätte es vielleicht nicht getan.«
«Nein.«
«Er sagte«, sagte Mercer,»»entschuldige, Dad.<«
Jetzt war es an mir zu staunen.
«Er sagte das, bevor er hinaus auf die Plattform ging. «Mercer schluckte mühsam und fuhr schließlich fort:»Er war so still geworden. Ich konnte nicht schlafen. Gegen Tagesanbruch ging ich raus in den Salon, und da saß er. Ich fragte ihn, was los sei, und er sagte: >Ich habe Mist gebaut, was?< Das wußten wir alle. Es war nichts Neues. Aber es war das erstemal, daß er es zugab. Ich wollte… ich versuchte ihn zu trösten, sagte ihm, wir würden zu ihm stehen, komme, was da wolle. Er wußte nämlich von Filmers Drohung. Filmer hatte vor uns allen gesagt, daß er über die Katzen informiert sei. «Er blickte über sein Glas, ohne etwas zu sehen.
«Es war nicht der einzige Fall dieser Art. Sheridan hatte in unserem Garten schon mal zwei Katzen so getötet, als er vierzehn war. Wir ließen ihn therapeutisch behandeln. Es hieß, das seien die Wirren der Adoleszenz. «Er hielt inne.»Ein Psychiater meinte, Sheridan sei ein Psychopath, er könne nichts für das, was er tue… aber meistens konnte er schon was dafür. Er brauchte nicht unhöflich zu sein; er dachte aber, weil er reich sei, habe er das Recht dazu. Ich sagte ihm, daß er es nicht hatte.«
«Wieso haben Sie ihn nach Cambridge geschickt?«fragte ich.
«Mein Vater war dort und hat ein Stipendium eingerichtet. Zum Dank dafür gaben sie Sheridan eins — als Geschenk. Bei seiner Konzentration hätte er es sonst nicht geschafft, auf ein College zu kommen. Aber dann… sagte der Rektor des College, Stipendium hin, Stipendium her, sie könnten ihn nicht dabehalten, und ich verstand… natürlich konnten sie nicht. Wir dachten, er wäre dort gut aufgehoben… wir hofften es so sehr.«
Sie hatten viel Hoffnung an Sheridan vergeudet, dachte ich.
«Ich weiß nicht, ob er die Absicht hatte zu springen, als er heute morgen auf die Plattform ging«, sagte Mercer.»Ich weiß nicht, ob es bloß ein Impuls war. Er gab Impulsen sehr leicht nach. Unvernünftigen Regungen… fast verrückt manchmal.«
«Es war verlockend da draußen«, sagte ich.»Da springt man leicht.«
Mercer sah mich dankbar an.»Haben Sie das so empfunden?«
«Irgendwie schon.«
«Sheridans Offenbarung hielt sich bis heute morgen«, sagte er.
«Ja«, sagte ich.»Das sah ich… als ich Ihnen den Tee brachte.«
«Der Kellner. «Er schüttelte den Kopf, immer noch erstaunt.
«Ich wäre Ihnen verbunden«, sagte ich,»wenn Sie sonst niemand von dem Kellner erzählen würden.«
«Wieso nicht?«
«Weil es bei meiner Arbeit weitgehend auf Anonymität ankommt. Meine Vorgesetzten möchten nicht, daß Leute wie Filmer wissen, daß es mich gibt.«
Er nickte langsam, einsichtig.»Ich sage es nicht weiter.«
Er stand auf und gab mir die Hand.»Was bezahlt man Ihnen?«fragte er.
Ich lächelte.»Genug.«
«Ich wünschte, Sheridan wäre in der Lage gewesen, einen Beruf auszuüben. Er konnte bei nichts bleiben. «Er seufzte.»Ich werde davon ausgehen, daß er das, was er heute morgen getan hat, für uns getan hat. >Entschuldige, Dad.. <«
Mercer sah mir in die Augen und traf eine schlichte Feststellung, ohne sich zu verteidigen, ohne sich zu entschuldigen.
«Ich habe meinen Sohn geliebt«, sagte er.
Am Montagmorgen fuhr ich zum Bahnhof von Vancouver, um George Burley bei der eisenbahninternen Untersuchung des Falls der heißgelaufenen Lagerbüchse und des Selbstmordes den Rücken zu stärken.
