Kapitel 3

Montag — 15.25 Uhr

Zu Tanners großer Überraschung wurde er am Flughafen von einer Limousine der F.C.C. abgeholt.

Cranstons Büro befand sich im fünften Stockwerk des F.C.C.-Gebäudes; jeder Nachrichtenchef einer größeren Station war schon irgendeinmal dorthin gerufen worden. Cranston war ein Laufbahn-Beamter — die Fernsehgesellschaften respektierten ihn ebenso wie die wechselnden Administrationen —, und deshalb ertappte Tanner sich dabei, wie er sich über diesen unbekannten Laurence Fassett ärgerte, der indigniert sagen konnte: >… Cranston war nicht befugt, eine solche

Entscheidung zu treffen.<

Er hatte noch nie von Laurence Fassett gehört.

Tanner stieß die Tür zu Cranstons Vorzimmer auf. Es war leer. Der Tisch seiner Sekretärin war ebenfalls leer — keine Blocks, keine Bleistifte, keinerlei Papiere. Die ganze Beleuchtung kam aus Cranstons Bürotüre. Sie stand offen, und er konnte das leise Summen der Klimaanlage hören. Die Vorhänge waren zugezogen, wahrscheinlich, um die grelle Sommersonne nicht hereinzulassen. Und dann sah er gegen die Bürowand den Schatten einer Gestalt, die auf die Tür zukam.

«Guten Tag«, sagte der Mann, der jetzt auftauchte. Er war etwas kleiner als Tanner, vielleicht einen Meter fünfundsiebzig oder siebenundsiebzig, aber sehr breitschultrig. Sein blondes Haar war kurzgeschnitten, und seine Augen unter buschigen, hellbraunen Brauen standen weit auseinander. Er mochte etwa gleichalt wie Tanner sein, aber ohne Zweifel ein Mann, der viel mehr Sport trieb. Selbst wie er jetzt vor ihm stand, wirkte er sprungbereit, dachte Tanner.»Mr. Fassett?«

«Richtig. Kommen Sie doch bitte herein. «Statt in Cranstons Büro zurückzugehen, trat Fassett an Tanner vorbei zur Tür und versperrte sie.»Wir sollten nicht gestört werden.«»Warum nicht?«fragte Tanner verblüfft. Laurence Fassett sah sich im Zimmer um.»Ja. Ja. Ich verstehe, was Sie meinen. Kommen Sie doch bitte herein. «Fassett ging vor Tanner in Cranstons Büro. Die Vorhänge an den beiden Fenstern zur Straße waren völlig zugezogen; Cranstons Schreibtisch war ebenso leer wie der seiner Sekretärin, abgesehen von zwei Aschenbechern und einem weiteren Gegenstand. In der Mitte der freien Tischfläche stand ein kleines Wollensak-Tonbandgerät mit zwei Schnüren — eine führte vor Cranstons Stuhl, die andere vor den Stuhl vor Cranstons Schreibtisch.

«Ist das ein Tonbandgerät?«fragte Tanner und folgte Fassett ins Büro.

«Ja. Setzen Sie sich doch bitte.«

John Tanner blieb stehen. Als er dann sprach, klang leise Wut aus seiner Stimme.»Nein, ich will mich nicht setzen. Das gefällt mir nicht. Ihre Methoden sind sehr unklar, oder vielleicht auch zu klar. Wenn Sie vorhaben, irgend etwas, daß ich sage, auf Band aufzunehmen, wissen Sie ganz genau, daß ich das nicht zulassen werde, wenn nicht ein Anwalt unserer Anstalt zugegen ist.«

Fassett stand jetzt hinter Cranstons Schreibtisch.»Das ist keine F.C.C.-Angelegenheit. Wenn ich Ihnen die Zusammenhänge erklärt haben werde, werden Sie meine — Methoden verstehen.«

«Sie erklären das am besten sehr schnell, weil ich nämlich jetzt wieder gehen werde. Die F.C.C. hat mich gerufen, um die Kommunaleinschaltungen zu liefern, die Standard Mutual eingeplant hatte — die sind in meiner Aktentasche — und zwei Kopien unseres Antrags zu unterzeichnen, die Ihr Büro uns nicht geschickt hat. Sie haben mir erklärt, Sie würden mich mit Cranston gemeinsam empfangen. Statt dessen finde ich ein Büro, das offensichtlich nicht benutzt wird… Ich würde sagen, Ihre Erklärung sollte sehr gut sein, sonst hören Sie nämlich binnen einer Stunde von unseren Anwälten. Und wenn das irgendeine Art Vergeltungsaktion gegen die Nachrichtenabteilung von Standard Mutual sein sollte, dann werden Sie von Küste zu Küste davon hören, das verspreche ich Ihnen.«

«Es tut mir leid… Diese Dinge sind nie einfach.«

«Das sollten sie auch nicht sein!«

«Jetzt mal langsam. Cranston ist in Urlaub. Wir haben seinen Namen benutzt, weil Sie schon früher mit ihm zu tun hatten.«»Sie wollen, sagen, Sie hätten absichtlich gelogen?«

«Ja. Der Schlüssel, Mr. Tanner, liegt in dem Satz, den Sie gerade gebracht haben. >Die F.C.C. hat mich gerufen<, sagten Sie, glaube ich. Darf ich Ihnen meine Legitimation zeigen?«

Laurence Fassett griff in die Brusttasche und entnahm ihr ein kleines Plastiketui. Er hielt es über den Schreibtisch.

Tanner klappte es auf.

Die oberste Karte identifizierte Laurence C. Fassett als Angestellten der Central Intelligence Agency.

Die zweite Karte enthielt eine Genehmigung für Fassett, die Anlage in McLean zu jeder Tages- oder Nachtstunde zu betreten.

«Was soll das Ganze? Weshalb bin ich hier?«Tanner reichte Fassetts Papiere zurück.

