Kelly stieg vor Dianes Apartmentgebäude aus dem Taxi, stürmte zur Haustür und drückte auf die Klingel.
Detective Greenburg öffnete die Tür. »Kann ich ...?«:
Kelly sah Diane im Wohnzimmer stehen und drängte sich an dem Detective vorbei.
»Was ist denn los?«, fragte Diane. »Sie haben doch gesagt, Sie .«
»Verraten Sie mir, was los ist. Ich habe Ihnen doch gesagt, Sie sollen Ihren Mafiafreunden klar machen, dass sie mich in Ruhe lassen sollen. Sie haben schon wieder versucht, mich zu schnappen. Wieso wollen mich Ihre Mafiafreunde umbringen?«
»Ich ... ich habe keine Ahnung. Sie ... Vielleicht haben sie uns zusammen gesehen und dachten, wir wären miteinander befreundet, und ...«
»Tja, wir sind aber nicht befreundet, Mrs. Stevens. Sehen Sie zu, dass ich da rauskomme.«
»Was meinen Sie damit? Wie soll ich ...?«:
»Auf die gleiche Weise, wie Sie mich reingezogen haben. Sagen Sie diesem Altieri, dass wir uns nur zufällig begegnet sind und Sie mich nicht kennen. Ich denke nicht daran, mich umbringen zu lassen, nur weil Sie eine Dummheit begangen haben.«
»Ich kann nicht ...«:, setzte Diane an.
»O doch, Sie können. Sie werden mit Altieri reden, und zwar gleich. Ich bleibe solange hier, bis Sie das erledigt haben.«
»Was Sie da verlangen, ist unmöglich«, sagte Diane. »Tut mir Leid, dass ich Sie in diese Sache hineingezogen habe, aber ...« Sie dachte einen Moment lang nach, dann wandte sie sich an Greenburg. »Glauben Sie, Altieri würde uns in Ruhe lassen, wenn ich mit ihm spreche?«
»Eine interessante Frage«, sagte Greenburg. »Möglicherweise ja - vor allem, wenn er meint, dass wir ihn überwachen. Möchten Sie mit ihm persönlich sprechen?«
Diane sagte: »Nein, ich .«
»Das heißt Ja«, fiel Kelly ihr ins Wort.
Anthony Altieri wohnte in einem klassischen Fachwerkhaus im Kolonialstil, das auf einem rund fünf Hektar großen Grundstück am Ende einer Stichstraße im Hunterdon County, New Jersey, stand. Das von hohen, Schatten spendenden Bäumen bestandene Anwesen mit seinen Zierteichen und dem prachtvollen Garten war mit einem mächtigen Eisenzaun umgeben.
Ein Posten saß in einem Wachhäuschen am Tor. Als der Wagen mit Greenburg, Kelly und Diane vorfuhr, kam er heraus.
Er erkannte Greenburg. »Tag, Detective.«
»Hallo, Caesar. Wir möchten mit Mr. Altieri sprechen.«
»Haben Sie einen Durchsuchungsbefehl?«
»Darum geht es nicht. Wir wollen ihn nur besuchen.«
Der Wachposten warf einen Blick auf die beiden Frauen.
»Warten Sie.« Er ging in das Wachhaus, kam ein paar Minuten später wieder heraus und öffnete das Tor. »Sie dürfen rein.«
»Danke.« Greenburg fuhr vor das Haus.
Als sie aus dem Wagen stiegen, tauchte ein zweiter Wachposten auf. »Folgen Sie mir.«
Er führte sie hinein. Das große Wohnzimmer war teils mit Antiquitäten, aber auch mit modernen, eleganten französischen Möbeln eingerichtet. Obwohl es ein warmer Tag war, brannte in dem riesigen Kamin ein Feuer. Die drei folgten dem Wachposten durch das Wohnzimmer in ein fast ebenso großes, abgedunkeltes Schlafzimmer. Altieri lag im Bett und war an ein Beatmungsgerät angeschlossen. Er war blass und ausgezehrt und wirkte viel älter als bei seinem Auftritt vor Gericht, Ein Priester und eine Pflegerin saßen bei ihm.
