Kapitel 11

Litsi stand sofort auf, kam zu mir herüber und bedeutete mir, ihm den Hörer zu geben.

«Das ist nicht Nanterre«, sagte er.

Er nahm den Hörer, stellte die Konferenzschaltung ab und unterhielt sich privat auf französisch: »Ouinoncertainementce soirouimerci.«

Er legte auf, und beinahe sofort klingelte das Telefon wieder. Litsi nahm erneut den Hörer ab, schnitt ein Gesicht, drückte die Aufzeichnungs- und Konferenztasten und schob mir die Verantwortung zu.

«Er ist es«, meinte er knapp, und tatsächlich konnte jeder die vertraute, gebieterische Stimme hören, wenn sie auch Worte sagte, die mir völlig unverständlich waren.

«Sprechen Sie bitte englisch«, verlangte ich.

«Ich habe gesagt«, sagte Nanterre auf englisch,»ich möchte Prinz Litsi sprechen und man soll ihn unverzüglich an den Apparat holen.«

«Er ist nicht erreichbar«, sagte ich.»Ich könnte ihm etwas ausrichten.«

«Wer sind Sie denn?«sagte er.»Ich weiß, wer Sie sind. Sie sind der Jockey.«

«Ja.«

«Ich habe die Anweisung gegeben, daß Sie das Haus verlassen sollen.«

«Ich befolge Ihre Anweisungen nicht.«

«Das wird Ihnen leid tun.«

«Inwiefern?«fragte ich, aber er ließ sich nicht zu einer bestimmten Drohung verleiten; sehr wahrscheinlich deshalb, weil er sich noch keine genaue Strafe ausgedacht hatte.

«Mein Notar wird morgen früh um zehn vorbeikommen«, sagte er.»Man wird ihn wie zuvor in die Bibliothek führen. Roland de Brescou und Prinzessin Casilia begeben sich dorthin, wenn er eingetroffen ist. Prinz Litsi und Danielle de Brescou gehen ebenfalls runter. Alle werden das Formular unterzeichnen, das sich in der Aktenmappe des Notars befindet. Der Notar wird jede einzelne Unterschrift beglaubigen und das Dokument in seiner Aktentasche mitnehmen. Haben Sie verstanden?«

«Ich habe es verstanden«, sagte ich ruhig,»aber es wird nicht geschehen.«

«Es muß.«

«In der Aktenmappe ist kein Dokument.«

Das hielt ihn kaum eine Sekunde auf.»Mein Notar bringt ein Schriftstück des gleichen Wortlauts mit. Alle werden das Dokument des Notars unterzeichnen.«

«Dazu sind sie nicht bereit«, sagte ich.

«Ich habe sie gewarnt, was passiert, wenn das Dokument nicht unterschrieben wird.«

«Was passiert denn?«fragte ich.»Sie können Menschen nicht dazu bringen, daß sie gegen ihr Gewissen handeln.«

«Jedes Gewissen hat seinen Preis«, sagte er wütend und hängte augenblicklich ein. Das Telefon klickte ein paarmal, dann kam der Wählton, und ich legte den Hörer auf die Gabel, um ihn zum Schweigen zu bringen.

Litsi schüttelte bedauernd den Kopf.»Jetzt ist er vorsichtig. Er hat nichts gesagt, was der Polizei als eine Drohung präsentiert werden könnte, die ihr Einschreiten erfordert.«

«Ihr solltet alle sein Papier unterschreiben«, sagte Beatrice bekümmert,»und aufhören, euch derart gegen die Ausweitung seines Unternehmens zu stellen.«

Niemand machte sich die Mühe, mit ihr zu diskutieren: Die Sache war schon zu oft durchgeackert worden. Statt dessen fragte Litsi die Prinzessin, ob sie etwas dagegen habe, wenn er und ich kurz wegführen. Sammy sei ja noch im Haus und könne nach dem Rechten sehen, bis John Grundy komme, und ich würde rechtzeitig zurücksein, um Danielle abzuholen.

