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Ich will gleich gestehen, daß mein Vorgehen in den folgenden zehn Minuten in keiner Weise rational war, sondern vielmehr unkontrolliert zwischen dem Manischen und dem Bürokratischen hin und her pendelte. An heftigere Gefühle wie Wut oder Zorn kann ich mich nicht erinnern, auch wenn spätere Handlungen darauf hindeuten, daß solche und ähnliche Emotionen in mir brodelten. Mein erster Gedanke – einer meiner vielen ersten Gedanken – galt meinem Wirt und meiner Wirtin, den Hakims, zu denen Hannah und ich eine sehr herzliche Beziehung aufgebaut hatten, die auch ihre beiden Kinder mit einschloß, den kleinen Rabauken Rashid, Hannahs Liebling, und die zurückhaltendere Diana, die sich ausdauernd hinter der Küchentür versteckte in der Hoffnung, daß ich einmal vorbeikam. Deshalb klaubte ich einen dicken Packen von meinem Sündengeld zusammen und drückte es der verdutzten Mrs. Hakim in die Hand.
Ein nächster erster Gedanke war, daß ich so bald keinen Fuß mehr in dieses Haus setzen würde, wenn überhaupt je wieder, weshalb ich unser Zimmer so tadellos hinterlassen wollte, wie es unter den Umständen möglich war. In meiner extremen Ordnungsliebe – die Penelope, angeleitet von Paula, als analfixiert bezeichnet hatte – zog ich das Bett ab, schüttelte die Kopfkissen auf, holte die Handtücher aus dem Badezimmer und legte das Wäschebündel in eine Ecke.
Noch mehr Sorgfalt verwandte ich auf meine Kleidung – zu frisch war der Eindruck von Maxie und seinen Männern, die augenscheinlich dazu verdammt waren, sich für viele Jahre mit nur einer Montur begnügen zu müssen. Ich entschied mich daher für eine robuste Cordjeans, die Lederjacke, auf die noch eine Weile Verlaß sein würde, Turnschuhe, meine Pudelmütze und so viele Hemden, Socken und Unterhosen, wie mit etwas Gewalt in meinen Rucksack paßten. Außerdem steckte ich meine kostbarsten persönlichen Gegenstände ein, darunter das gerahmte Photo von Noah.
Als allerletztes holte ich die Umhängetasche aus ihrem Versteck hinter dem Kleiderschrank hervor, und nachdem ich sie noch einmal durchsucht und mir das Fehlen der beiden Bänder bestätigt hatte – denn im Verlauf der letzten achtundvierzig Stunden hatten Phantasie und Realität etliche Male hinter meinem Rücken die Plätze getauscht –, schloß ich die Tür unseres kurzlebigen kleinen Paradieses, verabschiedete mich rasch von den verdatterten Hakims und stieg in das Taxi, das bereitstand, um mich zu der Adresse in Regent’s Park zu befördern, zu der Sam mich einbestellt hatte.
Meine Rekonstruktion dessen, was nun folgt, ist so akkurat, wie es mein Gedächtnis zuläßt – immer unter Berücksichtigung der Tatsache, daß ich zu der Zeit weder im Vollbesitz meines Sehvermögens noch meiner sonstigen Kräfte war. Wir hielten vor einem eleganten Haus im Albany Crescent NW1 – für das man gut und gern mehrere Millionen hätte hinblättern müssen –, und das erste, was ich sah, waren zwei junge Männer in Trainingsanzügen, die sich im Vorgarten einen Medizinball zuwarfen. Als ich ausstieg, hörten sie auf zu spielen, drehten sich um und beäugten mich neugierig. Ohne mich durch ihr Interesse beirren zu lassen, bezahlte ich in aller Ruhe das Taxi, legte noch ein großzügiges Trinkgeld obendrauf und ging zum Tor, woraufhin mich der näher bei mir stehende der beiden lässig fragte, ob er mir behilflich sein könne.
