Missvergnügt war Eadulf zurückgekehrt, Abt Segdae hatte er nicht sprechen können. Mit einigen anderen Delegierten hatte er sich offenbar zu einer Beratung zurückgezogen, um sich eine Meinung zu den Empfehlungen zu bilden, die auf der Tagesordnung des Konzils stehen würden, wenn es denn schließlich zusammentrat. Der Abt hatte Anweisung gegeben, dass sie von niemandem gestört werden dürften. Fidelma nahm die Situation gelassen hin, dann würden sie eben den Besuch bei Äbtissin Audofleda bis zum nächsten Tag aufschieben müssen. Und so nutzte sie die gewonnene Zeit und erzählte Eadulf von ihrem Besucher.
»Auch das noch, es spukt in der Abtei«, meinte er nur skeptisch.
»Irgendetwas muss der junge Mönch gehört haben. Das heißt ja nicht, dass er es richtig deutet.«
»Dann müsste ich wohl dieses necessarium aufsuchen und mich umhorchen«, überlegte Eadulf. Das Gästehaus hatte eine eigene latrina, deshalb hatte er die der Allgemeinheit dienende Einrichtung bislang nicht benutzt. Dass Fidelma seine Bemerkung ernst nehmen würde, hatte er nicht erwartet.
»Mach diese Örtlichkeit ausfindig und geh nachts dorthin, wenn alles ruhig ist. Vielleicht hast du Glück und findest eine vernünftige Erklärung für die unheimlichen Laute, die Bruder Gillucan gehört haben will.«
Eadulf stöhnte innerlich. Er war mit den heidnischen Vorstellungen der Vorväter groß geworden, und so glaubte er immer noch an böse Geister. Fidelma übersah geflissentlich seine bekümmerte Miene.
»Vielmehr macht mir Kopfzerbrechen, dass Abt Dabhoc eine kostbare Gabe für den Bischof von Rom bei sich hatte - dieses Reliquiar. Ist der Dieb vielleicht auch der Mörder?«
Eadulf ließ sich auf den Stuhl fallen, auf dem vorher der junge Mann gesessen hatte. »Selbst wenn, dann waren es doch bestimmt nicht die beiden, die später Gillucan heimsuchten und mit dem Messer bedrohten«, gab er zu bedenken.
»Wie kommst du zu dieser Schlussfolgerung?«
»Ganz einfach. Wenn das Kästchen bereits in ihrem Besitz war, nachdem sie Dabhocs Kammer geplündert hatten, warum sollten sie dann Gillucans Zelle durchsuchen und mitten in der Nacht wiederkommen, ihn mit dem Messer bedrohen und mit der Frage >Wo ist es?< ängstigen.«
»Und du glaubst, mit >es< war das Reliquiar gemeint?« »Was denn sonst?«
»Doch dann stehen wir vor dem nächsten Rätsel: Wer hat das mysteriöse Kästchen an sich gebracht?«
»Oder hat es Abt Dabhoc an so sicherer Stelle versteckt, dass es nun niemand findet?«, überlegte Eadulf laut.
»Müssten wir nicht noch einmal seine Kammer absuchen?«
»Das müssten wir. Dennoch bleibt die Frage, hat diese Sache mit dem Mord zu tun, oder ist es reiner Zufall? Außerdem, wenn entweder Ordgar oder Cadfan in den Mord verstrickt sind - warum hätten sie dieses Reliquienkästchen haben wollen?«
»Wäre doch nicht das erste Mal, dass weltliche Reichtü-mer oder das Bestreben, ein religiöses Heilszeichen zu besitzen, Glaubensbrüder in Versuchung gebracht hätten.« Fidelma gab ihm darin recht, wollte sich aber mit der Antwort nicht zufriedengeben. »Wir wissen nicht, wie wertvoll das Reliquiar ist. Das dürfte davon abhängen, wessen Reliquien in dem Kästchen sind. Bruder Gillucan hat zwar einen Namen genannt, doch ich kann mir nicht vorstellen, dass dieser Heilige im Kirchenkalender einen besonderen Rang hatte.«
»Wie war doch gleich der Name?«
»Auf dem Kästchen soll Benen gestanden haben.«
Eadulf überlegte. »Benen. Viele, die sich einer Klostergemeinschaft anschließen, nehmen diesen Namen an in dem Glauben, dann ein besonders gottgefälliges Leben führen zu können. Auf der Hohen Medizinschule Tuam Brecain hatte ich einige Mitstudenten, die so hießen. Und .« Plötzlich saß er kerzengerade. »Meinst du etwa Benen mac Sesenen von Midhe?«
Fidelma schaute verwundert auf. »Den Nachfolger von Patrick?«, fragte sie.
»Ja, genau den. Mit seinem Werk dürftest du vertraut sein. Er war einer der drei Kirchenoberen in der aus neun Männern bestehenden Gesetzeskommission. Sie schufen den Senchus Mor, die große Gesetzessammlung, der die Brehons so ungeheuren Wert beimessen.«
»Benen«, wiederholte sie. Er war der Lieblingsjünger Patricks, sein Koadjutor in Ard Macha, er hatte sogar eine Biografie Patricks verfasst. »Natürlich Benen, der ist es!« Sie schwiegen kurz.
