KAPITEL 18

Der junge Mann, der hinten auf den Wagen gesprungen war, rollte kopfüber zu ihnen hinein, blieb kurz auf dem Rücken liegen und rang nach Luft. Auf eine etwas düstere Art war er hübsch anzusehen - dunkle Augen, schwarzes Haar und ein bläulicher Schimmer auf den glattrasierten Wangen. Nur einen Moment streifte sein Blick Fidelma, bevor er sich aufrichtete und am Kutschbock Halt suchte, wo Bruder Budnouen und Eadulf saßen. Der Gallier mühte sich, seine Maultiere zu einer schnelleren Gangart zu bewegen.

Hastig sprach der neue Fahrgast auf Fränkisch auf Bruder Budnouen ein, drehte sich dann um, sagte etwas zu Fidelma, bemerkte ihren hilflosen Gesichtsausdruck und schwenkte auf Latein um.

»Verzeih, dass ich euch Ungelegenheiten bereite. Räuber sind hinter mir her. Meinen Diener hat es schon erwischt -der arme Teufel, ein Pfeil mitten ins Herz. Ich machte kehrt, aber sie haben mein Pferd zu Fall gebracht und sind mir auf den Fersen.«

Er spähte zurück in den Wald und wandte sich wieder Bruder Budnouen zu. »Kannst du die Tiere nicht schärfer antreiben?«

»Ich versuche mein Bestes, Sire«, war die Antwort. Offenbar war der junge Mann für ihn kein Unbekannter.

»Sire?« Fidelma wunderte sich über die Anrede.

»Ich bin Chlothar, Herrscher über das Königreich hier.« Fidelma und Eadulf blieb keine Zeit, etwas zu erwidern. Bruder Budnouen hatte die Maultiere die Peitsche spüren lassen, und sämtliche Mitfahrenden hatten nun ihre liebe Not, sich in dem schwankenden Gefährt zu halten. Dass die sonst gemächlich dahinzockelnden Maultiere so schnell laufen konnten, hätte Fidelma nie gedacht.

»Da vorn kommt eine Weggabelung«, schrie der junge Mann. »Bieg dort nach rechts ab. So Gott will, müssten wir bald auf Leute aus meiner Jagdgesellschaft treffen.« Bruder Budnouen brummte sein Einverständnis.

Das Gefährt nahm die Kurve in halsbrecherischem Tempo und kippte kurzzeitig auf zwei Räder. Eadulf fürchtete schon, sie würden sich überschlagen. Verzweifelt klammerten sich alle fest, als der Karren mit derbem Schwung auf seine vier Räder zurückkam und sie die Waldschneise entlangrasten.

»Sie holen uns ein!«, brüllte Clothar plötzlich.

Gefährlich nahe hinter ihnen war ein halbes Dutzend Reiter aus dem Tannendickicht hervorgeprescht. Fidelmas geschultes Auge sagte ihr, dass es sich um geübte Reiter handelte.

»Wir können nur hoffen, deine Männer sind nicht weit«, rief Eadulf besorgt.

»Dein Wunsch in Gottes Ohr«, schrie Chlothar zurück. Er griff nach einem Jagdhorn an seinem Gürtel und blies mehrfach kräftig hinein. Laute Töne zerrissen die Luft. Dann riet er Fidelma: »Kauere dich unten in den Wagen, Schwester, da bist du besser geschützt. Sie haben Bogenschützen bei sich, und so, wie du da sitzt, gibst du eine blendende Zielscheibe ab.«

Er brauchte es ihr nicht zweimal zu sagen. Sie rutschte nach unten und drückte sich hinten in den Wagenkasten, wo auch Chlothar Schutz gesucht hatte. Gerade wollte sie Eadulf zurufen, es ebenso zu machen, da war es geschehen: Ein pfeifendes Geräusch und ein Aufschrei von Bruder Budnouen ertönten. Starr wie eine Statue blieb er auf dem Kutschbock sitzen. Dann sickerte ihm Blut aus dem Mund, lief über das Kinn, und als Fidelmas Blick dem Rinnsal folgte, sah sie mit Entsetzen, dass ihm eine Pfeilspitze aus der Kehle stach und das Ende des Pfeils hinten aus dem Nacken ragte. Die Zügel glitten ihm aus den Händen, kraftlos sackte Bruder Budnouen zur Seite und stürzte von dem holpernden Wagen.

