Zweiter Auftritt.

Turandot im Gespraech mit Zelima. Adelma, anfangs ungesehen.

Turandot. Hilf, rath mir, Zelima. Ich kann's nicht tragen,

Mich vor dem ganzen Divan ueberwunden

Zu geben!-Der Gedanke toedtet mich.

Zelima. Ist's moeglich, Koenigin? Ein so edler Prinz

So liebeathmend und so liebenswerth,

Kann nichts als Hass und Abscheu-

Turandot. Abscheu! Hass! (Sie besinnt sich)

-Ich hass' ihn, ja. Abscheulich ist er mir!

Er hat im Divan meinen Ruhm vernichtet.

In allen Landen wird man meine Schande

Erfahren, meiner Niederlage spotten.

O, rette mich-In aller Fruehe, will

Mein Vater, soll der Divan sich versammeln,

Und loes' ich nicht die aufgegebne Frage,

So soll in gleichem Augenblick das Band

Geflochten sein-"Wess Stamms und Namen ist

"Der Prinz, der, um sein Leben zu erhalten,

"Gezwungen ward, als niedrer Knecht zu dienen

"Und Lasten um geringen Preis zu tragen;

"Der endlich auf dem Gipfel seiner Hoffnung

"Noch ungluecksel'ger ist, als je zuvor?"-

-Dass dieser Prinz er selbst ist, seh' ich leicht.

Wie aber seinen Namen und Geschlecht

Entdecken, da ihn Niemand kennt, der Kaiser

Ihm selbst verstattet, unerkannt zu bleiben?

Geaengstigt, wie ich war, geschreckt, gedraengt,

Ging ich die Wette unbedachtsam ein.

Ich wollte Frist gewinnen-Aber wo

Die Moeglichkeit, es zu errathen? Sprich!

Wo eine Spur, die zu ihm leiten koennte?

Zelima. Es gibt hier kluge Frauen, Koenigin,

Die aus dem Thee-und Kaffeesatz wahrsagen-

Turandot. Du spottest meiner! Dahin kam's mit mir!

Zelima. Wozu auch ueberall der fremden Kuenste?

-O, seht ihn vor Euch stehn, den schoenen Prinzen!

Wie ruehrend seine Klage war! Wie zaertlich

Er aus zerrissnem Herzen zu Euch flehte!

Wie edelmuethig er, sein selbst vergessen,

Zu Eures Vaters Fuessen fuer Euch bat,

Fuer Euch, die kein Erbarmen mit ihm trug,

Zum zweitenmal sein kaum gerettet Leben

Darbot, um Eure Wuensche zu vergnuegen!

Turandot (weggewendet). Still, still davon!

Zelima. Ihr kehrt Euch von mir ab!

Ihr seid geruehrt! Ja, ja! Verbergt es nicht!

Und eine Thraene glaenzt in Eurem Auge-

O, schaemt Euch nicht der zarten Menschlichkeit!

Nie sah ich Euer Angesicht so schoen.

O, macht ein Ende! Kommt-

(Adelma ist im Begriff hervorzutreten.)

Turandot. Nichts mehr von ihm!

Er ist ein Mann. Ich hass' ihn, muss ihn hassen.

Ich weiss, dass alle Maenner treulos sind,

Nichts lieben koennen als sich selbst; hinweg-

Geworfen ist an dies verraeterische Geschlecht

Die schoene Neigung und die schoene Treue.

Geschmeid'ge Sklaven, wenn sie um uns werben,

Sind sie Tyrannen, gleich, wo sie besitzen.

Das blinde Wollen, den gereizten Stolz,

Das eigensinnig heftige Begehren,

Das nennen sie ihr Lieben und Verehren.

Das reisst sie blind zu unerhoerter That,

Das treibt sie selber auf den Todespfad;

Das Weib allein kennt wahre Liebestreue.

-Nicht weiter, sag' ich dir. Gewinnt er morgen,

Ist mir der Tod nicht schrecklicher, als er.

