Zuletzt gab Nero so weit nach, daß er erklärte, etwa dreitausend Gefangene würden für seine Vorstellung genügen. Er erlaubte Tigellinus, alle freizulassen, die ihrem Aberglauben abschworen, vorausgesetzt, daß noch genug zur Bestrafung übrigblieben. »Wir anderen wollen uns unterdessen etwas ausdenken, woran das Volk seinen Spaß haben wird«, sagte er. »Und du, Tigellinus, sorgst dafür, daß für die Theatervorstellung auch einige makellose Jünglinge und Jungfrauen übrigbleiben, und nicht nur gebrandmarkte Sklaven.«

Der Mensch glaubt allzu gerne, was er hofft. Daher dachte ich, als ich Tigellinus zum Prätorianerlager zurückbegleitete, daß Nero nur einige Christen hinrichten lassen wollte, um das Volk zufriedenzustellen, und daß die übrigen in einer schimpflichen, erniedrigenden Vorstellung auftreten sollten. Tigellinus schwieg. Er hatte seine eigenen Pläne, von denen ich noch nichts ahnte.

Wir begaben uns zum Exerzierfeld. Die Gefangenen waren von der Sonne erschöpft, denn es war ein heißer Herbsttag. Man hatte Lebensmittel und Wasser aus der Stadt herbeigeschafft, aber nicht genug für alle. Viele, die hungrig und durstig waren, baten, sich selbst etwas bringen lassen zu dürfen, wie es das Gesetz und die gute Sitte erlaubten.

Wenn Tigellinus einen Mann in der Toga erblickte, blieb er bei ihm stehen, sprach freundlich mit ihm und fragte: »Bist du einer von denen, die Rom angezündet haben?« Sobald der Mann verneinte, fragte er: »Bist du schon einmal wegen eines schändlichen Verbrechens bestraft worden?« Erhielt er auch darauf eine zufriedenstellende Antwort, rief er erleichtert: »Gut! Du scheinst mir ein Ehrenmann zu sein. Ich lasse dich frei, wenn du versprichst, dem verderblichen Irrglauben der Christen abzuschwören. Du hast gewiß hundert Sesterze, um die Haftkosten zu bezahlen.«

Er war jedoch unangenehm überrascht, und auch ich war, um die Wahrheit zu sagen, verblüfft, als einer nach dem anderen ruhig zur Antwort gab, er könne Christus nicht verleugnen, der ihn von seinen Sünden erlöst und in sein Reich gerufen habe. Im übrigen sagten sie, seien sie gern bereit, heimzugehen und fünfzig, hundert oder auch fünfhundert Sesterze zu zahlen, um dem Staat die Auslagen zu ersetzen.

Zuletzt stellte sich Tigellinus taub, murmelte eine Frage: »Du sagst dich also von Christus los?« gab sich selbst die Antwort und sagte hastig: »Gut, gut, du kannst gehen!« Er verlangte nicht einmal mehr ein Bestechungsgeld und wollte nur, daß sie auch wirklich gingen. Viele waren aber so starrsinnig, daß sie heimlich zurückkehrten und sich unter den anderen Christen versteckten.

Unterdessen ließ Tigellinus durch Prätorianer, die den Ordnungsdienst in der Stadt versahen, überall bekanntmachen, daß die am Brande Roms schuldigen Christen quer durch das Trümmerfeld und die Via Sacra entlang auf die andere Seite des Flusses, in Neros Zirkus, geführt werden sollten. Der Begleitmannschaft gab er zu verstehen, daß er nichts dagegen hatte, wenn der eine oder andere unterwegs entkam und im Gedränge verschwand. Einige Greise und zarte Frauen klagten, der Weg sei zu weit, aber Tigellinus meinte scherzend, er könne nicht für jeden kleinen Spaziergang allen eine Sänfte besorgen.

Entlang des Weges versammelten sich johlende Volkshaufen, die die Christen mit Steinen und Kot bewarfen, aber der Zug der Gefangenen war so lang, daß auch die lautesten Schreier ermüdeten, ehe noch das Ende in Sicht kam. Ich ritt an dem Zuge auf und ab und achtete darauf, daß die Prätorianer ihre Pflicht taten und die Gefangenen beschützten.