«Das ist der Grund für das Tonbandgerät. Lassen Sie mich erklären. Ehe ich auf unsere Angelegenheit hier eingehe, muß ich Ihnen ein paar Fragen stellen. Hier sind zwei Schalter, mit denen man das Gerät abstellen kann. Einer hier bei mir, der andere dort bei Ihnen. Wenn ich Ihnen irgendwann eine Frage stellen sollte, die Sie nicht beantworten möchten, brauchen Sie nur den Schalter zu drücken, und das Gerät bleibt stehen. Andererseits — und auch das dient Ihrem Schutz — werde ich das Gerät anhalten, wenn ich der Ansicht bin, daß Sie hier Dinge sagen, die uns nichts angehen. «Fassett setzte das Gerät mit seinem Schalter in Gang, griff dann über die Schreibtischplatte nach der Schnur vor Tanners Stuhl und hielt es an.

«Sehen Sie? Ganz einfach. Ich habe schon Hunderte solcher Interviews mitgemacht. Sie brauchen sich wirklich keine Sorgen zu machen.«

«Das klingt wie ein Verhör vor einem Verfahren, ohne daß ich einen Anwalt zur Verfügung hatte oder man mich vorgeladen hätte! Was soll das? Wenn Sie glauben, mich einschüchtern zu können, sind Sie verrückt!«

«Das soll Sie ganz einfach eindeutig positiv identifizieren… Und Sie haben völlig recht. Wenn es unsere Absicht war, jemanden einzuschüchtern, dann haben wir uns ohne Zweifel jemanden ausgesucht, der ebenso verläßlich ist, wie J. Edgar Hoover. Und selbst er kontrolliert nicht die Nachrichtenredaktion einer Fernsehanstalt.«

Tanner sah den CIA-Mann an, der höflich hinter Cranstons Schreibtisch stand. Was Fassett da sagte, hatte etwas für sich. Der CIA würde gegen jemanden in seiner Position niemals mit so durchsichtiger Taktik vorgehen.

«Was soll das heißen: >eindeutig positive Identifizierung

«Das soll Ihnen einen Hinweis auf die Größenordnung und die Bedeutung der Information geben, die ich Ihnen zu übermitteln befugt bin. Es handelt sich lediglich um außergewöhnliche Vorsicht, die angesichts der Bedeutung dieser Daten durchaus angemessen ist… Wußten Sie, daß im Zweiten Weltkrieg ein Schauspieler — ein Korporal in der britischen Armee, um es genau zu sagen — bei Konferenzen auf höchster Ebene die Rolle von Feldmarschall Montgomery spielte und daß sogar einige von Montgomerys Klassenkollegen aus Sandhurst das nicht bemerkten?«

Tanner griff nach der Schnur und betätigte den EIN- und AUSSchalter. Das Gerät lief an und stoppte wieder. John Tanners Neugierde — in die sich Furcht mischte — wuchs. Er setzte sich.

«Also gut, fangen Sie an. Aber denken Sie daran, daß ich das Band jederzeit abschalten und gehen werde, wenn ich das will.«

«Ich verstehe. Das ist Ihr Recht — bis zu einem gewissen Punkt.«

«Was soll jetzt das wieder heißen? Keine Einschränkungen bitte!«

«Haben Sie Vertrauen zu mir. Sie werden verstehen. «Fassetts beruhigender Blick erfüllte seinen Zweck.

«Also gut«, sagte Tanner.

Der CIA-Mann nahm seinen Aktendeckel und klappte ihn auf. Dann setzte er das Gerät in Gang.

«Ihr voller Name ist John Raymond Tanner?«»Falsch. Mein gesetzlicher Name ist John Tanner. Raymond ist ein reiner Taufname und ist auf meinem Geburtsschein nicht registriert. «Fassett lächelte.»Sehr gut.«»Danke.«

«Ihre gegenwärtige Adresse ist 22 Orchard Drive, Saddle Valley, New Jersey?«»Richtig.«

«Sie sind am 21. Mai 1924 in Springfield, Illinois, als Sohn von Lucas und Margaret Tanner geboren?«»Ja.«»Ihre Familie zog, als Sie sieben Jahre alt waren, nach San Mateo, Kalifornien?«»Ja.«

«Warum?«

«Die Firma meines Vaters hat ihn nach Nord-Kalifornien versetzt. Er war Personalleiter für eine Kette von Kaufhäusern. Die Bryant Stores.«»Bequeme Verhältnisse?«»Einigermaßen.«

«Sind Sie auf den öffentlichen Schulen von San Mateo ausgebildet worden?«

«Nein: Ich habe an der San-Mateo-Oberschule die zweite Klasse absolviert und ging anschließend für das Abschlußjahr der Sekundärschule auf eine private Anstalt. Winston Preparatory.«

«Nach dem Abschluß haben Sie sich an der Stanford University eingetragen?«»Ja.«

«Waren Sie Mitglied irgendwelcher Verbindungen oder Clubs?«»Ja. Alpha-Kappa-Verbindung. Dann die Trylon News Society und noch ein paar andere, an die ich mich nicht erinnere… Fotoclub, denke ich, aber ich bin nicht dabei geblieben. An der Studentenzeitschrift habe ich auch mitgearbeitet, es dann aber aufgegeben.«

«Irgendwelche Gründe?«

Tanner sah den CIA-Mann an.»Ja. Ich hatte starke Einwände gegen die Nisei*-Situation. Die Gefängnislager. Die Zeitschrift hat diese Gefängnislager unterstützt. Meine Einwände bestehen immer noch.«

(* Nisei: Amerikanische Staatsbürger japanischer Herkunft, die in den amerikanischen Weststaaten, insbesondere Kalifornien, während des Zweiten Weltkrieges interniert wurden, da man ihnen Sympathien für Japan nachsagte.)

