Aufgrund des von ihm bezahlten doppelten, wenn nicht dreifachen Preises hatte Filmer ein Zweibettabteil für sich allein. Nur das untere Bett war für die Nacht hergerichtet: das obere steckte noch in der Decke. Obwohl zu erwarten stand, daß er mindestens noch eine Viertelstunde im Wagen der Lorrimores blieb, war ich entschieden nervös und ließ die Tür offen, damit ich, falls er unverhofft zurückkam, sagen konnte, ich sähe nur nach, ob alles in Ordnung sei. Meine Uniform bot viele Vorteile.
Die Schlafräume waren naturgemäß klein, doch tagsüber, wenn die Betten hochgeklappt waren, immerhin recht geräumig. Ein Waschbecken war zu sehen, das übrige Sanitäre befand sich in einem dezenten kleinen Kabinett. Zum Kleideraufhängen gab es eine fünfundzwanzig Zentimeter breite Nische am Kopfende der Betten, in Filmers Fall ausreichend für zwei Anzüge. Zwei weitere Jacken hingen auf Bügeln an Wandhaken.
Ich durchsuchte rasch sämtliche Taschen, doch sie waren größtenteils leer. Nur in einer Innentasche fand ich einen Reparaturschein für eine Armbanduhr, den ich wieder zurücklegte.
Eine Kommode gab es nicht; so gut wie alles andere mußte in seinem Koffer sein, der an der Wand stand. Mit einem Auge auf den Gang draußen probierte ich eines der Druckschlösser und wunderte mich nicht, daß es abgesperrt war.
So blieb nur noch ein winziges Schränkchen über der Kleidernische, in dem Julius Apollo einen schwarzledernen Kulturbeutel und seine Bürsten verstaut hatte.
Am Boden unter seinen Anzügen, ganz nach hinten in die Nische geschoben, fand ich seinen Aktenkoffer.
Ich steckte meinen Kopf aus der Tür, die gleich neben der
Nische war, und blickte den Gang rauf und runter.
Niemand zu sehen.
Ich ging in die Hocke, halb im Abteil, halb draußen, und legte mir die Ausrede zurecht, ich hätte ein Geldstück verloren. Ich langte in die Nische und zog den Aktenkoffer nach vorn; er war aus schwarzem Krokodilleder mit goldenen Verschlüssen, wie der auf dem Rennplatz in Nottingham.
Mehr, als daß er jetzt hier war, sollte ich jedoch nicht erfahren, denn er hatte Kombinationsschlösser, die zwar durchaus zu knacken waren, aber bloß, wenn man für jedes Schloß Stunden Zeit hatte, und die hatte ich nicht. Ob der Aktenkoffer noch das enthielt, was Horfitz Filmer in Nottingham zugespielt hatte, konnte man nur raten, und so gern ich den Inhalt auch gesehen hätte, mehr wollte ich im Moment nicht riskieren. Ich stieß die Tasche wieder in die Nische, richtete mich vor der Abteiltür auf, schloß sie und kehrte zu den fröhlichen Szenen weiter hinten zurück.
Inzwischen war es fast Mitternacht. Die Youngs erhoben sich im Speiseraum, um schlafen zu gehen. Xanthe aber, bestürzt über den Weggang ihrer neuen Freundin, klammerte sich praktisch an Mrs. Young und sagte mit einem Nachhall der früheren Hysterie, sie könne unmöglich im Privatwagen schlafen, sie werde Alpträume bekommen, sie habe viel zuviel Angst; bestimmt werde derjenige, der den Wagen losgekuppelt hatte, es mitten in der Nacht noch einmal tun, und sie würden alle sterben, wenn der Canadian in sie hineinkrachte, denn der sei schließlich noch hinter ihnen, oder nicht, oder nicht?
Doch, das war er.
Mrs. Young gab sich alle Mühe, sie zu beschwichtigen, doch es war unmöglich, ihre Ängste nicht zu respektieren. Sie war zweifellos knapp dem Tod entgangen. Mrs. Young sagte ihr, der Verrückte, der böswillig den Wagen abgekuppelt habe, sei Stunden hinter uns in Cartier, doch Xanthe war nicht zu beruhigen.
Mrs. Young wandte sich an Nell, fragte, ob es eine andere Möglichkeit gebe, wo Xanthe schlafen könne, und Nell, die einen Blick auf ihr stets präsentes Klemmbrett warf, schüttelte zweifelnd den Kopf.
«In einem Abteil ist noch ein Oberbett frei«, sagte sie langsam,»aber es hat nur einen Vorhang und keine Waschgelegenheit außer am Ende des Wagens — Xanthe ist wohl etwas anderes gewöhnt.«
«Das ist mir egal«, sagte Xanthe heftig.»Ich würde auf dem Boden schlafen oder auf den Sitzen im Gesellschaftsraum oder sonstwo. Ich nehme das Oberbett… bitte geben Sie’s mir.«
«Spricht nichts dagegen«, sagte Nell.»Wie ist es mit Schlafsachen?«
«Die gehe ich nicht in unserm Wagen holen. Auf keinen Fall.«
«Gut«, sagte Nell.»Ich gehe und frage Ihre Mutter.«
Mrs. Young blieb bei Xanthe, die wieder leicht zitterte, bis Nell schließlich mit einer kleinen Tasche und mit Bambi zurückkam.
