Es war Senator Todd Davis gewesen, der die Versöhnung zwischen seiner Tochter und Oliver Russell in die Wege geleitet hatte.
Todd Davis war Witwer. Ein Multimilliardär, dem Tabakplantagen, Kohlebergwerke, Ölfelder in Oklahoma und Alaska sowie ein Gestüt mit Rennpferden der Weltspitzenklasse gehörten. Und er war als Mehrheitsführer im Senat, dem er bereits in der fünften Legislaturperiode angehörte, einer der mächtigsten Männer in Washington. Seine Lebensphilosophie lautete: Nie einen Menschen vergessen, der dir einen Gefallen getan hat, und nie eine Kränkung verzeihen. Er rühmte sich, auf der Rennbahn wie in der Politik ein Auge für kommende Sieger und Gewinner zu haben, und hatte bereits sehr früh auf Oliver Russell gesetzt. Die Aussicht, daß Oliver sein Schwiegersohn werden könnte, war ein unerwarteter, zusätzlicher Pluspunkt, den seine Tochter Jan dann mit ihrem törichten Verhalten natürlich wieder zunichte gemacht hatte. Es war die Nachricht von Oliver Russells Heirat mit Leslie Stewart, die ihm zu denken gegeben hatte. Sehr zu denken.
Oliver Russell war Senator Davis erstmals als junger Anwalt aufgefallen, als er für ihn einen juristischen Auftrag bearbeitete. Senator Davis war von dem intelligenten, gutaussehenden, redegewandten Mann mit dem gewinnenden jungenhaften Charme beeindruckt gewesen und hatte sich damals regelmäßig mit ihm zum Mittagessen verabredet. Oliver hatte gar keine Ahnung davon, welch einer gründlichen Prüfung er dabei unterzogen wurde.
Einen Monat nach der ersten Bekanntschaft mit Oliver rief Senator Davis Peter Tager zu sich. »Ich glaube, wir haben unseren nächsten Gouverneur gefunden.«
Tager war ein ernsthafter Mensch, der in einem christlichen Elternhaus aufgewachsen war. Sein Vater war Geschichtslehrer gewesen; seine Mutter ganz in der Familie aufgegangen; beide waren eifrige Kirchgänger. Peter Tager war elf Jahre alt gewesen, als die Bremsen des väterlichen Wagens versagten und einen tödlichen Verkehrsunfall verursachten, bei dem beide Eltern und sein jüngerer Bruder ums Leben kamen. Peter war der einzige Überlebende, aber er verlor ein Auge.
Peter glaubte, Gott habe ihn verschont, damit er den Menschen Sein Wort verkündige.
Senator Davis kannte niemanden sonst, der sich so gut auf die Dynamik des politischen Lebens verstand wie Peter Tager. Tager wußte, wo Wählerstimmen zu holen und wie Wähler zu gewinnen waren. Er besaß ein untrügliches Gespür für die Dinge, die die Öffentlichkeit hören wollte, und für alles, dessen sie überdrüssig war. Für Senator Davis war es allerdings noch wichtiger, daß Peter Tager ein integrer Mensch war, dem er voll und ganz vertrauen konnte, und er war allgemein beliebt. Die schwarze Augenklappe verlieh ihm ein verwegenes Aussehen. Für Tager selbst war die eigene Familie das wichtigste in der Welt. Der Senator kannte keinen zweiten Mann, der von solch tiefem Stolz auf seine Frau und seine Kinder erfüllt war.
Zur Zeit ihrer ersten Begegnung hatte Peter Tager sich mit dem Gedanken getragen, Geistlicher zu werden.
»Es gibt so viele Menschen, die der Hilfe bedürfen, Senator. Ich möchte ihnen dienen, so gut ich kann.«
Den Gedanken hatte ihm Senator Davis ausgeredet. »Überlegen Sie doch einmal, wieviel mehr Menschen Sie helfen können, wenn Sie für mich im Senat der Vereinigten Staaten tätig sind.« Es hatte sich als eine glückliche Wahl erwiesen, denn Tager verstand es, Dinge in Gang zu bringen.
