Ich hatte reichlich Zeit und dachte, ich könnte ebensogut auf Nummer Sicher gehen. Ich trödelte unsichtbar herum, während John Smith in einer Werkstatt seinen Ölfilter kaufte und seinen Bus abpaßte, und ich folgte dem Bus unsichtbar nach Widderlawn.
John Smith stieg aus und ging zur Carleton Avenue, wo er sich an Nummer 44, einem gut gepflegten Doppelhaus, mit Sozialwohnungen selbst die Tür aufschloß.
In jeder Hinsicht zufriedengestellt, fuhr ich wieder nach London, und Litsi kam mir aus der Bibliothek entgegen, als ich in die Eingangshalle trat.
«Ich habe Sie kommen sehen«, sagte er träge. Die Fenster der Bibliothek blickten auf die Straße.»Freut mich, daß Sie wieder da sind. «Er hatte nach mir ausgeschaut, dachte ich.
«Es war keine Falle«, sagte ich.
«Anscheinend nicht.«
Ich lächelte plötzlich, und er meinte:»Ein schnurrender Kater, wenn ich je einen gesehen habe.«
Ich nickte nach der Bibliothek hin.»Gehen wir da rein, und ich erzähle es Ihnen.«
Ich brachte die Kleidertasche und den großen Umschlag in das lange, getäfelte Zimmer mit seinen Leserosten vor den Bücherregalen, seinen Perserteppichen, seinen Netzgardinen und Samtvorhängen. Großzügig gestaltet, diente es hauptsächlich zum Empfang von Besuchern, die nicht vertraut genug waren, um nach oben gebeten zu werden, und für mich hatte es die leblose Atmosphäre teurer Wartezimmer.
Litsi sah auf meine Füße herab.»Stehen Sie unter Wasser?« fragte er ungläubig.
«Mm. «Ich stellte die Tasche hin, legte den Umschlag weg und zog meinen linken Schuh aus, in den einer der beiden Eisbeutel ausgelaufen war.
Vor seinen entsetzten Ästhetenaugen pulte ich den unversehrt gebliebenen Beutel aus meiner Socke und leerte dessen Inhalt in eine günstig stehende Topfpflanze. Der andere, leergelaufene Beutel folgte dem ersten in den Papierkorb. Ich streifte meine durchnäßte Socke ab, legte sie zusammengefaltet auf meine Tasche und zog meinen nassen Schuh wieder an.
«Ursprünglich«, sagte Litsi,»war das wohl einmal die mobile Kühlung.«
«Ganz recht.«
«Ich hätte einen verstauchten Fuß warmgehalten«, sagte er nachdenklich.
«Kälte wirkt schneller.«
Ich ging mit dem Umschlag zu einem Paar Sessel hinüber, die an einen Tisch gerückt waren, knipste die Tischlampe an und setzte mich. Litsi nahm den anderen Sessel. In der Bibliothek war es ständig dunkel, man brauchte dort fast immer elektrisches Licht; heute gab der graue Nachmittag den Kampf in den cremefarbenen Netzfalten auf der Straßenseite des Zimmers auf.
«Mr. Smith«, sagte ich,»kann für sich sprechen.«
Ich stellte den kleinen Recorder auf den Tisch, spulte die Kassette zurück und ließ sie laufen. Litsi, der vornehme Bursche, hörte sich ironisch-fasziniert an, wie er verladen worden war, und gegen Ende fingen seine Augenbrauen an zu klettern, bei ihm ein Zeichen, daß er etwas nicht ganz verstand.
Ich zeigte ihm den Zettel, den John Smith unterschrieben hatte, und zog, während er zusah, mit meinem Kuli einen Kreis um Nanterres Kopf auf dem Foto.
«Mr. Smith wohnt an der angegebenen Adresse«, sagte ich.»Ich bin ihm sicherheitshalber noch bis nach Hause gefolgt.«
«Aber«, sagte Litsi überrascht,»wenn Sie ihm ohnehin gefolgt sind, warum haben Sie ihm dann die letzten hundertfünfzig noch gegeben?«
«Oh… hm… so brauchte ich mich bei den Nachbarn nicht nach seinem Namen erkundigen. «Litsi sah skeptisch drein.»Na ja«, sagte ich,»er hat sie verdient.«
«Was haben Sie mit den Sachen vor?«fragte er und winkte mit der Hand.
