Kapitel 5

Ich kehrte zu Fuß zum Hotel zurück und rief um zwei Uhr Ortszeit in England an, da ich dachte, Freitag abend sieben Uhr sei vielleicht eine günstige Zeit, um Brigadier Catto zu Hause in Newmarket zu erreichen, wo er sich von einer geschäftigen Woche in London erholen würde. Ich hätte Glück, ihn zu erwischen, sagte er, und er habe Neuigkeiten für mich.

«Erinnern Sie sich an Horfitz’ Boten, der Filmer in Nottingham den Aktenkoffer gab?«fragte er.

«Aber sicher.«

«John Millington hat ihn nach Ihren Fotos identifiziert. Es ist Ivor Horfitz’ Sohn, Jason. Er soll nicht der Hellste sein. Kaum für mehr als Botengänge zu gebrauchen. Aktenkoffer übergeben wäre so ungefähr das Richtige für ihn.«

«Und seinem Vater zufolge hat er das auch falsch gemacht.«

«Na bitte. Es bringt uns zwar nicht viel weiter, aber das ist er. John Millington hat an sämtliche Ringstewards Abzüge von dem Foto ausgegeben, damit sie uns benachrichtigen, wenn sie ihn sehen. Falls Horfitz vorhat, seinen Sohn regelmäßig als Laufburschen auf der Rennbahn zu benützen, soll er wissen, daß wir aufpassen.«

«Er täte besser daran, sich jemand anders zu suchen.«

«Unangenehmer Gedanke. «Er hielt kurz inne.»Wie läuft’s bei Ihnen?«

«Ich habe Filmer noch nicht zu Gesicht bekommen. Laut Veranstalterliste übernachtet er morgen in dem gleichen Hotel wie die meisten aus der Besitzergruppe. Vermutlich nimmt er an dem offiziellen Lunch des Ontario Jockey Club morgen in Woodbine teil. Ich gehe zu den Rennen, wahrscheinlich aber nicht zu dem Lunch. Ich werde so gut wie möglich darauf achtgeben, was er treibt. «Ich erzählte ihm von Bill Baudelaires Mutter und sagte:

«Wenn Sie mich direkt sprechen wollen, nachdem unser Zug losgefahren ist, hinterlassen Sie eine Nachricht bei ihr, und ich rufe Sie oder John Millington zurück, sobald ich kann.«

«Das ist mir aber ein bißchen unsicher«, brummte er beim Wiederholen der Nummer, die ich durchgegeben hatte.

«Sie ist krank«, ergänzte ich und lachte im stillen über seine Reaktion.

Als er fertig war mit Schimpfen, sagte er:»Tor, das ist doch unmöglich.«

«Na, ich weiß nicht. Es ist immerhin ein offener Verkehrsweg. Besser, man hat einen. Und Bill Baudelaire hat es selbst vorgeschlagen. Er muß wissen, ob sie sich dafür eignet.«

«Also gut. Besser als nichts. «Er hörte sich jedoch nicht allzu überzeugt an, und wer konnte es ihm verdenken? Brigadekommandeure waren nicht gewohnt, daß bettlägerige Großmütter Feldtelefone bedienten.»Ich bin am Sonntag hier zu Hause«, sagte er.»Würden Sie sich zu einem letzten Informationsaustausch noch bei mir melden, bevor Sie abfahren?«

«Ja, natürlich.«

«Alles in allem«, meinte er mit einem Hauch von Mißbilligung,»klingen Sie mir verdächtig zufrieden.«

«Oh! Na ja… es sieht aus, als ob diese Bahnfahrt ganz unterhaltsam wird.«

«Dafür sind Sie nicht da.«

«Ich werde mein Bestes tun, sie nicht zu genießen.«

«Wer aufsässig ist, wird abgeschossen«, sagte er streng und legte prompt den Hörer auf.

Ich legte etwas langsamer auf, und sofort klingelte das Telefon wieder.

«Bill Baudelaire hier«, sagte mein Anrufer mit seiner tiefen Stimme.»Sie sind also gut in Toronto angekommen?«

«Ja, danke.«

«Ich habe die gewünschte Information über Laurentide Ice. Sie wollten wissen, warum seine Besitzerin einen Halbpart verkauft hat.«

«Ah, gut.«

«Bin mir nicht sicher, ob das so gut ist. Ganz im Gegenteil. Offenbar war Filmer Ende letzter Woche hier in Kanada und hat sich bei mehreren Besitzern, die Pferde für den Zug gebucht hatten, erkundigt, ob sie verkaufen würden. Einer von ihnen sagte mir das heute morgen, und jetzt habe ich auch mit den anderen gesprochen. Alle sagen, er hat einen annehmbaren Preis für einen Halbpart geboten. Oder für ein Drittel. Anscheinend war ihm jeder Ansatzpunkt recht. Ich würde sagen, er ist die Liste systematisch durchgegangen, bis er zu Daffodil Quentin kam.«

«Zu wem?«

«Der Besitzerin von Laurentide Ice.«

«Was ist daran schlecht?«fragte ich, ausgehend von seinem ernüchterten Tonfall.

