Dreizehn

Ich kann mich nicht weiter der Erkenntnis verschließen, daß ich zu dem geringen Prozentsatz jener Capillotin-Anwender gehöre, die auf das Haarwuchsmittel allergisch reagieren. Meine Kopfhaut ist bis zu den Ohren rot und heiß, und es juckt fürchterlich. Es kann nur das Mittel sein. Also absetzen, ich werde versuchen, meine Glatze mit Selbstbewußtsein zu tragen.

Nachdem mein Organismus dank der Behandlung durch die namenlose Ärztin im Grazer Krankenhaus wieder störungsfrei zu arbeiten scheint, habe ich für diesen Tag zwei Termine vereinbart: beim Friseur — und beim Zahnarzt. Mit meiner Brücke ist etwas nicht in Ordnung, sonst würde die nicht einfach so in Zugtoiletten herumfliegen.

Als ich Sophie’s Salon betrete, ist Frau Sophie noch nicht da. Die weiblichen Lehrlinge begrüßen mich, Frau Sophie hat angerufen, sie kommt gleich. Ich setze mich, weise dankend den Kaffee zurück, die Kronen Zeitung nehme ich an (man muß wissen, was der Feind denkt: Sun-tzu).

Ich schaue mich um. Zwei Stühle weiter wird eine Frau von drei Mädchen gleichzeitig bearbeitet, so daß ich ihr Gesicht nicht sehe, nicht einmal im großen Wandspiegel. Außer mir ist sie die einzige Kundin. Das mag ich, ich kann überfüllte Läden nicht leiden, egal ob Friseur oder Schuhmacher oder Elektrogeschäft.

Nach einer Weile ertönt die Türglocke. Es ist jedoch nicht Sophie, sondern ihr Mann. Ich werde nicht schlau daraus, was seine Aufgabe in diesem Frisiersalon ist. Einmal hat er mir die Haare gewaschen, eine Prozedur, die ich nicht wiederholen möchte, nicht weil er es schlecht gemacht hätte, sondern weil ich fast jede Art von Berührung durch Männer unerträglich finde. Ansonsten sitzt er nur rum.

Allerdings gibt er fachliche Kommentare ab. Meinen Haarausfall möchte er mit irgendeiner Bestrahlung behandeln, ich habe nicht so genau zugehört, weil ich mein Haar nicht bestrahlen lasse. Ich weiß also nicht, was er ist, und eigentlich kümmert es mich auch nicht. Ich komme wegen Frau Sophie hierher, die die einzige Friseurin in der Gegend ist, zu der ich Vertrauen habe. Einmal war der Salon so überfüllt, daß ich zur Konkurrenz ging. Dort schnitt mir eine betrunkene, geistig unterprivilegierte Frau mit Mundgeruch die Haare. Ich lief von dort direkt zu Frau Sophie, um die Sache reparieren zu lassen, seither nehme ich die Wartezeit gern in Kauf.

Der Frisiersalon ist groß. Doch was tut Frau Sophies Mann? Er setzt sich in den Frisierstuhl neben mich.

«Und, wie geht’s?«

«Hmhm!«sage ich und lächle ihn an, wie ich es vom größten Starautor der westlichen Welt gelernt habe.

Er spricht weiter. Daß ich in die Zeitung schaue, stört ihn nicht. Er fragt nach Stanislaus. Um nicht unhöflich zu sein, erkundige ich mich nach seiner kleinen Tochter. Sie ist ein halbes Jahr jünger als Stanislaus und hält sich recht oft im Salon auf. Mir gefällt das Bild, das die drei an solchen Tagen bieten: Mama schneidet jemandem die Haare, Papa sitzt in einem Stuhl und spricht quer durch den Raum laut mal mit diesem, mal mit jenem, und die Tochter beschäftigt sich mit diversen Friseurutensilien, also Lockenwicklern und dergleichen.

«Wie machen Sie das eigentlich«, fragt er,»wer von Ihnen beiden geht arbeiten, und wer bleibt zu Hause?«

Ich wittere Gefahr. Aber lügen kann ich nicht, ich hasse es zu lügen. Also sage ich:

«Wir sind gewissermaßen beide zu Hause. DAS IST SEHR GUT FÜR DAS KIND…«, ich versuche ihn von seinem Thema abzulenken und lieber über die Vorzüge eines Haushalts mit ganztägig anwesenden Eltern zu sprechen, aber natürlich will er davon nichts wissen.