Bambi versuchte ihre Tochter umzustimmen, doch wie vorauszusehen ohne Erfolg. Ich hielt es für unwahrscheinlich, daß Xanthe je wieder in diesem Wagen schlafen würde, so stark war ihre momentane Reaktion. Sie, Bambi, Nell und die Youngs gingen ohne mich anzusehen an mir vorbei und durch den Gang neben der Küche, um das Ausweichquartier zu begutachten, das sich, wie ich wußte, in dem Schlafwagen vor Filmers befand.
Nach einer Weile kamen Bambi und Nell allein zurück, und mit einem ruhigen Dankeschön an Nell ging Bambi ein paar Schritte weiter und blieb bei ihrem Sohn stehen, der nichts getan hatte, um seine Schwester zu trösten oder ihr zu helfen, und jetzt für sich alleine saß.
«Komm mit, Sheridan«, sagte sie, nicht in gebieterischem Ton, aber auch ohne Zuneigung.»Dein Vater möchte, daß du kommst.«
Sheridan warf ihr einen haßerfüllten Blick zu, der sie nicht im mindesten zu kümmern schien. Sie wartete geduldig, bis er ausgesprochen widerwillig aufstand und ihr heimwärts folgte.
Bambi, so schien mir, hatte sich angewöhnt, gegen Sheridan gleichgültig zu sein, um nicht von ihm verletzt zu werden. Sie mußte genau wie Mercer jahrelang unter seinem rüden Benehmen in der Öffentlichkeit gelitten haben, und sie hatte sich davon distanziert. Sie versuchte nicht, die Nachsicht der Opfer seiner Unverschämtheit zu kaufen, wie Mercer es tat — sie ignorierte die Unverschämtheit.
Ich fragte mich, was zuerst da war, die illusionslose Kälte ihrer Weltklugheit oder der Mangel an Wärme bei ihrem Sohn, und vielleicht hatten sie beide Eis in sich, und eines hatte das andere verstärkt. Bambi, fand ich, war ein höchst unpassender Name für sie; sie war kein unschuldiges, großäugiges, zartes Reh, sondern eine erfahrene, reservierte, gutaussehende Frau in Nerzpelzen.
Nell, die hinter ihr her schaute, seufzte und sagte:»Sie hat Xanthe keinen Gutenachtkuß gegeben, wissen Sie, oder sie auch nur zur Beruhigung mal umarmt. Nichts. Und Mercer ist so nett.«
«Vergessen Sie sie.«
«Ja… Ist Ihnen klar, daß am nächsten Halt die Presse wie ein Rudel jagender Löwen über diesen Zug herfallen wird?«
«Löwinnen«, sagte ich.
«Was?«
«Es sind die Weibchen, die im Rudel jagen. Ein Männchen sitzt dabei, sieht zu und schnappt sich den Löwenanteil der Beute.«
«Davon möchte ich nichts hören.«»Unser nächster Aufenthalt«, sagte ich,»ist eine Viertelstunde in White River, mitten in der Nacht. Wir wollen sehen, daß wir nach der Verzögerung wenigstens um vier Uhr fünf dort sind, Weiterfahrt vier Uhr zwanzig.«
«Und danach?«
«Abgesehen von einem 3-Minuten-Stopp irgendwo im Hinterwald halten wir fünfundzwanzig Minuten in Thunder Bay, morgen früh um zehn vor elf.«
«Kennen Sie den ganzen Fahrplan auswendig?«
«Emil riet mir, ihn zu lernen. Er hatte recht, als er sagte, die Frage, die ich am häufigsten beantworten müsse, sei: >Wann sind wir da und da?<… und als Kellner vom Dienst, meinte er, würde ich Bescheid wissen, auch wenn wir überall fünfunddreißig Minuten früher ankommen als der fahrplanmäßige Canadian.«
«Emil ist süß«, sagte sie.
Ich sah sie erstaunt an. Ich hätte Emil nicht als süß bezeichnet. Klein, adrett, wach und großzügig, ja.»Süß?«fragte ich.
«Ich hoffe doch«, sagte sie,»daß Sie nicht so denken.«
«Nein.«
«Gut. «Sie sah erleichtert aus.
«Waren Sie sich da nicht sicher?«fragte ich neugierig.»Bin ich so… halbseiden?«
«Nun.. «Da war ein Anflug von Verlegenheit.»Ich wollte kein Gespräch dieser Art anfangen, wirklich nicht. Aber wenn Sie’s wissen möchten, Sie haben etwas Undurchschaubares… extrem Verschlossenes an sich… als wollten Sie nicht, daß man Sie zu genau kennenlernt. Das hat mich eben stutzig gemacht. Tut mir leid…«
«Ich werde Sie mit heißen Küssen überschütten.«
Sie lachte.»Nicht Ihr Stil.«»Warten Sie ab. «Und zwei Menschen, die sich so kurze Zeit erst kannten, redeten nicht unversehens so miteinander, dachte ich, wenn nicht spontanes Vertrauen und Sympathie da waren.