Die Prinzessin erklärte sich mit dieser Regelung einverstanden, obwohl sie von dem Gedanken, wieder mit Beatrice allein zu sein, alles andere als hingerissen schien, und ich folgte Litsi mit Gewissensbissen, aber glücklich aus dem Zimmer.

«Wir nehmen ein Taxi«, sagte er,»zum Marylebone Plaza Hotel.«

«Da werden Sie doch nicht verkehren«, bemerkte ich mild.

«Wir treffen uns mit jemand. Er verkehrt dort.«

«Wer?«

«Jemand, der Ihnen etwas über Waffenhandel erzählen soll.«

«Ja?«sagte ich interessiert.»Und wer ist das?«

«Ich weiß es nicht genau. Wir gehen auf Zimmer elfhundertzwölf und unterhalten uns mit einem Mr. Mohammed. Das ist nicht sein richtiger Name, den möchte er uns lieber vorenthalten. Man hat mir gesagt, daß er uns helfen wird.«»Wie haben Sie ihn gefunden?«fragte ich.

Litsi lächelte.»Hab ich nicht direkt. Aber ich habe jemand in Frankreich gefragt, der sich auskennt… der mir sagen konnte, was in der Schußwaffenbranche läuft. Mr. Mohammed ist das Resultat. Geben Sie sich damit zufrieden.«

«Okay.«

«Sie heißen Mr. Smith«, sagte er.»Ich heiße Mr. Jones.«

«Umwerfend originell.«

Das Marylebone Plaza Hotel lag geographisch etwa drei Meilen vom Eaton Square entfernt und ökonomisch in einer anderen Welt. Das Marylebone Plaza war offen gesagt eine öde Absteige für mittellose Reisende, riesig, unpersönlich, eine Zuflucht für die Namenlosen. Ich war schon öfters daran vorbeigefahren, aber noch nie durch seine Tür getreten, und Litsi offensichtlich auch noch nicht. Wir überquerten jedenfalls den harten, grau gesprenkelten Fußboden der Halle und nahmen einen Fahrstuhl in den elften Stock.

Die Gänge oben waren eng, aber mit Teppich ausgelegt, die Beleuchtung spärlich. Wir schauten nach den Zimmernummern, fanden elfhundertzwölf und klopften an.

Es öffnete uns ein dunkelhäutiger Mann in einem feinen Anzug mit weißem Hemd, goldenen Manschettenknöpfen und ausdrucksloser Miene.

«Mr. Jones und Mr. Smith«, sagte Litsi.

Der Mann machte die Tür weiter auf und bedeutete uns einzutreten, und in dem Zimmer sahen wir einen zweiten, ähnlich gekleideten Mann, nur daß er zusätzlich noch einen massiven Goldring mit vier über Eck angeordneten Diamanten trug.

«Mohammed«, sagte er und streckte zur Begrüßung die Hand mit dem Ring aus. Er nickte über unsere Schultern seinem Freund zu, der schweigend zur Tür hinausging und sie hinter sich schloß.

Mohammed, vermutlich irgendwo zwischen Litsis Alter und meinem, hatte dunkle Augen, olivfarbene Haut und einen dicken, dunklen Schnurrbart. Der kostbare Ring fand ein Echo im auf dem Bett liegenden Lederkoffer und in der Uhr an seinem Handgelenk, die aussah wie aneinandergereihte Goldklumpen.

Er war guter Laune und entschuldigte sich für die Verabredung an einem» Ort, wo uns wohl niemand kennt.«

«Ich handle legal mit Waffen«, versicherte er uns.»Ich werde Ihnen alles sagen, was Sie wissen möchten, sofern Sie nicht weitererzählen, von wem Sie’s haben.«

Er entschuldigte sich nochmals dafür, daß der Raum nur mit einem einzigen Stuhl ausgestattet war, und bot ihn Litsi an. Ich lehnte mich an die Tischkante, Mohammed setzte sich auf das Bett. Rötliche Vorhänge waren vor dem Fenster, ein braun gemusterter Teppich auf dem Fußboden, der Bettbezug aus gestreifter Baumwolle, alles sauber und in gutem Zustand.