«Beide zu Hause? Wieso? Was sind Sie denn von Beruf?«

Ich frage mich, wieso er so laut spricht, man hört es nicht nur im ganzen Raum, sondern vermutlich auch noch draußen auf der Straße. Und was sage ich jetzt? Früher habe ich auf diese Frage oft» Student!«oder ähnlichen Unsinn geantwortet, aber das geht nicht mehr. Und wie gesagt, ich will nicht lügen. Egal, es wird schon nicht so schlimm werden. Frau Sophie hat mich auch einmal gefragt, ich habe geantwortet, und es ist nicht schlimm gewesen. Wenn das auch unter anderen Umständen geschah, da spitzten nicht neben mir drei Lehrmädchen und eine Kundin die Ohren. Und so flüstere ich:

«Ch bn Schrftstllr.«

«WAS, SCHRIFTSTELLER SIND SIE?«

«Mhm.«

«Sie schreiben Bücher?«

«Mhm.«

Ich kann förmlich zusehen, wie es im Hirn des Mannes zu rattern beginnt.

«Und davon können Sie leben?«schreit er.

«Hmja«, sage ich und denke an die sechs- oder siebentausend Euro, die ich der Bank schulde.

«Ist das nicht schwer?«schreit er.

Ich nicke und murmle etwas wie» sehr schwer«. Mittlerweile ist mein Kopf nahezu vollständig in der Zeitung verborgen, aber das irritiert den Mann nicht, er stellt die nächste Frage. In diesem Moment läutet die Türglocke. Frau Sophie und eine andere Dame, wohl Kundin, treten ein. Ich setze mich zurecht.

«HAST DU GEWUSST, DASS ER SCHRIFTSTELLER IST?«ruft er seiner Frau zu und zeigt mit ausgestrecktem Arm auf mich.

«Ja«, sagt sie, und zu mir:»Guten Tag!«

Ich grüße zurück. Ich mag Frau Sophie. Sie ist eine auf eine seltsame Art schöne Frau. Etwas scheint nicht zu stimmen, sie ist attraktiver, als sie sein sollte, es ist fast nicht zu erklären, was ich meine. Immer wenn ich ihr Gesicht über meinem im Spiegel sehe, bin ich irritiert, weil sie so schön ist, schöner, als sie sollte. Vielleicht sind es die Grübchen beim Lachen.

«Wieder oben neun Millimeter und an der Seite drei?«

«Das geht leider nicht mehr, sie sind oben schon zu schütter.«

«Versuchen wir es mal mit oben zwölf.«

Ich bin dankbar, daß sie sofort das Problem versteht und sogar eine Lösungsmöglichkeit parat hat. Sie kommt mit dem Elektroscherer und fängt an. Währenddessen steht ihr Mann nicht etwa auf, um sich vielleicht um die wartende Kundin zu kümmern, im Gegenteil, er bleibt einen Meter neben mir sitzen und starrt mich unablässig an.

«Und was schreiben Sie da so?«

«Was meinen Sie?«

«Die einen schreiben Kinderbücher, die anderen Kriminalromane… es gibt auch Liebesgeschichten… Erotik… was machen Sie?«

«Na ja. Ich schreibe Romane.«

«Ja, was für Romane?«

«Errrrrrr… das ist schwer zu sagen.«

«Du hast das gewußt?«fragt er seine Frau wieder.

«Ja.«

Er versinkt in tiefes Brüten. Aus den Augenwinkeln sehe ich, wie er mich anstarrt.

«Ist das nicht schwer, einen Verlag zu finden?«

«Sehr schwer!«bestätige ich.

«Eine Bekannte von mir hat ein Kinderbuch geschrieben, aber keinen Verlag dafür gefunden!«

«Sehr schwer, ja.«

«Und Sie haben einen Verlag gefunden?«

«Edwin, wieso schreist du so?«fragt Frau Sophie. Und zu mir:»Er schreit immer so.«

«Ich habe einen, ja.«

«Und wie sind Sie zu dem gekommen?«

Ich möchte aufspringen und hinauslaufen. In diesem Moment ertönt neben mir ein lautes, nervöses Piepen, tiet-tiet-tiet, tiet-tiet-tiet, tiet-tiet-tiet. Es ist das Handy der Kundin zwei Stühle weiter. Offenbar weil in meinem Kopf durch das Gespräch mit Frau Sophies Mann einiges durcheinandergeraten ist, möchte ich einen Witz dazu machen, ich sage:

«Na, wessen Herzschrittmacher schlägt denn da Alarm, hehe?«

«Ähähähä«, lacht Frau Sophie verlegen.

