Zweiter Auftritt.

Vorige. Turandot. Adelma. Zelima. Ihre Sklavinnen und Verschnittenen.

Turandot (nachdem sie ihren Thron bestiegen, und eine allgemeine

Stille erfolgt, zu Kalaf.)

Dies Traurgepraenge, unbekannter Prinz,

Und dieser Schmerz, den mein Gefolge zeigt,

Ich weiss, ist Eurem Auge suesse Weide.

Ich sehe den Altar geschmueckt, den Priester

Zu meiner Trauung schon bereit, ich lese

Den Hohn in jedem Blick und moechte weinen.

Was Kunst und tiefe Wissenschaft nur immer

Vermochten, hab' ich angewandt, den Sieg

Euch zu entreissen, diesem Augenblick,

Der meinen Ruhm vernichtet, zu entziehen;

Doch endlich muss ich meinem Schicksal weichen.

Kalaf. O, laese Turandot in meinem Herzen,

Wie ihre Trauer meine Freude daempft,

Gewiss, es wuerde ihren Zorn entwaffnen.

War's ein Vergehn, nach solchem Gut zu streben,

Ein Frevel waer's, es zaghaft aufzugeben!

Altoum. Prinz, der Herablassung ist sie nicht werth.

An ihr ist's jetzo, sich herabzugeben!

Kann sie's mit edelm Anstand nicht, mag sie

Sich darein finden. wie sie kann-Man schreite

Zum Werk! Der Instrumente froher Schar

Verkuende laut-

Turandot. Gemach! Damit ist's noch zu frueh!

(Aufstehend und zu Kalaf sich wendend.)

Vollkommner konnte mein Triumph nicht sein,

Als dein getaeuschtes Herz in suesse Hoffnung

Erst einzuwiegen und mit einemmal

Nun in den Abgrund nieder dich zu schlendern.

(Langsam und mit erhobner Stimme.)

Hoer', Kalaf, Timurs Sohn, verlass den Divan!

Die beiden Namen hat mein Geist gefunden,

Such' eine andre Braut-Weh dir und Allen,

Die sich im Kampf mit Turandot versuchen!

Kalaf. O, ich Ungluecklicher!

Altoum. Ist's moeglich? Goetter!

Pantalon. Heil'ge Katharina! (Zu Tartaglia.)

Geht heim! Lasst Euch den Bart auszwicken, Doctor!

Tartaglia. Allerhoechster Tien! Mein Verstand steht still!

Kalaf. Alles verloren! Alle Hoffnung todt!

-Wer steht mir bei? Ach, mir kann Niemand helfen!

Ich bin mein eigner Moerder; meine Liebe

Verlier' ich, weil ich allzusehr geliebt!

-Warum hab' ich die Raethsel gestern nicht

Mit Fleiss verfehlt, so laege dieses Haupt

Jetzt ruhig in dem ew'gen Schlaf des Todes,

Und meine bange Seele haette Luft.

Warum, zu guet'ger Kaiser, musstet Ihr

Das Blutgesetz zu meinem Vortheil mildern,

Dass ich mit meinem Haupt dafuer bezahlte,

Wenn sie mein Raethsel aufgeloest-So waere

Ihr Sieg vollkommen und ihr Herz befriedigt!

(Ein unwilliges Gemurmel entsteht im Hintergrund.)

Altoum. Kalaf! Mein Alter unterliegt dem Schmerz;

Der unversehne Blitzstrahl schlaegt mich nieder.

Turandot (bei Seite zu Zelima).

Sein tiefer Jammer ruehrt mich, Zelima!

Ich weiss mein Herz nicht mehr vor ihm zu schuetzen.

Zelima (leise zu Turandot).

O, so ergebt Euch einmal! Macht ein Ende!

Ihr seht, Ihr hoert, das Volk wird ungeduldig!

Adelma (fuer sich). An diesem Augenblick haengt Tod und Leben!

Kalaf. Und braucht's denn des Gesetzes Schwert, ein Leben

Zu endigen, das laenger mir zu tragen

Unmoeglich ist? (Er tritt an den Thron der Turandot.)