Dennoch wurden einige so übel zugerichtet, daß sie in ihrem Blute liegen blieben. Als wir aber zur Via Sacra kamen, der Himmel sich rot färbte und die Schatten lang wurden, herrschte ein seltsames Schweigen unter dem Volk links und rechts des Weges. Es war, als wäre für einen Augenblick die ganze Stadt in gespenstische Stille versunken. Die Prätorianer blickten sich beunruhigt um, denn es hatte sich das Gerücht verbreitet, der Himmel werde sich auftun und Christus werde herabsteigen, um die Seinen zu beschützen.

Von Hunger, Durst und Schlafmangel ermattet, vermochten viele nicht mehr weiterzugehen und ließen sich am Wegrand nieder, aber niemand tat ihnen etwas zuleide. Sie baten ihre Glaubensbrüder, sie nicht zurückzulassen und ihres Anteils an der Freude in Christus zu berauben. Da mieteten einige der Christen Wagen, auf denen Schutt und Baumaterial befördert wurden, und luden die Müden auf. Bald folgten unserem Zug an die hundert Ochsenkarren, und niemand brauchte mehr zurückzubleiben. Tigellinus schritt nicht ein, aber er fluchte und sagte, die Christen in ihrem Aberglauben seien starrsinniger und unbelehrbarer, als er je geahnt habe.

Er beging einen Fehler, indem er den Zug über die Insel des Äskulap und durch das Judenviertel zum Vatikanischen Hügel führte. Es dämmerte schon, und als der Volkshaufe, der dem Zug folgte, die Juden erblickte, stürzte er sich auf sie, um sie zu mißhandeln, und drang in ihre Häuser ein. Tigellinus mußte den größten Teil der Bewachung abziehen, um die Ordnung wiederherzustellen, so daß der Zug der Christen mehr oder weniger selbst zusehen mußte, wie er in den Zirkus auf dem Vatikanischen Hügel kam.

Ich hörte die Männer und Frauen an der Spitze einander fragen, ob sie wohl auf dem richtigen Wege seien. Manche verirrten sich in der Dunkelheit in die Gärten Agrippinas, aber gegen Morgen waren alle im Zirkus. Es wurde behauptet, nicht ein einziger der Christen sei entflohen, aber das zu glauben fällt mir schwer. Die Gelegenheit, sich aus dem Staube zu machen, war zu günstig, als die Dunkelheit eingebrochen war und man sich im vierzehnten Stadtteil prügelte.

Die riesige Menschenmenge fand natürlich nicht in den Kellern und Stallungen Platz, und viele mußten sich in den Sand der Arena legen. Tigellinus erlaubte ihnen, sich mit Heu aus den Vorgärten ein Lager zu bereiten, und ließ die Wasserleitungen der Rennställe für sie öffnen. Er tat es nicht aus Barmherzigkeit. Die Christen waren ihm anvertraut worden, und er war Römer.

Einigen Kindern, die ihre Eltern verloren hatten, und einigen jungen Mädchen, die von den Prätorianern aus der Menge ausgewählt und geschändet worden waren, damit dem Gesetz Genüge getan wurde, welches vorschreibt, daß keine Jungfrau zur Leibesstrafe verurteilt werden darf, befahl ich streng, nach Hause zu gehen – in Christi Namen, denn anders gehorchten sie mir nicht. Und ich war nicht der einzige, der sich in diesem Durcheinander gezwungen sah, sich auf Christus zu berufen. Auch die Prätorianer, die bei den Wasserleitungen für Ordnung zu sorgen hatten, hörte ich ihre Befehle in Christi Namen geben.

Bedrückt kehrte ich mit Tigellinus in der Dunkelheit zum Esquilin zurück, und wir ließen uns bei Nero melden. Als er mich sah, fragte er mich ungeduldig: »Wo hast du dich herumgetrieben? Wenn man dich einmal braucht, bist du nicht da. Sag mir, was für wilde Tiere du in deinem Tiergarten hast.«

Ich erwiderte, daß die Auswahl nicht groß war, da wir wegen des Wassermangels und der Futterknappheit nach dem Brand den Tierbestand einschränken mußten. Für Jagdspiele hatte ich eigentlich nur hyrkanische Auerochsen und Jagdhunde, erklärte ich, nichts Böses ahnend. Sabina hatte außerdem ihre Löwen. »Aber«, sagte ich düster, »es wird bei den neuen Wassergebühren kaum möglich sein, den Tiergarten aufzufüllen.«