Wir standen in dem kleinen Flur zwischen Küche und Speiseraum, und sie hielt immer noch das Klemmbrett an ihre Brust gedrückt. Sie würde es runternehmen müssen, dachte ich flüchtig, bevor es ernstlich heiß zugehen konnte.
«Ihnen sieht immer der Schalk aus den Augen«, sagte sie.»Und nie verraten Sie, warum.«
«Ich dachte gerade daran, wie Sie Ihr Klemmbrett als Schutzschild benutzen.«
Ihre Augen wurden groß.»Ein Mistkerl in der Zeitungsredaktion hat mir die Brust begrapscht… Warum sage ich Ihnen das? Es ist Jahre her. Was liegt schon daran? Und überhaupt, wie soll man denn sonst ein Klemmbrett halten?«
Sie legte es trotzdem auf die Theke, doch viel länger unterhielten wir uns nicht mehr, da allmählich die Zecher von nebenan durchkamen, um schlafenzugehen. Ich zog mich in die Küche zurück und hörte, wie Nell gefragt wurde, wann es Frühstück gebe.
«Zwischen sieben und halb zehn«, sagte sie.»Angenehme Nachtruhe allerseits. «Sie steckte ihren Kopf durch die Tür.
«Ihnen auch, schlafen Sie gut. Ich hau mich ins Bett.«
«Gute Nacht«, sagte ich lächelnd.
«Gehen Sie noch nicht?«
«Doch, bald.«
«Wenn alles… sicher ist?«
«So könnte man sagen.«
«Was erwartet denn der Jockey Club eigentlich von Ihnen?«
«Daß ich Ärger sehe, bevor es dazu kommt.«
«Das ist doch so gut wie unmöglich.«»M-hm«, sagte ich.»Ich habe nicht vorausgesehen, daß jemand die Lorrimores abkuppelt.«
«Dafür wird man Sie rausschmeißen«, meinte sie trocken,»falls Sie also schlafen, schlafen Sie gut.«
«Tor würde Sie küssen«, sagte ich.»Tommy darf nicht.«
«Ich betrachte es als getan.«
Vergnügt ging sie weg, das Klemmbrett wieder an Ort und Stelle — eine Gewohnheit wohl ebensosehr wie eine Schutzmaßnahme.
Ich kehrte in die Bar zurück und verplemperte Zeit mit dem Barmann. Die engagierte Pokerrunde schien entschlossen, die ganze Nacht durchzuspielen, der Tanz im Gesellschaftsraum rief noch immer Gelächter hervor, und das Nordlicht entzückte die Getreuen auf dem Aussichtsdeck. Der Barmann gähnte und sagte, er werde die Bar bald schließen. Alkohol gab es nur bis Mitternacht.
Ich hörte Daffodils Stimme, bevor ich sie sah, so daß ich, als Filmer an der Bartür vorbeikam, gebückt mit eingezogenem Kopf hinter der Theke stand, als ob ich dort aufräumte. Ich hatte den Eindruck, daß sie im Vorübergehen allenfalls einen flüchtigen Blick hereinwarfen, während Filmer sagte:»… wenn wir nach Winnipeg kommen.«
«Sie meinen Vancouver«, sagte Daffodil.
«Ja, Vancouver.«
«Sie bringen das andauernd durcheinander…«
Ihre Stimme, die laut gewesen war wie seine auch, damit sie sich verstehen konnten, während einer vor dem anderen herlief, verklang, als sie sich durch den Gang entfernten — vermutlich unterwegs zum Bett.
Da Daffodils Abteil eines von den dreien gleich neben der Bar war, räumte ich ihnen etwas Zeit zum Gutenachtsagen ein, ehe ich langsam nach vorn ging. Sie waren nirgends zu sehen, als ich durch den Speisewagen kam, und Filmer war offenbar geradewegs in sein Abteil gegangen, denn unter seiner Tür schien ein Streifen Licht durch; mit Daffodil aber verhielt es sich anders. Anstatt behaglich zugedeckt in ihrem Bett nahe der Bar zu liegen, kam sie mir überraschend aus dem Abteil vor Filmers entgegen, und ihre Diamanten streuten kleine helle Feuer bei jedem Schritt.
Ich trat zur Seite, um sie durchzulassen, doch sie blieb glitzernd vor mir stehen und sagte:»Wissen Sie, wo Miss Lorrimore schläft?«
«In dem Wagen, aus dem Sie gerade kommen, Madam«, antwortete ich hilfsbereit.
«Ja, aber wo? Ich habe ihren Eltern versprochen, mich davon zu überzeugen, daß es ihr gutgeht.«
«Der Schlafwagensteward wird es wissen«, sagte ich.»Wenn Sie mir bitte folgen wollen?«
Sie nickte zustimmend, und als ich mich von ihr abwandte, um voranzugehen, dachte ich, daß sie genau besehen wahrscheinlich jünger war, als ich angenommen hatte, oder aber unreif für ihr Alter: ein sonderbarer Eindruck, flüchtig und schon wieder vorbei.