Ich wurde als T. Titmuss, Schauspielertruppe, geführt, was mich belustigte und mehrere Auslegungen zuzulassen schien. George war energisch und direkt, unterließ das ironische Kichern und begnügte sich mit dem Glitzern seiner Augen. Zu meiner Freude stellte ich fest, daß er ein recht angesehener Eisenbahner war, dem man Respekt, wenn auch nicht gerade Ehrerbietung entgegenbrachte und auf dessen Meinung man hörte.
Er gab den Ermittlungsbeamten der Bahn ein Foto von Johnson und sagte, er habe zwar nicht direkt gesehen, daß dieser Mann Flüssigkeit in das Funkgerät gekippt habe, könne aber sagen, daß er gefesselt und geknebelt im Abteil dieses Mannes aufgewacht sei, und er könne sagen, daß es dieser Mann gewesen sei, der Titmuss überfallen habe, als Titmuss die Fackeln aufstellte.
«War das so?«fragten sie mich. Konnte ich ihn eindeutig identifizieren?
«Eindeutig«, sagte ich.
Sie gingen zu Sheridans Tod über. Eine betrübliche Geschichte, sagten sie. Man konnte den Zeitpunkt des Ereignisses und der verschiedenen Funksprüche zu Protokoll nehmen, sonst aber wenig tun. Die Familie hatte sich weder bei der Eisenbahngesellschaft noch über sie beschwert. Alles Weitere mußte bei der amtlichen Totenschau entschieden werden.
«Das war doch halb so schlimm, eh?«meinte George hinterher.
«Würden Sie in Uniform zu den Rennen kommen?«fragte ich.
«Wenn Sie es wünschen.«
«Ja, bitte. «Ich gab ihm einen Zettel mit Hinweisen und Instruktionen und eine Freikarte, die ich Nell abgebettelt hatte, um ihn an der Kasse vorbeizubekommen.
«Bis morgen, eh?«
Ich nickte.»Um elf.«
Wir gingen unserer Wege, und mit einigem Widerstreben, aber fest entschlossen begab ich mich zu einem vom Hotel empfohlenen Arzt und ließ mich untersuchen.
Der Arzt war dünn, ziemlich alt und scherzte gern über seine halbmondförmigen Brillengläser hinweg.
«Ah«, sagte er, als ich mein Hemd ausgezogen hatte,»tut es weh, wenn Sie husten?«
«Es tut genaugenommen bei praktisch allem weh, was ich mache.«
«Dann wollen wir es besser mal röntgen, meinen Sie nicht?«
Ich war damit einverstanden und wartete anschließend eine Ewigkeit, bis er mit einem großen Zelluloidbogen wieder erschien, den er vor eine Lampe hängte.
«Nun also«, sagte er,»die gute Nachricht ist, daß wir keine gebrochenen Rippen oder angeknacksten Wirbel haben.«
«Schön. «Ich war erleichtert und vielleicht ein wenig überrascht.
«Was wir haben, ist ein gebrochenes Schulterblatt.«
Ich starrte ihn an.»Ich wußte nicht, daß das möglich ist.«
«Alles ist möglich«, sagte er.»Schauen Sie da«, er zeigte,»das ist ein Bruch erster Ordnung. Geht quer rüber, geht glatt durch. Der untere Teil Ihres linken Schulterblatts«, erklärte er fröhlich,»ist vom oberen quasi getrennt.«
«Hm«, sagte ich verblüfft.»Was macht man da?«
Er schaute mich über die Halbmonde hinweg an.»Nageln wäre vielleicht übertrieben, was? Ein fester Verband, vierzehn Tage Ruhigstellung, damit schaffen wir’s.«
«Was ist«, sagte ich,»wenn wir gar nichts daran machen? Heilt es dann auch?«
«Wahrscheinlich. Knochen sind bemerkenswert. Zumal junge
Knochen. Sie könnten es mit einer Armschlinge versuchen. Bequemer wär’s aber, Sie ließen mich den Arm mit einem Pflasterverband, Haut auf Haut, unter Ihrem Hemd auf Ihre Seite und Ihre Brust fixieren.«
Ich schüttelte den Kopf und sagte, ich hätte eine Art Hochzeitsreise nach Hawaii vor.
«Leute, die mit Knochenbrüchen in die Flitterwochen fahren«, sagte er mit unbewegtem Gesicht,»müssen allerhand zu lachen haben.«
Ich lachte auf der Stelle. Ich bat ihn um einen schriftlichen Befund und um die Röntgenaufnahme, bezahlte ihm beides und trug meine Beweise davon.