»Der Mann, den ich als unseren Kandidaten für das Amt des Gouverneurs in Betracht ziehe, heißt Oliver Russell.«
»Der Anwalt?«
»Genau. Er ist ein politisches Naturtalent. Ich habe das Gefühl, daß er - wenn wir hinter ihm stehen - das Rennen macht.«
»Klingt interessant, Senator.«
Die zwei Männer begannen, ernsthaft darüber zu diskutieren.
Senator Davis erwähnte Oliver Russell im Gespräch mit Jan. »Der Junge hat eine große Zukunft vor sich, Honey.«
»Und eine heiße Vergangenheit hinter sich, Vater. Er ist der größte Wolf in der ganzen Stadt.«
»Na, Liebling, du solltest nichts auf Klatsch geben. Ich habe Oliver übrigens für Freitag bei uns zum Abendessen eingeladen.«
Der Abend war ein voller Erfolg. Oliver war bezaubernd, und Jan war unwillkürlich von ihm fasziniert. Der Senator beobachtete die beiden und richtete Fragen an Oliver, die ihm Gelegenheit boten, sich von seiner besten Seite zu zeigen.
Beim Abschied lud Jan Oliver für den folgenden Samstag zu einer größeren Dinnerparty ein.
»Die Einladung nehme ich gern an.«
Und nach diesem zweiten Abend gingen sie miteinander aus.
»Die zwei werden bestimmt bald heiraten«, prophezeite der Senator gegenüber Peter Tager. »Aber es wird Zeit, daß wir Olivers Wahlkampagne ins Rollen bringen.«
Oliver wurde zu einer Sitzung ins Büro von Senator Davis bestellt.
»Ich möchte Ihnen eine Frage stellen«, sagte der Senator. »Was würden Sie davon halten, Gouverneur von Kentucky zu werden?«
Oliver schaute ihn erstaunt an. »Ich ... darüber habe ich noch nie nachgedacht.«
»Sei's drum. Aber Peter Tager und ich, wir haben uns darüber Gedanken gemacht. Im nächsten Jahr steht die Wahl an. Da bleibt uns genug Zeit, um Sie aufzubauen, um die Leute aufzuklären, wer Sie sind. Mit uns im Hintergrund können Sie die Wahl gar nicht verlieren.«
Und Oliver wußte, daß er recht hatte. Senator Davis war ein mächtiger Mann, der über einen gutgeschmierten politischen Apparat verfügte, über eine Maschinerie, die Mythen erzeugen, aber auch alle vernichten konnte, die sich ihr in den Weg stellten.
»Es würde allerdings ein totales Engagement Ihrerseits erfordern«, warnte der Senator.
»Ich werde es einbringen.«
»Ich habe sogar noch bessere Neuigkeiten für Sie, mein Junge. Aus meiner Sicht handelt es sich hier lediglich um den ersten Schritt. Sie dienen eine Amtszeit als Gouverneur - oder auch zwei - und danach, ich verspreche es Ihnen, bringen wir Sie ins Weiße Haus.«
Oliver schluckte. »Ist . ist das Ihr Ernst?«
»In solchen Dingen pflege ich keine Scherze zu machen. Ich muß Ihnen ja wohl nicht erklären, daß wir im Zeitalter des Fernsehens leben - und Sie besitzen etwas, das mit Geld überhaupt nicht zu erwerben ist: Charisma. Sie üben auf andere Menschen eine Anziehungskraft aus, und Sie mögen die Menschen, und das spürt man. Sie haben die gleiche Eigenschaft, die auch Jack Kennedy besaß.«
»Ich ... ich weiß nicht, was ich dazu sagen soll, Todd.«
»Sie müssen gar nichts sagen. Ich muß morgen zurück nach Washington. Nach meiner Heimkehr machen wir uns an die Arbeit.«
Ein paar Wochen später begann der Wahlkampf um das Amt des Gouverneurs. Der ganze Bundesstaat war mit Plakattafeln mit dem Bild von Oliver Russell überschwemmt. Er trat im Fernsehen auf, bei Versammlungen und politischen Tagungen. Wie private Umfragen Peter Tagers ergaben, nahm Olivers Popularität von Woche zu Woche zu.
