Dick Francis Handicap

Prolog

Ich träumte, daß ich ein Rennen ritt.

Daran war an sich nichts Ungewöhnliches. Ich war schon in ungezählten Rennen geritten.

Es war ein Hindernisrennen. Da waren Pferde und Jok-keys in den verschiedensten Farben und das Grün der Rennbahn. Da waren dichtgedrängte Reihen von Menschen mit rosaroten Gesichtern, die für mich, der ich in den Steigbügeln hockte und in gestrecktem Galopp an ihnen vorbeischoß, zu ununterscheidbaren rosa Farbklecksen verschwammen.

Die Münder der Menschen waren geöffnet, und obgleich ich keinen Laut hören konnte, wußte ich doch, daß sie schrien.

Sie schrien meinen Namen, um mich zum Sieg zu treiben.

Der Sieg allein zählte. Siegen, das war meine Aufgabe. Das war mein Daseinszweck, das war’s, was ich erstrebte, wozu ich auf die Welt gekommen war.

In meinem Traum gewann ich das Rennen. Die Anfeuerungsrufe verwandelten sich in Jubelgeschrei, und das Jubelgeschrei hob mich auf seinen Flügeln empor wie eine Woge. Aber allein der Sieg zählte, nicht dieser Jubel.

Wie so oft, wachte ich um vier Uhr morgens auf, noch vor Tagesanbruch.

Alles war still. Kein Jubel, nur Stille.

Ich konnte noch immer spüren, wie ich mich zusammen mit dem Pferd dahinbewegt hatte, fühlte noch das Spiel der Muskeln, das unsere beiden in der Anstrengung eins gewordenen Körper durchzitterte. Ich konnte noch die sich um meine Füße schließenden Steigbügel spüren, die angedrückten Waden, das Gleichgewicht, den braunen Pferdehals nahe an meinem Kopf, die Mähne, die mir in den Mund geweht wurde, die Zügel in meinen Händen.

Dann kam der Augenblick meines zweiten Erwachens. Das wirkliche Erwachen. Der Moment, in dem ich mich bewegte, die Augen öffnete und wieder wußte, daß ich keine Rennen mehr reiten würde, nie wieder. Erneut durchfuhr mich der Schmerz des Verlustes. Der Traum — das war ein Traum für unversehrte Männer gewesen.

Ich träumte diesen Traum sehr oft.

Verdammt sinnlos.

Das Leben — das war natürlich etwas ganz anderes. Man löste sich von seinen Träumen, zog sich an und versuchte, das Beste aus dem vor einem liegenden Tag zu machen.

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