«Mit etwas Glück«, sagte ich,»folgendes. «Und ich erzählte es ihm.
Dankbar dafür, daß es den Lift gab, fuhr ich in die dritte Etage zum Bambuszimmer, wo ich meine Sachen verstaute, duschte, mich umzog, einen trockenen Verband anlegte und beschloß, kein Eis mehr zu verwenden.
Das feudale Zimmer wurde langsam mein Zuhause, dachte ich. Beatrice schien die Pläne für eine gewaltsame Inbesitznahme aufgegeben zu haben, wenn sie mich auch über den Härtegrad ihrer Gefühle nicht im Zweifel ließ;und wie mir das Zimmer lieb wurde, so wuchs auch mein Verständnis für ihren Groll.
Sie war nicht im Wohnzimmer, als ich am Abend nach unten ging; nur Danielle, die Prinzessin und Litsi, der sich um die Getränke kümmerte.
Ich verbeugte mich leicht vor der Prinzessin, da ich sie zum erstenmal an diesem Tag sah, küßte Danielle auf die Wange.
«Wo bist du gewesen?«fragte sie neutral.
«Angeln.«
«Hast du was gefangen?«
«Haifischköder.«
Sie sah mir rasch in die Augen, lachend, ganz die alte, liebende Danielle, aber nur einen Moment lang. Ich nahm das Glas, in das Litsi ein knappes Quentchen Scotch gegossen hatte, und versuchte mein Bedauern zu unterdrük-ken — und Beatrice kam mit runden, verschleierten Augen durch die Tür und blieb verloren in der Zimmermitte stehen, als wüßte sie nicht so recht weiter.
Litsi begann ihren Drink zu mixen, so wie sie ihn mochte; er hätte einen guten König abgegeben, aber einen noch besseren Barmann, dachte ich. Er war sympathisch. Beatrice ging zu dem Sofa, auf dem die Prinzessin saß, und nahm den Platz neben ihr ein, als hätte sie weiche Knie bekommen.
«Bitte sehr, Beatrice«, sagte Litsi aufgeräumt und stellte das rote Getränk auf den niedrigen Tisch vor ihr.»Ein Schuß Worcestershire, ein Schnipsel Zitrone.«
Beatrice schaute blind auf das Glas.
«Casilia«, sagte sie, als wollten ihr die Worte im Hals steckenbleiben.»Ich war ja so ein Dummkopf.«
«Meine liebe Beatrice…«sagte die Prinzessin.
Beatrice fing nun völlig unerwartet an zu weinen, nicht leise, sondern mit verzweifelten» Ohs«, die sich fast wie Stöhnen anhörten.
Die Prinzessin sah verlegen drein, und es war Litsi, der Beatrice mit einem großen weißen Taschentuch und beruhigenden Worten zu Hilfe kam.
«Erzähl uns, was dich bedrückt«, sagte er,»und wir können sicher etwas dagegen tun.«
Beatrice heulte wieder» Oh«, den offenen Mund zu einem qualvollen Kreis verzerrt, und preßte Litsis Taschentuch fest auf ihre Augen.
«Versuch doch, dich zusammenzunehmen, liebe Beatrice«, sagte die Prinzessin mit einem Anflug von Strenge.»Wir können dir erst helfen, wenn wir wissen, was los ist.«
Beatricens ein wenig theatralischer Weinkrampf ließ nach, und echter Kummer kam zum Vorschein. Das übertriebene Heischen nach Mitgefühl mochte fehlgeschlagen sein, aber sie brauchte wirklich welches.
«Ich kann doch nichts dafür. «Sie trocknete ihre Augen und tupfte behutsam ihre Mascara ab, indem sie den gefalteten Zipfel des Taschentuchs flach auf ihr unteres Augenlid legte und die oberen Wimpern daraufdrückte, so daß winzige schwarze Streifen abfärbten. In größter Not, dachte ich, reinigt niemand so methodisch seine Augen.