«Sie werden sie kennenlernen. Sie werden sehen«, antwortete er dunkel.

«Können Sie es mir nicht sagen?«

Er seufzte vernehmlich.»Ihr Mann, Hai Quentin, war ein guter Freund des kanadischen Rennsports, aber er starb voriges Jahr um diese Zeit und hinterließ die Pferde, die er besaß, seiner Frau. Drei davon haben inzwischen tödliche Unfälle erlitten, und Mrs. Quentin hat die Versicherung kassiert.«

«Drei!«sagte ich.»In einem Jahr?«

«Genau. Sie wurden untersucht, aber anscheinend hat das alles seine Richtigkeit. Mrs. Quentin sagt, es sei ein fürchterliches

Zusammentreffen, und sie sei außer sich.«

«Wen wundert’s«, meinte ich trocken.

«Jedenfalls, das ist nun die, die einen halben Anteil an Julius Filmer verkauft hat. Was für ein Paar! Ich habe gerade angerufen und sie nach dem Verkauf gefragt. Sie sagte, es sei ihr gelegen gekommen und sie hätte keinen Grund gehabt, nicht zu verkaufen. Sie sagt, sie wird sich köstlich amüsieren in dem Zug. «Er selbst hörte sich äußerst betrübt an.

«Betrachten Sie es positiv«, sagte ich.»Wenn sie einen halben Anteil verkauft hat, kann sie nicht vorhaben, Laurentide Ice der Versicherung wegen bei voller Fahrt aus dem Zug zu stoßen.«

«Das ist ein unangebrachter Scherz. «Er war jedoch nicht empört darüber.»Kommen Sie morgen nach Woodbine?«

«Ja, aber nicht zu dem Lunch.«

«In Ordnung. Sollten wir uns zufällig treffen, sind wir uns natürlich fremd.«

«Natürlich«, stimmte ich zu, und wir sagten auf Wiederhören und beendeten das Gespräch.

Daffodil Quentin, dachte ich, als ich den Hörer auf die Gabel legte, war zumindest nicht eingeschüchtert worden, damit sie verkaufte. Kein Adressat von Filmers Drohungen konnte sich auf eine Reise in seiner Gesellschaft freuen oder gar erwarten, sich dabei köstlich zu amüsieren. Es sah ganz so aus, als wäre Filmer, um als Besitzer in den Zug zu kommen, bereit gewesen, bares Geld auszugeben. Er war eigens nach Kanada geflogen, um den Kauf abzuschließen, dann nach England zurückgekehrt, um am Dienstag in Nottingham die Aktentasche von Horfitz in Empfang zu nehmen, und vermutlich würde er rechtzeitig zu den morgigen Rennen wieder nach Kanada fliegen.

Ich fragte mich, wo er im Augenblick war. Ich fragte mich, was er jetzt dachte, ausheckte, in Gang setzte. Es war ein beruhigender Gedanke, daß er von meiner Existenz nichts wußte.

Den Rest des Nachmittags verbrachte ich mit Einkaufen, Umherlaufen und Taxifahren, um mit einer der fürs Auge reizvollsten Städte der Welt wieder neu vertraut zu werden. Vor sechs Jahren schon hatte ich ihre Architektur aufregend empfunden, und das war jetzt nicht weniger, sondern noch mehr der Fall, wenn zwischen eckigen, mit schwarzem Glas und Gold überzogenen Hochhäusern immer wieder ihr schlankes Wahrzeichen, der Welt höchster freistehender Turm mit seiner Zwiebelknolle nahe der Spitze, auftauchte. Und sie hatten, seit ich dort gewesen war, einen völlig neuen Häuserkomplex gebaut, Harbourfront, ein neues Gesicht, dem Ontariosee und der Welt zugewandt.

Um sechs, nachdem ich meine Einkäufe ins Hotel gebracht hatte, kehrte ich zu dem warmen, hellen Büro von Merry & Co zurück und stellte fest, daß viele von der Schar noch arbeiteten. Nell, an ihrem Schreibtisch und natürlich am Telefon, wies stumm auf den Besuchersessel, und ich setzte mich hin und wartete.

Einige der Murmler zogen ihre Mäntel an, gähnten, schalteten Computer aus, holten Dosen mit kalten Getränken aus dem großen Kühlschrank und rissen sie auf, wobei jedesmal die Kohlensäure zischte. Irgend jemand löschte ein, zwei Lampen. Die Grünpflanzen sahen erschöpft aus. Freitag abend; aller Geschäftsgeist dahin. Gott sei Dank, daß es Freitage gab.