Auf dem Rückweg zum Hotel hielt ich an einer Apotheke und kaufte mir einen Stützverband aus schwarzem Tuch, den ich probehalber im Laden anlegte und mit dem ich mich viel besser fühlte. Ich trug ihn auch, als ich am Abend meine Besucher einließ, erst den Brigadier nach seiner Ankunft aus Heathrow, dann Bill Baudelaire, der aus Toronto kam.
Bill Baudelaire blickte sich in dem Salon um und bemerkte dem Brigadier gegenüber, wie üppig doch mein Spesenkonto sei.
«Von wegen Spesenkonto!«sagte der Brigadier und trank von meinem Scotch.»Er bezahlt das aus eigener Tasche.«
Bill Baudelaire sah bestürzt aus.»Das können Sie doch nicht zulassen«, sagte er.
«Hat er’s Ihnen nicht erzählt?«lachte der Brigadier.»Er ist so reich wie Krösus.«
«Nein… das hat er mir nicht erzählt.«
«Er sagt es nie jemandem. Er hat Angst davor.«
Bill Baudelaire mit seinem karottenroten Haar und dem narbenbedeckten Gesicht sah mich voller Neugierde an.
«Weshalb üben Sie diesen Beruf aus?«fragte er.
Der Brigadier gab mir keine Gelegenheit zu antworten.»Womit soll er sich denn sonst die Zeit vertreiben? Mit Backgammon? Das Spiel hier ist besser. Hab ich’s erfaßt, Tor?«
«Das Spiel hier ist besser«, stimmte ich zu.
Der Brigadier lächelte. Obwohl er kleiner war als Bill Baudelaire und älter und magerer, mit hellerem, gelichtetem Haar, schien er doch mehr Raum einzunehmen. Ich war vielleicht einen halben Kopf größer als er, hatte aber immer den Eindruck, zu ihm aufzuschauen, nicht auf ihn herunter.
«Also an die Arbeit«, schlug er vor.»Strategie, Taktik, Angriffsplan.«
Er hatte einige Papiere aus England mitgebracht, denen noch andere folgen sollten, und er breitete sie auf dem Couchtisch aus, so daß wir sie alle einsehen konnten.
«Sie haben richtig vermutet, Tor, daß der absenderlose Bericht über die Katzen ein Computerausdruck war. Der Rektor des College wurde heute morgen um acht — das muß hier um Mitternacht gewesen sein — von Mercer Lorrimore telefonisch ermächtigt, uns alles zu erzählen, wie Sie es erbeten hatten. Der Rektor nannte uns den Namen des von ihm beauftragten Veterinärlabors und schickte uns ein Fax des Briefes, den er vom Labor erhalten hatte. Ist das der gleiche wie in Filmers Aktenkoffer, Tor?«
Er schob mir ein Schriftstück zu, und ich warf einen Blick darauf.»Identisch, bis auf den Briefkopf.«
«Gut. Das Veterinärlabor hat bestätigt, daß der Brief in ihrem Computer gespeichert ist, aber sie wissen bisher nicht, wie ein Ausdruck davon in fremde Hände gelangen konnte. Wir prüfen das noch. Sie ebenfalls. Es gefällt ihnen nicht, daß es passiert ist.«
«Wie steht’s mit einer Liste ihrer Angestellten«, sagte ich,»einschließlich Zeitsekretärinnen und Azubis mit HackerAmbitionen?«
«Wo haben Sie nur diese Ausdrücke her?«verwahrte sich der Brigadier. Er präsentierte ein Namensverzeichnis.»Das ist das Beste, was sie bieten können.«
Ich las die Liste durch. Keiner der Namen war mir bekannt.
«Müssen Sie die Verbindung wirklich kennen?«fragte Bill Baudelaire.
«Es sähe besser aus«, sagte ich.