Altieri blickte Diane, Kelly und Greenburg an und wandte sich dann wieder Diane zu. Seine Stimme klang heiser und krächzend, als er das Wort ergriff. »Was zum Teufel wollen Sie von mir?«
»Mr. Altieri«, sagte Diane, »ich möchte, dass Sie Mrs. Harris und mich in Ruhe lassen. Rufen Sie Ihre Männer zurück. Es genügt, dass Sie meinen Mann umgebracht und .«
Altieri fiel ihr ins Wort. »Wovon reden Sie überhaupt? Ich habe noch nie was von Ihrem Mann gehört. Ich habe lediglich von dieser dämlichen Notiz gelesen, die man bei der Leiche gefunden hat.« Er grinste hämisch. »>Sonst landest du bei den Fischen.< Da hat anscheinend jemand zu oft Die Sopranos gesehen. Ich will Ihnen mal was sagen, gute Frau. Kein Italiener schreibt so was. Ich bin nicht hinter Ihnen her. Mir ist es völlig egal, ob Sie leben oder sterben. Ich bin hinter niemandem her. Ich ...« Er zuckte zusammen. »Ich bin dabei, meinen Frieden mit Gott zu machen. Ich .« Er fing an zu husten.
Der Priester wandte sich an Diane. »Ich glaube, Sie sollten jetzt lieber gehen.«
»Was hat er?«, fragte Greenburg.
»Krebs«, erwiderte der Priester.
Diane betrachtete den Mann, der im Bett lag. Ich bin nicht hinter Ihnen her ... Mir ist es völlig egal, ob Sie leben oder sterben ... Ich bin dabei, meinen Frieden mit Gott zu machen. Er sagte offenbar die Wahrheit.
Und mit einem Mal packte Diane die helle Panik.
Detective Greenburg wirkte nachdenklich und besorgt, als sie von Altieris Haus wegfuhren. »Eines muss ich Ihnen sagen. Ich glaube, Altieri hat das wirklich ernst gemeint.«
Kelly nickte widerwillig. »Ich auch. Der Mann liegt im Sterben.«
»Fällt Ihnen sonst noch jemand ein, der irgendeinen Grund haben könnte, Sie beide zu töten?«
»Nein«, erwiderte Diane. »Wenn Altieri nicht dahinter steckt .« Sie schüttelte den Kopf. »Ich habe keine Ahnung.«
Kelly schluckte. »Ich auch nicht.«
Detective Greenburg brachte Diane und Kelly zu Dianes Apartment zurück. »Ich werde mich jetzt hinter diese Sache klemmen«, sagte er. »Hier sind Sie vorerst in Sicherheit. In fünfzehn Minuten wird ein Streifenwagen vor Ihrem Haus stehen und die nächsten vierundzwanzig Stunden dort auf Posten bleiben. Mal sehen, was wir bis dahin herausfinden. Rufen Sie an, wenn Sie mich brauchen.«
Dann ging er.
Diane und Kelly starrten einander an. Einen Moment lang herrschte betretenes Schweigen.
»Möchten Sie eine Tasse Tee?«, fragte Diane.
»Kaffee«, versetzte Kelly trotzig.
Diane warf ihr einen kurzen, gereizten Blick zu und seufzte. »Na schön.«
Diane ging in die Küche und setzte Kaffee auf. Kelly lief unterdessen im Wohnzimmer umher und betrachtete die Bilder an den Wänden.
Als Diane aus der Küche kam, musterte Kelly gerade eines ihrer Gemälde. »Stevens.« Sie wandte sich an Diane. »Haben Sie das gemalt?«
Diane nickte. »Ja.«
»Ganz hübsch«, sagte Kelly mit abfälligem Unterton.
Diane kniff die Lippen zusammen. »Ach? Kennen Sie sich mit bildender Kunst aus?«
»Nicht besonders, Mrs. Stevens.«
»Was mögen Sie denn? Grandma Moses, nehme ich an.«
»Sie ist interessant.«
»Und welche anderen naiven Maler sagen Ihnen sonst noch zu?«
Kelly wandte sich an Diane. »Ehrlich gesagt, ziehe ich den Konstruktivismus und die abstrakte Malerei vor. Natürlich gibt es Ausnahmen. Tizians Venus von Urbino zum Beispiel. Der diagonale Schwung ihrer Darstellung ist einfach atemberaubend, und .«
Sie hörten, wie der Kaffee in der Küche durchlief.
»Der Kaffee ist fertig«, sagte Diane kurz angebunden.
Schweigsam saßen sie einander im Esszimmer gegenüber und ließen ihren Kaffee kalt werden.
Diane unterbrach schließlich die Stille. »Fällt Ihnen irgendjemand ein, der einen Grund haben könnte, uns umzubringen?«
»Nein.« Kelly zögerte einen Moment lang. »Die einzige Gemeinsamkeit, die wir haben, sind unsere Männer, die beide bei der KIG gearbeitet haben. Vielleicht waren sie mit irgendeinem streng geheimen Projekt befasst, und ihre Mörder meinen, sie könnten uns etwas davon erzählt haben.«
Diane wurde blass. »Ja .«
Sie schauten einander bestürzt an.