«Ich muß morgen wieder her«, sagte Nell resigniert, meinen Gedanken auffangend.»Und wieso ich gesagt habe, ich würde heute abend mit Ihnen essen gehen, kann ich mir beim besten Willen nicht erklären.«

«Sie haben es versprochen.«

«Ich muß verrückt gewesen sein.«

Ich hatte sie gefragt, nachdem sie mir die Schlafarrangements im Zug gezeigt hatte (vielleicht war mein Unterbewußtsein da ohne mein Wissen munter geworden), und sie hatte gesagt:»Ja, gut, essen muß ich ja doch«, und das hatte sich nach einer hinreichend festen Zusage angehört.

«Sind Sie soweit?«fragte ich.

«Nein, da sind noch zwei Leute, die ich unbedingt sprechen muß. Können Sie, ehm… warten?«

«Das kann ich ganz gut«, sagte ich gelassen.

Noch ein paar Lampen gingen aus. Der Schein von den übrigen fiel auf Nells blondes Haar, legte Schatten auf ihre Augen, malte Höhlungen in ihre Wangen. Ich dachte über sie nach, wie man das eben tut. Eine attraktive Fremde; ein ungelesenes Buch; ein Anfang vielleicht. Aber es hatte andere Anfänge gegeben, in anderen Städten, und eilig hatte ich es längst nicht mehr. Zu dem traditionellen Abschluß war es bisher zwar nicht gekommen, doch die Gegenwart schien mir ganz und gar in Ordnung, und was die Zukunft betraf… man würde sehen.

Ich hörte nebenbei zu, wie sie mit jemand namens Lorrimore sprach.»Ja, Mr. Lorrimore, Ihre Blumen und Ihre Getränke werden schon im Zug sein, wenn er in den Bahnhof einfährt… Und das Obst auch, ja… Die Passagiere versammeln sich um halb elf zum Empfang auf dem Bahnhof… Ja, wir steigen um halb zwölf ein und fahren um zwölf ab… Wir freuen uns auch darauf, Sie kennenzulernen. «Sie warf mir einen Blick zu, als sie schon die nächste Nummer wählte, und sagte:»Die Lorrimores haben den Privatwagen, das Schlußlicht des Zuges. Hallo, ist dort die Rennbahn Vancouver…?«:

Ich hörte zu, wie sie die Eintrittsregelung für die Besitzer besprach.»Ja, sie bekommen alle ihre Freikarten von uns… und die anderen Passagiere, klar, die zahlen selbst, aber wir bieten ihnen Gruppentransport an…«Schließlich legte sie auf und seufzte.»So viele Rennbahnbesucher haben uns gebeten, erschwingliche Hotels und Busse zu besorgen, daß sich die ganze Tour quasi verdoppelt. Könnten Sie noch einen Anruf abwarten. oder zwei?«

Wir verließen das verdunkelte Büro fast eine Stunde später, und selbst da hakte sie in Gedanken noch Dinge ab und murmelte undeutlich etwas von einer Schere, die sie nicht vergessen dürfe, und von Klammern für den Verband von Ricky. Wir gingen ein Stück zu Fuß zu einem Restaurant namens Fluted Point People, das sie kannte und dessen Speisekarte ich mir auch schon angesehen hatte. Es war nicht sehr groß, bis hintenhin mit Tischen vollgestellt und jeder Tisch schwach erhellt von einem Windlicht.

«Wer sind denn die Fluted-Point-Menschen«, fragte ich,»allgemein gesprochen?«

«Weiß der Himmel«, sagte Nell.

Der Kellner, der es bestimmt schon tausendmal gefragt worden war, sagte, die Fluted-Point-Menschen hätten vor zehntausend Jahren auf diesem Land gelebt. Zerbrechen wir uns nicht den Kopf über sie, meinte er.

Nell lachte, und ich dachte an zehntausend Jahre und fragte mich, wer wohl heute in zehntausend Jahren auf diesem Land leben würde. Fluted Points, Riefenspitzen, so stellte sich heraus, hießen die gekehlten Steinwerkzeuge, die einmal fast auf dem ganzen Kontinent in Gebrauch waren: Würden unsere

Nachkommen uns als die Messer-und-Gabel-Menschen bezeichnen?

«Das ist mir ehrlich gesagt egal«, tat Nell diese Fragen ab.»Im Augenblick habe ich hier in Toronto Hunger.«

Dagegen unternahmen wir etwas in Form von scharf gewürztem Räucherlachs, dem gebratene Wachteln folgten.»Ich hoffe, das geht alles auf Ihre Spesenrechnung«, sagte sie ohne Sorge, als ich Wein bestellte, und ich erwiderte:»Ja, natürlich«, obwohl es nicht zutraf, und dachte, wozu Geld haben, wenn man sich nichts gönnt.»Morgen«, sagte ich,»gibt es dafür Hamburger.«

Nell nickte, als wäre das ein Kompromiß, den sie ohne weiteres verstand, und sagte jäh zusammenzuckend, sie habe vergessen, eine Limousine zu bestellen, die die Lorrimores in Winnipeg herumfahren würde.