Der Brigadier nickte.»John Millington arbeitet daran. Wir telefonieren vor dem morgigen Treffen noch mit ihm. Jetzt zum nächsten Punkt«, er wandte sich an mich.»Die Auflassung, die Sie in der Aktentasche gesehen haben. Wir haben Ihren Tip befolgt und uns beim Grundbuchamt nach der Nummer SF90155 erkundigt. «Er kicherte mit dem ganzen Vergnügen eines George Burley.»Dafür allein hätte sich Ihre Reise schon gelohnt.«
Er erklärte, warum. Bill Baudelaire sagte mit großer Befriedigung:»Dann haben wir ihn ja«, und die gemeinsamen Oberbefehlshaber begannen zu überlegen, in welcher Reihenfolge sie ihre Breitseiten abfeuern würden.
Julius Apollo betrat am Dienstagmorgen ein reserviertes Besprechungszimmer hoch oben in den Tribünenbauten von Exhibition Park, um, wie er dachte, die Bestätigung zu unterschreiben und entgegenzunehmen, daß er alleiniger Besitzer von Laurentide Ice war, der an diesem Nachmittag in seinem Namen starten würde. Das Zimmer war der Konferenzraum des Rennvereinspräsidenten, ausgestattet mit einem Schreibtisch und drei bequemen Lehnstühlen auf der einen Seite und einem von acht ebensolchen Stühlen umgebenen Tisch auf der anderen. Der Eingang vom Flur her lag in der Mitte zwischen den beiden Gruppierungen; nach rechts ging es zum Schreibtisch, nach links zum Konferenztisch. Ein rehbrauner Teppich bedeckte den Boden, Bilder von Pferden bedeckten die Wände, weiches gelbes Leder bedeckte die
Lehnstühle: eine Mischung aus Komfort und Funktionalität, ohne Fenster, aber mit interessanter indirekter Deckenbeleuchtung.
Als Filmer eintrat, saßen beide Sicherheitschefs hinter dem Schreibtisch; drei hochgestellte Mitglieder des Vancouver Jockey Club und der Rennsportkommission von British Columbia saßen am Konferenztisch. Sie sollten dem Verfahren Gewicht verleihen und es hinterher bezeugen, hatten sich aber entschlossen, nur als Beobachter dort zu sein, und eingewilligt, nicht dazwischen zu fragen. Sie würden sich Notizen machen, sagten sie, und wenn nötig anschließend Fragen stellen.
Drei weitere Personen und ich warteten auf der anderen Seite einer geschlossenen Tür, die von der Konferenztischhälfte des Zimmers in einen Anrichteraum und von dort auf den Flur führte.
Als Filmer eintraf, ging ich den Flur entlang, sperrte die Tür ab, durch die er eingetreten war, und steckte den Schlüssel in die Tasche meines grauen, bis zum Hals zugeknöpften Regenmantels. Dann kehrte ich durch den Flur in den Anrichteraum zurück und stellte mich leise zu den anderen, die dort warteten.
Ein Mikrofon stand auf dem Schreibtisch vor den Sicherheitschefs, ein weiteres auf dem Konferenztisch, und beide waren mit einem Kassettenrecorder verbunden. Draußen im Anrichteraum gab ein Verstärker leise alles wieder, was drinnen gesprochen wurde.
Bill Baudelaires tiefe Stimme begrüßte Filmer, bat ihn, auf dem Lehnstuhl vor dem Schreibtisch Platz zu nehmen, und sagte:
«Brigadier Catto kennen Sie doch sicher?«
Da die beiden sich schon unzählige Male böse angefunkelt hatten, kannte er ihn, ja.
«Und die anderen Herren dort sind vom Jockey Club und von der Rennsportkommission hier in Vancouver.«
«Was soll das?«fragte Filmer trotzig.»Was ich will, ist doch nur ein Federstrich. Eine Formalität.«
Der Brigadier sagte:»Wir möchten die Gelegenheit zu einer Vorprüfung bestimmter Rennsportangelegenheiten nutzen, und es schien uns am besten, dies jetzt zu tun, weil so viele der davon Betroffenen momentan in Vancouver sind.«
«Wovon reden Sie?«sagte Filmer.