Ja, Unversoehnliche!

Sieh hier den Kalaf, den du kennst-den du

Als einen namenlosen Fremdling hasstest,

Den du jetzt kennst und fortfaehrst zu verschmaehn!

Verlohnte sich's, ein Dasein zu verlaengern,

Das so ganz werthlos ist vor deinen Augen?

Du sollst befriedigt werden, Grausame.

Nicht laenger soll mein Anblick diese Sonne

Beleidigen-Zu deinen Fuessen-

(Er zieht einen Dolch und will sich durchstechen. In demselben

Augenblick macht Adelma eine Bewegung, ihn zurueck zu halten,

und Turandot stuerzt von ihrem Thron.)

Turandot (ihm in den Arm fallend, mit dem Ausdruck des Schreckens

und der Liebe).

Kalaf!

(Beide sehen einander mit unverwandten Blicken an und bleiben

eine Zeit lang unbeweglich in dieser Stellung.)

Altoum. Was seh' ich!

Kalaf (nach einer Pause). Du? Du hinderst meinen Tod?

Ist das dein Mitleid, dass ich leben soll,

Ein Leben ohne Hoffnung, ohne Liebe?

Meiner Verzweiflung denkst du zu gebieten?

-Hier endet deine Macht. Du kannst mich toedten;

Doch mich zum Leben zwingen kannst du nicht.

Lass mich, und wenn noch Mitleid in dir glimmt,

So zeig' es meinem jammervollen Vater.

Er ist zu Peckin, er bedarf des Trostes;

Denn auch des Alters letzte Stuetze noch,

Den theuren einz'gen Sohn raubt ihm das Schicksal.

(Er will sich toedten.)

Turandot (wirft sich ihm in die Arme).

Lebt, Kalaf! Leben sollt Ihr-und fuer mich!

Ich bin besiegt. Ich will mein Herz nicht mehr

Verbergen-Eile, Zelima, den beiden

Verlassenen, du kennst sie, Trost zu bringen,

Freiheit und Freude zu verkuenden-Eile!

Zelima. Ach, und wie gerne!

Adelma (fuer sich). Es ist Zeit, zu sterben.

Die Hoffnung ist verloren.

Kalaf. Traeum' ich, Goetter?

Turandot. Ich will mich keines Ruhms anmassen, Prinz,

Der mir nicht zukommt. Wisset denn, es wisse

Es alle Welt. Nicht meiner Wissenschaft,

Dem Zufall, Eurer eignen Uebereilung

Verdank' ich das Geheimniss Eures Namens.

Ihr selbst, Ihr liesset gegen meine Sklavin

Adelma beide Namen Euch entschluepfen.

Durch sie bin ich dazu gelangt-Ihr also habt

Gesiegt, nicht ich, und Euer ist der Preis.

-Doch nicht bloss, um Gerechtigkeit zu ueben

Und dem Gesetz genug zu thun-Nein, Prinz!

Um meinem eignen Herzen zu gehorchen,

Schenk' ich mich Euch-Ach, es war Euer, gleich

Im ersten Augenblick, da ich Euch sah!

Adelma. O nie gefuehlte Marter!

Kalaf (der diese ganze Zeit ueber wie ein Traeumender gestanden,

scheint jetzt erst zu sich selbst zu kommen und schliesst die

Prinzessin mit Entzueckung in seine Arme).

Ihr die Meine?

O, toedte mich nicht, Uebermass der Wonne!

Altoum. Die Goetter segnen dich, geliebte Tochter,

Dass du mein Alter endlich willst erfreun.

Verziehen sei dir jedes vor'ge Leid,

Der Augenblick heilt jede Herzenswunde.

Pantalon. Hochzeit! Hochzeit! Macht Platz, ihr Herrn Doctoren!

Tartaglia. Platz! Platz! Der Bund sei alsogleich beschworen!

Adelma. Ja, lebe, Grausamer, und lebe gluecklich

Mit ihr, die meine Seele hasst! (Zu Turandot.)

Ja, wisse,

Dass ich dich nie geliebt, dass ich dich hasse

Und nur aus Hass gehandelt, wie ich that.