»Er hat weitere fünf Punkte dazugewonnen«, verkündete
Peter dem Senator. »Jetzt liegt er bloß noch zehn Punkte hinter dem amtierenden Gouverneur, und uns bleibt noch viel Zeit. Es dürfte nur eine Frage von wenigen Wochen sein, bis die beiden in diesem Rennen Kopf an Kopf liegen.«
Senator Davis nickte. »Gar keine Frage, Oliver wird gewinnen.«
»Hat unser Junge dir eigentlich schon einen Heiratsantrag gemacht?« fragte Todd Davis seine Tochter beim Frühstück.
Jan lächelte versonnen. »Nicht mit offenen, klaren Worten -aber er läßt jede Menge Versuchsballons steigen.«
»Dann sorg dafür, daß es nicht allzulang bei Versuchsballons bleibt. Ich wünsche, daß ihr heiratet, bevor er Gouverneur wird. Ein Gouverneur mit einer Frau an seiner Seite tut sich leichter.«
Jan legte ihrem Vater die Arme um den Hals. »Ich bin ja so froh, daß du ihn in mein Leben gebracht hast. Ich bin richtig verrückt nach ihm.«
Der Senator strahlte. »Solange er dich glücklich macht, bin ich auch glücklich.«
Die Sache lief perfekt.
Bei seiner Heimkehr am nächsten Abend traf der Senator seine Tochter tränenüberströmt beim Kofferpacken auf ihrem Zimmer an.
Er musterte sie besorgt. »Was ist los, Baby?«
»Ich verschwinde von hier. Ich will Oliver nicht mehr wiedersehen! Mein Lebtag nicht!«
»Moment mal. Worum geht's eigentlich?«
Sie drehte sich zu ihm um. »Es geht um Oliver.« Sie klang verbittert. »Er hat die vergangene Nacht mit meiner besten Freundin in einem Motel verbracht. Sie hat es kaum abwarten können, mich anzurufen und mir mitzuteilen, was für ein wundervoller Liebhaber er ist.«
Der Senator war schockiert. »Wäre es denn nicht möglich,
daß sie bloß .«
»Nein. Ich habe Oliver angerufen. Er - er hat es nicht bestreiten können. Ich habe beschlossen, Lexington zu verlassen. Ich fliege nach Paris.«
»Bist du sicher, das Richtige zu .«
»Absolut sicher.«
Und am nächsten Morgen war Jan auf und davon.
Der Senator ließ Oliver zu sich kommen. »Ich bin von Ihnen enttäuscht, Sohn.«
Oliver holte tief Luft. »Die Sache von gestern tut mir leid, Todd. Es war - es passierte einfach so. Ich hatte ein paar Gläschen getrunken, und dann hat sich diese Frau an mich herangemacht und - nun ja, es war eben schwer, nein zu sagen.«
»Das kann ich verstehen«, sagte der Senator teilnahmsvoll. »Sie sind schließlich ein Mann, nicht wahr?«
Olivers Lächeln verriet Erleichterung. »Genau. Es wird nie wieder passieren. Ich kann Ihnen versichern ...«
»Trotzdem. Es ist wirklich schade, denn Sie hätten einen guten Gouverneur abgegeben.«
Die Farbe wich aus Olivers Gesicht. »Was ... was sagen Sie da, Todd?«
»Bitte, Oliver, es würde doch irgendwie ein schiefes Licht auf mich werfen, wenn ich Sie nach diesem Vorfall weiterhin unterstütze, nicht wahr? Ich meine, überlegen Sie mal, was Jan empfinden muß .«