Der Schlafwagensteward, ein Mann in mittleren Jahren, hielt ein Nickerchen, war aber angekleidet. Entgegenkommend zeigte er Daffodil das Oberbett, in dem Xanthe schlief, doch die dicken Filzvorhänge waren fest geschlossen, und als Daffodil den Namen des Mädchens rief, kam keine Antwort. Der etwas väterliche Steward sagte, er sei sicher, daß sie friedlich schlafe, denn er habe gesehen, wie sie vom Waschraum am Wagenende zurückgekommen und in ihr Bett geklettert sei.
«Lassen wir’s dabei«, meinte Daffodil; es war schließlich nicht ihr Problem.»Gute Nacht also, und danke für Ihre Hilfe.«
Wir sahen zu, wie sie davonschwankte mit ihren hochgetürmten leuchtenden Locken und sich am Handlauf festhielt, eine zierliche Gestalt, deren intensiver Moschusduft zur Erinnerung in der Luft zurückblieb, als sie selber fort war. Der Schlafwagensteward seufzte tief ob soviel prächtiger Weiblichkeit und kehrte gleichmütig in sein Abteil zurück, und ich ging einen Wagen weiter vor, wo sich mein Bett befand.
George Burleys Tür, zwei Abteile vor meinem, stand weit offen, und ich sah, daß er angezogen aber leise auf seinem Sitz schnarchend die Festung hielt. Wie durch einen sechsten Sinn alarmiert, schreckte er hoch, als ich im Eingang stehenblieb, und sagte:»Was ist los, eh?«
«Soviel ich weiß, nichts«, sagte ich.
«Ach, Sie sind’s.«
«Tut mir leid, daß ich Sie geweckt habe.«
«Ich hab nicht geschlafen… na ja, gedöst vielleicht. Das bin ich gewöhnt. Ich war mein Leben lang bei der Eisenbahn, eh?«
«Eine Liebesaffäre?«
«Darauf können Sie Gift nehmen. «Er rieb sich gähnend die Augen.»In den alten Zeiten gab es viele große Eisenbahnfamilien. Vater und Sohn… Vettern, Onkel… es wurde weitergegeben. Mein Vater, mein Großvater, das waren Eisenbahner. Aber meine Söhne, eh? Die sitzen in großen Städten hinterm Schreibtisch und tippen auf Computern rum. «Er kicherte.
«Die Bahn wird heute auch vom Schreibtisch aus geführt, eh? Da hocken sie in Montreal und treffen Entscheidungen und haben noch nie einen Zug bei Nacht durch die Prärie pfeifen hören. Das haben die alle verpaßt. Heutzutage fliegen die hohen Tiere überallhin, eh?«Seine Augen glitzerten. Jeder, der kein schienenerprobter Eisenbahner war, war offensichtlich blöd.
«Damit Sie’s wissen«, sagte er,»ich hoffe, ich sterbe auf freier Strecke.«
«Aber noch nicht so bald.«
«Jedenfalls nicht vor White River.«
Ich sagte gute Nacht und ging in mein Abteil, wo der Schlafwagensteward ordnungsgemäß mein Bett heruntergelassen und eine Schokotrüffel aufs Kopfkissen gelegt hatte.
Ich aß die Trüffel. Sehr gut.
Ich zog die gelbe Weste mit dem weißen Futter aus und hängte sie auf einen Bügel, zog auch die Schuhe aus, doch ähnlich wie George fühlte ich mich noch im Dienst, und so löschte ich das Licht, legte mich aufs Bettzeug und sah zu, wie die schwarze Landschaft Kanadas vorüberglitt, während die kostenlose Polarshow am Himmel sich noch stundenlang hinzog. Da schienen breite, waagerechte Lichtbänder zu sein, die langsam ihre Stärke änderten, und hier und dort erstrahlten und verblaßten hellere Flecken geheimnisvoll vor den Tiefen der Ewigkeit. Es war eher friedlich als hektisch, ein Gaukelspiel von langsamen Sonnenauf- und — Untergängen, das zurückreichte bis zu den Fluted-Point-Menschen: zur Demut aufrufend. Was lag, vor dem Hintergrund von zehntausend Jahren gesehen, schon an Filmer und seinen Verfehlungen? dachte ich. Doch alles, was wir hatten, war das Hier und Jetzt, und hier und jetzt… zu jeder Zeit. mußte für das Gute gekämpft werden. Für Redlichkeit, Moral, Rechtschaffenheit, Ordnung, wie immer man es nannte. Ein langer, ewig wiederkehrender Kampf.
Im Hier und Jetzt hielten wir ohne Zwischenfall in White River. Ich sah George draußen unter der Bahnhofsbeleuchtung und beobachtete, wie er zum Ende des Zuges marschierte. Anscheinend waren die Lorrimores noch wohlbehalten bei uns, denn bald kam er ohne Hast oder Bestürzung zurück, und etwas später fuhr der Zug gewohnt unauffällig ab nach Westen.
