Kapitel 7

Dienstag — 10.00 Uhr

«Hat irgendeiner unserer Mittelmeerkunden Schwierigkeiten?«fragte Joe Cardone.

Sein Partner, Sam Bennett, drehte sich in seinem Sessel herum und vergewisserte sich, daß die Bürotür geschlossen war. >Mittelmeer< war ihre Codebezeichnung für jene Klienten, von denen beide Partner wußten, daß sie zwar lukrativ, aber auch gefährliche Investoren waren.»Nicht, daß ich wüßte«, sagte er.»Warum? Hast du etwas gehört?«»Nicht direkt… Vielleicht ist es nichts.«»Bist du deshalb früher zurückgekommen?«

«Nein, eigentlich nicht. «Cardone konnte auch Bennett nicht alles erklären. Sam hatte mit Zürich nichts zu tun. Also zögerte er.»Nun, teilweise vielleicht doch. Ich habe einige Zeit an der Börse von Montreal verbracht.«

«Und was hast du gehört?«

«Daß das Büro des Staatsanwalts eine neue Aktion vorhat; daß die Börsenaufsicht sämtliche Akten übergibt. Jede mögliche Mafiaverbindung mit Hunderttausend oder darüber wird überwacht.«

«Das ist doch nicht neu. Wo warst du denn?«»In Montreal. Ich mag es nicht, wenn ich solche Dinge achthundert Meilen von meinem Büro entfernt höre. Und ich überlege es mir dreimal, ehe ich zum Telefon greife und meinen Partner frage, ob einer unserer Klienten im Augenblick vor Gericht steht. - Ich meine, Telefongespräche sind ja heutzutage nicht mehr sicher.«

«Du großer Gott!«lachte Bennett.»Deine Fantasie macht mal wieder Überstunden, wie?«

«Hoffentlich.«

«Du weißt verdammt genau, daß ich mich mit dir in Verbindung gesetzt hätte, wenn so etwas gewesen wäre. Oder auch nur so ausgesehen hätte, als ob es dazu kommt. Du hast doch deshalb nicht deinen Urlaub abgebrochen. Was war denn sonst noch?«

Cardone wich dem Blick seines Partners aus, als er sich setzte.»Okay. Ich will dich nicht anlügen. Da war noch etwas. Ich glaube nicht, daß es etwas mit uns zu tun hat. Mit dir oder der Firma. Wenn sich herausstellt, daß es nicht so ist, sage ich dir Bescheid, okay?«

Bennett erhob sich aus seinem Sessel und akzeptierte die Nicht-Erklärung seines Partners. Er hatte im Laufe der Jahre gelernt, nicht in Joe zu dringen. Cardone war nämlich trotz seiner Jovialität ein sehr zurückgezogener Mann. Er hatte den überwiegenden Teil des Kapitals in die Firma eingebracht und arbeitete trotzdem partnerschaftlich mit ihm zusammen. Das reichte Bennett.

Sam ging zur Tür. Er lachte leise.»Wann wirst du endlich aufhören, vor dem Phantom von South Philadelphia zu fliehen?«

Cardone erwiderte das Lächeln seines Partners.»Wenn es aufhört, mich mit einer heißen Lasagne in den Bankers Club zu verfolgen.«

Bennett schloß die Tür hinter sich, und Joe wandte sich wieder der zehntägigen Ansammlung von Post und Notizen zu. Da war nichts. Nichts, das man mit einem Mittelmeerproblem in Verbindung bringen konnte. Nichts, das auch nur auf einen

Mafiakonflikt hindeutete. Und doch war während dieser zehn Tage etwas geschehen; etwas, das Tanner betraf.

Er nahm den Hörer ab und drückte den Knopf, der ihn mit seiner Sekretärin verband.»Ist das alles? Sonst hat niemand angerufen?«

«Niemand, den Sie zurückrufen sollen. Ich habe allen gesagt, daß Sie erst Ende der Woche wieder im Büro sein würden. Manche sagten, Sie würden dann anrufen, die anderen melden sich am Montag.«

«Lassen Sie es auch so. Wenn irgend jemand anruft, ich bin Montag wieder da.«

Er legte den Hörer auf die Gabel und schloß die zweite Schublade seines Schreibtischs auf, in der er eine kleine Kartei mit Kärtchen im Format drei mal fünf Zoll aufbewahrte. Die Mittelmeer-Klienten.

Er stellte das kleine Kästchen vor sich auf die Tischplatte und fing an, die Karten durchzublättern. Vielleicht würde ein Name eine Erinnerung auslösen, etwas, das er vergessen hatte und das jetzt vielleicht eine Bedeutung erlangte.

Sein privates Telefon klingelte. Nur Betty rief auf dieser Leitung an; sonst hatte niemand die Nummer. Joe liebte seine Frau, aber sie besaß eine geradezu geniale Begabung dafür, ihn mit Belanglosigkeiten zu behelligen, wenn er nicht gestört werden wollte.»Ja, Liebes?«Schweigen.

«Was ist, Honey? Ich bin sehr beschäftigt. «Seine Frau sagte immer noch nichts. Plötzlich hatte Cardone Angst. Außer Betty hatte niemand diese Nummer!

«Betty? Antworte doch!«

Als die Stimme kam, klang sie langsam, tief und präzise.»John Tanner ist gestern nach Washington geflogen. Da Vinci ist sehr beunruhigt. Vielleicht haben Ihre Freunde in Kalifornien Sie betrogen. Sie waren mit Tanner in Kontakt. «Joe Cardone hörte das Klicken, als das Telefon auf der anderen Seite der Leitung aufgelegt wurde.

Jesus! Jesus Christus! Die Ostermans waren es! Die hatten die Seiten gewechselt!

Aber warum? Das gab keinen Sinn! Welche Verbindung konnte es zwischen Zürich und der Mafia geben, etwas, das auch nur andeutungsweise mit der Mafia zu tun hatte? Dazwischen lagen doch Lichtjahre!

Aber war das wirklich so? Oder benutzte das eine das andere? Cardone versuchte sich zu beruhigen, aber das war unmöglich. Er ertappte sich dabei, wie er das kleine Blechkästchen zerdrückte.

Was konnte er tun? Mit wem konnte er sprechen? Mit Tanner selbst? O Gott, natürlich nicht! Den Ostermans? Bernie Osterman? Herrgott, nein! Nicht jetzt. Tremayne. Dick Tremayne.

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