»Man wirft mir immer vor, ich sei zu milde und entwöhnte das Volk der alten römischen Tugenden«, unterbrach mich Nero. »Nun soll es einmal haben, wonach es verlangt, sosehr mir solche Grausamkeiten persönlich widerstreben. Aber das entsetzliche Verbrechen der Christen und ihr Menschenhaß rechtfertigen sie. Die Gefangenen werden gegen wilde Tiere kämpfen. Ich bin bereits die Göttersagen durchgegangen, um Anregungen für passende Szenen daraus zu schöpfen. Fünfzig Mädchen können Danaiden darstellen und fünfzig Jünglinge deren Gatten. Eine, die Dirke hieß, wurde auf die Hörner eines Stiers gebunden. Das können wir mehrere Mädchen darstellen lassen.«

Ich wandte erschrocken stammelnd ein: »Unter deiner Regierungszeit durften im ganzen Reich nicht einmal die schlimmsten Verbrecher zu den wilden Tieren verurteilt werden! Ich glaubte, diese barbarische Sitte hätte ein für allemal ein Ende. Auf so etwas bin ich nicht vorbereitet. Ich habe die erforderlichen Tiere nicht. Nein, ich mag nicht einmal daran denken!«

Neros Hals schwoll vor Zorn. »Rom irrt, wenn es glaubt, ich scheute mich, Blut im Sand zu sehen!« rief er. »Du tust, was ich dir befehle. Die Mädchen, die Dirke darstellen, werden nackt auf die Hörner von Auerochsen gebunden. Ein paar hundert Menschen können wir von Hunden zerreißen lassen.«

»Die Hunde sind darauf abgerichtet, wilde Tier zu jagen«, sagte ich und wunderte mich über seine mangelnde Sachkenntnis. »Sie würden niemals einen Menschen angreifen.« Ich dachte einen Augenblick nach und schlug dann vorsichtig vor: »Man könnte die Gefangenen bewaffnen und sie mit den Hunden Auerochsen jagen lassen. Bei einer solchen Jagd setzen, wie du weißt, sogar erfahrene Jäger ihr Leben aufs Spiel.«

Nero starrte mich böse an und fragte mit gefährlicher Ruhe: »Trotzest du meinem Willen, Manilianus. Ich denke, ich habe dir deutlich genug gesagt, was für eine Vorstellung ich morgen von dir haben will.«

»Morgen!« rief ich. »Du mußt von Sinnen sein! Das ist ganz und gar unmöglich!«

Nero richtete seinen großen Kopf in die Höhe und sagte prahlerisch: »Für Nero ist nichts unmöglich. Morgen haben wir die Iden. Bei Tagesanbruch tritt der Senat zusammen. Ich unterrichte ihn davon, daß wir die Brandstifter entdeckt haben. Sobald der Senat vollständig im Zirkus angelangt ist, kann die Vorstellung beginnen. Mein Entscheid stellt in einem solchen Fall ein rechtskräftiges Urteil dar, und ein Prozeß ist nicht notwendig. Das haben mir meine gelehrten Freunde übereinstimmend versichert. Nur aus Achtung vor dem Senat und um gewissen boshaften Gerüchten den Boden zu entziehen, überlasse ich die öffentliche Kundmachung dem Senat und lade diesen in den Zirkus ein, damit er sich mit eigenen Augen davon überzeugt, daß Nero nicht vor Blut zurückschreckt.«

»Ich habe für diesen Zweck keine Tiere«, sagte ich kurz und bereitete mich darauf vor, einen Trinkbecher an den Kopf oder einen Tritt in den Leib zu bekommen. Das wäre nicht das Gefährlichste gewesen, denn wenn Nero seinen Zorn durch körperliche Gewalttätigkeiten austobte, beruhigte er sich immer sehr rasch.