»Was hat denn das Gouverneursamt mit Jan zu tun?«
»Ich habe allen erzählt, es bestünden gute Aussichten, daß der nächste Gouverneur mein Schwiegersohn sein würde. Da Sie nun aber nicht mein Schwiegersohn werden, na ja, werde ich meine Pläne eben ändern müssen, nicht wahr?«
»Seien Sie vernünftig, Todd. Sie können doch nicht ...«
Das Lächeln schwand vom Gesicht des Senators. »Maßen Sie sich bitte niemals an, mir erklären zu wollen, was ich tun kann und was nicht, Oliver. Ich kann etwas aus Ihnen machen, ich kann Sie aber auch genausogut vernichten!« Das Lächeln kehrte zurück. »Verstehen Sie mich bitte nicht falsch. Ich hege keinerlei persönliche Ressentiments gegen Sie. Ich wünsche Ihnen nur das Beste.«
Es verschlug Oliver für einen Moment die Sprache. »Verstehe.« Er stand auf. »Ich ... es tut mir leid.«
»Mir auch, Oliver. Es tut mir wirklich leid.«
Kaum war Oliver fort, ließ der Senator Peter Tager zu sich kommen. »Wir brechen den Wahlkampf ab.«
»Jetzt den Wahlkampf abbrechen? Warum? Wir haben es so gut wie geschafft. Den jüngsten Umfragen zufolge .«
»Tun Sie einfach, was ich Ihnen sage. Sagen Sie Olivers sämtliche Auftritte ab. Soweit es uns angeht, ist er nicht mehr im Rennen.«
Zwei Wochen später zeigten die Umfragen einen Rückgang von Oliver Russells Popularitätswerten. Nach und nach verschwanden seine Plakattafeln; die Wahlkampfspots in Fernsehen und Rundfunk waren storniert worden.
»Gouverneur Addisons Umfragewerte steigen. Falls wir einen neuen Kandidaten suchen, sollten wir uns beeilen«, meinte Peter Tager.
Der Senator war in Gedanken versunken. »Wir haben viel Zeit. Wir sollten diese Sache zu Ende spielen.«
Es war wenige Tage später, daß Oliver Russell die Werbe-und Public-Relations-Agentur Bailey & Tomkins aufsuchte und bat, seinen Wahlkampf zu managen. Jim Bailey machte ihn mit Leslie bekannt, und Oliver war sofort von ihr angetan. Sie war nicht nur schön; sie war auch intelligent und teilnahmsvoll; und sie glaubte an ihn. Bei Jan hatte er manchmal eine gewisse Unnahbarkeit gespürt. Bei Leslie erging es ihm völlig anders. Sie war warmherzig und einfühlsam; da war es nur natürlich, sich in sie zu verlieben. Gelegentlich ging es Oliver durch den Sinn, was er mit Jan verloren hatte. »Es ist
nur der erste Schritt. Sie dienen eine Amtszeit als Gouverneur - oder auch zwei -, und danach, ich verspreche es Ihnen, bringen wir Sie ins Weiße Haus.«
Zum Teufel damit. Ich kann auch ohne das alles glücklich sein, redete Oliver sich ein. An und ab konnte er aber nicht umhin, an die schöne Zukunft zu denken, die ihm offengestanden hatte.
Olivers Hochzeit mit Leslie Stewart stand kurz bevor, als Senator Davis Tager zu sich rufen ließ.
