Erster Auftritt.

Turandot. Zelima. Skirina. Timur. Barak.

(Barak und Timur stehen, jeder an einer Saeule, einander gegenueber,

die Verschnittenen um sie herum, alle mit entbloessten Saebeln und

Dolchen. Zelima und Skirina stehen weinend auf der einen, Turandot

drohend und streng auf der andern Seite.)

Turandot. Noch ist es Zeit. Noch lass' ich mich herab,

Zu bitten-Dieser aufgehaeufte Berg

Von Gold ist euer, wenn ihr mir in Gutem

Des Unbekannten Stand und Namen nennt.

Besteht ihr aber drauf, ihn zu verschweigen,

So sollen diese Dolche, die ihr hier

Auf euch gezueckt seht, euer Herz durchbohren!

He da, ihr Sklaven! Machet euch bereit.

(Die Verschnittenen halten ihnen ihre Dolche auf die Brust.)

Barak (zu Skirina). Nun, heillos Weib, nun siehst du, Skirina,

Wohin uns deine Plauderhaftigkeit gefuehrt.

-Prinzessin, saettigt Eure Wuth! Ich biete

Den Martern Trotz, die Ihr ersinnen koennt,

Ich bin bereit, den herbsten Tod zu leiden.

-Herbei, ihr Schwarzen! Auf, ihr Marterknechte.

Tyrannische Werkzeuge der Tyrannin,

Zerfleischt mich, toedtet mich, ich will es dulden.

-Sie hat ganz Recht, ich kenne diesen Prinzen

Und seinen Vater, Beider Namen weiss ich;

Doch keine Marter presst sie von mir aus,

Kein Gold verfuehrt mich; weniger als Staub,

Als schlechte Erde acht' ich diese Schaetze!

Du, meine Gattin, jammre nicht um mich!

Fuer Diesen Alten spare deine Thraenen,

Fuer ihn erweiche dieses Felsenherz,

Dass der Unschuldige gerettet werde!

Sein ganz Verbrechen ist, mein Freund zu sein.

Skirina (flehend zu Turandot).

O Koenigin, Erbarmen!

Timur. Niemand kuemmre sich

Um einen schwachen Alten, den die Goetter

Im Zorn verfolgen, dem der Tod Erloesung,

Das Leben eine Marter ist. Ich will

Dich retten, Freund, und sterben. Wisse denn,

Du Grausame-

Barak (unterbricht ihn). Um aller Goetter willen, schweigt!

Der Name komme nicht aus Eurem Munde!

Turandot (neugierig).

Du weisst ihn also, Greis?

Timur. Ob ich ihn weiss?

Unmenschliche!-Freund, sag' mir das Geheimniss,

Warum darf ich die Namen nicht entdecken?

Barak. Ihr toedtet ihn und uns, wenn Ihr sie nennt.

Turandot. Er will dich schrecken, Alter, fuerchte nichts!

Herbei, ihr Sklaven, zuechtigt den Verwegnen!

(Die Verschnittenen umgeben den Barak.)

Skirina. Ihr Goetter, helft! Mein Mann! Mein Mann!

Timur (tritt dazwischen). Halt! Haltet!

Was soll ich thun! Ihr Goetter, welche Marter!

-Prinzessin, schwoert mir's zu bei Eurem Haupt,

Bei Euren Goettern schwoert mir, dass sein Leben

Und dieses Fremdlings Leben ungefaehrdet

Sein soll-Mein eignes acht' ich nichts und will

Es freudig Eurer Wuth zum Opfer geben-

Schwoert mir das zu, und Ihr sollt Alles wissen.

Turandot. Bei meinem Haupt, zum furchtbarn Fohi schwoer' ich,

Dass weder seinem Leben, noch des Prinzen,

Noch irgend eines hier Gefaehrde droht-

Barak (unterbricht sie).

Halt, Luegnerin-Nicht weiter-Glaubt ihr nicht!

Verraetherei lauscht hinter diesem Schwur.

-Schwoert, Turandot, schwoert, dass der Unbekannte

Euer Gatte werden soll, im Augenblick,

Da wir die Namen Euch entdeckt, wie recht

Und billig ist; Ihr wisst es, Undankbare!

Schwoert, wenn Ihr koennt und duerft, dass er, verschmaeht

Von Euch, nicht in Verzweiflung sterben wird

Durch seine eigne Hand-Und schwoert uns zu,

Dass, wenn wir Euch die Namen nun entdeckt,

Fuer unser Leben nichts zu fuerchten sei,

Noch, dass ein ew'ger Kerker uns lebendig

Begraben und der Welt verbergen soll-

Dies schwoert uns, und der Erste bin ich selbst,

Der Euch die beiden Namen nennt!

Timur. Was fuer Geheimnisse sind dies! Ihr Goetter,

Nehmt diese Qual und Herzensangst von mir!

Turandot. Ich bin der Worte mued-Ergreift sie, Sklaven!

Durchbohret sie!

Skirina. O Koenigin! Erbarmen!

(Die Verschnittenen sind im Begriff, zu gehorchen, aber Skirina

und Zelima werfen sich dazwischen.)

Barak. Nun siehst du, Greis, das Herz der Tigerin!

Timur (niedergeworfen).

Mein Sohn! Dir weih' ich freudig dieses Leben.

Die Mutter ging voran, ihr folg' ich nach.

Turandot (betroffen, wehrt den Sklaven).

Sein Sohn! Was hoer' ich! Haltet!-Du ein Prinz?

Ein Koenig? Du des Unbekannten Vater?

Timur. Ja, Grausame! Ich bin ein Koenig-bin

Ein Vater, den der Jammer niederdrueckt!

Barak. O Koenig! Was habt Ihr gethan!

Skirina. Ein Koenig!

In solchem Elend!

Zelima. Allgerechte Goetter!

Turandot (in tiefes Sinnen verloren, nicht ohne Ruehrung).

Ein Koenig und in solcher Schmach!-Sein Vater!

Des ungluecksel'gen Juenglings, den ich mich

Zu hassen zwinge und nicht hassen kann!

-O der Bejammernswuerdige-Wie wird mir!

Das Herz im tiefsten Busen wendet sich!

Sein Vater!-Und er selbst-Sagt' er nicht so?

Genoethiget, als niedrer Knecht zu dienen

Und Lasten um geringen Sold zu tragen!

O Menschlichkeit! O Schicksal!

Barak. Turandot,

Dies ist ein Koenig! Scheuet Euch und schaudert

Zurueck, die heil'gen Glieder zu verletzen!

Wenn solches Jammers Groesse Euch nicht ruehrt,

Euch nicht das Mitleid, nicht die Menschlichkeit

Entwaffnen kann, lasst Euch die Scham besiegen.

Ehrt Eures eignen greisen Vaters Haupt

In diesem Greis-O, schaendet Euch nicht selbst

Durch eine That, die Euer Blut entehrte!

Genug dass Ihr die Juenglinge gemordet,

Schonet das Alter, das ohnmaechtige,

Das auch die Goetter zum Erbarmen zwingt!

Zelima (wirft sich zu ihren Fuessen).

Ihr seid bewegt, Ihr koennt nicht widerstehn.

O, gebt dem Mitleid und der Gnade Raum,

Lasst Euch die Groesse dieses Jammers ruehren!

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