Er wurde aber nur noch ruhiger, starrte mich erbleichend an und fragte: »Habe nicht ich selbst dich zum Vorsteher des Tiergartens ernannt? Sind es deine Tiere oder meine?«

»Der Tiergarten gehört zweifellos dir, obwohl ich einen beträchtlichen Teil meines eigenen Vermögens hineingesteckt habe, was ich leicht nachweisen kann«, erwiderte ich. »Die Tiere dagegen sind mein persönliches Eigentum. In den Büchern der Staatskasse und deiner eigenen Kasse kannst du nachlesen, daß ich die Tiere für Jagdspiele Stück für Stück verkauft und die zahmen Tiere für andere Vorführungen um einen Preis, der von dem Wert der Vorstellung abhing, vermietet habe. Für deine Zwecke habe ich keine Tiere zu verkaufen oder zu vermieten. Weder du noch der Senat kann mich dazu zwingen, dir mein persönliches Eigentum zu überlassen, nur um eine umbarmherzige Laune zu befriedigen. Ich habe das Recht auf meiner Seite und brauche mich nicht zu fürchten.«

Die anwesenden Rechtsgelehrten und Senatoren nickten widerwillig. Nero lächelte mich plötzlich freundlich an. »Wir sprachen eben auch über dich, Minutus«, sagte er. »Ich nahm dich in Schutz, so gut ich es vermochte, aber du bist selbst von dem verderblichen Aberglauben der Christen angesteckt. Du weißt zu viel darüber. Während des Brandes im letzten Sommer hast du übrigens auch ein kostbares Pferd aus meinem Stall aus dem Palatin gestohlen und es nie zurückgegeben. Ich habe dich nicht daran erinnert, denn Nero ist nicht kleinlich, was immer man ihm sonst auch nachsagen mag. Und ist es nicht sonderbar, daß dein Haus auf dem Aventin von den Flammen verschont wurde? Ich habe außerdem gehört, daß du dich hinter meinem Rücken wieder vermählt hast. Es gibt freilich verschiedene Gründe, eine Ehe geheimzuhalten, aber es gibt mir doch zu denken, wenn ganz offen behauptet wird, die Gattin eines meiner Freunde sei Christin. Sagtest du nicht selbst, du habest an ihren geheimen Mählern teilgenommen? Ich hoffe, du wirst dich hier unter deinen Freunden augenblicklich von derlei Beschuldigungen reinwaschen.«

»Gerüchte, nichts als Gerüchte«, sagte ich verzweifelt. »Man sollte meinen, daß du, ja gerade du, allen unbegründeten Klatsch verachtest, ich hätte nicht gedacht, daß du ihm deine Ohren öffnen würdest.«

»Du zwingst mich dazu, Minutus«, erwiderte Nero sanft. »Du bringst mich als deinen Freund in eine mißliche Lage. Daß die Christen rasch und unnachsichtig bestraft werden, ist eine politische Notwendigkeit. Oder willst du vielleicht behaupten, ich hätte Rom angezündet, wie es gewisse Senatoren aus uraltem Neid und Eifersucht hinter meinem Rücken tun? Du willst verhindern, daß die Christen so bestraft werden, wie ich es wünsche, und deine Widersetzlichkeit hat zweifellos politische Ursachen. Ich muß sie wohl oder übel als eine Kundgebung gegen mich als Herrscher auffassen. Willst du etwa mich, deinen Freund, zwingen, dich als Christen zu verurteilen – natürlich nicht zu den wilden Tieren, sondern nur zur Enthauptung –, weil ich dich als meinen Feind und überdies als Feind der Menschheit ansehen muß? Das wäre vermutlich die einzige Möglichkeit, dein Eigentum auf gesetzlichem Wege zu beschlagnahmen. Liebst du wirklich die Christen und deine Tiere mehr als mich und dein eigenes Leben?«

Er lächelte selbstzufrieden, weil er wußte, daß er mich in der Falle hatte. Der Form halber zögerte ich noch und dachte währenddessen angestrengt nach, und ich muß heute zu meiner Rechtfertigung sagen, daß ich mehr an Claudia und mein ungeborenes Kind, also an Dich, Julius, dachte als an mich selbst.

Endlich sagte ich: »Man könnte einen Teil der Verurteilten in Bären- und Wolfsfelle stecken. Vielleicht würden die Hunde sie dann zerreißen. Aber die Zeit, eine sehenswerte Vorstellung vorzubereiten, ist sehr knapp bemessen.«

Alle brachen in ein befreiendes Gelächter aus, und es war nicht mehr die Rede davon, daß ich mit den Christen gemeinsame Sache gemacht hätte. Vielleicht hatte mich Nero nur im Scherz erschrecken wollen und nie die Absicht gehabt, seine Drohung wahr zu machen. Meine Tiere hätte er übrigens ohne weiteres beschlagnahmen lassen können, und zwar auf Grund der Buchführung des Tiergartens, die einer genaueren Überprüfung nicht standgehalten hätte, denn ich hatte mir meine Auslagen doppelt ersetzen lassen: einmal aus der Staatskasse und ein zweites Mal aus Neros eigener Kasse.