Mich sah' die Welt, die mir gehaessig ist,

Zu dem gemeinen Loos herabgewuerdigt

An eines Mannes und Gebieters Hand!

Nein, nein! So tief soll Turandot nicht sinken!

-Ich seine Braut! Eh' in das offne Grab

Mich stuerzen, als in eines Mannes Arme!

(Adelma hat sich wieder zurueckgezogen.)

Zelima. Wohl mag's Euch kosten, Koenigin, ich glaub' es,

Von Eurer stolzen Hoeh' herabzusteigen,

Auf der die Welt Euch staunend hat gesehn.

Was ist der eitle Ruhm, wenn Liebe spricht?

Gesteht es, Eure Stunde ist gekommen!

Weg mit dem Stolze! Weicht der staerkeren

Gewalt-Ihr hasst ihn nicht, koennt ihn nicht hassen,

Warum dem eignen Herzen widerstreben?

Ergebt Euch dem geliebten Mann, und mag

Alsdann die Welt die Glueckliche verhoehnen!

Adelma (ist horchend nach und nach naeher gekommen und

tritt jetzt hervor).

Wer von geringem Stand geboren ist,

Dem steht es an, wie Zelima zu denken.

Ein koenigliches Herz fuehlt koeniglich.

-Vergib mir! Zelima! Dir ist es nicht gegeben,

An einer Fuerstin Platz dich zu versetzen,

Die sich so hoch wie unsre Koenigin

Gestellt und jetzt, vor aller Menschen Augen,

Im Divan so herunter steigen soll,

Von einem schlechten Fremdling ueberwunden.

Mit meinen Augen sah ich den Triumph,

Den stolzen Hohn in aller Maenner Blicken,

Als er die Raetsel unsrer Koenigin,

Als waeren's Kinderfragen, spielend loeste,

Der ueberlegnen Einsicht stolz bewusst.

O, in die Erde haett' ich sinken moegen

Vor Scham und Wuth-Ich liebe meine schoene

Gebieterin; ihr Ruhm liegt mir am Herzen.

-Sie, die dem ganzen Volk der Maenner Hohn

Gesprochen, dieses Mannes Frau!

Turandot. Erbittre mich

Nicht mehr!

Zelima. Das grosse Unglueck, Frau zu werden!

Adelma. Schweig. Zelima! Man will von dir nicht wissen,

Wodurch ein edles Herz beleidigt wird.

Ich kann nicht schmeicheln. Grausam waer' es, hier

Zu schonen und die Wahrheit zu verhehlen.

Ist es schon hart genug, dass wir den Mann,

Den uebermuethigen, zum Herrn uns geben,

So liegt doch Trost darin, dass wir uns selbst

Mit freier Wahl und Gunst an ihn verschenken,

Und seine Grossmuth fesselt seinen Stolz.

Doch welches Loos trifft unsre Koenigin,

Wie hat sie selbst sich ihr Geschick verschlimmert!

Nicht ihrer freien Gunst und Zaertlichkeit,

Sich selbst nur, seinem siegenden Verstand

Wird sie der Stolze zu verdanken haben;

Als seine Beute fuehrt er sie davon-

Wird er sie achten, Grossmuth an ihr ueben,

Die keine gegen ihn bewies, auf Tod

Und Leben ihn um sie zu kaempfen zwang,

Ihm nur als Preis des Sieges heimgefallen?

Wird er bescheiden seines Rechtes brauchen,

Das er nur seinem Recht verdankt?

Turandot (in der heftigsten Bewegung). Adelma, wisse!

Find' ich die Namen nicht, mitten im Tempel

Durchstoss' ich diese Brust mit einem Dolch.

Adelma. Fasst Muth, Gebieterin. Verzweifelt nicht!

Kunst oder List muss uns das Raethsel loesen.