Wieder lächelte Fassett.»Ihre Ausbildung ist unterbrochen worden?«

«Das waren die meisten Ausbildungen. Ich habe mich zum Militärdienst gemeldet.«

«Wo hat man Sie ausgebildet?«»Fort Benning, Georgia. Infanterie.«

«Dritte Armee, vierzehnte Division?«

«Ja.«

«Sie wurden auf dem europäischen Kriegsschauplatz eingesetzt?«

«Ja.«

«Ihr höchster militärischer Rang war First Lieutenant?«

«Ja.«

«Offiziersausbildung in Fort Benning?«

«Nein. Ich bin in Frankreich im Feld befördert worden.«

«Wie ich sehe, haben Sie auch einige Auszeichnungen erhalten.«

«Das waren Belobigungen der Einheit. Bataillonsbefehle. Keine individuellen Auszeichnungen.«

«Sie waren drei Wochen lang in einem Militärhospital in St. Lo? Geht das auf eine Verwundung zurück?«

Einen Augenblick lang sah Tanner den anderen verlegen an.»Sie wissen ganz genau, daß das nicht der Fall war. In meinen Armeeakten ist kein Purple Heart«, sagte er leise.

«Würden Sie das bitte erklären?«

«Ich fiel auf der Straße nach St. Lo aus einem Jeep. Eine Hüftverrenkung.«

Beide Männer lächelten.

«Sie wurden im Juli 1945 entlassen und kehrten im September darauf nach Stanford zurück?«

«Richtig… Um Ihnen zuvorzukommen, Mr. Fassett, ich habe umgesattelt, von Englischer Literatur auf Journalismus. Mein Examen habe ich 1947 gemacht und mir den Grad eines Bachelor of Arts erworben.«

Laurence Fassetts Blick verweilte immer noch auf dem Aktendeckel, den er vor sich auf den Tisch gelegt hatte.»Sie haben noch während des Studiums eine gewisse Alice McCall geheiratet?«

Tanner griff nach seinem Schalter und schaltete das Gerät ab.»Das könnte jetzt der Punkt sein, wo ich gehe.«

«Beruhigen Sie sich, Mr. Tanner. Nür eine Identifizierung… Wir halten nichts von der Theorie, daß die Sünden der Väter an den Töchtern heimgesucht werden. Ein einfaches Ja oder Nein genügt.«

Tanner setzte das Gerät wieder in Gang.»Richtig.«

An diesem Punkt griff Laurence Fassett nach dem Kabel und betätigte den AUS-Schalter. Tanner sah zu, wie das Band zum Stillstand kam und sah dann den CIA-Mann an.

«Meine zwei nächsten Fragen betreffen Umstände, die zu Ihrer Heirat führten. Ich nehme an, daß Sie die nicht beantworten wollen.«

«Ihre Annahme ist richtig.«

«Glauben Sie mir, sie sind nicht wichtig.«

«Wenn Sie sagen würden, daß sie das sind, würde ich jetzt sofort gehen. «Ali hatte genügend durchgemacht. Tanner würde nicht zulassen, daß irgend jemand die persönliche Tragödie seiner Frau aufs neue hervorzerrte.

Fassett schaltete das Gerät wieder ein.»Ihnen und Alice McCall-Tanner sind zwei Kinder geboren worden. Ein Junge, Raymond, jetzt dreizehn Jahre alt, und ein Mädchen, Janet, acht Jahre alt.«

«Mein Sohn ist zwölf.«

«Sein Geburtstag ist übermorgen. Um noch einmal ein Stück zurückzugehen, Ihre erste berufliche Stelle nach dem Universitätsabschluß war bei der Sacramento Daily News.«

«Dort war ich Reporter. Korrektor, Bürohelfer, Filmkritiker und Anzeigenverkäufer, wenn die Zeit es zuließ.«

«Sie blieben dreieinhalb Jahre bei der Sacramento-Zeitung und nahmen dann eine Stelle bei der Los Angeles Times an?«

«Nein. Ich war — zweieinhalb Jahre — in Sacramento und hatte dann etwa ein Jahr lang eine Interimsstelle beim San Francisco Chronicle, ehe ich den Job bei der Times bekam.«»Bei der Los

Angeles Times waren Sie als Reporter, der sich mit Recherchen und Nachforschungen befaßte, sehr erfolgreich…«

«Ich hatte Glück. Ich nehme an, Sie meinen damit meine Arbeiten, die sich mit der Hafenszene von San Diego befaßten.«

«Richtig. Man hat Sie, glaube ich, für den Pulitzer-Preis nominiert.«

«Ich habe ihn nicht bekommen.«

«Und dann hat man Sie in die Redaktion der Times befördert?«»Redaktionsassistent. Nichts Besonderes.«

«Sie blieben fünf Jahre bei der Times…«

«Eher sechs, denke ich.«

«Bis zum Januar 1958, als Sie in die Standard Mutual in Los Angeles eintraten?«

«Richtig?«

«Sie blieben in dem Büro in Los Angeles bis zum März 1963, wo man Sie nach New York City versetzte. Seitdem sind Sie einige Male befördert worden?«

«Ich kam als Nachrichtenredakteur für das Sieben-Uhr-Abend-Programm nach Osten und habe mich dann mit Dokumentarsendungen und Sonderaufgaben befaßt, bis ich meine gegenwärtige Position erreichte.«

«Und die ist?«

«Chef der Nachrichtenredaktion von Standard Mutual. «Laurence Fassett klappte den Aktendeckel zu und schaltete das Tonbandgerät ab. Er lehnte sich zurück und lächelte John Tanner zu.»Das war nicht so schmerzhaft, oder?«

«Sie wollen sagen, das wäre alles?«

«Nein, das nicht… Alles nicht, aber die Identifizierung ist jetzt abgeschlossen. Sie haben bestanden. Sie haben mir genügend Antworten gegeben, die geringfügig falsch waren, um den Test zu bestehen.«»Was?«