»Wir haben ein Problem, Peter. Wir können es nicht dulden, daß Oliver seine politische Karriere wegen der Ehe mit einem Fräulein Namenlos wegwirft.«
Peter Tager runzelte die Stirn. »Ich wüßte nicht, wie Sie das jetzt noch verhindern könnten, Senator. Der Hochzeitstermin steht.«
Senator Davis dachte kurz nach und rief seine Tochter in Paris an. »Jan, ich habe eine schreckliche Neuigkeit für dich. Oliver heiratet.«
Langes Schweigen. »Ich ... ich habe davon gehört.«
»Das Traurige an dieser Geschichte ist nur, daß er diese Frau überhaupt nicht liebt. Ich weiß es von ihm selbst, daß er sie aus Enttäuschung heiratet, weil du ihn verlassen hast. Er liebt dich nach wie vor.«
»Das hat Oliver gesagt?«
»Hundertprozentig. Es ist schlimm, was er sich da selber antut. Und in gewisser Weise bist du's, die ihn dazu zwingt, Baby. Er ist einfach zerbrochen, nachdem du ihn verlassen hast.«
»Vater, ich ... ich hatte ja keine Ahnung.«
»Einen so unglücklichen Mann hab ich mein Lebtag nicht gesehen.«
»Ich weiß gar nicht, was ich sagen soll.«
»Liebst du ihn denn noch immer?«
»Ich werde ihn immer lieben. Ich habe einen furchtbaren Fehler begangen.«
»Also, dann ist es ja vielleicht noch nicht zu spät.«
»Aber er heiratet doch.«
»Honey - warum warten wir's nicht ab? Mal sehen, was sich tut. Vielleicht kommt er ja wieder zur Vernunft.«
Als Senator Davis auflegte, fragte Peter Tager: »Was haben Sie vor, Senator?«
»Ich?« sagte Senator Davis in aller Unschuld. »Überhaupt nichts. Ich bringe bloß ein paar Sachen wieder ins Lot, damit alles seine Richtigkeit hat. Ich werde mal ein Wörtchen mit Oliver reden.«
Am Nachmittag saß Oliver Russell in Senator Davis' Büro.
»Ich bin froh, Sie zu sehen, Oliver. Danke, daß Sie vorbeigekommen sind. Sie sehen blendend aus.«
»Danke, Todd, Sie aber auch.«
»Na ja, man wird älter. Aber man tut, was man kann.«
»Sie wollten mich sprechen, Todd?«
»Ja, Oliver. Nehmen Sie Platz.«
Oliver ließ sich auf einem Stuhl nieder.
»Ich brauche Ihre Hilfe bei einem juristischen Problem, das mir in Paris zu schaffen macht. Eines von meinen dortigen Unternehmen steckt in Schwierigkeiten, und nun steht auch noch eine Aktionärsversammlung bevor. Würden Sie daran bitte für mich teilnehmen?«
»Sehr gern. Wann findet die Versammlung statt? Ich werde im Terminkalender nachsehen und .«
»Bedaure, Sie würden gleich heute nachmittag abfliegen müssen.«
Oliver schaute ihn entgeistert an. »Heute nachmittag?«
»Es ist mir sehr unangenehm, so kurzfristig über Sie verfügen zu müssen, aber ich habe es selbst gerade erst erfahren. Mein Flugzeug erwartet Sie am Flughafen. Könnten Sie es möglich machen? Die Sache ist mir sehr wichtig.«
Oliver überlegte. »Ich werde es irgendwie versuchen.«
»Ich weiß es zu schätzen, Oliver. Ich habe ja gewußt, daß ich mich auf Sie verlassen kann.« Er beugte sich vor. »Ich bin sehr betroffen von Ihrem Mißgeschick. Sie haben die neuesten Umfragen gesehen?« Er seufzte. »Sie sind leider ganz tief nach unten gefallen.«
»Ich weiß.«
»Es würde mich ja weniger bedrücken, nur . « Er brach mitten im Satz ab.