»Weshalb wollte der Bischof von Ard Macha die Reliquien des heiligen Benen nach Rom senden?«, fragte sich Fidelma halblaut. »Während seines irdischen Lebens hat er Ulaidh oder Midhe nie verlassen, warum werden seine Überreste nun dorthin gegeben? Mit fehlt da der Zusammenhang.«
Eadulf zuckte die Achseln. »Die Frage kann ich leider auch nicht beantworten.«
Es klopfte an der Tür, und Abt Segdae trat herein.
»Man hat mir gesagt, du wolltest mich sprechen, Bruder Eadulf. Ich war in einer Beratung mit einigen Äbten aus Armorica.«
Fidelma berichtete ihm, vor welchen Schwierigkeiten sie gegenwärtig stünden.
»Ich dachte, Bischof Leodegar hat allem ausdrücklich zugestimmt«, sagte der Abt verdrossen. »Du wirst wohl recht haben. Er hält in seiner Gemeinschaft die Zügel derart straff in der Hand, dass sich niemand, nicht einmal sein Verwalter, wagt, etwas ohne seine unmittelbar Anweisung zu tun.« Er atmete tief durch. »Sobald er zurück ist, werde ich mit ihm reden und darauf bestehen, dass er für alle unmissverständlich klarmacht: Ihr könnt befragen, wen ihr wollt, wann ihr wollt und wo ihr wollt.« Mit Nachruck fügte er hinzu: »Einige Delegierte spielen mit dem Gedanken, an dem Konzil nicht teilzunehmen. Man tuschelt bereits, auf dem Konzil läge ein Fluch.«
Fidelma sah den Abt erstaunt an. »Läge ein Fluch? Dass Geistliche zu so einer Wortwahl greifen, ist ungewöhnlich.«
Der Abt von Imleach nickte schwermütig. »Mir ist bange vor den Ergebnissen dieses Konzils, wenn es denn stattfindet. Ich habe mich mit vielen unterhalten und mit einigen ernsthaft beraten, wie ich eben schon sagte. Die Gallier, die Britannier und die Leute in unseren fünf Königreichen sind nicht gewillt, diese neuen Ideen aus Rom ohne weiteres zu übernehmen.«
Fidelma lag daran, das Thema zu wechseln, und sie fragte unvermittelt: »Wenn du mit Abt Dabhoc zusammen warst, hat er dir gegenüber von einem Geschenk gesprochen, das er mitgebracht hatte und dem Nuntius übergeben wollte, damit er es nach Rom mitnimmt?«
»Was für ein Geschenk?«, fragte Abt Segdae verwundert.
»Mir gegenüber hat er davon kein Wort gesagt.«
»Dann sprich bitte zu niemandem darüber«, bat ihn Fidelma. »Wir nehmen an, es war ein Reliquiar ... mit den Reliquien des heiligen Benen, Patricks Jünger und Mitstreiter.«
»In Imleach wissen wir längst, dass Ard Macha bestrebt ist, die Oberhoheit über alle fünf Königreiche zu erlangen, und wir haben uns dem stets widersetzt«, erklärte Abt Segdae. »Auch ist uns bekannt, dass die Bischöfe von Ard Macha an die Bischöfe in Rom geschrieben haben, um sich deren Unterstützung zu sichern. Vielleicht ist dieses Geschenk ein weiterer Versuch, um in Rom Rückhalt zu finden.« Betrübt schüttelte er den Kopf. »Es ist doch traurig, dass selbst unter Glaubensbrüdern der Mensch nach Macht strebt und sich politischer Mittel bedient.« Eindringlich schaute er Fidelma an. »Willst du etwa sagen, es gäbe einen Zusammenhang zwischen Dabhocs Tod und dieser Angelegenheit?«
»Das behaupte ich nicht . noch nicht«, erwiderte sie. »Mir wäre lieb, dass darüber nicht gesprochen wird.« »Darauf gebe ich dir mein Wort. Hast du mit Dabhocs Kämmerer gesprochen? Ich habe vergessen, wie er heißt, aber der könnte etwas wissen.«
»Ich habe mit ihm gesprochen . Doch, bitte, auch darüber kein Wort.«
»Ganz wie du es wünschst.«
Von fern hörte man eine Glocke läuten.
Erschreckt schaute der Abt hoch. »Tempusfugit. Das ist das Abendläuten. In der Abtei werden des Tages Mühen beendet, und ein jeder bereitet sich auf die Abendmahlzeit vor.« Für die Gäste aus den fünf Königreichen war damit das Zeichen für ihr tägliches Bad gegeben, das sie jeweils vor dem Abendessen nahmen. Der Abt entschuldigte sich eiligst und verließ sie.