«Tun Sie’s morgen«, sagte ich.»Das läuft nicht weg.«

Sie sah mich mit einem besorgt-unschlüssigen Stirnrunzeln an, blickte in dem gemütlichen kleinen Restaurant mit seinem Kerzenlicht umher, kehrte zu dem blinkenden Glas und Besteck auf dem Tisch zurück, wandte sich wieder mir zu, und das Stirnrunzeln löste sich in einem belustigten Lächeln auf.

«Na schön. Morgen. Die Lorrimores sind vielleicht die Sahne auf dem Kuchen, aber sie haben auch viel Mehrarbeit gebracht.«

«Wer sind die Lorrimores?«fragte ich.

Sie staunte mich an und erwiderte beziehungsvoll:»Wo leben Sie denn?«

«Ah«, sagte ich.»Wenn ich hier lebte, würde ich die Lorrimores kennen?«

«Sie würden bestimmt nicht fragen, wer sie sind.«

«Ich lebe in London«, sagte ich.»Also sagen Sie’s mir bitte.«

Sie trug, wie Frauen in der Geschäftswelt es gern tun, ein marineblaues Kostüm und eine weiße Bluse von so strenger Einfachheit, daß es Fragen nach der seelischen Wärme aufwarf. Frauen, die sich lässiger kleideten, dachte ich vage, fühlten sich innerlich vielleicht sicherer.

«Die Lorrimores«, sagte Nell, ohne Unsicherheit zu zeigen,»sind eine der reichsten Familien von Toronto. Von Ontario. Überhaupt von ganz Kanada. Sie sind das Hauptthema der Gesellschaftsblätter. Sie sind im Bankgeschäft und tun Gutes. Sie besitzen Villen, beschenken Kunstmuseen, eröffnen Wohltätigkeitsbälle und bewirten Staatsoberhäupter. Es gibt etliche von ihnen, Brüder, Schwestern und so weiter, und ich habe gehört, in gewissen Kreisen sind Sie, wenn Mercer Lorrimore Ihre Einladung annimmt und Sie besucht, ein für allemal ein gemachter Mann. «Sie hielt lächelnd inne.»Außerdem besitzt er großartige Rennpferde, ist selbstverständlich eine Säule des Jockey Club von Ontario, und ihm gehört dieser private Eisenbahnwagen, den Politiker sich früher regelmäßig für den Wahlkampf ausgeliehen haben. «Wieder legte sie eine Atempause ein.»Die also geben unserem Zug die Ehre — Mercer Lorrimore, der Chef des ganzen Clans, dazu Bambi, seine Frau, sowie ihr Sohn Sheridan und ihre Tochter Xanthe. Hab ich was ausgelassen?«

Ich lachte.»Verbeugen Sie sich vor denen?«

«So ungefähr. Na, am Telefon hört sich Mercer Lorrimore ehrlich gesagt ganz nett an, aber ich habe ihn und auch die anderen noch nicht kennengelernt. Und er ruft mich selber an. Er überläßt es keiner Sekretärin.«

«Wenn also«, sagte ich,»Mercer Lorrimore in dem Zug ist, wird landesweit noch mehr darüber berichtet werden?«

Sie nickte.»Er fährt im Interesse des kanadischen Rennsports mit, wie der Jockey Club in seinem Werbeprospekt groß herausstellt.«

«Und speist er im Speisewagen?«fragte ich.

«Was haben Sie vor?«Sie verdrehte die Augen in gespieltem Schrecken.»Er soll da essen. Sollen sie alle. Aber wir wissen nicht, ob sie sich vielleicht lieber zurückziehen. Wenn sie in ihrem Wagen bleiben, könnten die anderen alle gerade noch Platz finden. Da bahnt sich aber ein Schlamassel an, weil mein Boß selber noch Karten verkauft hat, obwohl er wußte, daß wir ausgebucht waren. «Sie schüttelte zwar den Kopf darüber, jedoch mit eindeutiger Nachsicht. Für den Boß hatte sie offenbar viel übrig.

«An wen hat er sie verkauft?«fragte ich.

«An Leute halt. Zwei Bekannte von ihm. Und an einen

Mr. Filmer, der den doppelten Preis bot, als er hörte, daß nichts mehr frei war. Solche Nebeneinnahmen läßt sich keiner entgehen. «Sie brach gereizt ein Brötchen auf.»Wenn nur im Speisewagen mehr Platz wäre, hätten wir mindestens noch sechs Fahrkarten verkaufen können.«

«David… ehm… Zak meinte, schon bei den achtundvierzig Plätzen müßten die Schauspieler ihre Stimmbänder bis zum äußersten strapazieren, um gegen den Lärm der Räder auf den Schienen anzukommen.«

«Das ist immer ein Problem. «Sie betrachtete mich über die Kerzenflamme hinweg.»Sind Sie verheiratet?«

«Nein. Sie?«

«Ich auch nicht. «Ihre Stimme klang etwas defensiv, aber ihr Mund lächelte.»Ich hatte mich auf eine Beziehung eingelassen, die gescheitert ist.«

«Und die einige Zeit zurückliegt?«

«Lange genug, daß ich darüber weg bin.«

Der Dialog schaffte Klarheit, fand ich, und legte vielleicht auch die Regeln fest. Sie war nicht an einer weiteren Beziehung interessiert, die zu nichts führte. Aber eine Liebelei? Man mußte sehen.