Geistesgegenwärtig ergriff Eadulf die Zügel, rutschte auf den Platz, auf dem eben noch der unglückliche Bruder Budnouen gesessen hatte, und hielt das Gefährt am Rollen. Sein schnelles Handeln überraschte selbst Fidelma. Er hatte die Zügel schon an sich gerissen, noch ehe der Gallier vom Kutschbock gefallen war.

»Ducken! Bleib, wo du bist!«, rief Chlothar ihr zu. »Das sollen sie büßen! Zur Hölle mit ihnen!«

»Schön wär’s, wenn wir das noch erlebten!« Fidelma drückte sich an den Boden und machte sich so klein wie möglich, um dem Bogenschützen kein Ziel zu bieten.

»Das hast du gut gesagt, Schwester.« Chlothar lachte bitter auf. Er schielte zu Eadulf, der gleichfalls nach unten gerutscht war und die hintere Seite des Wagenkastens als Schutzschild nutzte. »Diese verdammten Schurken. Das wird sie teuer zu stehen kommen.«

Zwei weitere Pfeile zischten durch die Luft und blieben über ihnen im Kutschbox stecken. Erneut ließ Chlothar gellende Töne aus seinem Jagdhorn erschallen.

»Schurken sind das allemal, aber ihr Bogenschütze - der hat was drauf«, stellte Fidelma mit einem Anflug von schwarzem Humor fest. »Vom Pferd in vollem Galopp und so treffsicher, dazu gehört schon was.«

Verblüfft starrte Chlothar sie an. »Du verstehst wohl etwas davon, Schwester?«

»Ein bisschen schon«, gab sie zu.

Die Reiterbande war drauf und dran, sie einzuholen. Da schrie Eadulf: »Reiter vor uns!«

Fidelma sah, wie die Verfolger versuchten, ihre Pferde jäh zum Wenden zu bringen. Das führte zu einem kurzen Durcheinander in der Gruppe, aber gleich darauf stoben sie davon.

An die fünfzig Reiter umringten das Gefährt, in dem Chlothar jetzt aufrecht stand. »Bruder, du kannst anhalten!«, rief er erleichtert Eadulf zu. Dann wandte er sich an den Anführer der Retter und erteilte ihm in seiner Sprache Befehle. Der hob die Hand und bedeutete seinen Mannen, den Räubern nachzusetzen. Zwanzig Krieger blieben als Leibwache zurück. Aus denen wählte Chlothar drei aus und sprach mit ihnen, woraufhin auch sie davonritten. Mit ernstem Gesicht drehte er sich zu Fidelma und Eadulf um und erklärte:»Ich habe sie zurückgeschickt. Sie sollen den Weg nach eurem Gefährten absuchen. Vielleicht kann ihm noch geholfen werden. Wenn nicht, werden sie seinen Leichnam herbringen, in allen Ehren, wie es sich gehört. Er hat sein Leben gegeben und meins gerettet. Eure Hilfe kam zur rechten Zeit. Ich danke euch. Es tut mir leid, dass ihr euren Gefährten zu beklagen habt, Schwester ... Du bist doch eine fromme Schwester, oder nicht?« Er sprach fließend Latein.

In gemessener Haltung neigte sie den Kopf.

»Ich bin Schwester Fidelma aus Hibernia, und das neben mir ist Bruder Eadulf, mein Gatte. Der Mann, der getötet wurde - ich habe wenig Hoffnung, dass er eine solche Verwundung überlebt -, war ein Gallier namens Bruder Budnouen.«

Ungläubig schaute der König sie an.