«Wir sollten darauf hinweisen«, sagte der Brigadier aalglatt,»daß wir alles, was heute morgen in diesem Raum gesagt wird, aufzeichnen. Es handelt sich zwar nicht um ein Gerichtsverfahren oder eine amtliche Untersuchung, aber was hier gesagt wird, kann bei einer späteren Verhandlung oder Untersuchung aufgegriffen werden. Wir möchten Sie bitten, das im Auge zu behalten.«
Filmer sagte energisch:»Ich protestiere gegen dieses
Vorgehen.«
«Bei einer künftigen Gerichtsverhandlung oder Untersuchung durch den Ordnungsausschuß«, sagte Bill Baudelaire,»können Sie selbstverständlich einen Rechtsbeistand hinzuziehen. Wir werden Ihnen eine Bandaufnahme von dem heutigen Vorverfahren überlassen, die Sie gern an Ihren Anwalt weitergeben dürfen.«
«Das können Sie nicht machen«, sagte Filmer.»Ich bleibe nicht.«
Als er zu der Tür ging, durch die er hereingekommen war, fand er sie verschlossen.
«Lassen Sie mich raus«, sagte Filmer wütend.»Das können Sie nicht machen.«
Im Anrichteraum holte Mercer Lorrimore tief Atem, öffnete die Tür zum Konferenzzimmer, ging hindurch und schloß sie hinter sich.
«Guten Morgen, Julius«, sagte er.
«Was machen Sie denn hier?«Filmers Tonfall war überrascht, jedoch nicht übermäßig bestürzt.»Sagen Sie denen, die sollen mir meinen Schein geben und es gut sein lassen.«
«Setzen Sie sich, Julius«, sagte Mercer. Er sprach in das Konferenztisch-Mikrofon, seine Stimme klang viel lauter als die Filmers.»Setzen Sie sich an den Schreibtisch.«
«Die Vorprüfung, Mr. Filmer«, sagte die Stimme des Brigadiers,»bezieht sich hauptsächlich auf Ihre Handlungsweise vor, während und im Zusammenhang mit der Fahrt des Rennexpresses. «Stille trat ein, als man vermutlich darauf wartete, daß Filmer Platz nahm. Dann wieder die Stimme des Brigadiers:»Mr. Lorrimore… darf ich Sie bitten…?«:
Mercer räusperte sich.»Mein Sohn Sheridan«, sagte er ruhig,»der vor zwei Tagen gestorben ist, litt zeitweilig an einer psychischen Labilität, die ihn manchmal veranlaßte, befremdliche… und unerfreuliche… Dinge zu tun.«
Stille. Kein Wort von Filmer.
Mercer sagte:»Zu seinem großen Bedauern gab es auch im letzten Mai einen Vorfall dieser Art. Sheridan tötete… einige Tiere. Die Kadaver wurden am Fundort einem Veterinärpathologen übergeben, der dann vertraulich eine Autopsie an ihnen vornahm. «Er hielt wieder inne. Die Anspannung in seiner Stimme war deutlich zu hören, aber er zauderte nicht.»Sie, Julius, haben im Zug meiner Familie gegenüber durchblicken lassen, daß Sie von diesem Vorfall wußten, und dreien von uns… meiner Frau Bambi, meinem Sohn Sheridan und mir… wurde noch am selben Abend klar, daß Sie Sheridans bedauerliche Tat als Druckmittel benutzen wollten, um sich in den Besitz meines Pferdes Voting Right zu bringen.«
Filmer sagte wütend:»Dieses verfluchte Schauspiel!«
«Ja«, sagte Mercer.»Es hat die Dinge beim Namen genannt.
Nach Sheridans Tod gab ich dem Rektor vom College meines Sohnes, dem Sicherheitsdienst des britischen Jockey Club und dem Veterinärpathologen selbst die Erlaubnis herauszufinden, wie diese Information in Ihre Hände gelangt ist.«
«Wir haben es herausgefunden«, sagte der Brigadier und wiederholte, was ein triumphierender John Millington uns vor weniger als einer Stunde berichtet hatte.»Es war ein Zufall… ein Versehen. Sie, Mr. Filmer, besaßen ein in Newmarket in England trainiertes Pferd, das zu Tode kam. Da Sie Gift als Ursache vermuteten, bestanden Sie auf einer Obduktion und veranlaßten Ihren Trainer, mehrere Organe an das Veterinärlabor zu schicken. Das Labor teilte Ihrem Trainer brieflich mit, daß sich keine Fremdstoffe in den Organen befanden, und auf Ihren Wunsch sandte man Ihnen später eine Kopie des Briefes zu. Inzwischen hatte eine nicht sonderlich helle Computer-Operatorin dort Ihren Brief auf eine streng geheime Diskette überspielt, die sie besser in Ruhe gelassen hätte, und ihn auch noch irgendwie gekoppelt, so daß Sie nicht nur eine Kopie Ihres Briefes, sondern Kopien von drei weiteren Schreiben erhielten, die vertraulich waren und der Geheimhaltung unterlagen. «Der Brigadier hielt inne.»Wir wissen, daß dem so ist«, sagte er,»weil einer unserer Leute das Labor bat, uns eine Kopie auszudrucken, worauf Ihr Brief und die anderen, unter demselben Geheimprogramm-Namen gekoppelten gleich mit ausgegeben wurden.«
Der Pathologe, hatte Millington gesagt, sei völlig außer sich und denke daran, den Laborcomputer zu verschrotten.»Aber es war nicht der Computer«, sagte er.»Es war eine dumme Person, die anscheinend dachte, auch die Untersuchung, ob das Pferd vergiftet wurde, sei streng geheim, und sie deshalb auf die Geheimdiskette legte. Rauswerfen kann man sie nicht, sie ist schon vor Wochen gegangen.«
«Könnte der Pathologe wegen der Vertuschung gerichtlich belangt werden?«hatte der Brigadier gefragt.