«Ich reise in einer Stunde ab«, sagte er, auf die Goldklumpen schauend.»Sie wollten sich nach Plastikwaffen erkundigen. Bitte fangen Sie an.«

«Ehm. «sagte Litsi.

«Wer stellt sie her?«fragte ich.

Mohammed richtete seinen dunklen Blick auf mich.»Die bekannteste«, erwiderte er direkt,»wird von Glock in Österreich hergestellt. Die Glock 17. «Er griff ohne Eile nach dem Koffer und ließ die Schlösser aufschnappen.»Ich habe Ihnen eine mitgebracht.«

Sein gebildetes Englisch wies einen Akzent auf, den ich nicht genau bestimmen konnte. Irgendwie arabisch, dachte ich. Eindeutig mediterran, nicht italienisch, französisch vielleicht.

«Die Glock 17«, sagte er,»besteht weitgehend aus Kunststoff, hat aber auch Metallteile. Künftige Waffen dieser Art können ganz aus Kunststoff gefertigt werden. Es handelt sich darum, die geeignete Materialformel zu finden.«

Er holte einen eleganten schwarzen Kasten aus dem Koffer.

«Diese Pistole ist mein rechtmäßiges Eigentum«, sagte er.»Trotz der Umstände unserer Zusammenkunft bin ich ein angesehener Händler.«

Wir versicherten ihm, daß wir nichts anderes vermutet hatten. Er nickte befriedigt und nahm den Deckel des Kastens herunter. Drinnen lag, wie ein Spielzeug in eine Hohlform gebettet, eine schwarze Pistole, dazu ein Ladestreifen und achtzehn goldene Patronen, die platten Böden nach oben, die Spitzen unsichtbar, säuberlich angeordnet in drei waagerechten Sechserreihen.

Mohammed nahm die Waffe aus dem Kasten.

«Diese Pistole«, sagte er,»hat zahlreiche Vorzüge. Sie ist leicht, sie ist billiger und einfacher herzustellen als jede Ganzmetallwaffe, und sie ist auch präziser.«

Er ließ die Informationen nach wahrer Kaufmannsart auf uns einwirken.

«Sie ist zerlegbar. «Er zeigte es uns, indem er den ganzen Verschluß der Pistole abzog, so daß darunter ein Metallrohr sichtbar wurde.»Das ist der metallene Lauf. «Er nahm ihn heraus.»Auch die Schließfeder ist aus Metall. Ebenso die Patronen. Das Griffstück und der Ladestreifen bestehen aus Plastik. Die Teile sind ganz leicht wieder in eins zu fügen. «Er setzte die Pistole rasch zusammen und ließ ihren Verschluß einrasten.»Außerordentlich leicht, wie Sie sehen. Leute, die diese Waffe benutzen, darunter auch einige Polizeikräfte, betrachten sie als großen Fortschritt, als den Vorläufer eines ganz neuen Handfeuerwaffenkonzepts.«

«Soll sie in Amerika nicht verboten werden?«sagte Litsi.

«Doch. «Mohammed zuckte die Achseln.»Änderungsantrag 4194 zu Artikel 18 erstrebt ein Einfuhr-, Produktions- und Verkaufsverbot für Waffen dieser Art, die nach dem 1. Januar 1986 gebaut worden sind. Und zwar, weil das Plastik nicht mit Röntgensuchgeräten entdeckt werden kann. Man befürchtet, daß Terroristen die Waffen durch Flughafenkontrollen schmuggeln und in Regierungsgebäude einschleusen.«

«Täten sie das denn nicht?«sagte ich.