Ich schlief ein paar Stunden und wurde noch im Dunkeln durch ein sachtes Klopfen an meiner Tür geweckt; wie sich herausstellte, war es Emil, voll angekleidet und voller
Entschuldigungen.
«Ich wußte nicht, ob ich Sie wecken sollte. Wenn es Ihnen ernst ist damit, wäre es jetzt Zeit, die Frühstückstische zu decken.«
«Es ist mir ernst«, sagte ich.
Er lächelte sichtlich zufrieden.»Zu viert geht es viel schneller.«
Ich sagte, ich käme sofort, und trabte gewaschen, rasiert und gebügelt nach rund zehn Minuten an. Oliver und Cathy waren bereits dort, hellwach. Die Küche war erfüllt von herrlichen Backstubendüften, und Angus meinte ebenso träge wie großzügig, er werde nicht hinsehen, wenn wir ein, zwei Scheiben von seinem Rosinenbrot äßen oder von seinem ApfelWalnuß-Kuchen. Simone sagte mürrisch, wir dürften nicht an die Croissants gehen, sonst würden sie nicht reichen. Es war fast wie in der Schule.
Wir legten die Gedecke auf, stellten auf jeden Tisch eine Solitärvase mit einer Nelke in frischem Wasser und falteten gewissenhaft rosa Servietten. Um Viertel nach sieben widmeten die ersten Frühstücksgäste sich ihren Benedikt-Eiern, und ich schenkte Tee und Kaffee ein, als wäre ich dazu geboren.
Um halb acht, im aufkommenden Tageslicht, hielten wir kurz an einem Ort, den die angemessen kleine Tafel auf dem kleinen Bahnhof als» Schreiber «auswies.
Von hier aus, überlegte ich, hatte der Fahrdienstleiter am Abend zuvor mit George und mir gesprochen — und während ich durchs Fenster auf die paar verstreuten Häuser sah, erschien George draußen und wurde von einem Mann begrüßt, der aus dem Bahnhof kam. Sie konferierten eine Weile, dann stieg George wieder ein, und der Zug setzte ruhig seinen Weg fort.
Ein aufsehenerregender Weg: Das ganze Frühstück hindurch verlief das Gleis am Nordufer des Lake Superior entlang, so dicht, daß der Zug manchmal über dem Wasser zu schweben schien. Die Fahrgäste ließen Oohs und Aahs vernehmen; die Unwins (Upper Gumtree) saßen mit den Besitzern Flokatis zusammen, die Redi-Hots mit einem Ehepaar, das pausenlos vom überragenden Können seines ebenfalls im Zug befindlichen Pferdes Wordmaster sprach.
Filmer kam allein, setzte sich an einen freien Tisch und bestellte Eier und Kaffee bei Oliver, ohne ihn anzusehen. Bald darauf erschienen die Youngs und gesellten sich lächelnd wie alte Bekannte zu Filmer. Ich fragte mich, ob er wohl unwillkürlich an Ezra Gideon, den guten Freund der Youngs, denken mußte, doch in seinem Gesicht war nichts als Höflichkeit zu lesen.
Xanthe schlenderte noch müde und zerzaust in den Kleidern von gestern herein und ließ sich auf den freien Sitz neben Filmer plumpsen. Interessanterweise bemühte er sich nicht, den Platz für Daffodil zu reservieren, sondern betete die Frage von Mrs. Young nach, wie Xanthe geschlafen habe.
Wie ein Sack offenbar, obwohl sie zu bedauern schien, daß sie nicht von permanenten Alpträumen berichten konnte. Mr. Young wirkte gelangweilt, als sei er das Thema längst leid, doch seine Frau behielt ihren liebenswürdig tröstenden Gesichtsausdruck ohne erkennbare Mühe bei.
Ich wartete ungeduldig auf Neil, und schließlich kam sie dann in einem glatten schwarzen Rock (schlimmer und schlimmer), mit steifer kaffeebrauner Bluse und schlichten goldenen Ohrringen. Ihr blondes Haar hatte sie kunstvoll zu einer Schnecke gedreht und am Hinterkopf mit einem breiten Schildpattkamm hochgesteckt: es sah damenhaft und kompetent aus, aber alles andere als kuschelig.
Leute, deren Namen ich noch nicht kannte, winkten ihr eifrig, sie solle sich zu ihnen setzen, und sie tat es mit dem hinreißenden Lächeln, das sie schon ein oder zweimal auf mich losgelassen hatte. Sie sagte Cathy, sie wolle keine Eier, hätte aber gerne Croissants und Kaffee, und bald darauf brachte ich ihr das Gewünschte, während sie mit züchtig niedergeschlagenen Augen dasaß und geflissentlich mein Vorhandensein ignorierte. Ich setzte Butter, Marmelade und Brot vor sie hin. Ich goß ihre Tasse voll. Sie meinte zu ihren Tischgefährten, es sei schön, auf dem ganzen Weg bis Vancouver handverlesenes Personal um sich zu haben.