Tanner war in seinem Büro und verfolgte an einem der Bildschirme an der Wand das Gespräch, das in Dianes Apartment stattfand. Der Chef seines Sicherheitsdienstes stand neben ihm.
Nein. Die einzige Gemeinsamkeit, die wir haben, sind unsere Männer, die beide bei der KIG gearbeitet haben. Vielleicht waren sie mit irgendeinem streng geheimen Projekt befasst, und ihre Mörder meinen, sie könnten uns etwas davon erzählt haben.
»Ja ...«
Diane Stevens’ Apartment war mit hochmodernen Ton- und Bildaufzeichnungsgeräten verwanzt worden. Wie Tanner seinem Kompagnon erklärt hatte, wurde das Haus mit wegweisender Zukunftstechnologie überwacht. In jedem Zimmer des Apartments waren knopfgroße, per Internet gesteuerte Kameras installiert, die zwischen den Büchern versteckt waren, faseroptische Kabel unter den Türen und ein Fotoapparat mit drahtloser Bildübertragung. Auf dem Dachboden stand ein Video-Server, nicht größer als ein Laptop, über den die sechs Kameras bedient wurden. An ihn war ein Modem angeschlossen, das die Übertragung per Mikrowellentechnologie ermöglichte.
Tanner beugte sich vor und starrte auf den Bildschirm, als Diane sagte: »Wir müssen herausfinden, woran unsere Männer gearbeitet haben.«
»Genau. Aber dazu brauchen wir Hilfe. Wie bekommen wir die?«
»Wir könnten Tanner Kingsley anrufen. Er ist der Einzige, der uns helfen kann. Außerdem will er ebenfalls herausfinden, wer hinter dem Ganzen steckt.«
»Dann machen wir das.« »Sie können über Nacht hierbleiben«, sagte Diane. »Hier sind wir in Sicherheit. Draußen ist ein Polizeiwagen postiert.« Sie ging zum Fenster und zog die Vorhänge auf, aber sie sah keinen Wagen.
Sie starrte eine Zeit lang hinaus, und mit einem Mal fröstelte sie. »Das ist ja sonderbar«, sagte Diane. »Da draußen sollte doch ein Streifenwagen stehen. Ich rufe kurz an.«
Diane holte Greenburgs Visitenkarte aus ihrer Handtasche, ging zum Telefon und wählte eine Nummer. »Detective Greenburg, bitte.« Sie hörte einen Moment lang zu. »Sind Sie sich sicher? Aha. Könnte ich dann bitte Detective Praegitzer sprechen?« Wieder herrschte einen Moment lang Schweigen. »Ja, vielen Dank.« Langsam legte Diane den Hörer auf.
Kelly schaute Diane an. »Was ist los?«
»Greenburg und Praegitzer wurden in ein anderes Revier versetzt«, erwiderte Diane.
Kelly schluckte. »Wenn das kein Zufall ist.«
»Und mir ist gerade etwas eingefallen«, sagte Diane.
»Was denn?«
»Detective Greenburg hat mich gefragt, ob Richard in letzter Zeit irgendetwas Ungewöhnliches gesagt oder getan hat. Da war etwas, aber ich habe es vergessen. Richard wollte nach Washington fahren und mit jemandem sprechen. Manchmal begleite ich ihn, aber er bestand darauf, allein zu fahren. Er meinte, das wäre besser.«
Kelly betrachtete sie mit nachdenklicher Miene. »Das ist ja merkwürdig. Mark hat mir auch erzählt, dass er nach Washington müsste, und zwar allein.«
»Wir müssen herausfinden, weshalb.«
Kelly ging ans Fenster und zog die Vorhänge zurück. »Immer noch kein Streifenwagen.« Sie wandte sich an Diane.
»Wir sollten von hier weg.« »Genau«, sagte Diane. »Ich kenne ein kleines, etwas abgelegenes Hotel in Chinatown, das Mandarin. Dort sucht uns keiner. Wir nehmen uns ein Zimmer und rufen von dort aus Mr. Kingsley an.«
»Ich kenne ein kleines, etwas abgelegenes Hotel in Chinatown, das Mandarin. Dort sucht uns keiner. Wir nehmen uns ein Zimmer und rufen von dort aus Mr. Kingsley an.«
Tanner wandte sich an Harry Flint, den unentwegt grinsenden Chef seines Sicherheitsdienstes. »Bringen Sie sie um.«