Ich will damit sagen, daß Nero meine Tiere in jedem Fall bekommen hätte, was auch immer aus mir geworden wäre. Deshalb glaube ich auch noch heute, daß ich damals das einzig Mögliche tat. Was würde es den Christen oder mir selbst genützt haben, wenn ich mir aus lauter Halsstarrigkeit den Kopf hätte abschlagen lassen? Als ich meinen Entschluß faßte, wußte ich freilich noch nicht, was für eine Rolle mein eigener Vater in dieser unglückseligen Geschichte zu spielen gedachte.

Nein, ich hätte vergeblich wider den Stachel gelockt. Nero hatte seine Herolde, schon als der Abendstern aufleuchtete, in den erhaltenen Stadtteilen ein Fest für den folgenden Tag ausrufen und das Volk zum Schauspiel in den Zirkus auf dem Vatikanischen Hügel laden lassen. Um diese Zeit hatte der Zug der Christen noch nicht einmal diese Stadtteile erreicht.

Ich hatte es so eilig, in den Tiergarten zu kommen, daß wir das Programm nur in großen Zügen festlegen konnten. Ich mußte noch in derselben Nacht die Tiere auswählen und über den Fluß schaffen, was keine leichte Aufgabe war. Ich ließ im Tiergarten sofort Alarm schlagen und Fackeln und große Ölbecken anzünden, so daß die ganze Gegend taghell erleuchtet war.

Die Tiere waren noch unruhiger und aufgeregter als die Menschen, als sie bei flackerndem Feuerschein und unter großem Lärm aus dem Schlaf gerissen wurden. In das Poltern der Karren und der von Ochsen gezogenen Schlitten mischten sich das Gebrüll der Auerochsen und der Löwen und das Trompeten der Elefanten. Der Lärm war bis zum Marsfeld zu hören, wo die Menschen, in dem Glauben, der Brand sei von neuem ausgebrochen, aus ihren Notunterkünften stürzten.

Zusätzlich zu unseren eigenen Fuhrwerken beschlagnahmte ich die am festesten gezimmerten Ochsenschlitten, die Tag und Nacht Bausteine aus den Steinbrüchen außerhalb der Stadt herbeischleppten. Tigellinus stellte mir eine Kohorte Prätorianer zur Verfügung, die ich mit Wein und Geld anspornte, so daß sie kräftig mit zupackten, obwohl sie, nachdem sie einen Tag und eine Nacht ununterbrochen Dienst getan hatten, zum Umfallen müde waren.

Das größte Hindernis war, wie nicht anders zu erwarten, Sabina. Sie kam geradewegs aus Epaphroditus’ Bett zu mir gerannt und schrie: »Du bist besessen? Was soll dies alles bedeuten?« Sie wollte um keinen Preis ihre zahmen Löwen hergeben, da die ganze lange Arbeit, die sie mit ihnen gehabt hatte, zunichte war, wenn sie ein einziges Mal Gelegenheit erhielten, einen Menschen zu zerreißen und Menschenblut zu schmecken.

Zum Glück war Epaphroditus vernünftiger als sie. Er begriff, daß größte Eile geboten war, und half selbst mit, drei wilde Löwen, die erst kürzlich aus Afrika eingetroffen waren, zu verladen. Leider war die Abendfütterung schon vorüber, und sie waren satt und faul. Einige alte Sklaven, die sich noch gut an die großartigen Raubtiervorstellungen des Kaisers Claudius erinnerten, meinten, man werde an den Tieren nicht viel Freude haben.

Für die hyrkanischen Auerochsen hatten wir keine Transportkäfige, denn sie wurden gewöhnlich durch eine feste Einzäunung und einen unterirdischen Gang in die Ställe des Amphitheaters getrieben. Wir mußten sie auf ihrem Weideplatz einfangen und binden. Wenn man bedenkt, daß es an die dreißig waren und daß wir sie teilweise im Dunkeln einfangen mußten, während die Tiere, von dem Lärm und dem Fackelschein erschreckt, umherrasten und miteinander kämpften, meinte ich, daß ich mir einige Achtung dafür verdient habe, daß ich noch vor Anbruch der Morgendämmerung meinen Auftrag ausgeführt hatte.