Erneutes Glockenläuten kündigte die Abendmahlzeit an. Man traf sich im Refektorium wieder. Bruder Gillucan saß in sich gekehrt und nervös am Tisch. Fidelma schaute ihn aufmunternd an, sagte aber kein Wort über ihre Begegnung, und auch er schwieg. Abt Segdae wartete, bis das Dankgebet gesprochen, das Mahl vorüber und allen der Abendsegen erteilt war, dann ging er zu Bischof Leodegar. Nach einem kurzen Gespräch kamen Bischof und Abt zu Fidelma und Eadulf herüber, die auf sie warteten.
»Ich muss mich entschuldigen, Schwester Fidelma, meine Anordnungen sind falsch ausgelegt worden. Ich werde dafür Sorge tragen, dass meine Weisungen ordnungsgemäß befolgt werden. Dir steht es natürlich frei, zu kommen und zu gehen, wie du willst. Nur beachte bitte meinen Wunsch, angemessen und wohlüberlegt vorzugehen.«
»So habe ich unsere Übereinkunft durchaus verstanden«, entgegnete Fidelma würdevoll. »Ich war mir sicher, dass Bruder Chilperic lediglich übereifrig war.«
Bischof Leodegar schien verlegen. »Ja, dem war wohl so. Doch muss ich bekennen, ich verstehe nicht, warum es dir notwendig erscheint, Äbtissin Audofleda zu konsultieren.«
»Bei der Untersuchung eines Verbrechens ist es schwierig vorherzusagen, wohin die Wege einen führen«, erwiderte Fidelma aalglatt. »Vielleicht in eine Sackgasse, vielleicht in eine Nebenstraße, vielleicht auch nirgendwohin. Oft muss man seinen Eingebungen folgen.«
»Nun gut, ich werde Äbtissin Audofleda eine Nachricht senden und sie auffordern, dich zu empfangen. Vielleicht morgen früh?« Man merkte seiner Stimme an, dass ihm das Ganze wenig behagte und er gern mehr gewusst hätte. Mit einer Verbeugung bezeugte Fidelma ihr Einverständnis.
Der Bischof wartete noch einen Augenblick, nickte ihnen kurz zu, drehte sich um und verließ sie.
In der Nacht weckte Fidelma ihren Mann. Der blinzelte ins Kerzenlicht und brummelte: »Ist doch noch alles dunkel!« »Und deshalb genau richtig, um eine Sache nachzuprüfen ... Du weißt schon, worum’s geht.«
Eadulf stöhnte. »Soll ich wirklich den Geistern nachspüren, die Bruder Gillucans Einbildung entsprungen sind?« »Hast du selbst vorgeschlagen. Such das necessarium und sieh zu, was man dort feststellen kann. Ich glaube zwar nicht, dass du etwas findest, aber man darf nichts unversucht lassen.« Unwillig stieg er aus dem Bett und zog sich die Kutte über. »Aurora Musis amica«, spöttelte sie und sah ihm zu.
»Morgenstunde hat Gold im Munde«, sagt man wohl auch, erwiderte Eadulf unfroh.
»Wo du langgehen musst, weißt du?«, fragte sie, während er die Kerze nahm und zur Tür schritt.
Er drehte sich um und schalt sie, nun schon wieder besserer Laune. »So unbedarft bin ich gar nicht. Dir ist vielleicht aufgefallen, dass ich nach der Abendmahlzeit einigen Brüdern gefolgt bin, die fast im Geschwindschritt den Gang hinuntereilten. Die haben mir den Weg gewiesen.« »Wie konntest du wissen, wohin die wollten?«, wunderte sich Fidelma.
»Wenn du Männer siehst, die derart laufen, nachdem sie einiges getrunken haben, erklärt sich das von selbst.« Und grinsend rief er ihr zu: »Bin bald wieder da.«
Zum necessarium für die Klosterbrüder führte ein Gang an einer Abteimauer entlang, die zugleich die Stadtmauer im Süden bildete, wie es Eadulf vorkam. Er eilte durch die Korridore und hielt achtsam die Talgkerze vor sich. In diesem abgelegenen Bereich war die Beleuchtung spärlich, anders als in den Gastquartieren.
Ihn schauderte, während er die enge Wendeltreppe zum Untergeschoss hinunterschlich. Unten blieb er stehen und lauschte, bevor er den düsteren Gang betrat, an dem der Gemeinschaftsabort lag. Er ging hinein, schloss die Tür hinter sich, hielt die Kerze hoch und schaute sich um. Er befand sich in einem großen, fast quadratischen Raum, mit einem langen Steintrog in der Mitte. Das Wasser darin funkelte und kräuselte sich im Kerzenlicht. Das war die Waschgelegenheit. Der Fußboden war gefliest, und an den Wänden sah er Reihen von Marmorsitzen; Trennwände dazwischen gab es nicht. Jeder Sitz hatte ein Loch, das ins Dunkel gähnte. Von unten hörte Eadulf das Rieseln und Plätschern eines Wasserlaufs. Offensichtlich floss dort ein Bach. Ein jeder konnte sich auf einem der Sitze niederlassen, seine Notdurft verrichten und sich dann zum Waschbecken in der Mitte begeben. Wer hierher kam, um seine täglichen Waschungen vorzunehmen, war nie allein. Ea-dulf musste an die öffentlichen necessaria denken, die er in Rom erlebt hatte.