Ich schaue hinüber und sehe zum ersten Mal die Kundin, bei der es gebimmelt hat: Sie ist ungefähr neunzig Jahre alt. Ich merke, daß ich rot werde, sogar die Ohren werden rot. Wieso? Wieso passiert so etwas immer mir?

«Wann haben Sie denn da angefangen?«will Frau Sophies Mann wissen.

«Früh«, sage ich.

«Und haben gleich Erfolg gehabt?«

«Hm, hm.«

Wieder versinkt er in Schweigen und starrt mich an. Ihm geht allerhand durch den Kopf, das sehe ich ihm an. Ich sehe sogar, was: Das abenteuerliche Leben des Herrn Edwin — Schriftsteller — Ghostwriter — halbe-halbe.

«Kannst du dich noch erinnern, wie die Dings da war, die Den…«

«Ja, Catherine Deneuve hat mal in Wien einen Film gedreht«, sagt Frau Sophie,»und ich war ihre persönliche Friseurin. Aber glauben Sie, sie hätte ein gemeinsames Foto machen lassen? Nicht jetzt, hat sie immer gesagt. Aber ich habe meinen Salon für sie zusperren müssen, damit die gewöhnlichen Kunden sie nicht stören. Und dann gibt es kein Foto.«

Die alte Frau und die wartende Kundin mischen sich ins Gespräch. Es wird über Catherine Deneuves Verhalten diskutiert. Frau Sophie erzählt weitere Details von ihrer Arbeit mit der berühmten Schauspielerin. Alle verurteilen den französischen Star, der sich beschwert hat, Frau Sophie hätte nicht einmal etwas dabei, um einen abgebrochenen Fingernagel sofort zu reparieren. Aber eine tolle Frau, sagt Frau Sophie. Die Unterhaltung, die schon beendet schien, entzündet sich von neuem, es wird über Samantha Fox gesprochen. Diese interessiert Frau Sophies Mann offenkundig nicht so sehr, und er will lieber von mir wissen:

«Wie heißen Sie denn eigentlich?«

«Glanz«, sage ich. Ich melde mich auch am Telefon gern mit» Glanz«, denn da kann ich später immer noch behaupten, ich sei falsch verstanden worden, ich hätte ja Glavinic gesagt.

«Und wie heißt Ihr letztes Buch?«

Ich stottere herum. Ich habe das Gefühl, den Titel eines meiner Bücher hier auszusprechen wäre Verrat, er würde schal klingen, bestenfalls, und im schlechtesten Fall würde mich ein Blitz treffen. Endlich fällt mir ein Ausweg ein:

«Ach was, ich bringe Ihnen einfach mal eines mit.«

«Ja! Das wäre schön! Ja! Eines! Mit!«

Frau Sophie ist mit mir fertig. Ich springe auf, fahre in meine Jacke, zahle.

«Es wäre aber wirklich nett, wenn Sie uns einmal ein Buch borgen könnten«, sagt Frau Sophie.

«Nein, das kriegen Sie geschenkt«, sage ich und schiele zur Tür.

«Aber, das ist doch nicht nötig, wir geben es Ihnen natürlich zurück.«

Vor der Tür sehe ich, ich habe einen Anruf auf meinem Mobiltelefon versäumt. Karen Kablier. Ob man Telefonnummern ebenso wie Emailadressen blockieren kann? Ich glaube schon. Ich hoffe es.

Bis zum Zahnarzt sind noch zwei Stunden Zeit. Zu Hause schreibe ich einen Artikel fertig, den ich dem Mitarbeiter der Wiener Village Voice für sein Blatt versprochen habe. Christoph Singer, der Chefredakteur eines Lifestylemagazins aus einem westlichen Bundesland, ruft an, er ist gerade in Wien, und zwar mit einem Fotografen. Da sein Magazin ja oft etwas über mich bringt, aber keine guten Fotos hat, wäre es toll, wenn… und unbedingt muß es der Naschmarkt sein, Naschmarktfotos sind wundervoll, haben Flair usw. Ich sage, ich komme vorbei. Gleich darauf bereue ich es.