»Schon möglich«, antwortete ich ebenso munter. »Ich hätte gern Philip in einer persönlichen Angelegenheit gesprochen.«
»Dann sind Sie hier richtig, Sportsfreund«, antwortete er und bemächtigte sich mit übertriebener Höflichkeit meines Rucksacks, während mir der zweite Knabe die Umhängetasche abnahm, so daß mich nichts mehr in meiner Bewegungsfreiheit einschränkte. Der erste schritt auf dem gekiesten Weg zum Eingang und hielt mir die Tür auf, der zweite reihte sich, ein Liedchen pfeifend, hinter uns ein. Unser ungezwungener Gesprächston ist schnell erklärt. Es waren dieselben blonden Knaben, die in stramm durchgeknöpften Jacketts am Berkeley Square hinter dem Empfang gestanden hatten. Das heißt, sie kannten mich als einen Duckmäuser. Ich war das zahme Männlein, das von Bridget bei ihnen abgeliefert worden war. Das ihnen auf Befehl die Reisetasche ausgehändigt und gehorsam auf der Galerie gewartet hatte, bis es hinter Maxie davontrotten durfte. Der Psychologie ihres Gewerbes entsprechend hatten sie mich als zahnlosen Underdog eingestuft. Damit hatte ich das Überraschungsmoment auf meiner Seite.
Als wir das Wohnzimmer betraten, war mein Vordermann einen guten Schritt voraus, und er wurde von meinem Rucksack behindert. Von Natur aus großspurig, ging er federnd und leicht, auch rechnete er mit nichts Bösem. Ein kräftiger Stoß reichte, um ihn zu fällen. Der Knabe hinter mir war noch damit beschäftigt, die Haustür zu schließen. Am Berkeley Square war mir seine mürrische Selbstgefälligkeit aufgefallen. Auch heute war sie nicht zu übersehen. Vielleicht wußte er, daß er sich mit der Umhängetasche den ersten Preis gesichert hatte. Ein gutgezielter Tritt in die Weichteile, und schon war es mit seiner Arroganz vorbei.
Damit war der Weg zu Philip frei. Mit einem einzigen Satz war ich bei ihm, legte ihm die Hände um den Hals und rang mit seinen Doppelkinnen. Welchen höheren Zweck ich mit dieser Aktion verfolgte, weiß ich bis heute nicht. Ich erinnere mich, daß ich auf die hellbraunen Backsteine des offenen Kamins hinter ihm sah und mit dem Gedanken spielte, sein schönes weißes Haupt dagegenzuschmettern. Er trug einen grauen Anzug, ein weißes Baumwollhemd und eine teure Krawatte aus geflammter roter Seide, die ich erfolglos als Würgeschlinge einzusetzen versuchte.
Ob ich ihn hätte erdrosseln können? Der Teufel ritt mich heftig genug, wie mein seliger Vater gesagt hätte, doch dann setzte mich einer der Knaben außer Gefecht, womit, sah ich nicht, aber ein Totschläger war es mindestens. Jetzt, drei Monate später, habe ich – neben anderen Abschürfungen – immer noch eine hühnereigroße Beule links am Hinterkopf. Als ich wieder zu mir kam, stand Philip gesund und munter vor dem erwähnten Kamin, und neben ihm eine würdige grauhaarige Dame in Tweedkostüm und praktischen Schuhen, die ich, noch bevor sie zum erstenmal »Brian, mein Lieber« sagte, augenblicklich als Sam erkannte. Sie war die archetypische Tennisschiedsrichterin, die in Wimbledon auf dem Hochstuhl sitzt und die Spielerinnen sechs Fuß unter ihr ermahnt, doch bitte an ihre Manieren zu denken.
Das waren meine ersten Eindrücke, als ich erwachte. Zunächst wunderte ich mich, daß die beiden blonden Knaben nirgendwo zu sehen waren, aber als ich den Kopf so weit wie mir möglich drehte, erspähte ich sie durch die offene Tür. Sie saßen auf der anderen Seite des Korridors und sahen fern, ohne Ton. Es war ein Cricketländerspiel, und die Australier lagen aussichtslos zurück. Als ich den Kopf in die andere Richtung drehte, saß da zu meinem Erstaunen ein Engel, der über meine guten und schlechten Taten Buch führte. Er saß an einem Schreibtisch und zwar im Erker, den ich jedoch im ersten Moment für den Erker in unserem Zimmer in Mr. Hakims Pension hielt. Sonnenschein umflutete ihn wie eine himmlische Erscheinung, trotz seiner Halbglatze und der Brille. Sein Tisch war Onkel Henrys Falttisch, bei dem man die gekreuzten Beine einklappen konnte, bevor man sich in die nächste Schlacht stürzte. Wie Philip trug er einen Anzug, nur daß es bei ihm die abgewetzte Chauffeursvariante war, und er beugte sich mit krummem Rücken über den Tisch wie ein Schreiber aus einem Dickens-Roman, der sich keinen Schlendrian nachsagen lassen will.