»Fidelma aus Hibernia? Fidelma von Cashel? Eadulf, ihr Begleiter? Fidelma, die Anwältin und Schwester des Königs von Mu-in, das bist du?« Es war ein gutgemeinter Versuch, das Wort Muman auszusprechen.

Jetzt war es an Fidelma, einen überraschten Blick mit Ea-dulf zu wechseln.

»Ich komme aus Cashel, der Hauptstadt meines Bruders Colgü, des Königs. Ja, und ich bin eine dalaigh, eine Anwältin im Rechtswesen meines Landes«, bestätigte sie. Freudig nahm es der junge Mann zur Kenntnis. »Dein Ruf ist dir an meinen Hof vorausgeeilt. Viele deiner Landsleute sind als Lehrer und Ratgeber zu uns gekommen. Alle rühmen deine Taten.«

»Ihr Lob schmeichelt mir. Aber dass wir gerade hier durch den Wald kamen, war der reine Zufall und für dich ein wahres Glück.«

»Wolltet ihr nach Autun?«, erkundigte sich der König. »Wir waren auf dem Rückweg von Guntrams Burg«, sagte Fidelma.

»Wir waren im Süden auf der Jagd«, erzählte Clothar, »und wollten Graf Guntram einen unangemeldeten Besuch abstatten. Denn ich muss ohnehin nach Autun und mich beim Konzil sehen lassen. Nimmst du auch daran teil? Ich kann mir allerdings nicht vorstellen, dass Bischof Leodegar es gern hört, wenn Frauen eine Meinung äußern«, stellte er mit fröhlichem Grinsen fest.

»Hat man dir nicht berichtet, dass das Konzil noch gar nicht begonnen hat? Und dass es Morde gegeben hat?« Chlothar zog die Stirn kraus. »Doch, ein fremdländischer Abt soll getötet worden sein, vor einer Woche. Ist es dort immer noch gefährlich?«

»Ich kann nur raten, Vorsicht walten zu lassen«, meinte Fidelma.

Die drei Krieger kehrten mit dem Leichnam von Bruder Budnouen zurück. Wie Fidelma vermutet hatte, war er tot. Betroffen blickte Chlothar auf den Toten. »Wenn ich irgendetwas tun kann«, begann er, »vielleicht jemanden benachrichtigen .«

»Wir haben ihn selbst kaum gekannt«, erklärte Fidelma. »Auf unserer Reise hierher hat er uns von Nebirnum nach Autun gebracht und jetzt von Autun zu Graf Guntram. Ich denke, wir sollten alles Weitere Bischof Leodegar überlassen, der weiß sicher mehr über Budnouen und seine Familie.«

Der junge König gab sich damit zufrieden und hieß die Krieger, die Leiche hinten in das Gefährt zu legen. Sich wieder Fidelma und Eadulf zuwendend, fragte er: »Wir gedachten, für heute Nacht Guntrams Gastfreundschaft in Anspruch zu nehmen, ehe wir uns dann in die Stadt aufmachen. Hältst du das für einen vernünftigen Gedanken?« Sie wollte etwas sagen, doch das Dröhnen vieler Hufe hielt sie davon ab. Der Haupttross der Krieger näherte sich ihnen, geführt von einem älteren Mann. Er rief irgendetwas. Chlothar übersetzte es ihnen: »Sie haben alle getötet.«

»Alle sind tot? Keiner, der lebt? Schade!«, entfuhr es Fidelma.

Fassungslos starrte sie der Anführer an. »Dir tut es leid, dass die Räuber tot sind?«, schnauzte er auf lateinisch.

»Du hast Mitleid mit denen, die unseren König umbringen wollten? Weißt du überhaupt, in wessen Gesellschaft du dich befindest, Frau?«

»Ich bedauere es nur deswegen, weil wir von Toten nichts mehr erfahren können«, erwiderte sie ungerührt.