«Diese Dinge«, meinte Fassett und schlug mit dem Handrücken auf den Aktendeckel,»werden von der Verhörabteilung vorbereitet. Leute mit einer hohen Stirn holen sich andere Leute mit Barten, und dann jagen sie das ganze Zeug durch den Computer. Sie können unmöglich alles richtig beantworten. Wenn Sie das täten, würde es bedeuten, daß Sie etwas auswendig gelernt haben. Sie waren beispielsweise fast genau drei Jahre bei der Sacramento Daily News. Nicht zweieinhalb oder dreieinhalb. Ihre Familie zog nach San Mateo, als Sie acht Jahre, zwei Monate, und nicht sieben Jahre alt waren.«

«Da soll mich doch der Teufel…«

«Offengestanden, wir hätten Sie wahrscheinlich sogar akzeptiert, wenn Sie alles korrekt beantwortet hätten. Aber es ist gut, zu wissen, daß Sie normal sind. In Ihrem Fall mußten wir alles auf Band haben. Und jetzt, fürchte ich, kommt der unangenehme Teil.«

«Unangenehm, verglichen womit?«fragte Tanner.

«Einfach unangenehm… Ich muß jetzt das Gerät einschalten. «Das tat er und griff nach einem Blatt Papier.»John Tanner, ich muß Sie davon in Kenntnis setzen, daß das, was ich im Begriff bin, mit Ihnen zu besprechen, unter den Begriff der Verschlußsache höchster Ordnung fällt. Diese Information hat keinerlei Beziehung zu Ihnen oder Ihrer Familie, was ich hiermit beschwöre. Diese Informationen an irgend jemanden preiszugeben, würde den Interessen der Regierung der Vereinigten Staaten im höchsten Maße schädlich sein. Und zwar in so hohem Maße, daß die Angehörigen oder Beauftragten der Regierung, die im Besitz dieser Information sind, nach dem National Security Akt, Titel achtzehn, Abschnitt sieben-neun-drei, unter Strafverfolgung gestellt werden könnten, sofern sie die Geheimhaltungsvorschriften verletzen. -Ist Ihnen alles, was ich bisher gesagt habe, völlig klar?«

«Das ist es. - Aber ich bin für den Umgang mit Geheimsachen nicht überprüft worden.«

«Das ist mir bewußt. Ich beabsichtige, Sie in drei Stufen an die wesentliche Geheiminformation heranzuführen. Am Ende von Phase eins und zwei können Sie darum bitten, dieses Interview abzubrechen, und wir können uns dann nur auf Ihre Intelligenz und Ihre Loyalität gegenüber ihrer Regierung verlassen, daß Sie das, was Sie gehört haben, für sich behalten werden. Wenn Sie hingegen mit Stufe drei einverstanden sind, in der Ihnen Identitäten genannt werden, akzeptieren Sie dieselbe Verantwortung wie die Beauftragten der Regierung und können gemäß der National Security Akt unter Strafverfolgung gestellt werden, sofern Sie die vorerwähnten Sicherheitsvorschriften verletzen. Ist das klar, Mr. Tanner?«

Tanner rutschte in seinem Sitz herum, ehe er antwortete. Er sah zuerst auf die sich drehenden Räder des Tonbandgerätes und blickte dann zu Fassett auf.»Das ist klar, aber ich will verdammt sein, wenn ich einverstanden bin. Sie haben kein Recht, mich unter falschen Voraussetzungen hierher zu bestellen und dann Umstände herbeizuführen, unter denen ich mich strafbar machen kann.«

«Ich habe Sie nicht gefragt, ob Sie einverstanden sind. Nur ob Sie klar verstehen, was ich gesagt habe.«

«Wenn das eine Drohung sein soll, können Sie zum Teufel gehen.«

«Ich schildere Ihnen hier nur Umstände und Bedingungen. Ist das eine Bedrohung? Ist das irgend etwas anderes als das, was Sie jeden Tag mit Verträgen tun? Sie können hier jederzeit weggehen, sobald Sie sich verpflichtet haben, keine Namen preiszugeben. Ist das so unlogisch?«

Tanner mußte zugeben, daß es das nicht war. Und außerdem mußte jetzt seine Neugierde befriedigt werden.

«Sie haben vorher gesagt, diese Sache — was auch immer das sein mag — hat nichts mit meiner Familie zu tun? Nichts mit meiner Frau? Oder mir?«

«Das habe ich beschworen, auf Band. «Fassett fiel auf, daß Tanner das >Oder mir?< nachträglich hinzugesetzt hatte. Er wollte seine Frau schützen.

«Gut, dann machen Sie weiter.«

Fassett erhob sich aus seinem Sessel und ging auf das Fenster zu.»Übrigens, Sie brauchen nicht sitzen zu bleiben. Das sind Mikrofone mit hoher Impedanz. Miniaturisiert, natürlich.«

«Ich werde sitzen bleiben.«

«Wie Sie meinen. Vor einigen Jahren hörten wir Gerüchte über eine Aktion des sowjetischen NKWD, die umfangreiche nachteilige Auswirkungen auf die Wirtschaft Amerikas haben könnten, sofern etwas daraus würde. Wir versuchten, den Spuren nachzugehen, etwas darüber zu erfahren. Aber es gelang uns nicht. Es blieb bei den Gerüchten. Das Geheimnis wurde viel besser gehütet als das russische Weltraumprogramm.