Garstiger Geruch drang aus den offenen Sitzgelegenheiten. Er schnüffelte, unangenehm berührt, und versetzte sich in die Lage des bedauernswerten Bruders, der dort hinuntermusste, um den Ablauf freizumachen, falls er einmal von den Exkrementen seiner Mitbrüder verstopft sein sollte. Angewidert verzog Eadulf das Gesicht und bemühte sich, diesen Gedanken zu verdrängen.
Er stellte sich neben die Waschrinne in der Mitte des Raums und lauschte, doch abgesehen vom Rieseln des Wassers unter den Sitzen vernahm er nichts. Einen Moment wartete er, ging dann langsam an den Sitzreihen an der Mauer entlang und blieb immer wieder stehen. Plötzlich hörte er einen dumpfen Schrei, er fuhr zusammen, das Herz schlug ihm bis zum Hals, doch dann begriff er, es war der klagende Ruf einer Eule. Hoch oben gab es zwei offene Fenster, der Vogel musste daran vorbeigeflogen sein. Behutsam schritt er weiter. Nein, Schreie von Seelen in grässlicher Qual gab es nicht. Eadulf kletterte sogar hinten auf die Marmorsitze, presste das Ohr an die Wand und horchte angestrengt. Nichts drang durch das Mauerwerk, weder dämonische Schreie noch klägliches Wimmern. Geradezu enttäuscht seufzte er auf und stieg wieder hinunter. Dann betrachtete er die Fenster und die Tür und versuchte sich klarzumachen, in welchem Winkel der Abteigebäude sich der Raum befand. Sein Blick glitt wieder über die Wand mit den Sitzen, an der er eben gelauscht hatte, und ihm ging auf, das musste die Trennmauer sein zwischen dem Bereich der Klosterbrüder und dem domus feminarum, dem Frauenhaus. Ein letztes Mal leuchtete er mit der Kerze alles ab, ging zur Tür und öffnete sie.
Vor ihm stand eine Riesengestalt. »Bruder Eadulf!«
Er trat einen Schritt zurück und konnte mit Müh und Not sein Erstaunen verbergen.
»Was machst du hier?«, fragte jemand.
Die Gestalt hielt eine Laterne hoch, und Eadulf erkannte den Verwalter der Abtei, Bruder Chilperic.
Rasch hatte er sich gefasst. »Eine seltsame Frage, Bruder«, erwiderte er harmlos. »Was tut man wohl in einem necessarium?«
»Zu dieser Stunde? Im hospitia ist doch eine latrina.« »Nicht jedem ist es gegeben, die Regungen seines Körpers zu beherrschen, schon gar nicht nach dem Genuss von Getränken ... «. Eadulf zuckte die Achseln. »Ich wollte Schwester Fidelma nicht stören. Deshalb schlich ich hinaus, ohne sie zu wecken, und wollte es den Brüdern gleichtun, da ich gesehen hatte, wohin sie gingen. Nur hatte ich mich verschätzt, der Weg hier herunter war länger, als ich dachte.« Er grinste. »Euer Wein ist von harntreibender Wirkung.«
Bruder Chilperic schien wenig überzeugt.
Doch Eadulf nutzte rasch die Gunst der Stunde und fragte: »Was ist eigentlich hinter der Mauer, Bruder Chilperic? Als ich da saß, hatte ich den Eindruck, jemand weinte und greinte.«
Der Verwalter blickte ungläubig drein. »Nichts weiter, lediglich die Arbeitsräume des domus feminarum. Doch um diese Zeit ist dort niemand, vielleicht war es eine Katze, die du gehört hast.«
»Ah ja. Das wird es gewesen sein. Aber ganz schön frisch hier. Lass mich durch, ich will ins Bett und weiterschlafen.«
Der junge Mann zögerte, trat dann aber beiseite. »Möge nichts deinen Schlaf weiter stören, Bruder.«
Eadulf war sich nicht sicher, ob das sarkastisch gemeint war. Steif erwiderte er: »Und möge auch dir heute Nacht noch ein wenig Ruhe beschieden sein.« Er eilte zurück ins Gästequartier, wo ihn Fidelma schon ungeduldig erwartete.
»Hast du etwas entdecken können?«
»Nein, aber ich wurde entdeckt«, berichtete er, warf seine Kutte ab und ließ sich aufs Bett fallen. Zuerst erzählte er ihr von der Begegnung mit Bruder Chilperic, dann beschrieb er ihr die Räumlichkeit, die er inspiziert hatte.
Sie überlegte eine Weile, nicht jedoch, weil sie der unerwartet aufgetauchte Verwalter bekümmerte. »Wenn Bruder Gillucan etwas Beunruhigendes gehört hat, als er dort saß, könnte das von dem Wasserlauf gekommen sein, mit dem der Unrat vom necessarium fortgespült und irgendwohin befördert wird.«
Eadulf hatte bereits die Augen geschlossen. »Nehme ich auch an«, murmelte er schon halb im Schlaf.