«Mag sein. «Er zuckte die Achseln.»Ungefähr zwei Millionen Privatleute in den USA besitzen Handfeuerwaffen«, sagte er.»Sie halten es für ihr gutes Recht, Waffen zu tragen. Diese Pistole von Glock ist der Schritt in die Zukunft. Das führt womöglich zu einer breiten Entwicklung von Plastikdetektoren… und vielleicht dazu, daß jedes Handgepäck in Flugzeugen verboten wird außer Damenhandtaschen und flachen Aktenmappen, die von Hand durchsucht werden können. «Er blickte von mir zu Litsi.»Haben Sie mit Terrorismus zu tun?«

«Nein«, sagte Litsi.»Nicht direkt.«

Mohammed schien erleichtert.»Diese Waffe ist nicht für Terroristen erfunden worden«, sagte er.»Es ist ohne Einschränkung eine gute Pistole, mit allen Vorzügen.«

«Wir glauben Ihnen das «sagte ich.»Wie rentabel ist sie?«

«Für wen?«

«Für den Hersteller.«»Ah. «Er räusperte sich.»Das kommt darauf an. «Er überlegte.»Sie kostet weniger in der Herstellung und ist dadurch billiger im Verkauf als Metallwaffen. Insgesamt ist der Unterschied in der Gewinnspanne vielleicht nicht so groß, aber der Bruttogewinn hängt natürlich von der verkauften Stückzahl ab. «Er lächelte vergnügt.»Man rechnet damit, daß beispielsweise die zwei Millionen Leute in den USA, die schon Waffen besitzen, auf das neue Produkt werden umsteigen wollen. Das Neue ist besser, hat mehr Prestige und so weiter. Die Polizei dort hätte sie auch gern. Davon abgesehen dürstet die Welt nach brauchbaren Waffen. Amerikanische Privatleute besitzen sie ja meist aus historischen Gründen, zu Sport und Spiel oder des Machtgefühls wegen, nicht, weil sie Leute umbringen wollen. Aber vielerorts ist Töten der Zweck. Töten, Sicherheit und Abwehr. Der Markt ist weit offen für wirklich billige, gute, zuverlässige neue Pistolen. Zumindest eine Zeitlang, bis die Nachfrage gedeckt ist, könnten die Hersteller rasch zu viel ehrlichem Geld kommen.«

Litsi und ich hörten respektvoll zu.

«Wie steht’s mit unehrlichem Geld?«fragte ich.

Er zögerte nur kurz.»Es kommt darauf an, von wem wir reden.«

«Wir reden immer noch von dem Hersteller«, sagte ich.

«Aha. Eine Aktiengesellschaft?«

«Ein Privatunternehmen mit einem einzigen Mann an der Spitze.«

Er lächelte voll welterfahrenem Zynismus.

«So jemand kann seine eigenen Millionen drucken.«

«Inwiefern?«fragte ich.

«Die einfachste Methode«, sagte er,»ist, die Ware in zwei Teilen zu liefern. «Er nahm die Plastikpistole noch einmal auseinander.»Sagen wir, Sie packen alle Bestandteile in einen Kasten wie diesen und lassen nur den Lauf weg. Einen Lauf etwa aus einem Spezialplastik, das von der Reibungshitze des durchgehenden Geschosses weder schmilzt noch verbogen wird.«

Er schaute uns an, um zu sehen, ob wir für solches Grundwissen empfänglich waren, und fuhr anscheinend beruhigt fort.»Der Hersteller exportiert die Läufe getrennt. So will er dafür sorgen, daß, wenn eine der beiden Lieferungen fehlgeleitet wird — ein Euphemismus für Diebstahl —, die Ware unbrauchbar ist. Nur wenn beide Lieferungen ihr Ziel sicher erreicht haben, können die Pistolen zusammengesetzt werden. Richtig?«

«Richtig«, sagten wir beide.

«Der Hersteller erledigt die ganze Schreibarbeit korrekt. Jeder Lieferung ins Ausland liegen Zollquittungen bei, jede Lieferung ist das, als was sie ausgegeben wird, alles ist legal. Der nächste Schritt hängt davon ab, wie dringend der Kunde die Waffen braucht.«

«Was meinen Sie damit?«sagte Litsi.