Dann lief 1966 ein ostdeutscher Abwehrbeamter über. Von ihm stammen die ersten konkreten Angaben. Er teilte uns mit, daß die ostdeutsche Abwehr Kontakte mit Agenten im Westen unterhielt — einer Zelle, besser gesagt, die nur unter der Bezeichnung Omega bekannt war. Die geographische Codebezeichnung gebe ich Ihnen gleich — oder vielleicht nicht. Das kommt in der zweiten Stufe. Das liegt bei Ihnen. Omega sollte regelmäßig Akten an die ostdeutsche Abwehr liefern. Zwei bewaffnete Kuriere flogen sie dann unter strengster Geheimhaltung nach Moskau.

Die Funktion von Omega ist so alt wie die Spionage selbst und in dieser Zeit der großen Firmen und der mächtigen multinationalen Konglomerate ungemein wirksam. Omega ist ein Buch der Vernichtung.«

«Ein was?«

«Ein Buch der Vernichtung. Listen mit Hunderten, inzwischen vielleicht sogar Tausenden von Individuen, die für die Pest ausersehen sind. In diesem Fall nicht die Schwarze Pest, sondern Erpressung. Die Männer und Frauen auf diesen Listen sind Leute an entscheidungsbefugten Positionen in Dutzenden mächtiger Firmen in wichtigen Branchen. Viele verfügen über ungeheuere wirtschaftliche Macht. Sowohl die Macht, Käufe zu tätigen, als auch Käufe abzulehnen. Vierzig oder fünfzig, die abgestimmt handeln, könnten ein wirtschaftliches Chaos herbeiführen.«

«Das verstehe ich nicht. Warum würden sie das tun? Warum sollten sie es tun?«

«Das sagte ich doch. Erpressung. Jeder dieser Menschen ist verletzbar, aus irgendeinem von tausend Gründen erpreßbar. Sex, außerehelich oder abnorm; geschäftliche Verfehlungen; Preisabsprachen; Aktienmanipulationen; Steuerhinterziehung. Das Buch betrifft eine große Zahl von Leuten. Männer und Frauen, deren Ruf, deren Geschäft, deren Beruf, ja sogar deren Familien vernichtet werden könnten. Außer, sie gehorchen.«

«Das deutet auf eine ziemlich niedrige Meinung von der Geschäftswelt, und ich bin nicht sicher, ob diese Meinung zutrifft. Nicht in dem Maße, wie Sie das beschreiben. Nicht in solchem Maße, daß es zu wirtschaftlichem Chaos führen könnte.«

«So? Die Crawford Foundation hat eine ausführliche Studie über die wirtschaftliche Macht in den Vereinigten Staaten in den Jahren von 1925 bis 1945 angestellt. Die Ergebnisse sind noch heute, ein Vierteljahrhundert später, Verschlußsache. Die Studie ergab, daß während dieser Periode zweiunddreißig Prozent der finanziellen Macht in diesem Lande durch fragwürdige, wenn nicht illegale Mittel erzielt wurde. Zweiunddreißig Prozent!«

«Das glaube ich nicht. Wenn das zutrifft, sollte man es veröffentlichen.«

«Unmöglich. Das würde ein juristisches Massaker auslösen. Die Beziehung zwischen Gerichten und Geld ist nicht makellos… Heute sind es die Multis. Sie brauchen doch bloß eine Zeitung aufzuschlagen. Sehen Sie sich den Wirtschaftsteil an und lesen Sie, was dort über die Manipulationen dieser Leute steht. Sehen Sie sich die Vorwürfe und die Erwiderungen an. Omega braucht da nur zuzugreifen. Das ist geradezu eine Liste von Kandidaten. Keiner dieser Leute lebt isoliert. Kein einziger. Da wird ein Darlehen ohne Sicherheiten gewährt, eine Kreditlinie erweitert — kurzfristig —, einem guten Kunden werden

Mädchen zur Verfügung gestellt. Omega braucht nur bei den richtigen Leuten ein wenig nachzubohren und schon hat sie eine Menge Material, Dreck! Das ist nicht besonders schwierig. Man muß nur genau sein. Genügend genau, um Angst zu machen.«

Tanner wandte den Blick von dem blonden Mann ab, der mit solcher Präzision sprach. Mit so viel entspanntem Selbstvertrauen.»Ich will einfach nicht glauben, daß Sie recht haben.«

Plötzlich ging Fassett zu dem Tisch zurück und schaltete das Bandgerät ab. Die Spulen kamen zum Stillstand.

«Warum nicht? Es geht nicht nur um die Informationen, die hier zutage kommen — die könnten relativ harmlos sein —, sondern wie sie eingesetzt werden. Nehmen Sie doch zum Beispiel sich selbst. Nehmen Sie an — das soll wirklich nur eine Annahme sein —, eine Geschichte, die auf Vorgängen basiert, die sich vor etwa zwanzig Jahren außerhalb von Los Angeles ereignet haben, würde in der Zeitung von Saddle Valley abgedruckt. Ihre Kinder gehen dort zur Schule, Ihre Frau fühlt sich in der Gemeinde wohl… Wie lange, glauben Sie wohl, daß Sie dort bleiben würden?«

Tanner erhob sich taumelnd aus seinem Sessel und sah den anderen an. Er war so wütend, daß seine Hände zitterten. Als er schließlich sprach, war er so erregt, daß seine Stimme kaum zu hören war.