Ich wußte, es war ein Spiel, aber ich hätte ihr mit Vergnügen den Hals umdrehen können. Ich wollte nicht, daß man mich auch nur ein bißchen wahrnahm. Ich ging weg, wandte mich noch einmal um, und meine Augen begegneten den ihren, die lachten. Es war so ein Blickwechsel, der mich sofort hätte aufmerken lassen, wenn ich ihn bei anderen gesehen hätte, und mir ging durch den Kopf, daß ich nahe daran war, meine Aufgabe zu vernachlässigen, und daß ich vorsichtiger sein sollte. Ich hätte sie nicht zu bedienen brauchen — ich hatte Cathy das Tablett abgenommen. Die Versuchung wird noch dein Verderben sein, Tor, dachte ich.
Außer Xanthe war Mercer der einzige Lorrimore, der beim Frühstück auftauchte, und er kam nicht, um zu essen, sondern bat Emil, Tabletts nach hinten in sein privates Eßzimmer zu schicken. Emil selbst und Oliver servierten alles Nötige, auch wenn Emil bei seiner Rückkehr sagte, das werde hoffentlich nicht beim Lunch und Dinner passieren, da es zuviel Zeit in Anspruch nehme.
Zimmerservice war gänzlich ausgeschlossen, doch gegen die Lorrimores war man nach Möglichkeit nicht ungefällig.
Daffodil erschien als letzte von allen, die glänzenden Locken tipptopp, setzte sich gutgelaunt gegenüber dem Filmer/Young-Tisch auf die andere Seite des Gangs und erkundigte sich, wie Xanthe die Nacht verbracht hatte. Die einzigen, die sich nicht die Mühe nahmen, danach zu fragen, waren offenbar die Angehörigen des fast verunglückten Mädchens. Xanthe plapperte los und erzählte Daffodil, sie habe sich hinter ihrem
Vorhang sicher und geborgen gefühlt. Als ich das nächste Mal langsam an ihrem Tisch vorbeiging, die Kaffeekanne zum Nachschenken bereit, drehte das Gespräch sich wieder um die Reise, und diesmal sagte Xanthe, sie finde Pferderennen im Grunde langweilig und wäre hier nicht mitgefahren, wenn ihr Vater sie nicht dazu gezwungen hätte.
«Wie hat er Sie denn gezwungen?«fragte Filmer interessiert.
«Oh!«Sie klang plötzlich nervös und wich einer Antwort aus.
«Er hat ja auch Sheridan gezwungen mitzukommen.«
«Aber warum, wenn Sie beide nicht wollten?«Das war Daffodil, hinter meinem Rücken.
«Er hat uns gern da, wo er uns sehen kann, sagt er. «Groll und Bitterkeit schwangen in ihrem Ton, aber auch, wie mir schien, die realistische Einsicht, daß ihr Vater es am besten wußte; und wenn man von Sheridans bisherigem Verhalten ausging, war der Sohn unter dem geduldigen Auge seines Vaters fraglos am sichersten aufgehoben.
Das Gespräch verklang hinter mir, und ich hielt an, um die Tassen bei den Unwins nachzufüllen, wo man erörterte, daß Upper Gumtree noch eine Spur besser sei als Mercers Premiere, der auf dem Straßenweg nach Winnipeg kommen würde.
Bald darauf kam George Burley in den Speisewagen und redete eine Weile mit Nell, die anschließend von Tisch zu Tisch ging, das Klemmbrett vor Ort, und wiederholte, was er gesagt hatte.
«Wir halten in Thunder Bay länger als vorgesehen, da eine Untersuchung wegen des abgekuppelten Wagens der Lorrimores erfolgen soll. Wir bleiben etwa anderthalb Stunden dort und fahren erst weiter, wenn der reguläre Canadian durch ist. Der Canadian bleibt dann die ganze Strecke bis Winnipeg vor uns.«
«Was ist mit dem Lunch?«fragte Mr. Young. Er war zwar ziemlich dünn, hatte aber die Angewohnheit, neben den eigenen
Mahlzeiten noch die Hälfte vom Essen seiner Frau zu verzehren.
«Wir verlassen Thunder Bay etwa um Viertel vor eins«, sagte Nell.»Lunch gibt es dann kurz danach. Und statt des vorgezogenen Dinners ein ganz gemütliches, ehe wir nach Winnipeg kommen. Es wird alles sehr schön klappen. «Sie lächelte, beruhigte, hielt die Gesellschaft zusammen.»Sie werden froh sein, sich in Thunder Bay ein bißchen länger die Beine vertreten zu können, und einige von Ihnen möchten vielleicht ja auch nach ihren Pferden sehen.«
Der Besitzer von Redi-Hot, der die meiste Zeit mit der Lektüre eines Reiseführers beschäftigt zu sein schien, erzählte Mr. und Mrs. Wordmaster, die entsprechend beeindruckt wirkten, daß Thunder Bay, einer der größten Häfen Kanadas, am westlichen Ende des St. Lawrence-Great-Lakes-Schiffahrtsweges lag und eigentlich so heißen müßte, wie es die Einheimischen nannten — The Lakehead, das Ende des Sees. Getreide aus den Prärien wurde von hier aus in die ganze Welt verschifft, sagte er.