»Es ist möglich, dass Geräusche wie ein Echo in dem Abwasserkanal klingen«, redete Fidelma weiter.
»Schon möglich«, antwortete er und gähnte.
»Und die Mauer da . Du sagst, die grenzt an das Frauenhaus der Abtei?«
Ein leises Schnarchen war die Antwort. Eadulf war bereits eingeschlafen. Ungehalten runzelte sie die Stirn, blickte dann auf den Schläfer, musste lächeln, beugte sich über ihn und blies die Kerze aus.
Eadulf hatte das Gefühl, er hätte kaum geschlafen, als die Sonnenstrahlen, die durchs Fenster drangen, ihm übers Gesicht glitten und er blinzeln musste. Fidelma hatte sich bereits gewaschen, saß am Tisch und aß Obst als ihr erstes Frühmahl. »Steh schon auf und mach dich fertig. Ich habe dich sogar die Morgenandacht verschlafen lassen. Wir haben heute viel zu tun«, rief sie ihm zu, da sie sah, dass er wach war.
Er rollte sich aus dem Bett, fühlte sich aber immer noch erschöpft. »Können wir mit der Arbeit nicht später anfangen?«, wehrte er sich.
»Können wir nicht.«
Bald danach gingen sie die Treppe zur Vorhalle hinunter. Doch kaum hatten sie die ersten Schritte getan, da tauchte Bruder Chilperic auf und hastete die Stufen nach oben, die Stirn voller Sorgenfalten. Mit einem Ruck blieb er stehen und sah Eadulf scharf an.
»Ich suche Abt Segdae«, sagte er. »Ist er noch im Gästequartier? Habt ihr ihn gesehen?«
»Nein«, erwiderte Fidelma. »Du siehst so erregt aus, Bruder. Ist etwas passiert?«
Der Verwalter hob unschlüssig die Schultern. »Ich muss ihn nur von etwas in Kenntnis setzen, schließlich ist er jetzt der ranghöchste Delegierte aus eurem Land.«
Fidelma wurde hellhörig. »Kann ich in irgendeiner Weise nützlich sein?«
»Leider nein. Du kennst wahrscheinlich Bruder Gillucan, er war der Begleiter von Abt Dabhoc. Er wollte heute früh zu seiner Heimreise aufbrechen.«
Fidelma hätte beinahe den Fehler begangen und verraten, dass sie ihn kannte, doch eingedenk des Versprechens, das sie Bruder Gillucan gegeben hatte, ihr Gespräch für sich zu behalten, meinte sie leichthin: »Vielleicht kann man ihm dabei behilflich sein?«
»Nicht mehr nötig.«
Fidelma überlief es kalt. »Nicht mehr nötig? Was soll das heißen? Erklär dich, bitte.«
»Wahrscheinlich ist er noch in der Nacht aufgebrochen, ohne jemandem etwas zu sagen. Heute früh trieb er im Atuvaros ... Das ist der Fluss, der vor der Stadt nach Norden fließt. Vermutlich haben ihn Räuber überfallen, sie haben ihn völlig entkleidet. Er hatte sich eigentlich einer Gruppe Pilger anschließen wollen, die vorhatten, sich vormitttags auf die Heimreise zu begeben.«
»Bist du sicher, dass er die Abtei verlassen hat, um auf eigene Faust loszuziehen?« Fidelma konnte es nicht unterlassen, wenigstens diese Frage zu stellen.
»Was sonst hätte er zur Nachtzeit außerhalb der Abtei treiben sollen? Sowie ich davon erfuhr, bin ich in seine Kammer gegangen. Alle seine Sachen waren weg. Da liegt das doch nahe.«
»Und du meinst, er hat sich allein auf den Weg gemacht?« Fidelma erinnerte sich, dass Bruder Gillucan beabsichtigte, die Rückreise in einer Gruppe zu unternehmen.
Bruder Chilperic nickte bekräftigend. »Nur sein Leichnam wurde gefunden. Kein anderes Opfer weit und breit. Das lässt doch keinen anderen Schluss zu. Allein zu reisen in diesen unruhigen Zeiten, ist einfach unklug«, kommentierte er. »Keinen Faden haben sie ihm am Leibe gelassen und ihm die Kehle durchgeschnitten.«
»Und niemand hat etwas bemerkt?«, fragte Eadulf.
»Du hast doch gesehen, der Fluss ist außerhalb der Stadtmauern. Man verlässt die Stadt nicht mitten in der Nacht, und die Abtei verlässt man nachts schon gar nicht.«
»Bist du sicher, dass er das gemacht hat?«, fragte Fidelma hartnäckig. »Dass er die Abtei in der Nacht verlassen hat, um seine Heimreise anzutreten? An den Stadttoren gibt es doch Wachen. Haben die ihn aus der Stadt gehen sehen?« »Er hat die Abtei vor der Morgendämmerung verlassen. Gesehen hat ihn dabei niemand«, behauptete Bruder Chil-peric ungeduldig. »Kurz nach Sonnenaufgang hat ein Fischer ein Stück stromabwärts die Leiche entdeckt.« »Sobald wir Abt Segdae begegnen, werden wir ihn von dem tragischen Vorfall in Kenntnis setzen und auch, dass du ihn deswegen hast aufsuchen wollen«, erklärte Fidelma, die merkte, dass sie der Sache bereits zu große Aufmerksamkeit schenkten. »Könntest du uns noch sagen, in welcher der Kammern Abt Dabhoc gewohnt hat?«
»Die ist leer. Da findet ihr nichts mehr«, erwiderte der Verwalter und war mit seinen Gedanken schon woanders.