«Woran denken Sie?«fragte sie.

«An das Leben allgemein.«

Sie warf mir einen schrägen, ungläubigen Blick zu, wechselte aber das Thema, um wieder auf das beinah ebenso spannende Zugproblem zurückzukommen, und nach einer Weile stellte ich ihr die Frage, die mir den ganzen Tag schon im Kopf herumgegangen war.

«Mal abgesehen von den Freikarten für die Rennen und so weiter«, sagte ich,»gibt es sonst noch etwas, worauf der Besitzer eines Pferdes Anrecht hat? Eines Pferdes, das im Zug reist?«

Sie war verwirrt.»Wie meinen Sie das?«

«Werden ihnen irgendwelche Vorrechte eingeräumt, die die anderen Besitzer im Sonderspeisewagen nicht haben?«

«Ich glaube nicht. «Sie runzelte kurz die Stirn.»Nur, daß sie den Pferdewaggon betreten dürfen, falls Sie das meinen.«

«Ja, das weiß ich. Sonst gibt es also nichts?«

«Nun, die Rennbahn in Winnipeg plant eine Gruppenaufnahme, nur von den Besitzern, und da wird das Fernsehen dabeisein. «Sie grübelte.»Jeder von ihnen erhält eine Gedenkplakette vom Jockey Club, wenn wir nach dem Gebirgsaufenthalt in Banff wieder in den Zug steigen. «Sie hielt erneut inne.»Und wenn ein Pferd, das auch im Zug ist, eins von den Sonderrennen gewinnt, erhält der Besitzer auf Lebenszeit die beitragsfreie Mitgliedschaft in allen drei Rennvereinen.«

Letzteres war vielleicht ein beträchtlicher Anreiz für einen Kanadier, für sich genommen aber gewiß nicht attraktiv genug für Filmer. Wieder eine gute Idee zum Teufel. Die beiden grundlegenden Fragen blieben also, warum war Filmer in dem Zug, und warum hatte er sich so sehr darum bemüht, ein Besitzer zu sein? Und die Antworten lauteten nach wie vor, ich weiß nicht und ich weiß nicht. Äußerst hilfreich.

Wir tranken Kaffee, trödelten, fühlten uns wohl miteinander, und sie sagte, sie habe Schriftstellerin werden wollen und sich einen Job bei einem Verlag gesucht (»richtige Schriftsteller tun das nie, habe ich festgestellt«), sei aber viel zufriedener, seit sie bei Merry & Co Vergnügungsreisen organisiere.

Sie sagte:»Meine Eltern haben mir praktisch von Geburt an erklärt, ich würde Schriftstellerin werden, das liege in der Familie, und ich bin aufgewachsen in der Erwartung, daß es so kommt, aber sie haben sich geirrt, obwohl ich’s lange Zeit versucht habe, und dann lebte ich auch noch mit diesem Mann zusammen, der mich irgendwie genötigt hat zu schreiben. Aber wissen Sie, es war ja so eine Erleichterung, als ich mir — nach unserer Trennung und nachdem meine Tränen getrocknet waren — eines Tages sagte, daß ich in Wirklichkeit keine Schriftstellerin bin und nie eine sein werde und viel lieber was anderes machen möchte. Plötzlich war ich frei und glücklich wie noch nie. In der Rückschau kommt es mir blöd vor, daß ich so lange gebraucht habe, um mich selbst zu erkennen. Ich war gewissermaßen durch Gehirnwäsche zum Schreiben gebracht worden und dachte, ich wollte es selber, aber im Endeffekt war ich nicht gut genug, und es war so schwer, und ich war so oft deprimiert dabei. «Sie lachte halb.»Sie müssen mich für verrückt halten.«

«Natürlich nicht. Was haben Sie geschrieben?«

«Eine Zeitlang schrieb ich für ein wöchentlich erscheinendes Frauenmagazin — ich interviewte Leute und schilderte ihre Lebensgeschichte, und manchmal habe ich mir so ein Leben auch ganz ausgedacht, wenn ich in der Woche niemanden fand, der aufregend oder interessant genug war. Reden wir nicht davon. Es war scheußlich.«

«Ich bin froh, daß Sie entkommen sind.«

«Ja, ich auch«, sagte sie mit Nachdruck.»Ich sehe anders aus, fühle mich anders, und ich bin viel gesünder. Sonst bekam ich dauernd Schnupfen oder Grippe und fühlte mich krank, und das tue ich jetzt nicht mehr. «Ihre im Licht funkelnden Augen bestätigten es.»Und bei Ihnen«, sagte sie,»ist es genauso. Sie sind unbeschwert. Man sieht es Ihnen an.«

«Tatsächlich?«

«Hab ich recht?«

«Voll und ganz.«

Und wir hatten Glück, dachte ich nüchtern, als ich die Rechnung zahlte. Unbeschwertheit war kostbar in einer allzu sorgenerfüllten Welt, eine kaum geachtete Kostbarkeit, die überall der Aggression, der Habgier und schauerlichen Stammesritualen geopfert wurde. Ich fragte mich, ob die Fluted-

Point-Menschen vor zehntausend Jahren unbeschwert gewesen waren. Wahrscheinlich nicht.