Ich treffe die beiden an der Ecke zur Schleifmühlgasse. Wir begrüßen uns. Die beiden wirken betrunken, dabei weiß ich mit Sicherheit, daß zumindest Christoph nicht trinkt. Ich kenne ihn schon sehr lange, ich kann ihn gut leiden. Ich weiß aber auch, daß er ein Landei ist und Wien ihm angst macht. Wie er das zu überspielen versucht, habe ich schon mehrmals erlebt, und er fängt auch gleich wieder damit an.

«Schleifmühlgasse, da waren wir gerade was essen, die Gasse haben wir umgetauft auf Schwanzlutschgasse, höhö. Klingt gut, nicht? Das wäre eine Schlagzeile: Haben in Wien in der Schwanzlutschgasse gegessen, höhöhöhö.«

Ich sage, ich muß zum Zahnarzt und habe wenig Zeit.

«Mußt du ins Puff? Höhö!«

Der Fotograf sagt keinen Ton, findet aber alle Witze von Christoph lustig. Er knipst drauflos. Im Hintergrund Obst- und Gemüsestände, stehe ich da und schaue knapp an der Kamera vorbei. Und die ganze Zeit über denke ich: Warum? Warum mache ich das?

«Ein schöner Scheißdreck, dieses Wetter«, unterhält mich Christoph, während der Fotoapparat klickt.»Da können einem die Eier abfrieren. Das wäre eine Schlagzeile: Haben uns in Wien die Eier abgefroren, höhöhö.«

«Herr Glawatschnig bitte!«

Auf dem Behandlungsstuhl habe ich Zeit, ein wenig nervös zu werden. Ich bin zwar nur wegen der Brücke da, aber man weiß nie. Dr. Paulesker ist nämlich nicht» mein «Zahnarzt, der heißt Dr. Pregel und ordiniert in Graz. Ihn verehre ich, ihm vertraue ich, bei ihm bin ich seit fünfzehn Jahren, zu ihm fahre ich alle sechs Monate zur Kontrolle. Aber wegen einer zu lockeren Brücke kann man schon mal in Wien zum Zahnarzt gehen.

Es gibt Herrn Dr. Paulesker und Frau Dr. Paulesker. Die beiden teilen sich eine Praxis. Ich bin gespannt, wer mich übernimmt, ich habe keinerlei Präferenzen angegeben. Während ich warte, kommt mir in den Sinn, das könnte ein Fehler gewesen sein. Dr. Pregel ausgenommen, sind alle meine Ärzte Frauen, sogar mein Urologe. Ich habe zu Frauen mehr Vertrauen. Außerdem sind sie weniger brutal, was speziell beim Urologen ein Vorteil ist.1

Herr Dr. Paulesker ist groß und hat ein gewinnendes Lächeln. Ich schildere mein Problem. Er sieht sich die Brücke an, dann schaut er in meinen Mund. Das ist der Moment, in dem ich wirklich nervös werde. Ich bin zwar sicher, daß alles in Ordnung ist, aber…

«Da ist etwas nicht in Ordnung«, sagt Dr. Paulesker.»Eine Füllung hat sich verabschiedet, und deshalb hat die Brücke weniger Halt. Kleinigkeit.«

Er greift zu den Bohrern. Ich quieke auf.

«Anästhesie!«

«Dafür? Also bitte. «Er lacht.

«Ich meine es ernst. Ich will eine örtliche Betäubung. Ist besser für die Nerven, Sie verstehen. Bin von Geburt an Hysteriker.«

Ich versuche, ihm ironisch zuzuzwinkern, aber das geht nach hinten los, er sieht mich an, als hätte ich sie nicht alle.»Na gut«, sagt er, gibt der Assistentin ein Zeichen, sein Ton wird härter, distanzierter,»aber die Kosten für die Anästhesie übernimmt die Kasse nicht!«

Er sticht so mittelprächtig, nicht gut, nicht schlecht, kein Vergleich mit dem genialen Dr. Pregel. Dr. Paulesker geht zum nächsten Behandlungsstuhl, insgesamt vier habe ich gezählt. Während das Mittel Zeit bekommt zu wirken, werde ich Ohrenzeuge einer Behandlung. Zuerst ist das Geräusch eines Bohrers zu hören, kurz darauf beginnt die Frau neben mir zu schreien. Das Bohrgeräusch verstummt, Dr. Paulesker spricht mit sanft mahnender Stimme auf sie ein. Wieder ertönt der Bohrer. Die Frau schreit.