«Ich war ein solcher Dummkopf«, sagte sie.
«Inwiefern, meine Liebe?«fragte die Prinzessin, wobei sie unmißverständlich den Eindruck erweckte, daß sie ihre Schwägerin die meiste Zeit in fast allem für einen Dummkopf hielt.
«Ich… ich habe mit Henri Nanterre gesprochen«, sagte Beatrice.
«Wann?«fragte Litsi schnell.
«Gerade. Oben in meinem Zimmer.«
Wir blickten beide auf das Tonbandtelefon, das stumm geblieben war. Weder Litsi noch ich hatten schließlich zur rechten Zeit den Hörer abgenommen.
«Hast du ihn angerufen?«sagte Litsi.
«Ja, natürlich. «Beatrice kam langsam wieder zu dem bißchen Verstand, das sie besaß.»Also, das heißt…«
«Was sagte er denn«, fragte Litsi gleich weiter,»was dich so aufgeregt hat?«
«Ich… ich… Er war so charmant, als er mich in Palm Beach besuchen kam, aber ich habe mich geirrt… schrecklich geirrt.«
«Was hat er denn nun gesagt?«fragte Litsi noch einmal.
«Er sagte…«sie sah ihn ein wenig wirr an,»er hätte gedacht, daß Roland zusammenbrechen würde, nachdem du beinah tödlich verunglückt wärst. er fragte mich, warum ihn das nicht geschafft hat. Aber ich… ich wußte nicht, daß du beinah ums Leben gekommen bist. Ich sagte, ich hätte nichts davon gehört und ich sei sicher, Roland und Casilia auch nicht, und da wurde er bitterböse, gebrüllt hat er…«Sie schüttelte den Kopf.»Ich mußte den Hörer weghalten… es hat mir wehgetan.«
Die Prinzessin sah verblüfft und bekümmert drein.
«Litsi! Was ist passiert? Du hast kein Wort gesagt.«
«Henri hat damit geprahlt«, sagte Beatrice unglücklich,»daß er für Litsi einen Unfall arrangiert hat, der wunderbar gelungen wäre, wenn nicht dieser… dieser…«sie wußte nicht, wie sie mich nennen sollte, und begnügte sich mit Zeigen,»er hat Litsi das Leben gerettet. «Beatrice schluckte.»Ich hätte doch nie gedacht… nie und nimmer… daß er so etwas Furchtbares tun würde… daß er wirklich jemand verletzen würde. Und er sagte… er sagte…
Roland und Casilia wollten ja wohl nicht, daß noch mehr Pferde umgebracht würden, und wie Casilia denn das mit ihrem Pferd Col aufgenommen hätte… und als ich ihm sagte, davon wüßte ich auch nichts, geriet er in Wut… Er fragte, ob es Roland wüßte, und ich sagte, ich hätte keine Ahnung. Er schrie durchs Telefon… er war völlig außer sich… er sagte, er hätte nie gedacht, daß ihr so lange standhalten würdet… er sagte, das ginge alles zu langsam und er würde den Druck verstärken.«
Beatrice war tief erschüttert.
«Er sagte, der Jockey sei ihm ständig im Weg, behindere ihn, bringe Wächter und Tonbandtelefone ins Spiel; also werde er zuerst mal den Jockey loswerden. Danach werde Danielle ihr schönes Aussehen verlieren — und dann werde keiner mehr Roland von der Unterschrift abhalten. Er sagte«, setzte sie hinzu, die Augen wieder rund und trocken,»ich solle seine Drohungen an Roland weitergeben. Ich solle sagen, er habe hier angerufen und ich sei zufällig an den Apparat gegangen.«
Die Prinzessin, entsetzt, aber mit geradem Rücken, sagte:»Du wirst Roland überhaupt nichts sagen, Beatrice.«
«Henri hat aufgelegt«, sagte Beatrice,»und ich saß da und dachte, das kann doch nicht sein Ernst sein, er kann unmöglich Danielles Gesicht zerstören… sie ist genauso meine Nichte wie die von Roland… das würde ich nicht wollen, für alles Geld auf der Welt nicht. Ich versuchte mir einzureden, es sei eben bloß eine Drohung, aber er hat sie ja an dem Abend verfolgt, und er hat die Pferde getötet; damit hat er sich gebrüstet. Ich wollte auch nicht glauben, daß er versucht hatte, Litsi umzubringen… ihn umzubringen!.. einfach unmöglich… aber er hörte sich so gemein an… ich hätte nicht gedacht, daß er so sein kann. «Sie wandte sich flehend an die Prinzessin:»Ich mag ja dumm gewesen sein, aber ich bin nicht böse, Casilia.«
Ich hörte dem Erguß mit großer Unruhe zu. Ich wollte nicht, daß ihre späte Reue die sorgfältig versponnenen Fäden durcheinanderbrachte. Mir wäre viel lieber gewesen, sie wäre entschlossen auf dem bisherigen Kurs geblieben.