Zelima. Gut. Wenn Adelma mehr versteht, als ich,

Und Euch so zugethan ist, wie sie sagt,

So helfe sie und schaffe Rath.

Turandot. Adelma!

Geliebte Freundin! Hilf mir, schaffe Rath!

Ich kenn' ihn nicht, weiss nicht, woher er kommt;

Wie kann ich sein Geschlecht und Namen wissen?

Adelma (nachsinnend).

Lass sehn-Ich hab' es-hoerte man ihn nicht

Im Divan sagen, hier in dieser Stadt,

In Peckin, lebe Jemand, der ihn kenne?

Man muss nachspueren, muss die ganze Stadt

Umkehren, weder Gold noch Schaetze sparen-

Turandot. Nimm Gold und Edelsteine, spare nichts.

Kein Schatz ist mir zu gross, nur, dass ich's wisse!

Zelima. An wen uns damit wenden? Wo uns Raths

Erholen?-Und, gesetzt, wir faenden wirklich

Auf diesem Wege seinen Stand und Namen,

Wird es verborgen bleiben, dass Bestechung,

Nicht ihre Kunst das Raethsel uns verrathen?

Adelma. Wird Zelima wohl der Verraether sein?

Zelima. Das geht zu weit-Spart Euer Gold, Prinzessin!

Ich schwieg, ich hoffte Euer Herz zu ruehren,

Euch zu bewegen, diesen wuerdigsten

Von allen Prinzen, den Ihr selbst nicht hasset,

Freiwillig zu belohnen-Doch Ihr wollt es!

So siege meine Pflicht und mein Gehorsam!

-Wisst also! Meine Mutter Skirina

War eben bei mir, war entzueckt, zu hoeren,

Dass dieser Prinz die Raethsel aufgeloest,

Und von dem neuen Wettstreit noch nichts wissend,

Verrieth sie mir in ihrer ersten Freude,

Dass dieser Prinz in ihrem Haus geherbergt,

Dass Hassan ihn, ihr Gatte, sehr wohl kenne,

Wie seinen Herrn und lieben Freund ihn ehre.

Ich fragte nun nach seinem Stand und Namen;

Doch, dies sei noch ein Raethsel fuer sie selbst.

Spricht sie, das Hassan standhaft ihr verberge;

Doch hofft sie noch, es endlich zu ergruenden.

-Verdien' ich es nun noch, so zweifle meine

Gebieterin an meiner Treu' und Liebe!

(Geht ab mit Empfindlichkeit.)

Turandot (ihr nacheilend).

Bleib, Zelima! Bist du beleidigt?-Bleib!

Vergib der Freundin!

Adelma (haelt sie zurueck). Lassen wir sie ziehen!

Prinzessin, auf die Spur hat Zelima

Geholfen; unsre Sache ist es nun,

Mit Klugheit die Entdeckung zu verfolgen.

Denn Thorheit war's, zu hoffen, dass uns Hassan

Gutwillig das Geheimniss beichten werde,

Nun er den ganzen Werth desselben kennt.

Verschlagne List, ja, wenn die List nicht hilft,

Gewalt muss das Gestaendniss ihm entreissen;

Drum schnell-Kein Augenblick ist zu verlieren.

Herbei mit diesem Hassan ins Serail,

Eh' er gewarnt sich unserm Arm entzieht.

Kommt! Wo sind Eure Sklaven?

Turandot (faellt ihr um den Hals). Wie du willst,

Adelma! Freundin! Ich genehm'ge Alles.

Nur dass der Fremde nicht den Sieg erhalte! (Geht ab.)

Adelma. Jetzt, Liebe, steh mir bei! Dich ruf' ich an,

Du Maechtige, die Alles kann bezwingen!

Lass mich entzueckt der Sklaverei entspringen;

Der Stolz der Feindin oeffne mir die Bahn!

Hilf die Verhasste listig mir betruegen,

Den Freund gewinnen und mein Herz vergnuegen! (Geht ab.)

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