»Nur ...?«
»Nur daß Sie eben ein guter Gouverneur geworden wären. Ihre Zukunftsperspektive hätte glänzender gar nicht sein können. Sie würden über Geld verfügt haben . und über Macht. Gestatten Sie mir eine Bemerkung über Geld und Macht, Oliver. Dem Geld ist es völlig gleichgültig, wem es gehört. Ein Penner kann es in der Lotterie gewinnen, es kann durch eine Erbschaft einem Volltrottel zufallen, oder ein Gewaltverbrecher kann es bei einem Banküberfall an sich bringen. Aber die Macht - mit der Macht ist das eine andere Geschichte. Macht haben heißt die Welt besitzen. Wenn Sie Gouverneur dieses Staates würden, hätten Sie potentiell Ein-fluß auf das Leben all seiner Bürger. Sie könnten Gesetze verabschieden, die den Menschen nützen, und Sie hätten die Macht, Ihr Veto gegen Gesetze einzulegen, die ihnen schaden könnten. Ich hatte Ihnen versprochen, daß Sie eines Tages Präsident der Vereinigten Staaten sein könnten. Ich meinte es ernst, ehrlich, Sie hätten US-Präsident sein können. Denken Sie einmal über solche Macht nach, Oliver, was es bedeutet, der wichtigste Mann der Welt zu sein, das mächtigste Land der Welt zu führen. Es lohnt, solch ein Ziel vor Augen zu haben, nicht wahr? Denken Sie einfach mal darüber nach.« Er wiederholte es ganz langsam: »Der mächtigste Mann der Welt!«
Oliver fragte sich, worauf Davis mit diesem Gespräch wohl hinauswollte.
Und wie zur Beantwortung von Olivers unausgesprochener Frage fuhr der Senator fort: »Und all das haben Sie aufgegeben, bloß wegen einer Muschi. Ich hatte Sie wirklich für intelligenter gehalten, mein Sohn.«
Oliver wartete.
»Ich habe heute morgen mit Jan gesprochen«, fügte der Senator an. »Sie hält sich zur Zeit in Paris auf. Im Hotel Ritz. Als ich Ihre Heirat erwähnte - also, sie ist schluchzend zusammengebrochen.«
»Ich ... es tut mir leid, Todd. Es tut mir wirklich leid.«
Der Senator seufzte. »Schade, daß ihr zwei nicht wieder zusammenkommen könnt.«
»Todd - ich werde nächste Woche heiraten.«
»Ich weiß. Und ich würde nicht einmal im Traum daran denken, mich da einzumischen. In dem Punkt bin ich vermutlich ein sentimentaler alter Narr, aber die Ehe ist für mich nun einmal das heiligste Gut auf Erden. Meinen Segen haben Sie, Oliver.«
»Ich bin Ihnen sehr verbunden.«
»Ich weiß.« Der Senator schaute auf seine Armbanduhr. »Sie werden heimgehen und packen wollen. Alle nötigen Hintergrundinformationen und Tagungsdetails werden Ihnen in Paris per Fax zugehen.«
Oliver erhob sich. »In Ordnung. Und seien Sie unbesorgt, ich werde mich dort um alles kümmern.«
»Davon bin ich überzeugt. Übrigens, ich habe für Sie ein Zimmer im Ritz reserviert.«
Auf dem Flug nach Paris im luxuriösen Challenger von Senator Davis dachte Oliver über die Unterhaltung nach. »Sie wären ein guter Gouverneur geworden. Ihre Zukunftsperspektive hätte glänzender gar nicht aussehen können ... Gestatten Sie mir eine Bemerkung über Geld und Macht, Oliver ... Macht haben heißt, die Welt besitzen. Als Gouverneur dieses Staats könnten Sie Einfluß auf das Leben all seiner Bürger nehmen.
Sie könnten Gesetze durchbringen, die den Menschen nützen, und könnten Ihr Veto gegen Gesetze einlegen, die ihnen schaden könnten.«
Aber das brauche ich doch gar nicht, versicherte sich Oliver. Nein. Ich heirate eine wunderbare Frau. Wir werden einander glücklich machen. Sehr glücklich.
Oliver landete auf dem TransAir-ExecuJet-Gelände des Flughafens Le Bourget in Paris. Er wurde erwartet.
»Wohin, Mr. Russell?« fragte der Chauffeur der Limousine.
»Übrigens, ich habe ein Zimmer für Sie im Ritz reserviert.« Im Ritz wohnte aber doch Jan.
Es wäre gewiß klüger, überlegte Oliver, wenn ich in einem anderen Hotel absteigen würde - im Plaza-Athenee oder im Meurice.
Der Fahrer schaute ihn erwartungsvoll an.
»Zum Ritz«, sagte Oliver. Er könnte sich ja bei Jan zumindest entschuldigen.