«Angenommen«, erwiderte Mohammed, ganz in seinem Element,»der Kunde braucht sie unbedingt aufs schnellste. Der Hersteller schickt die Pistolen ohne die Läufe. Der Kunde zahlt. Der Hersteller schickt die Läufe. Gut?«

Wir nickten.

«Der Hersteller teilt dem Kunden mit, daß er den Rechnungsbetrag an die Herstellerfirma überweisen muß, außerdem aber noch einen Betrag auf ein anderes Konto — die und die Nummer in dem und dem Land —, und wenn diese Zahlung sicher in den heimlichen Besitz des Herstellers gelangt ist, sendet er die Läufe ab.«

«Einfach«, sagte ich.

«Natürlich. Ein weitverbreitetes Verfahren. So wird das auf der ganzen Welt gehandhabt. Geld auf den Tisch, einwandfreie Abrechnung, Zulage unter dem Siegel der Verschwiegenheit.«

«Sondervergütung«, sagte ich.

«Natürlich. Das ist in vielen Ländern das übliche System. Eine kleine Provision hier und da…«Er zuckte die Achseln.»Mit einer billig hergestellten, zuverlässigen Ganzplastikpistole könnte Ihr Fabrikant einen angemessenen Gewinn durch seine Firmenbücher laufen lassen und sich außerdem noch ein Vermögen in die Tasche stecken.«

Er setzte die Waffe geschickt zusammen und hielt sie mir hin.

«Fassen Sie sie mal an«, sagte er.»Eine Ganzplastikpistole wäre sogar noch viel leichter.«

Ich nahm die Waffe und betrachtete ihr mattschwarzes Gehäuse, die zweckmäßige Form, den metallenen Rand des Laufs, der an der Mündung hervorschaute. Sie war zweifellos erstaunlich leicht und griffig, selbst mit Metallteilen. Ganz aus Plastik, konnte sie ein Spielzeug für Kleinkinder sein.

Innerlich schaudernd gab ich sie Litsi. Es war das zweite Mal in vier Tagen, daß ich Unterricht im Gebrauch von Schußwaffen bekam, und wenn ich auch schon früher mal eine in der Hand gehalten hatte, ein guter Schütze war ich nicht und würde mich auch kaum je darin üben. Litsi wog die Pistole nachdenklich in der Handfläche und gab sie ihrem Besitzer zurück.

«Sprechen wir von einem bestimmten Fabrikanten?«fragte Mohammed.

«Von einem, der sich um eine Lizenz für die Herstellung und Ausfuhr von Plastikpistolen bemüht«, sagte ich,»der aber bisher nicht im Waffengeschäft war.«

Er zog die Brauen hoch.»In Frankreich?«

«Ja«, sagte Litsi ohne Überraschung, und ich begriff, daß Mohammed gewußt haben mußte, daß man über französische Kanäle an ihn herangetreten war, auch wenn er nicht selbst mit Litsi am Telefon gesprochen hatte.

Mohammed schürzte die Lippen unter dem dicken Schnurrbart.

«Um eine Lizenz zu bekommen, müßte Ihr Fabrikant eine hochangesehene Persönlichkeit sein. Diese Lizenzen, verstehen Sie, werden nicht wie Konfetti umhergestreut. Er braucht sicherlich die Kapazität, das heißt die Fabrik, ferner das Grundmodell, wahrscheinlich auch feste Bestellungen, vor allem aber braucht er den guten Namen.«

«Sie haben uns außerordentlich geholfen«, sagte Litsi.

Mohammed strahlte Gutmütigkeit aus.

«Wie würde der Hersteller den Verkauf seiner Pistolen ankurbeln? Durch Annoncen?«sagte ich.

