Nachdem Diane am Berliner Flughafen Tegel gelandet war, musste sie fünfzehn Minuten in der Schlange stehen, bis sie ein Taxi bekam. Endlich war sie an der Reihe.
Der Fahrer lächelte. »Wohin soll’s gehen?«
»Sprechen Sie Englisch?«
»Natürlich, gnädige Frau.«
»Zum Hotel Kempinski, bitte.«
»Jawohl.«
Fünfundzwanzig Minuten später stand Diane an der Rezeption des Hotels.
»Ich würde gern einen Wagen samt Fahrer mieten.«
»Aber gern, gnädige Frau.« Der Mann an der Rezeption blickte nach unten. »Ihr Gepäck?«
»Das kommt nach.«
»Wohin möchten Sie, gnädige Frau?«, fragte der Fahrer, als der Wagen eintraf.
Sie brauchte ein bisschen Zeit zum Nachdenken. »Fahren Sie bitte einfach eine Weile herum.«
»Gut. In Berlin gibt es viel zu sehen.«
Kelly kam aus dem Staunen kaum heraus. Sie wusste, dass im Zweiten Weltkrieg weite Teile Berlins durch Bomben und Straßenkämpfe zerstört worden waren, aber jetzt erlebte sie eine brodelnde, geschäftige Stadt mit reizvollen modernen Gebäuden und einer erfrischend lebhaften Atmosphäre.
Die Straßennamen allerdings kamen ihr absonderlich vor: Windscheidstraße, Regensburger Straße, Lützowufer ...
Der Fahrer erklärte ihr die Geschichte der Parks und Gebäude, an denen sie vorbeifuhren, aber Diane hörte kaum zu. Sie musste mit den Leuten an Sonja Verbrügges Arbeitsplatz sprechen und herausfinden, was sie wussten. Der Eintragung im Internet zufolge war Franz Verbrügges Frau tot und er selbst verschwunden.
Diane beugte sich nach vorn. »Kennen Sie ein Internet-Cafe?«, fragte sie.
»Selbstverständlich, gnädige Frau.«
»Würden Sie mich bitte hinbringen?«
»Es ist ausgezeichnet. Sehr beliebt. Dort kriegen Sie jede Information, die Sie möchten.«
Das will ich doch hoffen, dachte Diane.
Das Cyberlin-Cafe war nicht so groß wie das Internet-Cafe in New York, aber allem Anschein nach genauso ausgelastet.
Als Diane durch die Tür ging, kam eine Frau, die an der Anmeldung stand, auf sie zu. »In zehn Minuten ist ein Computer für Sie frei.«
»Ich würde gern mit dem Geschäftsführer sprechen«, sagte Diane.
»Ich bin die Geschäftsführerin.«
»Oh.«
»Und weswegen wollen Sie mit mir sprechen?«
»Ich möchte mich mit Ihnen über Sonja Verbrügge unterhalten.«
Die Frau schüttelte den Kopf. »Frau Verbrügge arbeitet nicht mehr hier.«
»Ich weiß«, sagte Diane. »Sie ist tot. Ich versuche herauszufinden, wie sie ums Leben gekommen ist.«
Die Frau musterte Diane mit durchdringendem Blick. »Es war ein Unfall. Als die Polizei ihren Computer sicherstellte, fand man ...« Ihr Gesicht nahm mit einem Mal einen verschlagenen Ausdruck an. »Wenn Sie einen Moment warten, rufe ich jemanden an, der Ihnen weiterhelfen kann. Bin gleich wieder da.«
Als Diane der Frau hinterherblickte, die eilends nach hinten ging, war ihr mit einem Mal nicht mehr wohl in ihrer Haut. Sobald sie außer Sicht war, stürmte sie nach draußen und stieg in den Wagen. Hier hatte sie keine Hilfe zu erwarten. Ich muss mit Franz Verbrügges Sekretärin sprechen.
In einer Telefonzelle suchte sie die Nummer der KIG heraus und wählte sie.
»KIG Berlin.«
»Könnte ich bitte mit Franz Verbrügges Sekretärin sprechen?«, sagte Diane.
»Wie lautet Ihr Name?«
»Susan Stratford.«
»Einen Moment bitte.«
In Tanners Büro leuchtete das blaue Lämpchen auf. Tanner lächelte seinem Bruder zu. »Diane Stevens ruft an. Mal sehen, ob wir ihr helfen können.« Er schaltete den Lautsprecher ein.
Die Stimme der KIG-Vermittlung drang aus dem Apparat. »Seine Sekretärin ist nicht hier. Möchten Sie vielleicht mit seiner Assistentin sprechen?«
»Ja, bitte.«
»Einen Moment.«
Eine Frauenstimme meldete sich. »Heidi Frank. Kann ich Ihnen behilflich sein?«
Dianes Herz schlug einen Takt schneller. »Susan Stratford. Ich bin Reporterin beim Wall Street Journal. Wir arbeiten gerade an einer Reportage über die tragischen Todesfälle einiger Mitarbeiter der KIG. Ich wollte Sie gern um ein kurzes Gespräch bitten.«
»Ich weiß nicht recht .«
»Es geht nur um ein paar Hintergrundinformationen.«
Tanner hörte gespannt zu.
»Wie wär’s, wenn wir uns zum Mittagessen treffen? Hätten Sie heute Zeit?«
»Nein, tut mir Leid.«
»Dann vielleicht zum Abendessen?«
Die Antwort klang leicht zögerlich. »Ja, ich glaube, das ließe sich einrichten.«
»Wo wollen wir uns treffen?«
»Wie wär’s mit dem Rockendorf? Ein sehr gutes Restaurant. Dort könnten wir uns treffen.«
»Gern, danke.«
»Um halb neun?«
»Um halb neun.«
Lächelnd hängte Diane den Hörer ein.
Tanner wandte sich an Andrew. »Ich habe mich zu einem Schritt entschieden, den ich von Anfang an hätte tun sollen. Ich werde Greg Holliday anrufen und ihn auf die Sache ansetzen. Er hat mich noch nie hängen lassen. Er ist zwar ein ziemlich aufgeblasener Kerl. Nimmt einen aus bis aufs Blut, aber« - er rang sich ein schmales Lächeln ab - »er bringt auch die entsprechende Gegenleistung.«