Kalaf und Barak.
Barak (nach einer Pause).
Prinz Kalaf, habt Ihr's nun gehoert?
Kalaf. Ich stehe
Ganz voll Verwirrung, Schrecken und Erstaunen.
Wie aber mag dies unbeseelte Bild,
Das Werk des Malers, solchen Zauber wirken?
(Er will das Bildniss von der Erde nehmen.)
Barak (eilt auf ihn zu und haelt ihn zurueck).
Was macht Ihr!-Grosse Goetter!
Kalaf (laechelnd). Nun! Ein Bildniss
Nehm' ich vom Boden auf. Ich will sie doch
Betrachten, diese moerderische Schoenheit.
(Greift nach dem Bildniss und hebt es von der Erde auf.)
Barak (ihn haltend). Euch waere besser, der Medusa Haupt
Als diese toedtliche Gestalt zu sehn.
Weg! Weg damit! Ich kann es nicht gestatten.
Kalaf. Du bist nicht klug. Wenn du so schwach dich fuehlst,
Ich bin es nicht. Des Weibes Reiz hat nie
Mein Aug geruehrt, auch nur auf Augenblicke,
Viel weniger mein Herz besiegt. Und was
Lebend'ge Schoenheit nie bei mir vermocht,
Das sollten todte Pinselstriche wirken?
Unnuetze Sorgfalt, Barak-Mir liegt Andres
Am Herzen, als der Liebe Narrenspiel. (Will das Bildniss anschauen.)
Barak. Dennoch, mein Prinz-Ich warn' Euch-Thut es nicht!
Kalaf (ungeduldig). Zum Henker, Einfalt! Du beleidigst mich.
(Stoesst ihn zurueck, sieht das Bild an und geraeth in Erstaunen.
Nach einer Pause.)
Was seh' ich!
Barak (ringt verzweifelnd die Haende).
Weh' mir! Welches Unglueck!
Kalaf (fasst ihn lebhaft bei der Hand). Barak!
(Will reden, sieht aber wieder auf das Bild und betrachtet
es mit Entzuecken.)
Barak (fuer sich). Seid Zeugen, Goetter-Ich, ich bin nicht schuld,
Ich hab' es nicht verhindern koennen.
Kalaf. Barak!
-In diesen holden Augen, dieser suessen
Gestalt, in diesen sanften Zuegen kann
Das harte Herz, wovon du sprichst, nicht wohnen!
Barak. Ungluecklicher, was hoer' ich? Schoener noch
Unendlichmal, als dieses Bildniss zeigt,
Ist Turandot, sie selbst! Nie hat die Kunst
Des Pinsels ihren ganzen Reiz erreicht;
Doch ihres Herzens Stolz und Grausamkeit
Kann keine Sprache, keine Zunge nennen.
O, werft es von Euch, dies unselige,
Verwuenschte Bildniss! Euer Auge sauge
Kein toedtlich Gift aus dieser Mordgestalt!
Kalaf. Hinweg! Vergebens suchst du mich zu schrecken!
-Himmlische Anmuth! Warme, gluehende Lippen!
Augen der Liebesgoettin! Welcher Himmel,
Die Fuelle dieser Reize zu besitzen!
(Er steht in den Anblick des Bildes verloren, ploetzlich wendet er
sich zu Barak und ergreift seine Hand.)
Barak! Verrath mich nicht-Jetzt oder nie!
Dies ist der Augenblick, mein Glueck zu wagen.
Wozu dies Leben sparen, das ich hasse?
-Ich muss auf einen Zug die schoenste Frau
Der Erde und ein Kaiserthum mit ihr
Gewinnen oder dies verhasste Leben
Auf einen Zug verlieren-Schoenstes Werk!
Pfand meines Gluecks und meine suesse Hoffnung!
Ein neues Opfer ist fuer dich bereit
Und draengt sich wagend zu der furchtbarn Probe.
Sei guetig gegen mich-Doch, Barak, sprich!
Ich werde doch im Divan, eh' ich sterbe,
Das Urbild selbst von diesen Reizen sehn?
(Indem sieht man die fuerchterliche Larve eines Nachrichters
sich ueber dem Stadtthor erheben und einen neuen Kopf ueber
demselben aufpflanzen.-Der vorige Schall verstimmter Trommeln
begleitet diese Handlung.)
Barak. Ach, sehet, sehet, theurer Prinz, und schaudert!
Dies ist das Haupt des ungluecksel'gen Juenglings-
Wie es Euch anstarrt! Und dieselben Haende,
Die es dort aufgepflanzt, erwarten Euch.
O, kehret um! Kehrt um! Nicht moeglich ist's,
Die Raethsel dieser Loewin aufzuloesen.
Ich seh' im Geist schon Euer theures Haupt,
Ein Warnungszeichen allen Juenglingen,
In dieser furchtbarn Reihe sich erheben.
Kalaf (hat das aufgesteckte Haupt mit Nachdenken und Ruehrung
betrachtet).
Verlorner Juengling! Welche dunkle Macht
Reisst mich geheimnissvoll, unwiderstehlich
Hinauf in deine toedtliche Gesellschaft?
(Er bleibt nachsinnend stehen; dann wendet er sich zu Barak.)
-Wozu die Thraenen, Barak? Hast du mich
Nicht einmal schon fuer todt beweint? Komm, komm!
Entdecke keiner Seele, wer ich bin.
Vielleicht-wer weiss, ob nicht der Himmel, satt,
Mich zu verfolgen, mein Beginnen segnet
Und meinen armen Eltern Trost verleiht.
Wo nicht-Was hat ein Elender zu wagen?
Fuer deine Liebe will ich dankbar sein,
Wenn ich die Raethsel loese-Lebe wohl!
(Er will gehen, Barak haelt ihn zurueck, unterdessen kommt Skirina,
Baraks Weib, aus dem Hause.)
Barak. Nein, nimmermehr! Komm mir zu Hilfe, Frau!
Lass ihn nicht weg-Er geht, er ist verloren,
Der theure Fremdling geht, er will es wagen,
Die Raethsel dieser Furie zu loesen.