Chlothar blickte den erzürnten Krieger an. »Sie hat guten Grund, so etwas zu sagen, Ebroin. Du musst wissen, sie ist Fidelma, Schwester des Königs Colgü von Cashel. Sie ist die berühmte Anwältin aus Hibernia. Fidelma, das hier ist Ebroin, mein Ratgeber und Kanzler. Ach ja, und das ist Bruder Eadulf, von dem du im Zusammenhang mit den von Fidelma vollbrachten Taten vielleicht auch gehört hast.«

Ebroin war sogleich milder gestimmt.

»Verzeih, Prinzessin Fidelma. Trotzdem, ich verstehe nicht, was du damit sagen wolltest. Wie kann man von Räubern und Wegelagerern etwas Brauchbares erfahren?« »Sie vermutet in ihnen vielleicht gar keine Räuber, sondern hält sie für erfahrene Krieger«, antwortete Chlothar für sie. »Stimmt’s?«

Ebroin betrachtete Fidelma skeptisch. »Ich gebe zu, sie waren gut bewaffnet und haben sich wie geübte Krieger verteidigt«, meinte er, »aber nichts deutet darauf hin, dass sie nicht auch Räuber waren. Viele ehemalige Krieger werden zu Räubern und Wegelagerern. Meine Leute durchsuchen jetzt die Leichen, um vielleicht etwas zu finden, das Aufschluss über sie gibt.«

»Kann das, was wir eben erlebt haben, mit den Geschehnissen in der Abtei zusammenhängen?«, fragte Chlothar. »Vielleicht finden wir ein Plätzchen, Sire, wo es sich bequemer ausruhen lässt und wir die nächsten Schritte beraten können«, schlug Fidelma vor.

»Ein Stückchen weg von hier gibt es eine Waldhüterhütte, die würde sich anbieten«, erinnerte sich Chlothar.

»Ganz wie du meinst, Majestät«, sagte Ebroin beflissen und befahl einigen seiner Krieger, vorauszureiten und die Hütte abzusichern, während die anderen sich um den König und die Fremden im Kreis gruppieren sollten.

»Komm, Fidelma, wir reiten zusammen!«, rief der junge König. Er bedeutete zweien seiner Männer, abzusitzen und ihre Pferde ihm und Fidelma zu überlassen. Sie sollten sich um Bruder Budnouens Fuhrwerk kümmern, in das man mit gebührender Sorgfalt den Leichnam gelegt hatte. »Eins muss ich wissen, Fidelma von Cashel, sind es wahre Geschichten, die deine Landsleute voller Stolz von dir berichten?«

Er überfiel sie mit einem Feuerwerk von Fragen, was ihr wenig behagte.

Im Wagen hinter ihnen saß Eadulf und war verstimmt.

Von Anfang an hatte man ihn so gut wie gar nicht beachtet. Schweigend nahm er es hin. Im Vergleich zu Fidelma als Schwester eines Königs spielten sein Rang und Name in den Augen Chlothars eine geringfügige Rolle. Auch fiel ihm auf, dass Ebroin, der Ratgeber des jungen Königs von Neustrien, der hinter den beiden ritt, stumm und argwöhnisch blieb.

Nicht lange, und sie erreichten die Hütte, wo ein hell loderndes Feuer brannte und der Waldhüter und seine Frau sie gastfreundlich empfingen.

Feuer und warmes Bier machten das Erzählen leicht. Fidelma berichtete kurz, was in Autun geschehen war. Dabei beschränkte sie sich auf die Tatsachen und behielt ihre Verdachtsmomente für sich.

»Glaubst du, unser König ist in Gefahr?« Ebroin hatte sich zu Fidelma vorgebeugt und sah sie eindringlich an. »Ich habe Bischof Leodegar nie gemocht. Als er noch am Hofe war, hatte er engen Kontakt zu Chlothars Mutter - geheuer war mir das nicht.«

»Wer die treibende Kraft bei all dem ist, kann ich noch nicht mit Sicherheit sagen«, gab sie zur Antwort. »Leodegar leitet die Abtei mit Strenge und nach unverrückbaren Auffassungen. Ich muss erst noch einige weitere Nachforschungen anstellen.«

»Pah! Ein paar Minuten mit einem meiner Männer und eine scharfe Klinge, sollst mal sehen, wie schnell wir aus jedem x-beliebigen die Wahrheit herausgekitzelt haben. Leodegar traue ich nicht über den Weg«, entgegnete Ebroin.