«Sicher. Werbung in Waffen- und Handelsmagazinen auf der ganzen Welt. Er könnte auch einen Agenten engagieren, so wie mich. «Er lächelte.»Ich arbeite auf Provision. Ich bin bekannt. Leute, die Waffen haben wollen, kommen zu mir und sagen: >Was eignet sich für uns am besten? Was kostet es? Wie schnell können Sie’s beschaffen? <«Er breitete die Handflächen aus.»Ich bin ein Mittelsmann. Wir sind unentbehrlich. «Er sah auf seine Uhr.»Sonst noch etwas?«

Ich sagte aus einem Impuls heraus:»Wenn jemand eine andere Art Pistole haben wollte, einen Bolzenschußapparat, könnten Sie ihm den besorgen?«

«Veraltet«, sagte er prompt.»In England hergestellt von Accles und Shelvoke in Birmingham. Meinen Sie die? Ka-liber 405 vielleicht? Eins-Komma-zwei-fünf-Gran-Treib-ladung?«

«Ich glaube schon«, sagte ich.»Ich weiß es nicht.«

«Ich handle nicht mit Bolzenschußgeräten. Die sind zu speziell. Es würde sich nicht lohnen, mich zu beauftragen, daß ich Ihnen eins suche. Es gibt noch viele, alle sind überholt. Ich würde mal bei älteren Tierärzten nachfragen, die verkaufen vielleicht gern. Für den Besitz braucht man natürlich einen Waffenschein. «Er hielt in-ne.»Offen gesagt, meine Herrn, ich tätige am liebsten Geschäfte mit Kunden, für die private Waffenscheine belanglos sind.«

«Gibt es irgend jemand«, fragte ich,»und bitte fassen Sie das nicht als Beleidigung auf, denn so ist es nicht gemeint, aber gibt es jemand, an den Sie Waffen nicht verkaufen würden?«

Er nahm keinen Anstoß.»Nur wenn ich dächte, der Betreffende könnte oder wollte nicht bezahlen. Aus moralischen Gründen, nein. Wenn mich das kümmerte, wäre ich in der falschen Branche. Ich verkaufe das Gerät, über den Gebrauch zerbreche ich mir nicht den Kopf.«

Litsi und ich hatten keine weiteren Fragen. Mohammed legte die Pistole ordentlich in ihren Kasten zurück, setzte den Deckel auf und verstaute das Ganze wieder im Koffer.

«Vergessen Sie nicht«, sagte er immer noch lächelnd,»daß Angriff und Verteidigung so alt sind wie die Menschheit. In früheren Zeiten hätte ich schön geschärfte Speerspitzen aus Feuerstein verkauft.«

«Mr. Mohammed«, sagte ich,»haben Sie vielen Dank.«

Er nickte freundlich. Litsi stand auf und schüttelte noch einmal die diamantberingte Hand, ich ebenso, und Mohammed sagte, wenn wir seinen Freund auf dem Flur herumlungern sähen, sollten wir ihn nicht beachten und nicht ansprechen, er käme schon wieder aufs Zimmer, wenn wir fort wären.

Wir kümmerten uns nicht um den Freund, der bei den Fahrstühlen wartete, und fuhren ohne Zwischenfall ins Erdgeschoß hinunter. Erst als wir wieder mit einem Taxi unterwegs zum Eaton Square waren, unterhielten wir uns.

«Er hat sich gerechtfertigt«, sagte Litsi.

«Das tut jeder. Es ist gesund.«

Er drehte den Kopf.»Wie meinen Sie?«

«Die Alternative ist schuldbewußtes Verzweifeln. Selbstrechtfertigung mag illusorisch sein, aber sie bewahrt einen vor dem Selbstmord.«

«Man könnte auch Selbstmord vor sich rechtfertigen.«

Ich lächelte ihn von der Seite an.»Allerdings.«

«Nanterre«, sagte er,»hat ein starkes Verlangen, Feuersteine anzuspitzen.«

«Mm. Leichtere, billigere, messerscharfe Feuersteine.«

«Mit dem Stempel der de Brescous.«

«Vor meinem geistigen Auge«, sagte ich,»sehe ich Roland ein Geschäft mit Mohammed per Handschlag besiegeln.«

Litsi lachte.»Die Rechtfertigung dafür müssen wir ihm ersparen.«

«Wie sind Sie an Mohammed herangekommen?«fragte ich.