Ich mußte mich, um ein gutes Beispiel zu geben, selbst am Einfangen beteiligen, nachdem mehrere ungeschickte Prätorianer niedergestoßen und zertrampelt worden waren, und bekam einen Tritt auf den Fuß und einige Schrammen ab, doch ich brach mir keine Knochen und spürte in der Eile nicht einmal die Schmerzen. Einer der Bären schlug mir mit der Tatze den linken Arm gefühllos, aber ich freute mich nur über die wilde Kraft dieser Tiere.

Unterdessen hatte ich in der ganzen Stadt die Schneider und Schuster wecken lassen. Tierfelle hatten wir genug, da es, seit die verfeinerten griechischen Sitten in die Häuser der Vornehmen Eingang gefunden hatten, nicht mehr üblich war, Felle als Bettdecken oder Wandbehänge zu verwenden. Ich hatte dadurch große finanzielle Einbußen erlitten, aber jetzt dankte ich Fortuna für die zahllosen Felle, die uns zur Verfügung standen.

Als der Morgen graute, herrschte in Neros Zirkus ein vollkommnes Chaos. Theaterleute rannten mit Kostümen hin und her, Soldaten rammten Pfähle ein, und Sklaven bauten Laubhütten darum herum. Ganze Häuser wurden in aller Eile auf dem Sand errichtet. Ich ließ Felsbrocken herbeischleppen und in der Mitte der Arena aufeinandertürmen.

Es war nicht zu verhindern, daß es zu Streitigkeiten kam, denn jeder hielt seinen Auftrag und seinen Anteil an den Vorbereitungen für das Wichtigste. Die Christen waren überall im Wege. Sie lagen in ganzen Scharen im Sand oder gingen neugierig umher und störten die Arbeiter. Der Zirkus, der bisher nur für Wagenrennen verwendet worden war, war zu klein. Ich mußte sämtliche Kellerräume und Ställe belegen und zum Teil die Wände für meine Tiere verstärken lassen. Die kräftigsten Christen wurden mit zur Arbeit angestellt, die anderen auf die Zuschauertribünen hinaufgetrieben. Es gab nicht genug Abtritte für so viele Gefangene. Deshalb mußten sie zuletzt rasch noch die Gänge reinigen, die sie beschmutzt waren, aber wir waren dennoch gezwungen, überall Weihrauch zu verbrennen und große Mengen von Parfüm zu versprühen, um wenigstens in der Kaiserloge und auf den Bänken des Senats den Aufenthalt erträglich zu machen. Ich muß allerdings zugeben, daß meine Tiere an dem Gestank nicht ganz schuldlos waren, aber ich war ihren Geruch schon so gewöhnt, daß ich ihn kaum noch wahrnahm.

Die Christen begannen sich in Gruppen zu sammeln, um zu beraten und Christus zu preisen. Einige sprangen und tanzten mit rollenden Augen verzückt umher. Andere redeten in Zungen, die niemand verstand. Viele Prätorianer meinten, als sie das sahen, es sei Neros erste wirkliche Herrschertat, daß er solche Zauberei in Rom ausrottete.

Die Vernünftigsten unter den Christen wußten noch immer nicht recht, was für ein Schicksal sie erwartete. Sie sahen den Vorbereitungen verwundert zu. Einige, die mich vom Sehen kannten, kamen zu mir und fragten mich in aller Unschuld, wie lange man sie noch gefangenhalten wolle und wann der Prozeß beginnen werde.

Sie hatten, wie sie sagten, wichtige Angelegenheiten zu ordnen und sich um ihre Arbeit zu kümmern. Vergebens versuchte ich ihnen zu erklären, daß das Urteil bereits gefällt war und daß sie gut daran täten, sich darauf vorzubereiten, tapfer für Christus zu sterben, um dem Senat und dem Volk von Rom ein denkwürdiges Schauspiel zu bieten.