«Das ist schmutzig!«

«Das ist Omega, Mr. Tanner. Beruhigen Sie sich, es sollte ja nur ein Beispiel sein. «Fassett schaltete das Gerät wieder ein und fuhr fort, während Tanner zögernd zu seinem Stuhl zurück ging.»Omega existiert. Und das bringt mich zum letzten Teil von Stufe eins… «

«Und was ist das?«

Laurence Fassett setzte sich hinter den Schreibtisch. Er drückte seine Zigarette aus, während Tanner ein Päckchen aus der Tasche holte.»Wir wissen jetzt, daß es einen Zeitplan für Omega gibt. Ein Datum, an dem das Chaos beginnen soll… Ich sage Ihnen nichts, das Sie nicht wissen, wenn ich zugebe, daß meine Dienststellen häufig mit dem Austausch von Personal mit den Sowjets befaßt ist.«

«Nichts, das ich nicht wüßte.«

«Einer von unseren Leuten gegen zwei bis drei von den ihren ist das übliche Verhältnis…«

«Das weiß ich ebenfalls.«

«Vor zwölf Monaten fand an der Grenze zu Albanien ein solcher Austausch statt. Fünfundvierzig Tage des Feilschens. Ich war dort, das ist der Grund, daß ich jetzt hier bin. Während des Austausches sind einige Mitglieder des sowjetischen Außenamtes an unser Team herangetreten. Man könnte sie wohl am besten als Gemäßigte bezeichnen. Ähnlich unseren Gemäßigten.«

«Mir ist bekannt, wogegen unsere Gemäßigten auftreten. Wogegen stellen sich die Gemäßigten der Sowjets?«

«Gegen genau das gleiche. Nur, daß das bei ihnen nicht das Pentagon und ein schwer zu fassender militärisch-industrieller Komplex ist. Bei ihnen sind es die Falken im Präsidium. Die Militaristen.«

«Ich verstehe.«

«Man hat uns davon informiert, daß die Sowjet-Militaristen einen Termin für die letzte Phase der Operation Omega festgelegt haben. An diesem Tag soll der Plan in die Tat umgesetzt werden. Hunderte mächtiger leitender Persönlichkeiten in der amerikanischen Wirtschaft werden mit persönlicher Vernichtung bedroht werden, falls sie nicht den Anweisungen nachkommen, die man ihnen erteilt. Die Folge könnte eine größere finanzielle Krise sein. Eine Wirtschaftskatastrophe ist nicht unmöglich… Und das ist die Wahrheit. - Das ist das Ende von Stufe eins.«

Tanner erhob sich aus seinem Stuhl und zog an seiner Zigarette. Er ging vor dem Schreibtisch auf und ab.»Und mit dieser Information habe ich jetzt die Option, hier wegzugehen?«

«Ja.«»Sie sind einfach unglaublich. Ehrlich, unglaublich sind Sie! — Das Band läuft. Fahren Sie fort.«

«Gut. Phase zwei. Wir wissen, daß Omega sich aus derselben Art von Individuen zusammensetzt, wie sie angegriffen werden sollen. Das muß so sein, sonst hätten nie die Kontakte hergestellt und die einzelnen Angriffspunkte ermittelt werden können. Im wesentlichen wußten wir also, wonach wir suchen mußten. Männer, die große Firmen infiltrieren konnten, Männer, die entweder in oder für solche Firmen tätig waren, die mit ihren Zielobjekten in Verbindung treten konnten… Wie ich schon eingangs erwähnte, ist Omega eine Codebezeichnung für eine Zelle oder eine Gruppe von Agenten. Es gibt auch noch eine geographische Codebezeichnung; eine Überprüfungsstelle für die Übermittlung von Informationen. Sobald eine Information diese Stelle durchlaufen hat, ist ihre Authentizität gesichert. Die geographische Codebezeichnung für Omega läßt sich nur schwer übersetzen, am ehesten noch mit >Abgrund des Leders< oder >Ziegenhaut<.«

«>Abgrund des Leders

«Ja. Erinnern Sie sich bitte, daß wir das vor über drei Jahren in Erfahrung brachten. Nach achtzehn Monaten konzentrierter Nachforschungen wußten wir, daß der >Abgrund des Leders< an einem von insgesamt elf Orten im Lande sein mußte…«

«Wovon einer Saddle Valley, New Jersey, ist?«»Wir wollen hier den Dingen nicht vorgreifen?«»Habe ich recht?«

«Wir haben Agenten in diesen Ortschaften untergebracht«, fuhr der CIA-Mann fort und ignorierte dabei Tanners Frage.»Wir haben Tausende von Bürgern überprüft — ein sehr kostenaufwendiges Unterfangen —, und je mehr wir suchten, desto mehr Andeutungen fanden wir, daß die Ortschaft Saddle Valley der >Abgrund des Leders< war. Dabei ist sehr gründlich gearbeitet worden. Wasserzeichen auf Briefbogen, eine Analyse von Staubpartikeln, die der ostdeutsche Beamte uns mit den versiegelten Akten brachte, die er uns übergab, tausend verschiedene Dinge, die wir geprüft und gegengeprüft haben… Aber in allererster Linie basiert unsere Meinung auf den Informationen über gewisse Bewohner von Saddle Valley, die dabei zutage kamen.«»Ich glaube, jetzt sollten Sie zur Sache kommen.«»Das werden Sie entscheiden müssen. Ich habe die Phase zwei inzwischen ziemlich abgeschlossen. «Tanner blieb stumm, also fuhr Fassett fort.»Sie sind in der Lage, uns unschätzbare Dienste zu erweisen. Bei einer der empfindlichsten Operationen beim gegenwärtigen Stand der Beziehungen zwischen den USA und der Sowjetunion können Sie etwas tun, wozu sonst niemand imstande ist. Vielleicht spricht Sie das sogar an, denn wie Sie aus dem, was ich bisher gesagt habe, sicher entnommen haben, arbeiten die gemäßigten Elemente beider Seiten im Augenblick zusammen.«

«Bitte, erklären Sie das.«

«Nur Fanatiker neigen zu solchen Aktionen. Das ist für beide Länder viel zu gefährlich. Im Sowjet-Präsidium findet ein Machtkampf statt. Es liegt in unserem Interesse, daß die Gemäßigten die Oberhand behalten. Eine Möglichkeit, dies zu erreichen, ist es, auch nur einen Teil von Omega offenzulegen und damit den Zieltermin unmöglich zu machen.«

«Was kann ich dazu tun?«

«Sie kennen Omega, Mr. Tanner. Sie kennen Omega sehr gut.«

Tanner hielt den Atem an. Einen Augenblick lang glaubte er, sein Herz stünde still. Er spürte, wie ihm das Blut in den Kopf schoß. Einen Augenblick lang empfand er eine Art Übelkeit.