«Einer der Vorteile, ein Prinz zu sein«, sagte Litsi,»besteht darin, daß man, wenn man ernsthaft bittet, selten abgewiesen wird. Dazu kommt, daß man viele Leute in nützlichen Positionen kennt und trifft. Ich habe einfach ein paar Hebel in Bewegung gesetzt, ähnlich übrigens wie Sie gestern bei Lord Vaughnley. «Er hielt inne.»Warum ist ein Mann, den Sie besiegt haben, so erpicht darauf, Ihnen gefällig zu sein?«

«Hm… indem ich ihn besiegt habe, habe ich ihn auch gerettet. Maynard Allardeck war mit allen, insbesondere mit unlauteren Mitteln darauf aus, seine Zeitung zu übernehmen, und durch mich bekam er die Möglichkeit, ihn für immer daran zu hindern, denn ich gab ihm eine Kopie des bewußten Films.«

«Ich verstehe«, sagte Litsi ironisch,»daß er Ihnen den einen oder anderen Gefallen schuldet.«

«Außerdem«, sagte ich,»war der Junge, der unter Maynards Einfluß seine halbe Erbschaft verspielt hat, Hugh Vaughnley, Lord Vaughnleys Sohn. Mit der Androhung, den Film an die Öffentlichkeit zu bringen, holte Lord Vaughnley sich von Maynard das Erbvermögen zurück. Das Erbe bestand genau gesagt aus Anteilen an der Zeitung, dem Towncrier.«

«Ein Fall von ausgleichender Erpressung. Ihre Idee?«

«Na. so ungefähr.«

Er lachte leise.»Wahrscheinlich sollte ich das mißbilligen. Es war bestimmt gesetzwidrig.«

«Das Gesetz sorgt nicht immer für Gerechtigkeit. Meistens kommt das Opfer schlecht weg. Allzuoft kann das Gesetz nur strafen, es kann nichts in Ordnung bringen.«

«Und Sie meinen, das Unrecht, welches dem Opfer zugefügt wurde, wiedergutzumachen ist wichtiger als alles andere?«

«Wo es geht, muß das den Vorrang haben.«

«Und dafür würden Sie das Gesetz übertreten?«

«Es ist zu spät am Tag, um sich an die Wand nageln zu lassen«, sagte ich,»und wir sind wieder am Eaton Square.«

Wir gingen hinauf ins Wohnzimmer und genehmigten uns, da die Prinzessin und Beatrice schon zu Bett gegangen waren, entspannt noch einen Brandy als Schlummertrunk. Ich mochte Litsi als Mensch immer mehr und wünschte ihn doch für immer auf die andere Seite des Erdballs; und während wir uns so ansahen, fragte ich mich, ob er womöglich dasselbe dachte.

«Was machen Sie morgen?«sagte er.

«Ich starte in Bradbury.«

«Wo ist das?«

«Zwischen hier und Devon.«

«Mir schleierhaft, wo Sie die Energie hernehmen. «Er gähnte.»Ich habe einen geruhsamen Rennbesuch in Ascot hinter mir und bin erledigt.«

Mit lässiger Eleganz trank er seinen Brandy, und schließlich zogen wir das Tonbandtelefon aus dem Stek-ker, brachten es ins Souterrain und schlossen es dort auf dem Flur an. Danach gingen wir ins Erdgeschoß und blieben einen Augenblick vor Litsis Tür stehen.

«Gute Nacht«, sagte ich.

«Gute Nacht. «Er zögerte und streckte dann seine Hand aus. Ich schlug ein.»So ein alberner Brauch«, sagte er ironisch,»aber was kann man sonst tun?«Er winkte mir flüchtig und trat in sein Zimmer, und ich ging nach oben, um herauszufinden, ob ich immer noch zwischen den Bambussprossen schlafen konnte; es sah so aus.

Ich döste vielleicht eine Stunde auf dem Bettzeug, dann ging ich nach unten um das Haus herum zur Garage, um Danielle abzuholen.

Als ich in die dunkle, menschenleere Gasse einbog, dachte ich, daß sie wirklich der ideale Ort für einen Hinterhalt wäre.

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