»Aber wo befindet sie sich?«
»Oben im Gästequartier . an demselben Gang wie Bischof Ordgars Gemach ... von seiner Tür gesehen die dritte Zelle.«
Fidelma bedankte sich, doch Bruder Chilperic eilte bereits davon. Kaum war er außer Hörweite, stellte sie fest: »Bruder Gillucan fürchtete um sein Leben, und nun ist er tot.«
»Glaubst du, das hat in irgendeiner Weise mit dem Tod von Abt Dabhoc zu tun?«, fragte Eadulf.
»Wir müssen alle Möglichkeiten in Betracht ziehen. Hast du den Blick bemerkt, mit dem dich Bruder Chilperic bedacht hat?«
»Er hegt vielleicht einen Verdacht, weil er mich im necessarium angetroffen hat. Vermutlich war das etwa zu der Zeit, als Bruder Gillucan sich auf- und davonmachte. Aber hat Gillucan nicht gesagt, er wollte sich einer Pilgergruppe anschließen?«
»Hat er. Wir sollen jedoch all das lieber für uns behalten«, flüsterte Fidelma, »bis wir genau wissen, hat der Mord mit der Sache zu tun, der wir ursächlich nachgehen, oder waltet hier ein bloßer Zufall. Wir dürfen uns nicht selbst in Gefahr bringen. Wenn Gillucan die Abtei vor dem Morgengrauen aus lauter Angst verlassen hat, dann haben ihn die, vor denen er sich fürchtete, umgebracht.«
»Bloß warum? Das will mir nicht in den Kopf.« »Womöglich steckt mehr hinter dem Mord an Abt Dabhoc und nun auch an seinem Kämmerer als lediglich der Streit zwischen Ordgar und Cadfan. Wonach haben diejenigen gesucht, die Dabhocs Kammer geplündert haben? Nach dem Reliquienkästchen? Und wenn dem so ist, warum haben sie es nicht gefunden? Wer hat es jetzt? Und war es das, was man von Gillucan erfahren wollte, als man ihn in seiner Zelle bedrohte? Zu viele Fragen auf einmal, Eadulf. Zu viele Fragen und nicht genug Fakten.«
»Da gebe ich dir recht. Was unternehmen wir als Nächstes? Sollten wir uns umtun, ob Näheres über Bruder Gil-lucans Tod herauszubekommen ist?«
»Gegenwärtig nicht. Falls es da einen Zusammenhang mit der Ermordung Dabhocs gibt, würden wir unsere Gegner nur warnen, dass wir etwas vermuten.«
»Also was dann?«
»Werfen wir einen Blick in das Zimmer von Abt Dabhoc, ehe wir uns unserem ursprünglichen Vorhaben zuwenden, mit Äbtissin Audofleda zu sprechen. Jetzt wissen wir immerhin, dass Dabhoc nicht weit gehen musste, bevor er dem Tod in die Fänge geriet. Seine Kammer liegt am selben Gang wie Ordgars Gemach.«
Abt Dabhocs Kammer war leer, auch hatte man sie gründlich gesäubert. Es gab nirgendwo eine Nische, in der man ein Reliquiar hätte verstecken können. Fidelma schaute sich um und murmelte enttäuscht. »Der Raum hier bringt uns nicht weiter.«
Hinter ihnen hustete jemand. Im Türrahmen stand der mürrische Bruder Benevolentia. »Habt ihr vielleicht mich gesucht? Meine Kammer ist hier in der Nähe.«
Fidelma begrüßte ihn. »Eigentlich nicht. Wir wollten uns nur in Abt Dabhocs Kammer umsehen.«
»Kann ich irgendwie behilflich sein?«
»Wir haben erfahren, dass sein Raum in der Nacht, in der man ihn ermordete, durchwühlt wurde. Du hast wohl nichts davon gehört?«
»Ich hab dir ja schon gesagt, ich habe nichts von dem vernommen, was sich in Bischof Ordgars Gemach zugetragen hat, weil ich so fest schlafe. Erst als Bischof Leodegar und sein Kämmerer mich weckten, begriff ich, was los war«, beteuerte Bruder Benevolentia.
»Kennst du Abt Dabhocs Kämmerer?«, fragte ihn Fidelma.
Er verneinte.
»Wo seine Zelle ist, weißt du wohl auch nicht?«
»Ich kenne ihn nicht, aber seine Zelle ist auf der linken Seite an dem Gang hier. Es ist gleich die erste Tür, ich glaube nicht, dass er gerade drin ist. Allerdings habe ich vor einer Weile gesehen, wie Bruder Chilperic dort herauskam. Klopft doch einfach an.«
»Nein, er ist .«, begann Eadulf, schwieg aber, sowie er Fidelmas Blick auffing.