Seine Sichtweise der Dinge erschreckte Fidelma. »Ich weiß nicht, wie ihr es hier handhabt, Ebroin, aber in dem Land, aus dem ich komme, stellen wir in Ruhe Ermittlungen an, und erst, wenn genügend Beweise vorliegen, kommt es zur Anklage. Dabei wird den Angeklagten die Möglichkeit gewährt, sich zu verteidigen. Durch Folter oder Einschüchterung erzwungene Geständnisse sind keine wirklichen Geständnisse, sie sind lediglich ein Hilfeschrei, dem Schmerz ein Ende zu setzen.« »Da ist etwas Wahres dran, Fidelma«, sagte Chlothar mit besorgter Miene, »wenn es aber in Autun so gefährlich ist ...« »Weißt du, ob der Nuntius von Rom noch dort weilt?«, fragte Ebroin. Als Fidelma nickte, sagte Ebroin zu Chlothar: »Rom erwartet, dass du dich in Autun sehen lässt, Majestät. Du sollst die auf dem Konzil getroffenen Entscheidungen billigen, und als Gegenleistung will der Heilige Vater dich als Imperator aller Franken bestätigen.«

»Aber wie finden wir heraus, ob von Leodegar Gefahr ausgeht?«, fragte der junge König.

»Was heißt hier >ob

»Deshalb hat ihn meine Mutter ja auch nicht länger am Hof behalten.«

»Ach was! Dafür ist er Bischof von Autun geworden. Und nun braut sich in Autun das nächste Unheil zusammen.« Fidelma räusperte sich hörbar, weil sie ins Gespräch eingreifen wollte, aber ehe sie dazu kam, tauchte einer der Krieger auf. Er hielt etwas in der Hand.

»Das ist das einzig Auffällige, was wir bei einem der toten Räuber gefunden haben, Majestät.« Er hielt ihm den Fund hin. Es war so etwas wie ein Symbol - ein Bronzekreis mit einem gezackten Schrägkreuz in der Mitte.

»Irgendwo habe ich das Zeichen schon mal gesehen«, sagte Fidelma. »Was bedeutet es?«

Ebroin warf einen Blick darauf und zuckte gleichgültig mit den Schultern.

»Nichts Besonderes, für uns jedenfalls nicht. Es ist das Kreuz von Benignus, die Burgunden lieben es. Du wirst es hier vielerorts finden.«

»Ist es ein burgundisches Symbol?«

»Ja. Die burgundischen Könige hatten es auf ihren Schilden. Das war, bevor sie die Herrschaft der Franken anerkannten.«

Fidelmas leiser Stoßseufzer war nicht zu überhören, und Chlothar fragte erwartungsvoll: »Sagt dir das etwas, Fidelma?«

»Es könnte auf eine Verschwörung gegen dich hinweisen, Majestät«, erwiderte sie. »Aber Genaueres weiß ich im Augenblick noch nicht.«

»Was, schlägst du vor, sollten wir tun?«

»Eadulf und ich sollten zur Abtei zurückkehren. Das würde mir gestatten, einige Spuren weiter zu verfolgen.«

»Ich bin dagegen!«, erklärte Ebroin. »Es könnte diejenigen warnen, die hinter .«

»Hinter wem oder was?«, unterbrach ihn Chlothar. »Wir haben keinen Anhaltspunkt. Was würdest du denn raten, Ebroin?«

»Ich würde nach Autun reiten, die Verschwörer ausfindig machen, die bei Leodegar Schutz genießen, sie als Rebellen verbrennen und der Stadt eine Lektion erteilen.« Fidelma zwang sich zu einem Lachen. Es klang unnatürlich und hohl, aber anders konnte sie sich nicht von ihrem Unmut über einen solchen Vorschlag befreien. Ein weiteres Mal hatte sie die Aufmerksamkeit des Königs auf sich gelenkt.