Nell und ich gingen zu ihrem Wagen, den sie in der Nähe des Büros stehen hatte: Sie wohnte zwanzig Minuten entfernt, sagte sie, in einem sehr kleinen Apartment am See.

Zum Abschied küßten wir uns auf die Wange; sie dankte mir für den Abend und meinte fröhlich, sie werde mich am Sonntag sehen, wenn sie nicht spurlos unter all dem Zeug versinke, daß sie morgen, am Sonnabend, noch erledigen müsse. Ich sah ihren Rücklichtern nach, bis sie um eine Ecke bog, dann ging ich zum Hotel, schlief die Nacht ruhig durch und fand mich am nächsten Morgen, Punkt zehn, im Büro für öffentliche Angelegenheiten auf der Union Station ein.

Die Ressortleiterin, eine Dame von ehrfurchtgebietender Tüchtigkeit, hatte Nell so verstanden, daß ich einer der Schauspieler sei, denn bei Schauspielern hatten sie schon mal geholfen, und ich ließ sie in dem Glauben. Sie scheuchte mich zurück in die höhlenartige Große Halle des Bahnhofs (die, wie ich sogleich belehrt wurde, 85 Meter lang, 28 Meter breit und bis zum gekachelten Deckengewölbe 30 Meter hoch war) und führte mich durch eine massive Tür hinunter in ein schlichteres Gegenstück der oben gesehenen Pracht, ein scheinbar endloses Untergeschoß, in dem Essen, Wäsche und was die Züge sonst an Arbeit mit sich brachten, besorgt wurde. Es gab auch ein Miniatur-E-Werk, und überall waren Maler- und Schreinerarbeiten im Gange.

«Hier entlang«, sagte sie, mir auf raschen Absätzen voranklappernd.»Das ist die Uniformzentrale. Die kümmern sich um Sie.«

Sie stieß eine Tür auf, ließ mich eintreten, sagte kurz» Hier ist der Schauspieler «zu dem Personal im Innern und überließ mich nickend meinem Schicksal.

Das Personal im Innern war gutmütig und ebenso tüchtig.

Einer bediente eine Nähmaschine, ein anderer einen Computer, und ein dritter fragte mich nach meiner Kragenweite.

Rings um den Raum führten Regale, auf denen Hunderte von zusammengefalteten Hemden lagen, zart hellgrau mit weißen Längsstreifen, gestreiftem Kragen, langen gestreiften Ärmeln und geknöpften Manschetten.

«Die Manschetten müssen immer zugeknöpft bleiben, außer wenn Sie Geschirr abwaschen.«

Geschirr? Ohne mich, dachte ich milde.

Es gab zwei Ständer mit den herbstgoldenen Westen auf Bügeln.»Alle Knöpfe müssen immer zugeknöpft sein.«

Es gab Reihe um Reihe von mittelgrauen Hosen und mittel grauen Jacken, ordentlich aufgehängt, und jede Menge Schachteln mit grau, gelb und rotbraun gestreiften Krawatten.

Mein Helfer achtete darauf, daß alles, was er mir gab, perfekt saß.

«VIA-Personal ist zu jeder Zeit gut gekleidet und makellos sauber. Jeder bekommt von uns Tips, wie die Sachen zu pflegen sind.«

Er gab mir eine graue Jacke, zwei Paar graue Hosen, fünf Hemden, zwei Westen, zwei Krawatten und einen grauen Regenmantel zum Drüberziehen, und bei jedem Teil, das er als passend durchgehen ließ, rief er dem Mann am Computer die Größe zu.

«Wir kennen die Kleidergrößen jedes VIA-Angestellten in ganz Kanada.«

Ich betrachtete mich mit meinem Hemd und der gelben Weste im Spiegel, und der Kellner Tommy blickte zurück. Ich lächelte mein Spiegelbild an. Tommy sah viel zu selbstzufrieden aus, fand ich.

«Bequem?«fragte mein Helfer.

«Sehr.«»Ändern Sie die Uniform in keiner Weise ab«, sagte er.»Jede Abweichung würde Sie sofort als Schauspieler entlarven.«

«Vielen Dank.«

«Diese Uniform«, sagte er,»Hosen, Hemd, Krawatte und Weste, wird von allen männlichen Serviceangestellten und — hilfskräften getragen, wenn sie im Dienst sind. Das heißt, vom Schlafwagenpersonal wie vom Speisewagenpersonal, außer daß sie im Speisewagen manchmal Schürzen anhaben.«

«Vielen Dank«, sagte ich nochmals.