»Und das ist Arthur aus dem Innenministerium, Brian, mein Lieber«, erklärte Sam, der mein Interesse an dem Mann nicht entgangen war. »Arthur ist so gut, für uns die verwaltungstechnischen Formalitäten zu regeln, nicht wahr, Arthur?«
Arthur verzichtete auf eine Antwort.
»Arthur ist weisungsbefugt«, ergänzte Philip. »Sam und ich nicht. Wir sind lediglich Berater.«
»Und Hannah ist in den besten Händen, nur für den Fall, daß Sie etwas anderes befürchtet haben«, fuhr Sam mit ihrer liebenswürdigen Stimme fort. »Sie wird sich bei Ihnen melden, sobald sie zu Hause eingetroffen ist.«
Zu Hause? Was für ein Zuhause? Mr. Hakims Pension? Das Schwesternheim? Die Norfolk Mansions? Zuhause war ein Wort, mit dem ich verständlicherweise noch nie viel anfangen konnte.
»Leider, leider hat Hannah gegen die Bestimmungen ihres Visums verstoßen«, erläuterte Sam. »Deswegen ist Arthur hier. Damit alles seinen geregelten Gang geht, nicht wahr, Arthur? Hannah ist nach England gekommen, um als Krankenschwester zu arbeiten. Und um ihr Diplom zu machen, die Gute. Damit sie nach ihrer Rückkehr ihrem Land helfen kann. Sie ist nicht hier, um sich an politischen Agitationen zu beteiligen. Davon steht nichts in ihrer Tätigkeitsbeschreibung, oder, Arthur?«
»Kein Wort«, bestätigte Arthur näselnd von seiner Warte im Erker. »Da steht ›Krankenpflege‹ und sonst nichts. Wenn sie agitieren will, soll sie es zu Hause machen.«
»Hannah hat demonstriert, Salvo«, sagte Sam mitfühlend. »Und leider Gottes nicht nur einmal.«
»Wieso? Wogegen?« fragte ich durch den wabernden Nebel in meinem Kopf hindurch.
»Gegen den Irak, was sie überhaupt nichts anging.«
»Krasser Verstoß«, bemerkte Arthur. »Und Darfur, was sie ebenfalls nichts anging.«
»Dazu kommt ihr Ausflug nach Birmingham, der ausschließlich politischen Zwecken diente«, sagte Sam. »Und nun auch noch das.«
»Das? Was?« fragte ich, ob laut oder stumm, weiß ich nicht.
»Geheime Verschlußsachen«, verkündete Arthur zufrieden. »Widerrechtliche Aneignung, Besitz und Weitergabe derselben an eine ausländische Macht. Schlimmer geht’s kaum. Noch dazu war der Empfänger besagter Verschlußsachen mit paramilitärischen Milizen involviert, womit ein klarer Fall von Terrorismus vorliegt.«
Allmählich kehrte mein Reaktionsvermögen zurück. »Sie wollte einen illegalen Krieg verhindern!« Offenbar konnte ich sogar schon wieder schreien. »Wir beide zusammen wollten das!«
Philip, der ewige Diplomat, schaltete sich ein, um die Situation zu entschärfen.
»Darum geht es doch gar nicht«, widersprach er behutsam. »London darf nicht zum Tummelplatz ausländischer Aktivisten werden. Schon gar nicht, wenn sie als Krankenpfleger hier sind. Das hat Hannah in letzter Konsequenz akzeptiert, ungeachtet juristischer Spitzfindigkeiten, nicht wahr, Sam?«
»Nachdem wir ihr das Problem erklärt hatten, war sie absolut kooperativ«, bestätigte Sam. »Natürlich war sie traurig. Aber sie hat nicht um einen Anwalt gebeten sie war weder weinerlich noch aufsässig, und sie hat widerstandslos ihren Klageverzicht unterschrieben. Und warum? Weil sie wußte, was für sie das beste war. Und für Sie. Und natürlich auch für ihren Jungen, ihren Augenstern. Noah. Was für hübsche Namen sich diese Menschen doch immer aussuchen.«
»Ich verlange, mit ihr zu sprechen«, sagte ich, oder vielleicht schrie ich es auch.