Sie schüttelten die Köpfe und glaubten mir nicht. »Du treibst deinen Scherz mit uns«, sagten sie. »So etwas kann in Rom nicht geschehen.«

Sie glaubten mir noch nicht einmal, als sie ihre Kleider ablegen mußten und die Schneider und Schuhmacher begannen, sie in Felle einzunähen. Einige lachten sogar und gaben den Handwerkern gute Ratschläge, und ich sah Knaben und junge Mädchen, die knurrten und sich miteinander balgten, als man sie in Panther oder Wolfsfelle eingenäht hatte. Und so groß ist die Eitelkeit der Menschen, daß manche sich sogar um die schönsten Felle stritten. Sie begriffen noch immer nicht, was man mit ihnen vorhatte, obwohl sie meine Hunde in den Kellergewölben ununterbrochen heulen hörten.

Als die Theaterleute daran gingen, die schönsten und stattlichsten Männer und Frauen für ihre Zwecke auszuwählen, verlangte ich die dreißig schönsten Frauen für die Dirkenummer und suchte mir, während die Danaiden und ihre ägyptischen Bräutigame in ihre Kostüme gekleidet wurden, Mädchen und Frauen zwischen sechzehn und fünfundzwanzig Jahren aus, die ich sofort beiseite führen ließ, bevor die unehrlichen Theaterleute sie mir wegschnappten.

Ich glaube, den Christen dämmerte die Wahrheit erst, als die Strahlen der aufgehenden Sonne den Sand röteten und man die dem Aussehen nach schlimmsten Verbrecher zu kreuzigen begann. Einen Teil der Balken und Planken, die für diesen Zweck herbeigeschafft worden waren, hatte ich zur Verstärkung der Stallwände verwendet, aber es wäre ohnehin nicht gut möglich gewesen, die Kreuze zu dicht nebeneinander aufzustellen, da sie sowohl die Sicht als auch die Vorführung selbst behindert hätten.

Tigellinus eilte in den Senat. Zuvor bestimmte er rasch noch, daß nur vierzehn Kreuze, eins für jeden Stadtbezirk, in der Mitte der Arena errichtet werden sollten. Weitere Kreuze hatten links und rechts neben den Eingängen Platz, aber darüber hinaus mußte man sich damit begnügen, so viele wie möglich an die Planken rund um die Rennbahn zu nageln.

Um mehr Platz zu bekommen, schickte er tausend Männer und tausend Frauen unter Bewachung in die Gärten der Agrippina, wo Nero das Volk am Abend nach der Vorstellung zum Mahle laden wollte. Außerdem mußte dem Volk aber auch während der Vorstellung etwas geboten werden. Der Zirkus auf dem Vatikanischen Hügel liegt so weit von der Stadt entfernt, daß man von den Leuten nicht erwarten konnte, daß sie zu Mittag heimgingen. Die kaiserliche Küche war jedoch gut vorbereitet, und so trafen zahllose Körbe mit Speisen ein, einer für jeweils zehn Zuschauer, daneben besondere Körbe mit Wein und gebratenen Hühnern für die Senatoren und zweitausend Körbe allein für die Ritter.

Meiner Meinung nach übertrieb Tigellinus, indem er so viele Christen auf den Planken um die Arena kreuzigen ließ. Man brauchte dazu ganze Fuhren kostbarer Nägel. Außerdem fürchtete ich, das Gejammer der Gekreuzigten könnte die Vorstellung stören, obgleich sie sich zu Anfang, vermutlich vor Überraschung und Verwunderung, sehr still verhielten. Daß die Aufmerksamkeit des Publikums von meinen Raubtieren abgelenkt würde, war meine geringste Sorge, denn wenn es gar zu viele Menschen sind, die sich vor Qualen winden, wird man des Anblicks bald müde, aber die Schmerzensschreie von an die tausend Menschen sind imstande, sowohl das Brummen der Bären und das Brüllen der Löwen als auch die Erklärungen der Herolde zu den Pantomimen zu übertönen. Ich glaubte daher richtig zu handeln, als ich einige der Führer der Christen um mich versammelte und ihnen befahl, umherzugehen und die Gekreuzigten zu bitten, während der Vorstellung entweder zu schweigen oder allenfalls laut Christi Namen zu rufen, damit das Volk auch verstand, wofür sie bestraft wurden.

