Obwohl Mogens kaum länger als zehn Minuten fort gewesen war, hatte Miss Preussler ein kleines Wunder vollbracht, als er in die Blockhütte zurückkam. Er hatte den Raum noch nie so ordentlich - und vor allem sauber - gesehen wie jetzt, nicht einmal am Tag seiner Ankunft. Irgendwie schien es Miss Preussler gelungen zu sein, eines der fundamentalsten Gesetze der Physik außer Kraft zu setzen, jenes nämlich, nach dem das Innere eines Raumes niemals größer sein kann als sein Äußeres. Sie hatte nicht nur alles ordentlich an seinen Platz geräumt, der Raum schien auch auf fast magische Weise größer geworden zu sein, sodass Mogens zum ersten Mal das Gefühl hatte, sich frei bewegen zu können, ohne Angst haben zu müssen, irgendwo anzustoßen oder etwas umzuwerfen.
»Haben Sie Cleopatra gefunden?«, fragte sie, als Mogens den Raum betrat, und ohne sich zu ihm herumzudrehen. Mogens antwortete nicht gleich. Miss Preussler stand vor dem Bücherregal und wandte ihm den Rücken zu, sodass er nicht genau erkennen konnte, was sie tat. Klar jedoch war, dass sie sich an den Büchern zu schaffen machte - wenn auch vermutlich nur, um sie abzustauben und präzise auf den Regalböden auszurichten - und dass ihm nicht sonderlich wohl dabei war.
»Ich fürchte, nein«, sagte er. »Aber Sie sollten sich keine Sorgen machen. Cleopatra wird bestimmt nichts passieren. Die Umgebung hier ist sicher, und es gibt keine gefährlichen Tiere.« Sah man von dem Sumpf ab, der unmittelbar hinter dem Lager begann, und vergaß man das, was Sheriff Wilson über den getöteten Geologen erzählt hatte, fügte er in Gedanken hinzu. Ihm war nicht besonders wohl dabei, Miss Preussler anzulügen, aber er sah auch keinen Sinn darin, sie unnötig zu beunruhigen. Er wusste, wie sehr Miss Preussler an Cleopatra hing. Und er tröstete sich damit, dass Cleopatra schließlich eine Katze war und hoffentlich noch ein paar Reserveleben übrig hatte.
Miss Preussler wirkte jedoch keineswegs beunruhigt, sondern schenkte ihm im Gegenteil ein Lächeln. »Oh, ich mache mir keine Sorgen um Cleopatra. Sie ist eine kleine Herumtreiberin, das weiß ich, aber sie kommt stets wieder nach Hause zurück. Wir müssen ihr nur ein wenig Zeit lassen.«
Zeit war genau das, wovon sie Mogens' Meinung nach im Moment am allerwenigsten hatten. Er konnte zwar selbst keinen Grund dafür benennen, aber es war gerade jenes letzte, an sich harmlos anmutende Gespräch mit Graves gewesen, das ihm klar gemacht hatte, wie gut sie daran täten, so schnell wie möglich von hier zu verschwinden. Graves gehörte nicht zu den Männern, die einfach aufgaben.
Andererseits würde Miss Preussler aber ganz bestimmt nicht ohne Cleopatra von hier weggehen. Er ersparte es sich gleich, auch nur eine entsprechende Bemerkung zu machen.
»Die Bücher, Miss Preussler«, sagte er stattdessen. »Es... wäre mir lieber, wenn Sie sie nicht anfassen würden.«
Einen Moment lang sah Miss Preussler ziemlich betroffen aus, aber sie fing sich sofort wieder. »Ich habe sie nur ordentlich hingestellt. Und vielleicht ein wenig abgestaubt. Ich werde bestimmt nichts wegnehmen oder in Unordnung bringen!«
»Sicher nicht«, antwortete Mogens resignierend. Wie hätte er ihr auch erklären können, dass es schon gefährlich war, einige von diesen Büchern auch nur zu berühren? Mehr noch: Vielleicht war es schon gefährlich, sie auch nur in seiner Nähe zu haben.
»Bitte verzeihen Sie.«
»Natürlich verzeihe ich Ihnen, mein lieber Professor«, antwortete Miss Preussler. »Wenn Sie mir versprechen, dass Sie endlich damit aufhören, für alles und jedes um Verzeihung zu bitten, heißt das.«
Mogens hob nur die Schultern. Er druckste noch einen Moment herum und sagte dann: »Ich fürchte, es ist mir nicht gelungen, eine angemessene Transportmöglichkeit für uns zu bekommen. Wir werden wohl zu Fuß in die Stadt gehen müssen.«
»Zu Fuß?« Miss Preussler blinzelte. »Aber was ist mit der Einladung Ihres Freundes?«
»Graves?« Mogens schüttelte impulsiv den Kopf. »Graves ist nicht mein Freund.«
»Das konnte ich mir auch kaum denken«, sagte Miss Preussler. »Aber wollen Sie ihn wirklich so vor den Kopf stoßen? Er scheint mir kein Mann zu sein, der es einfach so hinnimmt, brüskiert zu werden.«
»Ich würde es dennoch vorziehen, in der Stadt zu übernachten, und nicht hier«, antwortete Mogens. »Ich weiß, es ist ein langer Fußmarsch, aber wir können unser Gepäck hier lassen. Ich lasse es morgen abholen.«
Er hörte sogar selbst, wie diese Worte klingen mussten, aber Miss Preussler überraschte ihn ein weiteres Mal. Sie ging mit keinem Wort auf seine fadenscheinige Argumentation ein - sondern nickte einfach.
»Wenn Sie es wünschen, Professor. Aber wir können doch noch warten, bis Cleopatra zurück ist?«
Hätte Mogens in diesem Moment darauf bestanden, die Katze zurückzulassen und auf der Stelle zu gehen, er war sicher, dass sie sich ihm nicht widersetzt hätte, und vielleicht war es einzig seine Überraschung über diese Erkenntnis, die ihn davon abhielt, genau das zu tun. Es starrte Miss Preussler einfach nur fassungslos an, und schließlich deutete sie seinen ungläubigen Blick falsch und atmete erleichtert auf, und der kostbare Moment war vorüber. Jetzt konnte er nicht mehr zurück.
»Selbstverständlich«, sagte er. »Es ist noch früh. Auf eine halbe Stunde kommt es sicher nicht an.«
Das war nicht der erste Fehler, der ihm unterlief, seit Jonathan Graves wieder in sein Leben getreten war.
Aber vielleicht der schlimmste.