»Nun, das ist momentan leider nicht machbar. Sie ist in Abschiebehaft, und Sie sind hier bei uns. Schon in wenigen Stunden wird sie vollkommen freiwillig nach Kampala ausreisen, wo sie ihren Noah in die Arme schließen kann. Was könnte schöner sein?«
Für die Moral von der Geschichte war Philip zuständig: »Sie ist ohne Aufhebens gegangen, Salvo«, sagte er und schaute auf mich hinunter. »Von Ihnen erwarten wir das gleiche.« Sein Ton war weich wie Butter, aber mit einem Spritzer amtlicher Würze. »Das Innenministerium wurde darüber in Kenntnis gesetzt – und zwar von unserem Freund Arthur hier, der uns mit seinen Nachforschungen enorm geholfen hat, danke, Arthur –, daß der Mann, der sich Bruno Salvador nennt, kein britischer Staatsangehöriger ist, ob loyal oder illoyal, und auch niemals einer war. Kurz gesagt, er existiert nicht.«
Er ehrte den Verblichenen durch zwei Schweigesekunden.
»Sie haben sich die britische Staatsangehörigkeit mit all ihren Rechten und Pflichten arglistig erschlichen. Ihre Geburtsurkunde war eine Lüge. Sie wurden nicht ausgesetzt, und Ihr Vater war auch kein durchreisender Seemann, der ein unerwünschtes Kind loswerden mußte – oder?« Er appellierte an meine Vernunft. »Wir müssen also davon ausgehen, daß der britische Konsul in Kampala sich zum Zeitpunkt Ihrer Geburt von Rom hat um den Finger wickeln lassen. Die Tatsache, daß Sie selbst vom Alter her technisch nicht in der Lage waren, sich an dem Betrug mitschuldig zu machen, zählt nach dem Gesetz leider nicht. Ist das korrekt, Arthur?«
»Was für ein Gesetz?« kam es lebhaft aus dem Erker. »Es gibt keins. Nicht für ihn.«
»Die bittere Wahrheit ist die, Salvo. Wie Sie genau wissen – beziehungsweise wissen müßten –, sind Sie ein illegaler Einwanderer, seit Sie als Zehnjähriger in Southampton an Land gegangen sind. Seitdem haben Sie noch nicht einmal einen Asylantrag gestellt. Sie haben sich einfach so benommen, als wären Sie einer von uns.«
Von Rechts wegen hätte mich an dieser Stelle meine Wut, die mehr oder minder nach Belieben kam und ging, aus meinem Sitz katapultieren müssen zu einer weiteren Attacke auf seine Gurgel oder auch einen anderen Teil seiner biegsamen, kreuzvernünftigen Anatomie. Aber wenn man, um Haj zu zitieren, verschnürt ist wie ein Postpaket, wenn einem Hände und Füße mit Klebeband umwickelt sind und darüber hinaus an einem Küchenstuhl festgebunden, sind der Körpersprache Grenzen gesetzt, was Philip durchaus zu würdigen wußte, denn warum hätte er sonst ein nonchalantes Lächeln riskiert und mich damit getröstet, daß es noch am Ende des schwärzesten Tunnels ein Licht gab?
»Der langen Rede kurzer Sinn: Die Kongolesen wären – wie wir aus zuverlässiger Quelle wissen – prinzipiell und natürlich mit genügend Vorlauf zur Abwicklung der verwaltungstechnischen Formalitäten« – duldsames Lächeln – »und mit ein paar vermittelnden Worten von unserem Botschafter in Kinshasa plus einer Geburtsurkunde, die, wollen wir sagen, den historischen Tatsachen eher gerecht wird« – noch duldsameres Lächeln –, »hocherfreut, Sie als ihren Staatsbürger begrüßen zu dürfen. Beziehungsweise Sie wieder zurückzunehmen, da Sie ja im Grunde immer einer von ihnen waren. Aber natürlich nur, wenn Sie das für sinnvoll halten. Es geht hier schließlich um Ihr Leben, nicht um unseres. Wir halten es jedenfalls für extrem sinnvoll, nicht wahr, Arthur?«
»Von uns aus kann er hingehen, wo er will«, bestätigt Arthur aus dem Erker. »Hauptsache, er geht.«
Und die mütterliche Sam pflichtet Philip und ihm inbrünstig bei. »Hannah findet es auch sehr sinnvoll, Salvo. Aber es stellt sich ja sowieso die Frage, warum wir uns Afrikas beste Pflegekräfte aneignen sollten. Da unten werden sie händeringend gesucht. Und überlegen Sie doch, Salvo, was hält Sie denn in England, ohne Hannah? Zu Penelope werden Sie ja wohl nicht wieder zurückwollen?«
Für Philip ist die Sache damit erledigt, er nimmt meine Umhängetasche, macht sie auf und legt die Stenoblöcke und Bänder abgezählt auf den Tisch.