«Denken Sie mal an«, sagte Mrs. Wordmaster, die aus England kam.
Ich kehrte dieser geistsprühenden Unterhaltung den Rücken und half Oliver und Cathy die Küche aufräumen, und kurz vor elf hielten wir in dem mitten in Kanada gelegenen Hafen sacht auf einem Gleis, das parallel zu den Bahnhofsgebäuden, aber ein Stück entfernt davon lag.
Sofort rückte ein wartendes Doppelaufgebot von entschlossen blickenden Männern vom Bahnhof her über zwei trennende Gleise vor, der eine Trupp bewehrt mit Pressekameras, der andere mit Notizbüchern. George stieg aus dem Zug, um die Notizbüchler zu empfangen, und die anderen schwärmten aus und fingen an zu knipsen. Einer von den Notizbuchleuten kletterte an Bord, kam in den Speisewagen und bat alle, die am Abend vorher irgendwen oder irgendwas Verdächtiges gesehen hatten, offen darüber zu reden, aber natürlich hatte niemand was gesehen, oder niemand gab es zu, sonst hätte es inzwischen der ganze Zug gewußt.
Der Ermittler sagte, er wolle sein Glück bei den Landschaftsbetrachtern im Aussichtswagen versuchen, wo ihm anscheinend aber auch keins beschieden war, und von dort ging er vermutlich zu den Lorrimores in ihrem nur von Xanthe verlassenen Reich. Dann tauchte er mit einem Troß von Neugierigen wieder im Speisewagen auf und verlangte Xanthe zu sprechen, die sehr blaß und still geworden war.
Er entdeckte sie sofort, da alle in ihre Richtung schauten. Filmer war noch neben ihr; die Reisenden neigten immer dazu, an den Tischen sitzen zu bleiben und sich, wenn die Mahlzeiten abgeräumt waren, weiter zu unterhalten, statt in die Einsamkeit ihrer Abteile zurückzukehren. Fast alle hatten wohl den ganzen Morgen im Speiseraum oder im Aussichtswagen zugebracht.
Mrs. Young drückte Xanthe über den Tisch hinweg ermutigend die Hand, während das Mädchen, halb noch Kind, halb schon junge Frau, sich zitternd durch die bedrohliche Erinnerung kämpfte.
«Nein«, sagte sie, umgeben von stillen, aufmerksamen Zuhörern,»niemand hat vorgeschlagen, daß ich in unseren Wagen gehe… ich wollte nur ins Bad. Und ich hätte… ich… hätte sterben können.«
«Ja. «Der Ermittlungsbeamte, mittleren Alters und scharfen Auges, zeigte Verständnis, blieb aber sehr sachlich und sprach mit einer klaren Stimme, die jetzt, da wir nicht fuhren, ohne weiteres im ganzen Speisewagen zu hören war.»War irgend jemand im Gesellschaftsraum des Aussichtswagens, als Sie dort durchkamen?«
«Eine Menge Leute. «Xanthes Stimme war viel leiser als seine.
«Haben Sie sie gekannt?«
«Nein. Ich meine, sie waren von der Reisegesellschaft.
Fahrgäste eben. «Sie sprach etwas lauter, damit es alle hören konnten.
Einige nickten mit dem Kopf.
«Keiner, von dem Sie jetzt wissen, daß es ein Fremder war?«
«Nein.«
Mrs. Young, hilfsbereit und intelligent außerdem, fragte:
«Wollen Sie sagen, daß es möglich ist, einen Wagen abzukuppeln, während man im Zug ist? Man muß dafür nicht draußen sein?«
Der Ermittler wandte ihr seine Aufmerksamkeit zu, und alle beugten sich ein wenig vor, um die Antwort zu hören.
«Es ist möglich. Es läßt sich auch machen, während der Zug fährt — deshalb möchten wir wissen, ob sich jemand im Aussichtswagen befand, der Ihnen allen unbekannt war. Das heißt, irgendeinem von Ihnen unbekannt war.«
Ein langes, respektvolles, verstehendes Schweigen trat ein.
Nell sagte:»Ich kenne wohl die meisten unserer Passagiere jetzt vom Sehen. Namentlich habe ich sie auf dem Bahnhof Toronto kennengelernt, als ich ihnen ihre Schlafplätze zuwies. Gestern abend habe ich niemand gesehen, bei dem ich mich gefragt hätte, wer ist das denn?«
«Sie meinen doch nicht«, sagte Mrs. Young und brachte die Sache unfehlbar auf den Punkt,»daß der Wagen von jemandem aus unserer Gruppe abgekuppelt wurde?«
«Wir untersuchen alle Möglichkeiten«, sagte der Ermittler ohne Wichtigtuerei. Er blickte auf die Reihen besorgter Gesichter um sich herum, und seine etwas strenge Miene wurde sanfter.