Die Lehrer der Christen, deren einige schon in Tierfellen staken, nahmen ihren Auftrag ernst. Sie sprachen mit den Jammernden und versicherten ihnen, es sei für sie die größte Ehre, daß sie den Kreuzestod erleiden durften wie Jesus von Nazareth. Ihre Prüfung sei kurz, sagten sie, verglichen mit der ewigen Seligkeit, die sie in Christi Reich erwartete. Noch am selben Abend sollten sie im Paradiese sein.

Die Lehrer sprachen so eifrig und so überzeugend, daß ich lächeln mußte. Als sie aber mit immer innigerer Glut den Gekreuzigten vor Augen führten, welch Freudentag dies sei, da sie unschuldig zur Verherrlichung des Namens Christi leiden und als seine Zeugen gen Himmel fahren durften, da biß ich mir auf die Lippen. Es war, als beneideten sie die Gekreuzigten wirklich um ihr Schicksal, und das schien mir reine Verstellung zu sein. Daher sagte ich barsch, sie könnten meinethalben gern ihre eigene kurze Pein gegen die lange Qual der Kreuzigung austauschen. Zu meiner Überraschung riß sich wirklich einer von ihnen das Bärenfell vom Leibe und bat mich auf den Knien um die Ehre, gekreuzigt zu werden. Es blieb mir nichts anders übrig, als den Prätorianern zu befehlen, ihn in irgendeinem Zwischenraum an die Planken zu schlagen.

Die Prätorianer ärgerten sich über diese zusätzliche und, wie sie meinten, unnötige Mühe so sehr, daß sie ihm einige kräftige Hiebe versetzten. Sie hatten schon so viele grobe Nägel mit schweren Hämmern einschlagen müssen, daß ihre Arme lahm vor Schmerzen waren. Ich hatte nichts dagegen, daß sie ihn schlugen. Das Gesetz schreibt vor, daß die Gekreuzigten gegeißelt werden, damit sie schneller sterben, aber wir hatten keine Zeit, all die vielen Christen zu geißeln, und es mußte genügen, daß da und dort ein mitleidiger Prätorianer einen mit der Lanze stach, so daß das Blut zu strömen begann.

Ich frage mich noch heute, wie es möglich war, Neros Befehl rechtzeitig auszuführen. Als das Volk am hellen Morgen in den Zirkus strömte und die Wege draußen weiß von Menschen waren, waren die Tribünen gesäubert, die Bauten in der Arena fertig, die Auftretenden eingekleidet, die Nummern im einzelnen durchgesprochen und die Rollen verteilt, und die Gekreuzigten hingen zuckend und leise jammernd an den Kreuzen oder Planken.

Das Heulen der Hunde und das Gebrüll der Auerochsen klangen den Zuschauern vielversprechend in den Ohren, und während sich die Eifrigsten um die besten Plätze rauften, bekam jeder, der ruhig oder ordentlich durch einen der Eingänge trat, ein frisch gebackenes Brot und ein Stück Pökelfleisch. Wer wollte, durfte außerdem einen Becher mit Wasser vermischten Weins trinken.

Ich war insgeheim stolz auf Rom, als ich mich neben einem Heubündel im Stall hastig wusch und meine Festtoga mit dem roten Streifen anlegte, so tief war der Eindruck, den das langsam ansteigende freudige Gemurmel einer Volksmenge in gespannter Erwartung auf mich machte. Als ich einige Becher Wein getrunken hatte, wurde ich gewahr, daß eine der Ursachen für meinen frohen Stolz die allgemeine Freude der Christen war. Sie ermahnten einander, nicht zu weinen, und versicherten sich gegenseitig, daß es besser sei, vor Freude und Entzücken zu lachen, während sie darauf warteten, an der Pforte zu Christi Reich Zeugnis abzulegen. Während mir der Wein in meinen müden Kopf stieg, war ich immer mehr davon überzeugt, daß die Vorstellung, zumindest was meinen Anteil daran anbetraf, nicht mißlingen konnte, aber ich wäre wohl kaum so ruhig und stolz auf meine Leistungen gewesen, wenn ich gewußt hätte, was zu gleicher Zeit in der Kurie geschah. Nun da ich daran zurückdenke, faßt mich so tiefe Trauer, daß ich mich unterbrechen und eine neue Buchrolle beginnen will, um so gefaßt wie möglich darüber zu berichten.

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