»Nein, du hast recht. Er wird nicht da sein«, bog Fidelma die Sache ab. »Aber wenn eure Zellen so nah beieinander sind, musst du ihn doch kennen.«
»Ah, jetzt verstehe ich, was du meinst. Ich dachte, du wolltest wissen, ob ich ihn persönlich gut kenne. Ich weiß bloß, dass er zu einer der Delegationen aus fernen Ländern gehört. Näher kenne ich ihn überhaupt nicht. Wir grüßen uns nur im Vorbeigehen, wie es sich gehört.« »Besten Dank für deine Hilfsbereitschaft, Bruder Benevolentia.«
Der Mönch nickte und zog sich in seine Zelle zurück. Fidelma begab sich zu der Zelle, die ihnen eben bezeichnet wurde, und öffnete die Tür. Der Raum war sehr ordentlich verlassen worden, die Decke lag säuberlich gefaltet auf dem Bett. Genau, wie Bruder Chilperic es beschrieben hatte - die Zelle war leer, nichts deutete auf einen überstürzten Aufbruch hin. Hier fanden sich ebenso wenig Anhaltspunkte wie in der Kammer des Abts. »Wortklauberei wie die von dem kann ich nicht leiden!«, brummelte Eadulf hinter ihr.
»Meinst du . Benevolentia? Er hat ja recht. Man sollte seine Worte sorgfältiger wählen, besonders bei Rechtsfragen.« Sie machte eine Handbewegung und stellte fest: »Leider gibt das hier auch nichts her.« Sie gingen hinaus und schlossen die Tür hinter sich.
»Wenigstens wissen wir jetzt, wie diese Kammern räumlich zueinander liegen«, bemerkte sie beim Hinuntergehen zur Vorhalle der Abtei.
»Ist das wichtig?«
»Es ist immer gut, die Räumlichkeiten genau zu kennen, in denen ein Mord geschehen ist, auch die nähere Umgebung. Ist dir aufgefallen, Abt Cadfans Kammer ist am weitesten von Ordgars Gemach entfernt und liegt sogar an einem anderen Gang. Alle anderen wohnten am selben Gang oder jedenfalls nahebei wie Gillucan.«
Eadulf hatte das zwar ebenfalls wahrgenommen, doch wieso das von Bedeutung sein sollte, wollte ihm nicht in den Kopf.
»Es ist einfach gut zu wissen, wo sich etwas abspielt«, wiederholte sie.
Sie überquerten den Vorplatz der Abtei. Zuvor hatten sie sich vergewissert, dass man ins domus feminarum nur gelangen konnte, wenn man den inneren Klosterbezirk durch das Hauptportal verließ und weiter an der Nordseite des Vorplatzes entlangging bis zur Zufahrt zum Wirtschaftshof. Die Pforte zur Gemeinschaft der Frauen befand sich am anderen Ende des Hofs.
Plötzlich rief jemand Fidelma beim Namen, und ein Mann kam ihnen rasch in der mit Marmorplatten ausgelegten Zufahrt entgegen. Er war groß, dunkelhaarig, und die Haut zeigte ein helles Braun. Er trug die römische Tonsur, und sein Gewand war durchaus nicht das eines armen Geistlichen, sondern verriet seinen höheren Rang. »Schwester Fidelma! Habe ich doch richtig gesehen. Ich freue mich, dir wiederzubegegnen.« Er streckte ihr zur Begrüßung die Hand hin.
Fidelma erwiderte den Händedruck, runzelte jedoch die Stirn und suchte sich zu erinnern, woher sie ihn kannte.
»Du erkennst mich wohl nicht? Kein Wunder, ist schon ein paar Jahre her, seit du in Rom warst.«
Mit einem Mal fiel es ihr ein. »Du warst Schreiber im Lateran-Palast.«
»Ich war Schreiber beim Ehrwürdigen Gelasius, dem no-menclator Seiner Heiligkeit. In seinen Amtsräumen habe ich dich mehrfach gesehen, während du die Vorgänge beim Tod von Erzbischof Wighard untersuchtest. Der Ehrwürdige Gelasius hat sich immer wieder gefragt, wie es dir wohl inzwischen ergangen sein mag. Das eine oder andere haben wir über dich und Bruder Eadulf erfahren.« Dabei wandte er sich Eadulf zu, lächelte und reichte ihm auch die Hand. »Und du bist Bruder Eadulf, nehme ich an. Ich kann mich zwar nicht erinnern, dass wir uns begegnet sind, doch ich weiß, in Rom warst du Schwester Fidelmas Begleiter und Helfer.«
Eadulf begrüßte ihn zurückhaltend, denn er wusste überhaupt nicht, wo er den Mann hintun sollte.