Er rief sie vom Foyer aus an. »Hier Oliver. Ich bin in Paris.«
»Ich weiß«, sagte Jan. »Vater hat mich angerufen.«
»Ich bin unten. Ich würde dir gern guten Tag sagen, falls du .«
»Komm herauf.«
Oliver war sich noch immer im unklaren darüber, was er Jan sagen sollte, als er ihre Suite betrat.
Sie stand wartend an der Tür, lächelnd, warf ihm die Arme um den Hals und hielt ihn fest. »Vater hat mir erzählt, daß du kommen würdest. Ich bin ja so froh!«
Oliver war völlig überrumpelt. Er würde ihr von Leslie erzählen müssen. Es tut mir leid, was passiert ist . ich habe dir ganz bestimmt nicht weh tun wollen . Ich habe mich in eine andere Frau verliebt . ich werde dich aber stets .
»Ich . ich habe dir etwas mitzuteilen«, begann er verlegen und linkisch. »Die Sache ist die ...« Doch als er Jan anschaute, fielen ihm die Worte ihres Vaters ein. »Ich hatte Ihnen versprochen, daß Sie eines Tages Präsident der Vereinigten Staaten sein könnten. Ich meinte das ernst, ehrlich, Sie hätten US-Präsident werden können. Und denken Sie doch einmal über solche Macht nach, Oliver - was es bedeutet, der wichtigste Mann der Welt zu sein, das mächtigste Land der Welt zu führen. Es lohnt doch, ein solches Ziel vor Augen zu haben, nicht wahr?«
»Ja, Darling?«
Und dann strömten die Worte wie von selbst aus ihm heraus, als ob sie ein Eigenleben besäßen. »Ich habe einen schrecklichen Fehler gemacht, Jan. Ich war ein richtiger Dummkopf. Ich liebe dich. Ich möchte dich heiraten.«
»Oliver!«
»Wirst du mich heiraten?«
Da gab es kein Zögern. »Ja. O ja, mein Liebster!«
Er hob sie empor, trug sie ins Schlafzimmer, und als sie dann wenig später nackt im Bett lagen, sagte Jan: »Wenn du wüß-test, wie sehr ich dich vermißt habe, Darling.«
»Ich muß meinen Verstand verloren haben .«
Jan preßte sich an seinen nackten Körper und stöhnte. »Oh! Tut das gut!«
»Weil wir zusammengehören.« Oliver setzte sich im Bett auf. »Wir sollten deinem Vater die Neuigkeit erzählen.«
Sie blickte ihn erstaunt an. »Jetzt?«
»Ja.«
Und ich werde es Leslie mitteilen müssen.
Eine Viertelstunde später hatte Jan ihren Vater am Apparat. »Oliver und ich werden heiraten.«
»Das ist eine großartige Nachricht, Jan. Welch eine Überraschung. Und wie ich mich freue! Übrigens, der Bürgermeister von Paris ist ein alter Freund von mir. Er erwartet deinen Anruf, er wird euch trauen. Und ich werde dafür sorgen, daß alles entsprechend vorbereitet ist.«
»Aber .«
»Gib mir Oliver ...«
»Einen Moment, Vater.« Jan hielt Oliver das Telefon hin. »Er möchte mit dir reden.«
Oliver nahm den Hörer. »Todd?«
»Also, mein Junge, damit haben Sie mich sehr glücklich gemacht. Sie haben richtig gehandelt.«
»Danke. Ich empfinde es auch so.«
»Ich werde es einrichten, daß ihr in Paris heiratet. Und nach eurer Heimkehr gibt's hier in Lexington die kirchliche Trauung. In der Calvary Chapel.«
Olivers Gesicht umwölkte sich. »In der Calvary Chapel? Ich ... das scheint mir keine gute Idee, Todd. Dort hatten doch Leslie und ich .Warum nicht in der .«
Die Stimme des Senators wurde eisig. »Sie brachten meine Tochter in Verlegenheit, Oliver. Das werden Sie doch gewiß wiedergutmachen wollen. Habe ich nicht recht?«
Langes Schweigen. »Ja, Todd. Selbstverständlich.«