Mir wird allmählich schwindlig. Wem bin ich da in die Hände gefallen? Ich halte mir die Ohren zu und fange an zu singen. Die Blicke der Assistentinnen stören mich nicht, sollen sie denken, was sie wollen.

Eine Frau kommt zu mir und begrüßt mich, ich muß die Hand vom Ohr nehmen. Die Frau stellt sich als Frau Dr. Paulesker vor. Ob ich zum ersten Mal da bin, ich nicke. Sie erklärt mir, ich müsse mich nicht sorgen, die kreischende Dame neben mir sei bekannt für ihre übertriebene Schmerzempfindlichkeit. Ich antworte, bei mir liegt die Sache nicht viel anders, auch ich bin überaus empfindlich. Mit ausdrucksloser Miene nickt sie mir zu, als hätte sie nicht gehört, und geht.

Ein grelles Licht wird mir ins Gesicht gehalten, ich öffne den Mund, Dr. Paulesker beginnt seine Arbeit. Es ist nicht so schlimm wie erwartet. Ich liege da, höre das Brummen, denke zur Zerstreuung an zukünftigen Lorbeer. Plötzlich setzt das Bohren aus. Frau Dr. Paulesker steht da und sagt zu ihrem Mann:

«Eine Frau am Telefon. Angeblich dringend!«

«Jetzt? Was soll das?«

«Sie weint.«

«Was?«

«Sie sagt, sie muß dich unbedingt sprechen. Es ist etwas passiert.«

«Wer ist sie denn?«

«Ihren Namen will sie nicht sagen. Sie behauptet, sie war mit dir in Paris.«

«Wie bitte?«

Ich bin ein guter Beobachter und Zuhörer. Und mir ist, als hätte Herr Dr. Paulesker vor diesem» Wie bitte?«geschluckt.

«Ich glaube, die ist verrückt. Aber vielleicht redest du mal mit ihr.«

Herr Dr. Paulesker winkt heftig ab und nimmt seine Arbeit in meinem Mund wieder auf. Keine sechzig Sekunden später steht seine Frau wieder neben uns.

«Schon wieder. Sie ruft dauernd an. Sie sagt, sie muß dich unbedingt sofort sprechen.«

«Sagt sie nicht, was sie will?«fragt er, weiterhin in meinen Mund schauend.

«Sie will es nur dir sagen. Ich soll dich an Paris erinnern. Ich habe ihr gesagt, du warst nie in Paris, darauf hat sie geschrien: Doch! Anfang Dezember! Ich habe ihr erklärt, Anfang Dezember warst du bei einem Kongreß in Pula. Sie geht darauf nicht ein, sie will mit dir sprechen. Sie weint und schreit.«

Ich sehe Herrn Dr. Paulesker an. Er kommt mir blaß vor, aber es könnte auch das Licht aus der OP-Lampe sein. Der Schweiß auf seiner Stirn kommt vielleicht von der anstrengenden Arbeit. Aber wieso zittert seine Stimme nun so, als er sagt:

«Ich. Kann. Jetzt. Nicht.«

«Was soll ich ihr sagen? Sie ist völlig hysterisch!«

«SAG IHR, SIE SOLL UNS IN RUHE LASSEN, UND LEG AUF! UND JETZT MUSS ICH HIER WEITERMACHEN, VERDAMMT NOCH EINMAL, DAS SIEHST DU DOCH! HEB EINFACH NICHT MEHR AB! HEB DEN HÖRER NICHT MEHR AB!«

«Und was ist, wenn Patienten anrufen?«

«WIR HABEN GENUG PATIENTEN!«

Als der verschwitzte Dr. Paulesker sich wieder über mich beugt und den Bohrer einschaltet, mache ich die Augen zu.

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