Die Namen sagt' ich dir, um den Geliebten

Aus deinem Arm zu reissen und mit ihm,

Der meine Liebe war, eh du ihn sahst,

In gluecklichere Laender mich zu fluechten.

Noch diese Nacht, da ich zu deinem Dienst

Geschaeftig schien, versucht' ich alle Listen-

Selbst die Verleumdung spart' ich nicht-zur Flucht

Mit mir ihn zu bereden; doch umsonst!

In seinem Schmerz entschluepften ihm die Namen,

Und ich verrieth sie dir; du solltest siegen,

Verbannt von deinem Angesicht sollt' er

In meinen Arm sich werfen-Eitle Hoffnung!

Zu innig liebt' er dich und waehlte lieber,

Durch dich zu sterben, als fuer mich zu leben!

Verloren hab' ich alle meine Muehen;

Nur eins steht noch in meiner Macht. Ich stamme

Wie du von koeniglichem Blut und muss erroethen,

Dass ich so langte Sklavenfesseln trug.

In dir muss ich die blut'ge Feindin hassen.

Du hast mir Vater, Mutter, Brueder, Schwestern,

Mir Alles, was mir theuer war, geraubt,

Und nun auch den Geliebten raubst du mir.

So nimm auch noch die Letzte meines Stammes,

Mich selbst zum Raube hin-Ich will nicht leben!

(Sie hebt den Dolch, welchen Turandot dem Kalaf entrissen,

von der Erde auf.)

Verzweiflung zueckte diesen Dolch; er hat

Das Herz gefunden, das er spalten soll. (Sie will sich erstechen).

Kalaf (faellt ihr in den Arm).

Fasst Euch, Adelma!

Adelma. Lass mich, Undankbarer!

In ihrem Arm dich sehen? Nimmermehr!

Kalaf. Ihr sollt nicht sterben. Eurem gluecklichen

Verrathe dank' ich's, dass dies schoene Herz,

Dem Zwange feind, mich edelmuethig frei

Begluecken konnte-Guetiger Monarch,

Wenn meine heissen Bitten was vermoegen,

So habe sie die Freiheit zum Geschenk,

Und unsere Glueckes erstes Unterpfand

Sei eine Glueckliche!

Turandot. Auch ich, mein Vater,

Vereinige mein Bitten mit dem seinen.

Zu hassenswerth, ich fuehl' es, muss ich ihr

Erscheinen; mir verzeihen kann sie nie

Und koennte nie an mein Verzeihen glauben.

Sie werde frei, und ist ein groesser Glueck

Fuer sie noch uebrig, so gewaehrt es ihr.

Wir haben viele Thraenen fliessen machen

Und muessen eilen, Freude zu verbreiten.

Pantalon. Ums Himmelwillen, Sire, schreibt ihr den Laufpass,

So schnell Ihr koennt, und gebt ihr, wenn sie's fordert,

Ein ganzes Koenigreich noch auf den Weg.

Mir ist ganz weh und bang, dass unsre Freude

In Rauch aufgeht solang ein wuethend Weib

Sich unter einem Dach mit Euch befindet.

Altoum (zu Turandot).

An solchem Freudentag, den du mir schenkst,

Soll meine Milde keine Grenzen kennen.

Nicht bloss die Freiheit schenk' ich ihr. Sie nehme

Die vaeterlichen Staaten auch zurueck

Und theile sie mit einem wuerd'gen Gatten,

Der klug sei und den Maechtigen nicht reize.

Adelma. Sire-Koenigin-ich bin beschaemt, verwirrt,

So grosse Huld und Milde drueckt mich nieder.

Die Zeit vielleicht, die alle Wunden heilt,

Wird meinen Kummer lindern-Jetzt vergoennt mir

Zu schweigen und von eurem Angesicht

Zu gehn-Denn nur der Thraenen bin ich faehig,

Die unaufhaltsam diesem Aug entstroemen.

(Sie geht ab mit verhuelltem Gesicht, noch einen gluehenden

Blick auf Kalaf werfend, ehe sie scheidet.)

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