«Das ist eine unglaubliche Feststellung.«

«So würde ich das an Ihrer Stelle auch sehen. Dennoch trifft sie zu.«

«Ich nehme an, dies ist das Ende von Phase zwei? — Sie Schweinehund. Sie Dreckskerl!«Tanners Stimme war nur noch ein Flüstern.

«Sie können mich nennen, wie Sie wollen. Schlagen Sie mich, wenn Sie das wollen. Ich werde nicht zurückschlagen… Ich sagte Ihnen ja, das ist nicht das erstemal, daß ich so etwas mache.«

Tanner stand auf und drückte die Finger gegen die Stirn. Er wandte sich von Fassett ab und wirbelte dann herum.»Und wenn Sie unrecht haben?«flüsterte er.»Angenommen, Ihr verdammten Idioten habt wieder einen Fehler gemacht!«

«Das haben wir nicht… Wir behaupten nicht, Omega völlig ans Tageslicht gefördert zu haben. Aber eingeengt haben wir die Möglichkeiten. Sie befinden sich in einer einzigartigen Position.«

Tanner ging ans Fenster und schickte sich an, die Vorhänge aufzuziehen.

«Rühren Sie das nicht an! Lassen Sie die Vorhänge geschlossen!«

Fassett sprang auf und packte Tanners Handgelenk mit der einen und die Vorhangschnur mit der anderen. Tanner sah dem Agenten in die Augen.

«Und wenn ich jetzt hier weggehe, muß ich mit dem leben, was Sie mir gerade gesagt haben? Ohne je zu wissen, wer in meinem Haus ist, mit wem ich auf der Straße spreche? Mit dem Wissen leben, daß Sie meinen, jemand könnte ein Gewehr auf dieses Zimmer abfeuern, wenn ich die Vorhänge öffne?«

«Dramatisieren Sie die Dinge nicht. Das sind nur Vorsichtsmaßnahmen.«

Tanner ging wieder an den Tisch zurück, setzte sich aber nicht.»Verdammt sollen Sie sein«, sagte er leise.»Sie wissen ganz genau, daß ich jetzt nicht gehen kann…«

«Nehmen Sie die Bedingungen an?«

«Ja.«

«Dann muß ich Sie bitten, diese Erklärung zu unterzeichnen. «Er entnahm dem Aktendeckel ein Blatt und legte es Tanner hin. Es war eine knappe Darstellung der Eigenart und der Strafbestimmung des National Security Act. Auf Omega bezog sich der Text nur in ganz allgemeiner Weise — Gegenstand A, definiert als Bandaufzeichnung. Tanner kritzelte seinen Namen hin und blieb stehen. Er starrte Fassett an.

«Ich werde Ihnen jetzt folgende Fragen stellen. «Fassett nahm seinen Aktendeckel und schlug eine der hintersten Seiten auf.»Sind sie mit den Personen vertraut, die ich jetzt nennen werde? Richard Tremayne und seine Frau Virginia. - Bitte antworten Sie.«

Erstaunt sagte Tanner leise:»Ja.«

«Joseph Cardone, geboren als Guiseppe Ambruzzio Cardione, und seine Frau Elizabeth?«

«Ja.«

«Bernard Osterman und seine Frau Leila?«

«Ja.«

«Lauter, bitte, Mr. Tanner.«

«Ich sagte, ja.«

«Ich teile Ihnen jetzt mit, daß eines dieser drei Ehepaare, vielleicht auch zwei oder alle drei, für die Operation Omega wesentlich ist.«

«Sie sind verrückt! Sie sind nicht bei Sinnen!«

«Keineswegs. Ich habe Ihnen von unserem Austausch an der albanischen Grenze berichtet. Man hat uns damals zur Kenntnis gebracht, daß Omega, Abgrund des Leders, von einem Vorort von Manhattan aus operierte — und das bestätigte unsere Analyse. Daß Omega aus Paaren bestand — Männern und Frauen, die den militaristischen Zielen der sowjetischen Expansionisten fanatisch ergeben waren. Diese Paare werden für ihre Dienste gut bezahlt. Die erwähnten Paare — die Tremaynes, die Cardones und die Ostermans — besitzen im Augenblick Nummernkonten in Zürich und in der Schweiz mit Beträgen, die ihre finanziellen Verhältnisse und ihr Einkommen weit übersteigen.«

«Das kann nicht Ihr Ernst sein!«

«Selbst wenn man die Möglichkeit des Zufalls mit in Betracht zieht — und wir haben alle Betroffenen gründlich überprüft —, ist es unsere Meinung, daß Sie im Augenblick als sehr erfolgreiche

Deckung für Omega benutzt werden. Sie sind ein Mann der Medien jenseits jeglichen Verdachts. Wir behaupten nicht, daß alle drei Ehepaare in die Sache verwickelt sind. Es ist durchaus vorstellbar, daß eines oder möglicherweise auch zwei dieser Paare ebenso wie Sie als Tarnung benutzt werden. Aber das ist zweifelhaft. Die Beweise — die Schweizer Konten, die Berufe, die ungewöhnlichen Umstände ihrer Verbindung — das alles deutet auf eine Zelle.«

«Wie haben Sie denn mich ausgesondert?«fragte Tanner benommen.