«Haben Sie ihn daraufhin noch mal angerufen?«fragte ich.
Beatrice mochte nicht mit mir reden und antwortete erst, als Litsi die gleiche Frage stellte.
«Das hab ich«, sagte sie heftig, um Vergebung bittend,»aber er war schon weg.«
«Schon?«fragte Litsi.
Beatrice wurde leiser.»Er hatte mir gesagt, daß ich ihn unter der Nummer nicht mehr erreichen könne. Er war sowieso die halbe Zeit nicht da. Ich meine.«
«Wie oft hast du mit ihm gesprochen?«fragte Litsi freundlich.»Und wann?«
Beatrice zögerte erst, antwortete aber:»Gestern und heute, so gegen sechs, und Donnerstag früh und…«sie versuchte sich zu erinnern,»es muß am Mittwoch abend um sechs gewesen sein, und zweimal am Montag, nachdem ich raushatte…«Ihre Stimme verlor sich, das halb ausgesprochene Geständnis erschreckte sie auf einmal.
«Was hattest du herausgefunden?«fragte Litsi ohne Tadel.
Sie sagte unglücklich:»Die Marke und die Farbe von Danielles Wagen. Das wollte er wissen… Ich hatte keine Ahnung«, heulte sie plötzlich,»daß er einen Überfall auf sie plante. Ich war fassungslos, als er danach bei euch anrief… junge Frauen, meinte er doch zu Litsi, sollten eben nachts nicht alleine Auto fahren. Danielle«, sagte sie beschwörend, zu ihr gewandt,»ich würde dich niemals in Gefahr bringen, nie.«
«Aber am Dienstag hast du ihm erzählt, daß Danielle und ich zum Pferderennen nach Bradbury fahren«, bemerkte Litsi.
«Ja, aber er hat verlangt, daß ich ihm solche Sachen erzähle«, erwiderte Beatrice grimmig.»Er wollte immer alles bis ins kleinste wissen. Er fragte mich, was im Haus vorgehe… er sagte, es sei doch wichtig für mich, daß er Erfolg habe, deshalb solle ich ihm mit Hinweisen helfen, auch mit winzigen Details.«
Ich sagte unprovokativ wie Litsi:»Inwiefern war das wichtig für Sie, Mrs. Bunt?«
Sie fühlte sich trotzdem provoziert, funkelte mich an und schwieg.
Litsi formulierte die Frage neu:»Hat Henri dir vielleicht… ein hübsches Präsent versprochen… falls er zum Erfolg kommt?«
Unsicher sah Beatrice die Prinzessin an, deren Blick auf den Händen in ihrem Schoß ruhte und deren Gesichtsausdruck streng war. Keine Verlockungen dieser Welt hätten sie bewegen können, umfassende Spitzeldienste für den Feind ihres Gastgebers und Bruders zu leisten, und ich konnte mir vorstellen, daß sie sich sehr bemühte, keinen offenen Abscheu zu zeigen.
Beatrice antwortete Litsi mit einem Rechtfertigungsversuch:»Ich habe natürlich die De-Brescou-Treuhandgelder, aber es ist teuer, in Palm Beach seine Position zu halten. Meine Soireen, verstehst du, nur für fünfzig liebe Freunde… nichts Großes… und meine Diener, nur ein Ehepaar… sind kaum ausreichend, und Henri sagte… Henri versprach mir. «Sie zögerte unschlüssig.