«Der Privatwagen ist vorsätzlich abgekuppelt worden«, sagte er,»aber wir gehen zunächst davon aus, daß es eine Störaktion von jemand in Cartier war, Ihrem letzten Halt, bevor Miss Lorrimore das Verschwinden des Wagens entdeckte. Dennoch müssen wir fragen, ob der Saboteur im Zug gewesen sein könnte, denn es könnte ja sein, daß jemand von Ihnen etwas Verdächtiges bemerkt hat.«
Ein Mann im Hintergrund sagte:»Ich saß im
Gesellschaftsraum, als Xanthe durchkam, und ich kann Ihnen versichern, daß keiner aus der anderen Richtung gekommen ist. Ich meine, wir wußten doch alle, daß hinter dem Aussichtswagen nur noch der Wagen der Lorrimores ist. Wenn jemand außer den Lorrimores dorthin gegangen und wieder zurückgekommen wäre… nun… das hätten wir bemerkt.«
Wieder allgemeines Kopfnicken. Die Leute bemerkten alles, was mit den Lorrimores zu tun hatte.
Ich verfolgte die Szene von der Küchenseite des Speisewagens aus, wo ich direkt hinter Emil, Cathy und Oliver stand. Ich konnte Xanthes bekümmertes Gesicht deutlich sehen und auch das von Filmer neben ihr. Es kam mir vor, als ob sein Interesse an der Untersuchung nachließ, denn er drehte den säuberlich gebürsteten Kopf weg, um aus dem Fenster zu schauen. Angespannt war er nicht: bei Anspannung versteiften sich seine Nackenmuskeln, das hatte ich am kurzen Tag seines Prozesses aus der Menge heraus beobachtet und seither noch ein paarmal wahrgenommen, so in Nottingham. Wenn Filmer nervös war, sah man es.
Noch während ich ihn beobachtete, wurde sein Nacken steif.
Ich blickte aus einem der Fenster, um zu sehen, wo er hinschaute, aber da schien nichts sonderlich Beachtenswertes zu sein, nur die Rennbahnbesucher, die aus ihren vorderen Wagen strömten, um vom Bahnhof aus Kartengrüße nach Hause zu schreiben.
Filmer drehte sich wieder zu Xanthe und dem Ermittler um und machte eine kleine Geste der Ungeduld, und das schien bei dem Beamten eine Reaktion auszulösen, denn er sagte, wer sich an eine brauchbare Einzelheit, wie geringfügig auch immer, erinnere, möge sich bitte an ihn oder einen seiner Kollegen wenden, aber einstweilen dürften alle gehen.
Man atmete allgemein auf, als die reale Ermittlung zu Ende war.
Zak, dachte ich, würde die Konkurrenz als zu stark empfinden, die Dichtung als enttäuschend gegenüber der Wirklichkeit. Er war in dieser Szene nicht auf getreten- überhaupt keiner der Schauspieler.
Die meisten Fahrgäste zogen los und holten ihre Mäntel, da es draußen nach kaltem Wind aussah, doch Filmer stieg am Aussichtswagenende des Speisewagens aus, durch nichts geschützt als ein betont saloppes Hemd und die edle Tweedjacke. Er blieb unschlüssig stehen, stapfte nicht, wie die ersten anderen jetzt, über die beiden Gleise zwischen unserem Zug und dem Bahnhof, sondern wanderte in einem Winkel nach vorn, in Richtung Lok.
Ich folgte ihm durch die Gänge und hielt mühelos mit seinem Bummeltempo Schritt. Zuerst dachte ich, er wolle nur im Freien zu seinem Abteil spazieren, doch er ging geradewegs an der offenen Tür am Ende seines Schlafwagens vorbei und passierte auch den nächsten. Sicher wollte er zu seinem Pferd. Ich folgte ihm weiter: es war zur Gewohnheit geworden.
Am Ende des dritten Wagens, gleich hinter George Burleys Dienstabteil, hielt er an, weil ihm jemand aus dem Bahnhof entgegenkam: ein hagerer Mann in einer Daunenjacke mit Pelzkragen mit vom Wind zerzaustem grauem Haar.
Sie trafen sich zwischen Georges Fenster und der offenen Tür am Wagenende, und obwohl sie zunächst ganz friedlich miteinander umgingen, spitzte die Begegnung sich rasch zu.
Ich riskierte, von ihnen gesehen zu werden, um ihren Wortwechsel zu verstehen, doch bis ich in Hörweite war, brüllten sie schon so, daß ich durch die Tür lauschen konnte, ohne sie zu sehen oder gesehen zu werden.
Filmer schrie knurrend, mit deutlich kanadischem Einschlag:»Ich sagte, vor Vancouver!«
Der hagere Mann entgegnete erbost:»Sie sagten, vor Winnipeg, und ich hab’s getan, und ich will mein Geld.«
«Huhu«, trällerte Daffodil, in Chinchillas und hochhackigen Stiefeln auf sie zuwippend.»Schauen wir uns Laurentide Ice an?«