«Der Servicechef, der für den Speisewagen zuständig ist, trägt einen grauen Anzug, keine Weste oder Schürze. Daran erkennen Sie ihn.«

«Gut.«

Er lächelte.»Man wird Ihnen zeigen, was Sie zu tun haben. Wir überlassen Ihnen für die Kleider jetzt bis Sonntag morgen einen Spind. Sie holen sie ab und ziehen sie hier im Umkleideraum an, bevor Sie einsteigen, und nehmen Ihre eigene Kleidung im Zug mit. Wenn die VIA-Uniform ausgedient hat, sorgen Sie bitte dafür, daß wir sie zurückbekommen.«

«Gut«, sagte ich nochmals.

Als ich meine eigenen Sachen wieder angezogen hatte, führte er mich durch ein paar Gänge in einen Raum mit ultraschmalen Spinden, in die Tommys Ausstattung gerade eben hineinpaßte. Er schloß die Metalltür ab, gab mir den Schlüssel, zeigte mir, wie ich wieder in die Große Halle kam, und lächelte kurz.

«Viel Glück«, sagte er.»Verschütten Sie nichts.«

«Schönen Dank auch«, sagte ich.

Ich kehrte ins Hotel zurück und bat die Rezeption, mir einen Wagen mit Fahrer zu besorgen, der mich nach Woodbine bringen, den Nachmittag über warten und mich zurückfahren würde. Gar kein Problem, sagten sie, und da es ein schöner klarer Herbsttag ohne vorhergesagten Regen war, drehte ich mir

Locken ins Haar, zog einen gemusterten Norwegerpullover an und setzte eine Sonnenbrille auf, um mit der Menge auf dem Rennplatz zu verschmelzen.

Es ist wirklich nicht einfach, sich nach einer flüchtigen Begegnung an das Gesicht eines Fremden zu erinnern, es sei denn, man hat einen besonderen Grund dazu oder an dem Gesicht ist etwas ganz Unverwechselbares, und ich war ziemlich sicher, daß mich niemand, der mit dem Zug fuhr, wiedererkennen würde, selbst wenn ich zufällig neben ihm auf der Tribüne stand. Einen spektakulären Beweis dafür erhielt ich, kaum daß ich mir eine Karte für den Sattelplatz gekauft hatte, denn in der Nähe der Kasse stand Bill Baudelaire, beobachtete die hereindrängenden Leute, und seine Augen ruhten knapp eine Sekunde auf mir, dann glitten sie weiter. Für ihn mit seinem karottenroten Haar und den Aknenarben, dachte ich, würde es schwer sein, sich in einer Menschenmenge zu verlieren.

Ich ging zu ihm hin und sagte:»Könnten Sie mir bitte sagen, wie spät es ist?«

Er sah auf seine Uhr, aber kaum auf mich, sagte mit seiner rauhen Stimme:»Fünf vor halb zwei «und blickte über meine Schulter hinweg wieder zum Eingang.

«Danke«, sagte ich.»Ich bin Tor Kelsey.«

Sein Blick heftete sich jäh auf mein Gesicht, und er war nahe daran zu lachen.

«Als Val mir davon erzählt hat, habe ich ihm kaum geglaubt.«

«Ist Filmer hier?«fragte ich.

«Ja. Er ist zum Lunch gekommen.«

«Okay«, sagte ich.»Danke nochmals. «Ich nickte, ging an ihm vorbei und kaufte ein Rennprogramm, und als ich ein, zwei Augenblicke später noch mal hinschaute, war er fort.

Die Rennbahn war gestopft voll mit Leuten, und überall verkündeten Spruchbänder, daß dies die

Eröffnungsveranstaltung zur Reise des Großen Transkontinentalen Erlebnis- und Rennexpresses war. Rennexpreß-Tag nannten sie es knapp. Auf dem Programmheft war eine gelungene Farbaufnahme von einem Zug, der die Prärie durchquert, abgebildet. An Verkaufsständen gab es Rennexpreß-T-Shirts mit einem Pferd vis-a-vis einer Lokomotive auf der Brust. Es gab Rennexpreß-Wimpel und — Halstücher und — Baseballmützen; und eine Schar junger Damen mit Unterstützt-den-kanadischen-Rennsport-Schärpen überm Busen verteilte Informationsblätter. Die PR-Firma, dachte ich belustigt, ließ wirklich niemanden im unklaren.

Ich sah Filmer erst kurz vor dem Jockey-Club-Rennexpreß-Sonderrennen von Woodbine, wie es ohne viel Finesse getauft worden war. Einen Teil des Nachmittags hatte ich damit verbracht, im Programmheft die Angaben über die Besitzer und ihre Pferde zu lesen, wobei ich festgestellt hatte, daß zwar alle Besitzer auf der Passagierliste des Zuges standen, aber keins von den Pferden. Wir würden frische Tiere nach Winnipeg und Vancouver mitnehmen.