«Eine Million Dollar?«tippte Litsi an.
«Nein, nein«, widersprach sie,»so viel nicht. Er sagte, wenn die Pistolen in der Produktion wären und wenn er sein erstes großes Waffengeschäft abgeschlossen hätte, was wohl noch innerhalb eines Jahres wäre, dann würde er mir zweihundertundfünfzigtausend als Geschenk zukommen lassen, und in den darauffolgenden drei Jahren noch jeweils hunderttausend. Nicht gar so viel… aber für mich, siehst du, hätte es einen merkbaren Unterschied bedeutet.«
Eine Soiree für hundert, dachte ich sardonisch. Eine kleine Statusverbesserung im Kreis der Wohlhabenden. Über eine halbe Million Dollar insgesamt. Der Unterschied war klar ersichtlich.
«Ich fand nichts dabei, Roland zu überreden«, sagte sie.»Als ich hierherkam, war ich sicher, ich würde es schaffen und hätte hinterher das schöne Geld von Henri zur Verfügung.«
«Haben Sie das schriftlich von ihm?«fragte ich.
«Natürlich nicht«, entgegnete sie und vergaß dabei, daß sie mit mir redete,»aber er hat es doch versprochen. Er ist ein Ehrenmann.«
Selbst ihr wurde, sobald sie es gesagt hatte, klar, daß Nanterre zwar vieles war, vom Adligen bis zum Unternehmer, aber kein Ehrenmann.
«Er hat’s versprochen«, wiederholte sie.
Beatrice schien sich jetzt viel besser zu fühlen, als ob ein vollständiges Bekenntnis die Sünde entschuldigte.
Mir lag sehr daran zu erfahren, wieviel Informationen sie vor dem Dämmern der Erkenntnis und dem darauffolgenden Sinneswandel weitergegeben hatte. Eine Menge gute Pläne waren in die Binsen gegangen, wenn sie nicht das übermittelt hatte, worauf es uns ankam.
«Mrs. Bunt«, sagte ich schüchtern,»hat Henri Nanterre, als er erklärte, er wolle den Jockey loswerden, Ihnen gesagt, auf welche Weise? Oder vielleicht, wann? Oder wo?«
«Nein«, entgegnete sie prompt, mit ungnädiger Miene.
«Aber haben Sie ihm vielleicht irgend etwas gesagt, wo ich hingehe und wann, so wie bei Danielle und Litsi?«
Sie starrte mich bloß an. Litsi, der begriff, was ich wissen wollte, sagte:»Beatrice, wenn du Nanterre erzählt hast, wo Kit verwundbar sein könnte, mußt du uns das jetzt sagen, aber allen Ernstes.«
Sie sah ihn trotzig an.»Es liegt an ihm«, sie meinte mich,»daß Roland Henris Plänen nicht zustimmt. Roland hat es mir gesagt. Und er ja auch. «Sie zeigte mit dem Kopf in meine Richtung.»Er sagte beim Abendessen ausdrücklich… ihr habt es gehört… solange er hier wäre, würde Roland nicht unterschreiben. Er hat so viel Einfluß… alle tut ihr, was er sagt… Ohne ihn, meinte Henri, wäre alles schon am ersten Tag erledigt gewesen, noch bevor ich herkam. Alles ist seine Schuld. Er hat Henri dazu getrieben, die ganzen schlimmen Sachen zu machen. Wegen ihm bekomme ich wahrscheinlich nicht mein Geld. Als Henri mich also fragte, ob ich feststellen könne, wann und wo der Jockey mal allein ist… tja… da sagte ich, das würde ich rausfinden… und zwar mit Vergnügen!«
«Tante Beatrice!«rief Danielle.»Wie konntest du?«
«Er hat mein Zimmer«, brach es aus Beatrice hervor. »Mein Zimmer!«
Eine kurze, gespannte Stille folgte. Dann sagte ich mild:»Wenn Sie uns sagen würden, was Sie Nanterre erzählt haben, würde ich dort nicht hingehen… wo es auch sein mag.«
«Du mußt es uns sagen«, verlangte die Prinzessin heftig.»Wenn Kit deinetwegen etwas zustößt, werden wir dich nie wieder in diesem Haus oder im Chateau aufnehmen.«
Beatrice schien wie betäubt angesichts dieser schlimmsten aller Drohungen.