»Du bist Bruder Peregrinus«, rief Fidelma unvermittelt. Der Würdenträger lachte verhalten. »Ich fühle mich geschmeichelt, dass du dich meiner entsinnst. Jetzt bin ich Nuntius Peregrinus.«
»Dann bist du der Abgesandte aus Rom?«
»So ist es. Ich bin der zu diesem Konzil entsandte Bevollmächtigte des Heiligen Stuhls. Bischof Leodegar habe ich die Weisungen Seiner Heiligkeit Vitalianus übermittelt, in seinem Namen werde ich dem Konzil den Segen erteilen und den Beschlüssen Autorität verleihen. Ich werde das Ergebnis der Beratungen entgegennehmen und die auf dem Konzil gefassten Beschlüsse nach Rom bringen. Sicherlich wird der Ehrwürdige Gelasius hoch erfreut sein, von dir zu hören. Erst gestern habe ich vom Bischof erfahren, dass du hier bist, denn ich war unterwegs, einige der Kirchen in der Nähe dieser Stadt zu besuchen. Ich bin froh, dass die Klärung der Dinge nun in zuverlässigen Händen liegt. Was sich hier zugetragen hat, ist äußerst bedauerlich. Bischof Leodegar hat klug gehandelt, sich deiner Gaben zu bedienen, dieses Knäuel von Widersprüchen zu entwirren.«
Fidelma suchte das Lob herunterzuspielen. »Wir können nur das tun, wozu wir in der Lage sind, Nuntius. Ich hoffe, der Ehrwürdige Gelasius erfreut sich guter Gesundheit. Seine Stellung in Rom füllt er wohl noch immer aus?«
»Ja, es geht ihm gut, und er denkt an dich voller Wohlwollen. Du hast Rom einen großen Dienst erwiesen, und das wird er nie vergessen.«
»Er preist mich über Gebühr.«
»Keineswegs. Seit Vitalianus auf den Thron des heiligen Petrus gewählt wurde, ist die Kirche in beträchtlichem Maße vorangekommen. Die Spaltungen, die die Christenheit entzweit haben, werden dank Seiner Heiligkeit allmählich überwunden. Er ist bestrebt, die Beziehungen zwischen Konstantinopel und Rom zu verbessern, und unternimmt Annäherungsversuche, indem er Emissäre mit Geschenken zum Patriarchen Petrus von Konstantinopel entsendet. Damit hat er Erfolg gehabt, denn nun wird sein Name als Bischof von Rom erstmals seit vielen Generationen in den Diptycha der Ostkirchen verzeichnet.« »Diptycha?« Eadulf krauste die Stirn.
»Verzeichnisse derjenigen, die sich in Übereinstimmung mit den Lehren des Glaubens befinden und würdig sind, höchste Kirchenämter zu bekleiden«, erläuterte Fidelma nebenher.
»So ist es«, bestätigte Nuntius Peregrinus. »Vitalianus ist gleichfalls bemüht, die Spannungen zwischen den Angelsachsen und den Britanniern zu mildern. Er hat Theodor entsandt, um unter ihnen als Erzbischof von Canterbury zu wirken. Auch wendet er sich gegen die Ketzerei des Monotheletismus und ist bestrebt, alle Kirchen in einen Gleichklang mit Rom zu bringen. Deshalb ist dieses Konzil von so großer Bedeutung.«
»Offenbar dient sein Ehrgeiz der Stärkung Roms«, bemerkte Fidelma vorsichtig.
»Ein Ehrgeiz, der nur der Stärkung des Glaubens dient.« »Wir werden unser Bestes tun, um die Vorfälle zu klären, die zum Aufschub der Eröffnung des Konzils geführt haben. Was ich gern gewusst hätte, Nuntius, hast du Bischof Leodegar gegenüber erwähnt, dass du mich kennst?« »Nein. Ich wollte erst sehen, ob du wirklich die Fidelma bist, der ich in Rom begegnet bin. Möchtest du, dass ich ihm das sage?«
»Es stünde ganz bei dir«, erwiderte sie.
»Falls du irgendwann Hilfe benötigst, vertrau darauf, Schwester, du hast einen einflussreichen Freund im Lateran«, versicherte ihr der Nuntius. »Und wenn ich hier etwas tun kann, lass es mich wissen. Vielleicht lässt es sich einrichten, dass wir uns später treffen und über die vergangenen Jahre plaudern. Der Ehrwürdige Gelasius wird von mir hören wollen, wie es dir inzwischen ergangen ist.«
»Wir könnten uns vor der Abendmahlzeit im calefacto-rium treffen«, schlug Fidelma vor.
»Wunderbar. Ich werde dort sein.«
Nuntius Peregrinus drehte sich um, winkte noch einmal zurück und eilte davon. Aus einer Ecke löste sich sein schweigsamer Schatten und folgte ihm. Das war ein bewaffneter Hüter aus dem Lateran-Palast, der Peregrinus beigegeben war, um sein Ansehen als Gesandter von Papst Vitalianus zu erhöhen.
»Die Welt ist ein Dorf«, murmelte Eadulf, während sie auf die Pforte zugingen.
»Es könnte nützlich sein, dass der Nuntius sich an uns erinnert«, meinte Fidelma. »Ich habe das Gefühl, wir werden seine Hilfe noch benötigen, um mit Bischof Leodegar zurechtzukommen.«