«Ihr Leben ist vom Tage Ihrer Geburt an von Fachleuten wie unter einem Mikroskop untersucht worden. Wenn wir uns in Ihrer Person geirrt haben, sollten wir unseren Beruf wechseln.«

Tanner wirkte plötzlich erschöpft. Er ließ sich in den Stuhl sinken.»Was soll ich tun?«

«Wenn unsere Information zutrifft, kommen die Ostermans am Freitag per Flugzeug nach dem Osten und werden das Wochenende mit Ihnen und Ihrer Familie verbringen. Ist das richtig?«

«Das war richtig.«

«Ändern Sie nichts. Sie dürfen die Situation nicht verändern.«»Das ist jetzt unmöglich…«

«Das ist die enzige Möglichkeit, wie Sie uns helfen können. Uns allen.«

«Warum?«

«Wir glauben, daß wir Omega während des kommenden Wochenendes eine Falle stellen können. Wenn Sie uns unterstützen. Wenn nicht, dann können wir das nicht.«

«Wie?«

«Bis zum Eintreffen der Ostermans sind noch vier Tage. Während dieser Zeit werden unsere Zielpersonen — die Ostermans, die Tremaynes und die Cardones — unter Druck gesetzt werden. Jedes der drei Ehepaare wird Telefonanrufe von Unbekannten erhalten, Telegramme, die über Zürich kommen, es wird zu zufälligen Zusammentreffen mit Fremden in Restaurants, in Cocktailbars und auf der Straße kommen. Der Sinn des Ganzen ist es, eine gemeinsame Nachricht zu übermitteln: daß John Tanner nicht ist, was er zu sein scheint. Sie sind etwas anderes. Vielleicht ein Doppelagent oder ein Informant des Politbüros oder sogar ein Mitglied meiner eigenen Organisation. Die Informationen, die sie erhalten werden, werden verwirrend sein, dazu bestimmt, sie aus dem Gleichgewicht zu bringen.«

«Und gleichzeitig macht das mich und meine Familie zum Angriffspunkt. Das lasse ich nicht zu! Sie würden uns töten!«

«Das ist das einzige, was sie ganz bestimmt nicht tun.«

«Warum nicht? Wenn irgend etwas von dem, was Sie sagen, wahr ist — und ich bin davon keineswegs überzeugt —, ich kenne diese Leute. Ich kann das nicht glauben!«

«In diesem Falle besteht überhaupt kein Risiko.«

«Warum nicht?«

«Wenn sie — eines oder alle Ehepaare — nichts mit Omega zu tun haben, werden sie ganz normal handeln. Sie werden die Zwischenfälle der Polizei oder dem FBI melden. Dann schalten wir uns ein. Wenn ein oder zwei Ehepaare solche Meldungen machen und das andere oder die anderen das nicht tun, wissen wir, wer Omega ist.«

«Und — angenommen, Sie haben recht. Was dann? Welche Garantien können Sie mir geben?«

«Einige Faktoren. Alle narrensicher. Ich sagte Ihnen schon, daß die >Information< über Sie falsch sein wird. Wer immer Omega ist, wird seine Mittel einsetzen und das, was er erfährt, im Kreml selbst überprüfen. Unsere Verbindungsleute dort sind darauf vorbereitet. Sie werden sich einschalten. Die Information, die Omega aus Moskau erhält, wird die Wahrheit sein. Die Wahrheit bis zu diesem Nachmittag, heißt das. Sie sind einfach John Tanner, Chef der Nachrichtenredaktion von Standard Mutual, und in keine irgendwie geartete Verschwörung verwickelt. Was hinzu kommt, wird die Falle sein. Moskau wird denjenigen, der Sie überprüfen läßt, informieren, er solle gegenüber den anderen Ehepaaren auf seiner Hut sein. Es könnten Überläufer sein. Wir teilen also. Wir führen eine Konfrontation herbei und treten auf die Bildfläche.«

«Das ist schrecklich primitiv. Es klingt alles so einfach.«

«Wenn man Ihr Leben oder das Leben Ihrer Familie bedrohte, würde die ganze Aktion Omega in Gefahr sein. Die Gegenseite ist nicht bereit, dieses Risiko einzugehen. Dafür haben sie zu hart gearbeitet. Ich sagte Ihnen doch, daß es Fanatiker sind. Der Zieltermin für Omega liegt nur einen knappen Monat in der Zukunft.«

«Das reicht nicht.«

«Da ist noch etwas. Jedem Mitglied Ihrer Familie werden mindestens zwei bewaffnete Agenten zugeteilt werden. Vierundzwanzigstündige Überwachung. Sie werden nie weiter als fünfzig Meter entfernt sein. Nie.«

«Jetzt weiß ich, daß Sie verrückt sind. Sie kennen Saddle Valley nicht. Fremde, die irgendwo herumlungern, werden schnell entdeckt und verjagt! Wir wären ja Zielscheiben.«

Fassett lächelte.»Im Augenblick haben wir dreizehn Männer in Saddle Valley. Dreizehn. Es sind Bewohner Ihrer Gemeinde.«

«Du lieber Gott!«Tanner sagte das ganz leise.»Neunzehnhundertvierundachtzig kommt immer näher, wie?«

«Die Zeit, in der wir leben, erfordert das häufig.«

«Ich habe keine Wahl, wie? Überhaupt keine Wahl. «Er deutete auf das Tonbandgerät und das Schriftstück daneben.»Jetzt habe ich mich doch selbst aufgehängt, oder?«

«Ich glaube, Sie dramatisieren die Dinge schon wieder.«

«Nein, das tue ich nicht. Ich dramatisiere überhaupt nichts… Ich muß genau das tun, was Sie von mir wollen, oder? Ich muß… Die einzige Alternative, die mir zur Verfügung steht, ist, zu verschwinden — und mich jagen zu lassen. Von Ihnen jagen zu lassen und — wenn Sie recht haben — von diesem Omega. «Fassett erwiderte Tanners Blick ohne eine Spur von Täuschung. Tanner hatte die Wahrheit gesprochen. Beide Männer wußten das.

«Es sind nur sechs Tage. Sechs Tage aus einem ganzen Leben.«

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