«Außerdem«, sagte Litsi in einem überaus energischen Tonfall,»bist du weder meine Schwester, meine Schwägerin noch meine Tante. Ich habe keine familiären Gefühle dir gegenüber. Du hast Auskünfte erteilt, die meinen Tod hätten herbeiführen können. Wenn du, wie es den Anschein hat, das gleiche in bezug auf Kit getan hast, und es gelingt Nanterre, ihn umzubringen, hast du Beihilfe zu Mord geleistet, und ich werde die Polizei in diesem Sinne verständigen.«
Beatrice brach innerlich völlig zusammen. Die ganze Sache ging weit über das hinaus, worauf sie sich hatte einlassen wollen, und Litsis Drohung war wie das dunkle Grollen einer undenkbaren Zukunft strafrechtlicher Vergeltung.
Beatrice sagte mit einem Anflug von Verdrossenheit zu Litsi:»Ich habe Henri erzählt, wo er seinen Wagen unterstellt, solange er hier ist. Heute abend sagte ich Henri, daß er Danielle morgen zum letztenmal abholt… daß er früh um halb zwei zu seinem Wagen geht. Henri meinte, das sei ausgezeichnet… aber dann redete er von dir in Bradbury. und von den toten Pferden. er fing an zu schreien, und mir ging auf… wie er mich benutzt hatte. «Ihr Gesicht verzog sich, als wollte sie wieder weinen, aber vielleicht weil sie einen allgemeinen Mangel an Verständnis spürte, unterdrückte sie die Regung und blickte mitleidsuchend von einem zum anderen.
Litsi sah aus, als ob er im stillen frohlockte, und mir ging es ähnlich. Die Prinzessin war allerdings erschrocken, ihre Augen weit aufgerissen.
«Die dunklen Garagen!«sagte sie entsetzt.»Daß Sie da nicht hingehen, Kit.«
«Nein«, versicherte ich ihr.»Ich werde woanders parken. «Sie entspannte sich, offenbar zufrieden mit der einfachen Lösung, und Danielle sah mich grübelnd an, denn sie wußte, daß ich nicht woanders parken würde.
Ich zwinkerte ihr zu.
Sie lachte beinah.»Wie kannst du da noch scherzen? Sag es nicht, sag bloß nicht, ohne Schwierigkeiten.«
Die Prinzessin und Beatrice schauten verwirrt drein, gaben aber nicht weiter acht.
«Sind Sie ganz sicher«, fragte ich Beatrice,»daß Sie Nanterre nicht mehr erreichen können?«
«Ja«, sagte sie unsicher und blickte nervös zu Litsi.»Aber… aber…«
«Aber was, Beatrice?«
«Er ruft heute abend hier an. Ich sollte Roland von deinem Unfall und von der Erschießung Cols erzählen, dann wollte er nachhören, ob Roland zur Unterschrift bereit sei… und wenn nicht…«Sie wand sich.»Ich konnte doch nicht zulassen, daß er Danielle etwas antut. Wirklich nicht!«
Ihre Augen schienen sich auf ihren unangerührten Drink zu heften. Sie streckte eine reich beringte Hand mit scharlachroten Fingernägeln aus und lieferte eine saubere Imitation von jemand, der soeben aus der Wüste kommt. Die Prinzessin, die ihre Schwägerin kaum noch ansehen konnte, ging auf die Tür zu und bedeutete mir mit der Hand, sie zu begleiten.
Ich folgte ihr. Sie trat ins Speisezimmer, wo das Abendessen gerichtet war, und bat mich, die Tür zu schließen, was ich auch tat.