»Wunderbar.« Er klingt wie ein Zauberer, der sich an seinem eigenen Trick begeistert. »Plus die beiden von Hannah ergibt sieben. Damit wären wir komplett. Es sei denn, Sie hätten Kopien gemacht. Dann wäre Ihnen wirklich nicht mehr zu helfen. Gibt es Kopien?«
Plötzlich bin ich so schläfrig, daß er meine Antwort nicht verstehen kann, und ich muß sie wiederholen, vermutlich wegen der Mikrophone.
»Wäre zu gefährlich gewesen«, lalle ich noch einmal und versuche, wieder einzuschlafen.
»Und ich darf davon ausgehen, daß Sie nur das eine Exemplar von J’accuse! hatten? Den Ausdruck, den Sie Thorne gegeben haben?« fährt er fort, um auch die letzten Einzelheiten noch rasch unter Dach und Fach zu bringen.
Ich muß wohl genickt haben.
»Gut. Dann brauchen wir also nur noch Ihre Festplatte zu zertrümmern«, sagt er erleichtert und winkt die blonden Knaben aus dem Korridor herein, die mich losbinden, aber fürs erste auf dem Boden liegenlassen, bis mein Kreislauf wieder in Schwung kommt.
»Wie geht es eigentlich Maxie?« erkundige ich mich, um ihm vielleicht wenigstens ein schamhaftes Erröten auf die faltenlosen Wangen zu zaubern.
»Ach ja, der arme Maxie. Zu schade um ihn!« seufzt Philip, als hätte ich ihn an einen alten Freund erinnert. »Der Beste in der ganzen Branche, sagen alle – nur leider so halsstarrig! Und wie dumm von ihm, einen Fehlstart hinzulegen.«
»Sie meinen, dumm von Brinkley«, schlage ich vor, aber der Name sagt ihm nichts.
Es ist ein ziemlicher Akt, mich wieder auf die Beine zu stellen. Nach dem Schlag auf den Kopf bin ich schwerer als vorher, und ein Knabe reicht nicht aus. Sobald ich mich aufrecht halten kann, baut sich Arthur vor mir auf und zieht sehr amtlich sein Jackett stramm. Er greift in die Innentasche und holt einen braunen Briefumschlag mit dem Aufdruck On Her Majesty’s Service hervor. Ich lasse ihn mir widerstandslos in die Hand drücken.
»Sie haben diesen Bescheid in Anwesenheit von Zeugen entgegengenommen«, verkündet er, wie an ein größeres Publikum gerichtet. »Bitte lesen Sie ihn. Unverzüglich.«
Als mir die Buchstaben endlich nicht mehr vor den Augen verschwimmen, teilen sie mir mit, daß ich eine unerwünschte Person bin. Arthur reicht mir einen von Hajs Parker-Füllern. Nach einigem Herumgestochere lande ich auf dem Papier und setze krakelig meine Unterschrift darunter. Hände werden nicht geschüttelt. Dafür sind – oder waren – wir zu britisch. Die beiden Knaben nehmen mich in die Mitte. Wir gehen in den Garten, und sie bringen mich zum Tor. Es ist ein drückend heißer Tag. Wer nicht in den Sommerferien ist, der hat Angst vor Bomben, weshalb die Straßen wie leergefegt sind. Ein dunkelgrüner Transporter ohne Beschriftung und ohne Fenster wartet vor dem Haus. Der gleiche Transporter, der vor der Pension der Hakims geparkt stand, vielleicht sogar derselbe. Vier Männer in Drillich-Overalls steigen aus und kommen auf uns zu. Ihr Anführer trägt eine Polizeimütze.
»Macht der Ärger?« fragt er.
»Der? Nicht mehr«, sagt ein blonder Knabe.