»Danke, Oliver. Ich freue mich aufs Wiedersehen in ein paar Tagen. Dann gibt es eine Menge zu bereden . Gouverneur .«
Die Trauung in den Amtsräumen des Pariser Bürgermeisters war eine kurze Zeremonie, nach deren Beendigung Jan Oliver anschaute und meinte: »Vater möchte eine kirchliche Trauung für uns in der Calvary Chapel.«
Oliver zögerte, weil er an Leslie denken mußte und an die Demütigung, die es ihr zufügen würde. Doch er konnte nicht mehr zurück. »Ganz wie er wünscht.«
Oliver mußte unentwegt an Leslie denken. Sie hatte wirklich nicht verdient, was er ihr angetan hatte. Ich rufe sie an und werde es ihr erklären. Doch wenn er den Hörer abnahm, schoß es ihm jedesmal durch den Kopf: Wie könnte ich es aber erklären? Was soll ich ihr bloß sagen? Und er wußte keine
Antwort. Als er schließlich den Mut aufbrachte, um sie anzurufen, hatte sie die Nachricht bereits durch die Presse erfahren, und er kam sich noch mieser vor.
Am Tag der Heimkehr des frischvermählten Paares nach Lexington kam Olivers Wahlkampf wieder voll auf Touren. Peter Tager hatte alles in Bewegung gesetzt; Oliver war erneut allgegenwärtig - im Fernsehen, im Rundfunk, in den Zeitungen. Er sprach zu einer riesigen Menschenmenge im Kentucky Kingdom Thrill Park und hielt eine Wahlversammlung in der Autofabrik Toyota in Georgetown. Er sprach im siebentausend Quadratmeter großen Einkaufszentrum von Lancaster. Und das war nur der Anfang.
Peter Tager machte es möglich, daß Oliver in einem speziellen Wahlkampfbus den gesamten Bundesstaat Kentucky bereiste. Der Bus fuhr von Georgetown bis hinunter nach Stanford, mit Stops in Frankfort ... Versailles .Winchester ... Louisville. Oliver sprach auf dem Kentucky-Messegelände und im Ausstellungscenter, wo ihm zu Ehren in einem großen Kessel über einem offenen Feuer burgoo, das traditionelle Kentucky-Eintopfgericht aus Huhn, Kalbs-, Rind-, Lamm- und Schweinefleisch mit vielen frischen Gemüsen, gekocht wurde.
Olivers Umfragewerte stiegen unentwegt. Es hatte lediglich eine einzige Unterbrechung in seinem Wahlkampf gegeben: seine Hochzeit, wo der Anblick der in der hintersten Kirchenbank stehenden Leslie bei ihm ein ungutes Gefühl ausgelöst hatte. Er beriet sich mit Peter Tager.
»Sie glauben doch nicht, daß Leslie etwas unternehmen würde, was mir schaden könnte?«
»Sicher nicht. Und selbst wenn sie Ihnen schaden wollte -was könnte sie denn tun? Die Frau können Sie vergessen.«
Tager hatte recht. Die Dinge entwickelten sich bestens, und es gab keinerlei Anlaß zur Besorgnis. Nun würde ihn nichts,
aber auch gar nichts mehr aufhalten können.
In der Wahlnacht saß Leslie in ihrer Wohnung mutterseelenallein vor dem Fernseher und verfolgte die Ergebnisse. Olivers Vorsprung wuchs mit jedem weiteren, ausgezählten Wahlkreis. Genau fünf Minuten vor Mitternacht war es schließlich soweit: Der noch amtierende Gouverneur Addison trat vor die Kameras, um seine Wahlniederlage einzugestehen. Leslie schaltete den Fernseher aus. Sie erhob sich und atmete einmal tief durch.
Weep no more, my Lady. Oh, weep no more today!
We will sing one song for the old Kentucky home. For the old Kentucky home far away.
Jetzt war der Zeitpunkt gekommen.