Sie sagte ernstlich besorgt:»Es hat sich doch nichts geändert durch das, was Beatrice uns erzählt hat?«
«Nein«, erwiderte ich mit einer Dankbarkeit, die für sie nicht zu hören war.
«Wir können nicht stur weitermachen. Danielles Gesicht dürfen wir nicht riskieren. Sie dürfen es nicht riskieren. «Das Dilemma war furchtbar, wie von Nanterre beabsichtigt.
«Nein«, sagte ich.»Darauf darf ich es nicht ankommen lassen. Aber geben Sie mir Zeit bis Dienstag. Sagen Sie Monsieur bis dahin nichts von den Drohungen. Wir haben etwas vor. Wir haben zwar ein Druckmittel, aber wir brauchen ein stärkeres. Wir werden Nanterre ausschalten«, versprach ich.
«Sie und Litsi?«
«Ja.«
«Litsi war der Mann, der von dem Balkon gefallen ist«, sagte sie, Bestätigung suchend.
Ich nickte und erzählte ihr von der Lockbotschaft, aber nicht davon, daß der Bote gefunden war.
«Du meine Güte. Damit müssen wir doch zur Polizei gehen.«
«Warten Sie bis Dienstag«, bat ich.»Dann gehen wir, wenn es sein muß.«
Sie erklärte sich recht gern damit einverstanden, weil polizeiliche Ermittlungen in der Öffentlichkeit Aufsehen erregen konnten, und ich hoffte für John Smith Arnold Vincent Hodges, daß wir ihn nicht dem Unmut seiner Frau auszuliefern brauchten.
Ich fragte die Prinzessin, ob ich ihren Mann wohl an diesem Abend für zehn Minuten allein sprechen könne, und anstandslos fuhr sie mit mir im Lift nach oben, um das Gespräch zu arrangieren; es sei eine gute Zeit, da er zum Essen nicht herunterkomme.
Sie führte mich zu ihm, ließ uns allein, und ich nahm den roten Ledersessel, den Roland mir anbot.
«Was kann ich für Sie tun?«fragte er höflich, den Kopf auf die hohe Rückenlehne des Stuhls gestützt.»Noch mehr Wächter? Sammy habe ich kennengelernt«, ein schwaches Lächeln.»Er ist amüsant.«
«Nein, Monsieur, keine zusätzlichen Wächter. Ich habe mir überlegt, ob ich zeitig morgen früh einmal zu Ihrem Anwalt Gerald Greening gehen könnte. Hätten Sie etwas dagegen, wenn ich einen Termin vereinbare?«
«Hat das etwas mit Henri Nanterre zu tun?«
«Ja, Monsieur.«
«Könnten Sie mir sagen, weshalb Sie Gerald benötigen?«
Ich erklärte es. Er meinte müde, er verspreche sich zwar keinen Erfolg davon, aber ich brauchte Gerald nicht im Büro aufzusuchen, er komme ins Haus. Die Welt, erkannte ich belustigt, war unterteilt in solche, die Anwaltskanzleien aufsuchten, und solche, zu denen die Anwälte kamen.
Roland sagte, wenn ich Geralds Privatnummer nachsähe und dort anriefe, würde er selbst mit Gerald sprechen, falls der zu Hause sei, und kurz darauf war der Termin vereinbart.
«Er kommt auf dem Weg zum Büro hier vorbei«, sagte Roland, als er mir den Hörer zum Auflegen reichte.»Um halb neun. Laden Sie ihn zum Frühstück ein.«
«Ja, Monsieur.«
Er nickte ein wenig.»Gute Nacht, Kit.«
Ich ging hinunter zum Abendessen, das schweigsamer denn je verlief, und später rief, wie angedroht, Nanterre an.
Als ich seine Stimme hörte, drückte ich den Aufnahmeknopf, aber wieder nicht die Konferenzschaltung.
«Ich spreche mit jedem außer Ihnen«, sagte er.
«Dann mit niemand.«
Er brüllte:»Ich will Casilia sprechen.«
«Nein.«
«Geben Sie mir Roland.«
«Nein.«
«Beatrice.«
«Nein.«
«Das wird Ihnen leid tun«, schrie er und knallte den Hörer auf.