Als Mark am Samstagmittag eintraf, brachte er wieder eine Schachtel Pralinen und eine große Papiertüte mit. »Die Pralinen sind für Sie, die Leckereien für Angel.«
Kelly nahm die Tüte. »Ich danke Ihnen, und Angel bedankt sich ebenfalls.«
Sie sah zu, wie er Angel kraulte, und fragte dann ganz unschuldig: »Freuen Sie sich auf das Spiel?«
Mark nickte. »O ja«, sagte er begeistert.
Kelly lächelte. »Gut. Ich mich auch.« Sie war sich ganz sicher, dass Mark noch nie ein Fußballspiel gesehen hatte.
Das Stadion von Paris St. Germain war bis zum letzten Platz ausverkauft, und die siebenundsechzigtausend Fans warteten gespannt darauf, dass das Pokalspiel zwischen Olympique Lyon und Marseille angepfiffen wurde.
Als Kelly und Mark ihre Plätze unmittelbar auf Höhe der Mittellinie einnahm en, sagte Kelly: »Ich bin beeindruckt. Für diese Plätze bekommt man nur schwer Karten.«
»Wenn Sie Fußball so sehr mögen wie ich, ist nichts unmöglich«, erwiderte Mark lächelnd.
Kelly musste sich auf die Lippen beißen, um nicht laut loszulachen. Sie konnte den Anpfiff kaum erwarten.
Um 14 Uhr liefen beide Mannschaften in das Stadion ein und stellten sich auf, während die Kapelle die »Marseillaise« spielte, die französische Nationalhymne. Als sich die beiden Mannschaften vor der Tribüne aufbauten, trat ein Spieler im blau-weißen Trikot von Lyon einen Schritt vor.
Kelly beschloss, Gnade walten zu lassen und Mark zu erklären, worum es ging. Sie beugte sich zu ihm. »Das ist der Torhüter«, sagte sie. »Er ist .«
»Ich weiß«, sagte Mark. »Gregory Coupet. Er ist der beste Tormann der Liga. Letzten April hat er im Meisterschaftsspiel gegen Bordeaux seinem Verein den Sieg gerettet. Und in den beiden Jahren zuvor hat er mit seiner Mannschaft den UEFA-Cup und die Champions League gewonnen. Er ist einunddreißig Jahre alt, eins fünfundachtzig groß und wiegt neunzig Kilo.«
Kelly schaute Mark verwundert an.
Der Ansager fuhr fort. »Und im Sturm Sidney Gouvou .«
»Die Nummer vierzehn«, rief Mark. »Er ist unglaublich. Letzte Woche hat er gegen Auxerre in der letzten Minute noch ein Tor erzielt.«
Kelly hörte erstaunt zu, als Mark zu jedem einzelnen Spieler einen fachmännischen Kommentar abgab.
Dann wurde das Spiel angepfiffen, und das Publikum geriet außer Rand und Band.
Es war ein schnelles und spannendes Spiel, und die Torhüter beider Mannschaften hatten alle Hände voll zu tun, doch Kelly konnte sich nur mühsam konzentrieren. Ein ums andere Mal blickte sie zu Mark und wunderte sich über sein Wissen. Wie konnte ich mich nur so irren?
Kurz nach dem Wiederanpfiff rief Mark: »Gouvou versucht einen Fallrückzieher! Gut gemacht!«
Ein paar Minuten später sagte er: »Pass auf! Carriere bekommt eine gelbe Karte wegen Handspiels.«
Und er hatte Recht.
Als Lyon gewann, strahlte Mark vor Freude. »Was für ein Klasseteam!«
Als sie das Stadion verließen, fragte Kelly: »Mark, wie lange interessieren Sie sich schon für Fußball?«
Er schaute Kelly treuherzig an und sagte: »Seit drei Tagen. Ich habe mich am Computer sachkundig gemacht. Da Sie sich so dafür begeistern, dachte ich, ich sollte mich auch ein bisschen damit befassen.«
Kelly war tief gerührt. Sie konnte kaum glauben, dass Mark so viel Zeit und Mühe aufgewandt hatte, nur weil sie Fußball mochte.
Sie verabredeten sich für den nächsten Tag, sobald Kelly ihren Fototermin hinter sich gebracht hatte.
