Zweiter Auftritt.

Ein Zug von Soldaten und Spielleuten. Darauf acht Doctoren,

pedantisch herausstaffiert; alsdann Pantalon und Tartaglia,

beide in Charaktermasken. Zuletzt der Grosskhan Altoum in

chinesischem Geschmack mit einiger Uebertreibung gekleidet.

Pantalon und Tartaglia stellen sich dem kaiserlichen Thron

gegenueber, die acht Doctoren in den Hintergrund, das uebrige

Gefolge auf die Seite, wo der kaiserliche Thron ist. Beim

Eintritt des Kaisers werfen sich alle mit ihren Stirnen auf

die Erde und verharren in dieser Stellung bis er den Thron

bestiegen hat. Die Doktoren nehmen auf ihren Stuehlen Platz.

Auf einen Wink, den Pantalon gibt, schweigt der Marsch.

Altoum. Wann, treue Diener, wird mein Jammer enden?

Kaum ist der edle Prinz von Samarcand

Begraben, unsre Thraenen fliessen noch,

Und schon ein neues Todesopfer naht,

Mein blutend Herz von neuem zu verwunden.

Grausame Tochter! Mir zur Qual geboren!

Was hilft's, dass ich den Augenblick verfluche,

Da ich auf das barbarische Gesetz

Dem furchtbaren Fohi den Schwur gethan.

Nicht brechen darf ich meinen Schwur, nicht ruehren

Laesst sich die Tochter, nicht zu schrecken sind

Die Freier! Nirgends Rath in meinem Unglueck!

Pantalon. Rath, Majestaet? Hat sich da was zu rathen!

Bei mir zu Hause, in der Christen Land,

In meiner lieben Vaterstadt Venedig,

Schwoert man auf solche Mordgesetze nicht,

Man weiss nichts von so naerrischen Mandaten.

Da hat man gar kein Beispiel und Exempel,

Dass sich die Herrn in Bilderchen vergafft

Und ihren Hals gewagt fuer ihre Maedchen.

Kein Frauensmensch bei uns geboren wird,

Wie Dame Kieselstein, die alle Maenner

Verschworen haette-Gott soll uns bewahren!

Das fiel uns auch im Traum nicht ein. Als ich

Daheim noch war, in meinen jungen Jahren,

Eh mich die Ehrensache, wie Ihr wisst,

Von Hause trieb und meine guten Sterne

An meines Kaisers Hof hieher gefuehrt,

Wo ich als Kanzler mich jetzt wohl befinde,

Da wusst' ich nichts von China, als es sei

Ein trefflichs Pulver gegen's kalte Fieber.

Und jetzt erstaun' ich ueber alle Massen,

Dass ich so curioese Braeuche hier

Vorfinde, so curjose Schwuere und Gesetze

Und so curjose Fraun und Herrn.

Erzaehlt' ich in Europa diese Sachen,

Sie wuerden mir unter die Nase lachen.

Altoum. Tartaglia, habt Ihr den neuen Wagehals

Besucht?

Tartaglia. Ja, Majestaet. Er hat den Fluegel

Des Kaiserschlosses inn', den man gewoehnlich

Den fremden Prinzen anzuweisen pflegt.

Ich bin entzueckt von seiner angenehmen

Gestalt und seinen prinzlichen Manieren.

's ist Jammerschade um das junge Blut,

Dass man es auf die Schlachtbank fuehren soll.

's Herz bricht mir! Ein so angenehmes Prinzchen!

Ich bin verliebt in ihn. Weiss Gott! Ich sah

In meinem Leben keinen huebschern Buben!

Altoum. Unseliges Gesetz! Verhasster Schwur!

-Die Opfer sind dem Fohi doch gebracht,

Dass er dem Unglueckseligen sein Licht

Verleihe, diese Raethsel zu ergruenden!

Ach, nimmer geb' ich dieser Hoffnung Raum!

Pantalon. An Opfern, Majestaet, ward nichts gespart.

Dreihundert fette Ochsen haben wir

Dem Tien dargebracht, dreihundert Pferde

Der Sonne und dem Mond dreihundert Schweine.

Altoum. So ruft ihn denn vor unser Angesicht!

(Ein Theil des Gefolges entfernt sich.)

-Man such' ihm seinen Vorsatz auszureden.

Und ihr, gelehrte Lichter meines Divans,

Kommt mir zu Hilfe-nehmt das Wort fuer mich,

Lasst' s nicht an Gruenden fehlen, wenn mir selbst

Der Schmerz die Zunge bindet.

Pantalon. Majestaet!

Wir werden unsern alten Witz nicht sparen,

Den wir in langen Jahren eingebracht.

Was hilft's? Wir predigen und sprechen uns

Die Lungen heiser, und er laesst sich eben

Den Hals abstechen, wie ein waelsches Huhn.

Tartaglia. Mit Eurer Gunst, Herr Kanzler Pantalon!

Ich habe Scharfsinn und Verstand bei ihm

Bemerkt, wer weiss!-Ich will nicht ganz verzagen.

Pantalon. Die Raethsel dieser Schlange sollt' er loesen?

Nein, nimmermehr!

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