«Bezweifle ich«, hatte Millington gesagt,»jetzt, wo Sheridan tot ist.«
Filmers Stimme kam etwas rauh durch den Lautsprecher in den Anrichteraum.»Das ist doch alles Blödsinn.«
«Sie haben den Brief aufbewahrt«, sagte der Brigadier.»Er war Dynamit, wenn Sie rausfinden konnten, auf wen er sich bezog. Zweifellos haben Sie alle drei Briefe aufgehoben, obwohl es bei den zwei anderen nicht um Straftaten ging. Dann lasen Sie eines Tages in Ihrer Lokalzeitung, daß Mercer Lorrimore Geld für eine neue Collegebibliothek spendete. Und Sie brauchten nur eine einzige Frage zu stellen, um herauszubekommen, daß Mercer Lorrimores Sohn dieses College im Mai überstürzt verlassen hat. Danach haben Sie wahrscheinlich festgestellt, daß niemand sagen wollte, warum. Sie kamen zu der Überzeugung, daß sich der Brief auf Sheridan Lorrimore bezog. Sie fingen mit Ihrer Information nichts an, bis Sie erfuhren, daß Mercer Lorrimore mit dem Transkontinentalen Rennexpreß reisen würde — hier erblickten Sie dann eine günstige Gelegenheit, die Möglichkeit zu erkunden, ob Mr. Lorrimore sich durch Erpressung dazu zwingen ließ, Ihnen sein Pferd Voting Right abzutreten.«
«Sie können nichts davon beweisen«, sagte Filmer trotzig.
«Wir alle glauben«, sagte Bill Baudelaires Stimme,»daß Sie, Mr. Filmer, von dem Drang besessen sind, Menschen zu vernichten und ihnen Leid zuzufügen. Wir wissen, daß Sie es sich leisten könnten, gute Pferde zu kaufen. Wir wissen, daß Ihnen der Besitz von Pferden allein nicht genügt.«
«Ersparen Sie mir die Predigt«, sagte Filmer.»Und wenn Sie nichts beweisen können, halten Sie den Mund.«
«Na schön«, sagte der Brigadier.»Wir bitten unseren nächsten Gast hereinzukommen.«
Daffodil Quentin, die neben George im Anrichteraum stand und mit geöffneten Lippen und wachsendem Unmut zugehört hatte, riß theatralisch die Verbindungstür auf und knallte sie hinter sich zu.
«Sie widerliches Scheusal«, tönte ihre Stimme vehement aus dem Lautsprecher.
Donnerwetter, dachte ich.
Sie trug ein scharlachrotes Kleid mit einem breiten, glänzend schwarzen Gürtel und dazu passend eine große, glänzend schwarze Handtasche. Zornentbrannt unter den hochgetürmten Locken, griff sie an wie ein entfesselter Racheengel.
«Nie und nimmer werde ich Ihnen meine Hälfte von Laurentide Ice schenken oder verkaufen«, sagte sie heftig,»und da können Sie drohen und erpressen, bis Sie schwarz werden. Sie können meinem Stallburschen Angst einjagen, bis Sie meinen, Sie sind Gott der Allmächtige, aber mir machen Sie von jetzt an keine Angst mehr — ich finde, Sie sind verachtenswert und gehören in einen Zoo.«