»Ich kann Sie in Ihrer Garderobe abholen .«
»Nein!« Sie wollte nicht, dass er den anderen Models begegnete.
Mark blickte sie verwundert an.
»Ich meine . Männer haben keinen Zugang zu den Garderoben.«
»Oh.«
Ich will mich nicht verlieben .
»Sehr verehrte Damen und Herren, legen Sie bitte die Sicherheitsgurte an, klappen Sie Ihre Tische hoch, und bringen Sie Ihre Sitzlehnen in eine aufrechte Position. Wir befinden uns im Anflug auf den John F. Kennedy Airport und setzen in wenigen Minuten zur Landung an.«
Kelly wurde aus ihrem Tagtraum gerissen und musste sich wieder der Gegenwart stellen. Sie war in New York, um sich mit Tanner Kingsley zu treffen, dem Mann, für den Mark gearbeitet hatte.
Irgendjemand hatte die Medien verständigt. Als die Maschine landete, wurde Kelly bereits von Reportern erwartet, die sie im Nu mit ihren Kameras und Mikrofonen umringten.
»Kelly, können Sie mal hierher schauen?«
»Können Sie uns sagen, was Ihrer Meinung nach mit Ihrem Mann passiert ist?«
»Stellt die Polizei Ermittlungen an?«
»Hatten Sie und Ihr Mann vor, sich scheiden zu lassen?«
»Ziehen Sie wieder in die Vereinigten Staaten?«
»Wie war Ihnen zumute, als Sie erfahren haben, was passiert ist?«
Die dümmste aller Fragen.
Kelly sah einen freundlich und aufgeweckt wirkenden Mann, der sich im Hintergrund hielt. Er lächelte und winkte ihr zu, worauf sie ihm bedeutete, zu ihr zu kommen.
Ben Roberts war einer der beliebtesten und geachtetsten Talkmaster im amerikanischen Fernsehen. Er hatte Kelly vor einigen Jahren interviewt, und seither waren sie miteinander befreundet. Sie sah, wie Ben sich durch die Reporter drängte. Sie kannten ihn alle.
»Hey, Ben! Tritt Kelly in Ihrer Talkshow auf?«
»Glauben Sie, sie redet über den Vorfall?«
»Darf ich ein Foto von Ihnen und Kelly machen?«
Mittlerweile hatte sich Ben zu Kelly durchgekämpft. Die Reporterschar bedrängte sie. »Lasst sie erst mal in Ruhe, Jungs und Mädels. Ihr könnte später noch mit ihr reden.«
Widerwillig gaben die Reporter nach.
Ben ergriff Kellys Hand und sagte: »Ich kann dir gar nicht sagen, wie Leid mir das tut. Ich habe Mark sehr gemocht.«
»Das beruhte auf Gegenseitigkeit, Ben.«
Als Kelly und Ben zur Gepäckausgabe gingen, fragte er:
»Ganz im Vertrauen - was machst du in New York?«
»Ich besuche Tanner Kingsley.«
Ben nickte. »Er ist ein mächtiger Mann. Ich bin davon überzeugt, dass man sich gut um dich kümmern wird.«
Sie waren beim Gepäckschalter angekommen. »Kelly, wenn ich irgendetwas für dich tun kann, kannst du mich jederzeit im Sender erreichen.« Er blickte sich um. »Wirst du abgeholt? Wenn nicht, kann ich ...«
In diesem Moment kam ein Chauffeur in Uniform auf Kelly zu. »Mrs. Harris? Ich bin Colin. Mr. Kingsley hat für Sie eine Suite im Peninsula Hotel reservieren lassen. Ich kümmere mich um Ihr Gepäck.«
Kelly wandte sich an Ben. »Rufst du mich an?«
»Natürlich.«
Zehn Minuten später war Kelly unterwegs zum Hotel. Als sie sich durch den dichten Verkehr schlängelten, sagte Colin:
»Mr. Kingsleys Sekretariat wird einen Termin mit Ihnen vereinbaren. Der Wagen steht jederzeit zu Ihrer Verfügung.« »Danke.« Was mache ich hier?, fragte sich Kelly.
Bald sollte sie eine Antwort darauf bekommen.