»Welchen Nutzen hätte das?«, fragte sie. »Was bringt es, sich an unglücklichen Menschen zu rächen, ohne zu wissen, ob sie sich überhaupt eines Verbrechens schuldig gemacht haben? Möchtest du bei deinem Volk als Tyrann in Erinnerung bleiben? Das wäre ein Leichtes. Willst du aber als König umjubelt sein, der mit Gerechtigkeit regiert, dann lass uns erst die Schuldigen finden, ehe du blindwütig strafst.«

Ebroin verzog höhnisch das Gesicht, doch Chlothar verwehrte ihm mit erhobener Hand, Fidelma zu widersprechen.

»Ich habe vorhin schon gesagt, ich habe aus dem Munde von Lehrern aus deinem Land erfahren, wie ihr es mit Rechtsprechung und Gesetzgebung haltet. Gern würde ich mir eure Herangehensweise zum Vorbild nehmen.« Dann sagte er zu Ebroin: »Du bist mir ein guter Mentor gewesen, alter Freund. Ich habe jedoch den Eindruck, du hältst mich nicht für reif genug, Entscheidungen zu treffen, die mir als König zukommen. Im vorliegenden Fall aber weiß ich, was ich zu tun habe. Ich werde dem weisen Rat dieser Prinzessin aus Hibernia folgen.«

Ebroin wollte etwas sagen, besann sich jedoch eines Besseren und fügte sich den Wünschen seines Herrn. Der König wandte sich wieder Fidelma zu.

»Was also, schlägst du vor, sollten wir tun?«

»Könntest du dich mit dem Gedanken anfreunden, noch ein paar Tage zu warten, ehe du in die Stadt einziehst? Du hattest doch vor, bei Graf Guntram vorbeizuschauen. Tu das. Wenn ich soweit bin, lasse ich es dich wissen, und dann komm in die Abtei. Es könnte durchaus sein, dass ich die Unterstützung deiner Krieger brauche.«

»Ich habe nur fünfzig kampferprobte Männer bei mir, aber es sind meine besten Leute.«

»Sollten sich Rebellen zusammenrotten, sind mehr Krieger vonnöten«, gab Ebroin zu bedenken.

»Einer kann zu meiner Burg zurückreiten und weitere Bewaffnete holen«, befand Chlothar.

»Und Guntram? Was immer für eine Verschwörung das sein mag, steckt Guntram da mit drin?«, wollte Ebroin von Fidelma wissen.

»Ich glaube nicht, dass Guntram etwas damit zu tun hat, Majestät. Außerdem hat er nur zwölf Mann auf seiner Burg. Ich wäre dafür, dass du mit deinen Leuten, wie ursprünglich vorgesehen, zu Guntram reitest. Bleib dort so lange, bis ich dich rufe. Sollte ich mich irren, was Guntrams Loyalität angeht, dann wird ihn allein die Gegenwart deiner Krieger in Schach halten. Ich denke jedoch, er ist mehr auf seine Annehmlichkeiten als auf irgendetwas anderes bedacht. Nein, die eigentliche Gefahr geht von Au-tun aus.«

»Wie lange, glaubst du, werden wir auf Guntrams Burg ausharren müssen?«, fragte Chlothar.

»Nur ein paar Tage. Ich bin sicher, die Hauptschuldigen ziemlich rasch entlarven zu können. Es hat bereits Anschläge auf unser Leben gegeben, und das werte ich als ein untrügliches Zeichen, dass wir unmittelbar vor des Rätsels Lösung stehen.«

»Dann dürfte es doch aber für dich und Eadulf gefährlich sein, nach Autun zurückzukehren?«

»Weitaus gefährlicher dürfte es für dich sein, wenn wir es nicht täten. Du hörst von einem von uns beiden, wann wir dich in der Stadt erwarten.«

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