Filmer stand nicht als Besitzer im Rennprogramm, dafür aber Mrs. Daffodil Quentin, und als sie herunterkam, um beim Satteln ihres Pferdes zuzusehen, war Filmer bei ihr, aufmerksam und lächelnd.

Daffodil Quentin hatte ein großes Federkronenarrangement aus blonden Locken über einem mittelalterlichen Gesicht mit intensiv leuchtender Lippenbemalung. Sie trug ein schwarzes Kleid mit einer gestreiften Chinchillajacke darüber: zuviel Pelz, dachte ich flüchtig, für die Wärme der Nachmittagssonne.

Es blieb kaum Zeit, all die anderen Besitzer zu identifizieren, da die Formalitäten vor dem Rennen viel schneller abliefen als in England, doch ich hielt besonders nach Mercer Lorrimore Ausschau und entdeckte ihn.

Mercer Lorrimore, Liebling der Illustrierten, ließ als treuer

Förderer zwei Pferde in dem Rennen laufen. Er war ein Mann von mittlerer Größe, mittlerer Statur, mittlerem Gewicht und hauptsächlich an seinem gutgeschnittenen, gutgebürsteten vollen weißen Haarschopf zu erkennen. Sein Gesichtsausdruck war freundlich und vernünftig, und er war nett zu seinem Trainer.

Neben ihm stand eine dünne, gepflegte Person, von der ich annahm, daß es seine Frau Bambi war; und zu beiden gehörten ein hochnäsig blickender junger Mann und ein schmollendes junges Mädchen. Sohn und Tochter, Sheridan und Xanthe, zweifellos.

Die Jockeys wurden auf die winzigen Sättel geworfen wie bunte Distelwolle und ließen ihre mageren Körper vom fließenden Rhythmus der Schritt gehenden Vollblüter tragen. Draußen auf der Bahn, wenn die Pferde zum Kantern übergingen, war es für sie bequemer, in den Steigbügeln zu stehen, um die holprigeren Rhythmen abzufangen, doch auf dem Weg vom Führring schaukelten sie einschläfernd dahin wie ein Kamelzug. Ich sah sie mir gern an; wurde es nie müde. Ich liebte die großen, schönen Tiere mit ihren winzigen Gehirnen und ihren unwahrscheinlichen Instinkten, und immer, überall auf der Welt, hatte ich mich wohlgefühlt, wenn ich sie pflegte, sie ritt oder zusah, wie sie wach wurden und in die vollen gingen.

Die Lorrimore-Farben waren echt kanadisch, leuchtendes Rot und Weiß wie die Fahne mit dem Ahornblatt. Daffodil Quentins Farben waren nicht Gelb wie die Narzisse ihres Namens, sondern Hellblau und Dunkelgrün, sehr viel gedämpfter als die Dame.

Sie und Filmer und all die anderen Besitzer verschwanden oben hinter Glas, um sich das Rennen anzusehen, und ich ging zum Geläuf hinunter, um von dem Bereich aus zuzuschauen, wo der glückliche Besitzer seinen Sieger in Empfang nehmen würde.

Vierzehn Starter nahmen an dem Anderthalbmeilenrennen teil, und über ihre Form wußte ich nur, was im Rennprogramm zu lesen stand. In England kannte ich die aktuelle Landschaft wie einen vergrößerten Stadtplan, kannte die Durchgangsstraßen, die dunklen Seitengäßchen, die kleinen Querstraßen. Wußte, wen die Leute kannten, wen sie suchten und wen sie mieden, wen sie begehrten. In Kanada war ich ohne Radar und fühlte mich blind.

Das Rennexpreß-Sonderrennen von Woodbine, das sich auf der Einlaufgeraden als heiß genug erwies, um das Herz des Ontario Jockey Club zu erfreuen, riß die Zuschauer auf den Rängen zu anfeuerndem Gebrüll und Gekreisch hin. Lorrimores Favorit in scharlachrot und weiß wurde auf dem letzten Meter von einem Blitz in Hellblau und Dunkelgrün besiegt, und ziemlich viele Anfeuerungsrufe verwandelten sich in Stöhnen.

Daffodil Quentin kam herunter und zog dicht an mir vorbei in Wolken von Chinchilla, Erregung und Moschusduft. Sie warf sich kokett in Pose, nahm Glückwünsche und den Ehrenpreis entgegen, und Filmer, stets an ihrer Seite, küßte ihr galant die Hand.

Ein Mörder, den man laufen lassen mußte, dachte ich, und der gerade eine mutmaßliche Versicherungsbetrügerin küßt. Wie hübsch. Fernsehkameras surrten, und Blitzlichtfotografen stachen die Sonne aus.

Ich konnte kurz einen Blick auf Bill Baudelaires finstere Miene werfen, und ich wußte, was John Millington gesagt haben würde.

Es war direkt zum Kotzen.

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