6

Olivers Tage waren randvoll mit Terminen gefüllt, und er genoß jedes Detail, jede Sekunde seiner Tätigkeit, ob es sich nun um Ernennungen zu politischen Ämtern, um das Einbringen von Gesetzesvorlagen, um die Bereitstellung von Mitteln für bestimmte Zwecke, um die Teilnahme an Sitzungen und Konferenzen, um Ansprachen oder Presseinterviews handelte. Das State Journal in Frankfort, der Herald Leader in Lexington und das Louisville Courier Journal äußerten sich in geradezu überschwenglichen Berichten und Kommentaren zu seiner Amtsführung. Er bekam den Ruf eines Gouverneurs, der die Dinge anpackte. Und er fand Zugang zum gesellschaftlichen Leben der Superreichen - in diesem Punkt war er sich allerdings völlig darüber im klaren, daß seine Akzeptanz in diesen Kreisen zum großen Teil darauf zurückzuführen war, daß er mit der Tochter von Senator Todd Davis verheiratet war.

Es gefiel Oliver gut in Frankfort, einer schönen historischen Stadt in einem malerischen Flußtal gelegen, inmitten der Hügellandschaften der legendären Bluegrass-Region Kentuckys. Es gefiel ihm so gut, daß er sich fragte, wie wohl ein Leben in Washington D.C. aussehen könnte.

Die gedrängt vollen Tage dehnten sich zu Wochen, und die Wochen zu Monaten, bis auf einmal das letzte Jahr seiner Amtszeit begonnen hatte.

Oliver hatte Peter Tager zu seinem Pressesekretär ernannt, und eine bessere Wahl hätte er gar nicht treffen können, denn Tager war der Presse gegenüber stets offen und direkt und wegen der anständigen altmodischen Werte, für die er stand und von denen er so gern sprach, verlieh er der Partei Substanz und Würde. Peter Tager und seine schwarze Augenklappe wurden der Öffentlichkeit ein beinah ebenso vertrautes Bild

wie Oliver.

Todd Davis ließ es sich nicht nehmen, mindestens einmal monatlich zu einer Unterredung mit Oliver nach Frankfort zu fliegen.

»Wenn man einen Vollblüter besitzt«, erklärte er Peter Tager eines Tages, »muß man ihn gut im Auge behalten, damit er nicht sein Gespür fürs Timing verliert.«

Es war an einem kalten Oktoberabend, als Oliver und Senator Davis nach einem Abendessen mit Jan im Restaurant Gabriel zur Executive Mansion zurückgekehrt waren und nun beisammensaßen. Jan hatte sich zurückgezogen, damit die beiden Männer in Ruhe miteinander reden konnten.

»Ich bin froh, daß Jan so glücklich ist, Oliver.«

»Mir liegt auch sehr viel daran, sie glücklich zu machen, Todd.«

Senator Davis schaute Oliver in die Augen und fragte sich im stillen, wie oft Oliver wohl sein Geheimapartment benutzte. »Sie hat dich sehr lieb, mein Sohn.«

»Ich liebe sie auch.« Es klang aufrichtig.

Senator Davis lächelte. »Freut mich, das zu hören. Sie ist bereits mit den Plänen zur Inneneinrichtung des Weißen Hauses beschäftigt.«

Olivers Herz setzte für einen Schlag aus. »Wie bitte?«

»Ach so. Habe ich dir noch nicht davon berichtet? Der Anfang ist gemacht. Dein Name wird in Washington langsam ein Begriff. Mit Neujahr setzt unser Wahlkampf ein.«

Oliver scheute sich fast, die nächste Frage zu stellen. »Und du glaubst wirklich, daß ich eine Chance habe, Todd?«

»Das Wort >Chance< kommt aus dem Glücksspiel, Sohn, und ich bin nun mal kein Spieler. Ich lasse mich nie auf etwas ein, wenn ich nicht überzeugt bin, daß es eine sichere Partie ist.«

Oliver atmete tief durch. Du kannst der wichtigste Mann der Welt werden. »Ich darf dir meinen innigsten Dank für alles aussprechen, was du für mich getan hast, Todd.«

Todd tätschelte Olivers Arm. »Man ist doch wohl dazu verpflichtet, den eigenen Schwiegersohn zu unterstützen, meinst du nicht?«

Die Betonung, die der Senator auf den »Schwiegersohn« legte, entging Oliver keineswegs.

»Übrigens«, sagte der Senator in einem beiläufigen Ton, »es hat mich doch sehr enttäuscht, daß deine Legislative das Gesetz zur Tabakbesteuerung verabschiedet hat.«

»Die zusätzlichen Steuereinnahmen dienen zum Ausgleich des Budgetdefizits ...«

»Du wirst dagegen natürlich dein Veto einlegen.«

Oliver starrte ihn fassungslos an. »Dagegen mein Veto einlegen?«

Der Senator würdigte ihn eines gequälten Lächelns. »Ich muß dich bitten, Oliver, mir zu glauben, daß ich in diesem Fall keine persönlichen Interessen verfolge. Ich habe jedoch viele Freunde, die ihr schwerverdientes Geld in Tabakplantagen investiert haben, und es wäre mir äußerst unangenehm, mitansehen zu müssen, wenn sie durch die neuen Steuerlasten zu Schaden kämen. Dir nicht?«

Schweigen.

»Dir etwa nicht?«

»Doch«, sagte Oliver schließlich. »Es wäre ungerecht.«

»Ich bin dir verbunden. Sehr verbunden, Oliver.«

»Es war nur«, sagte Oliver in einem fast entschuldigenden Ton, »daß ich hörte, du hättest deine Tabakplantagen verkauft, Todd.«

Diesmal war es Todd, der sein Erstaunen kaum zu verhehlen vermochte. »Und aus welchem Grund sollte ich wohl so etwas tun?«

»Nun ja, die Tabakindustrie erleidet momentan doch ziemlich starke, juristische Schlappen. Der Absatz ist drastisch zurückgegangen und .«

»Das gilt bloß für den amerikanischen Markt, mein Sohn, aber es gibt einen riesigen Weltmarkt. Warte nur, wenn unsere Werbekampagnen in China, Afrika und Indien anrollen.« Er warf einen Blick auf die Uhr und stand auf. »Ich muß wieder nach Washington. Zu einer Sitzung des Senatsausschusses.«

»Angenehmen Flug.«

Senator Davis lächelte zufrieden. »Nach dieser Unterredung gewiß, mein Sohn.«

Oliver war ziemlich verstimmt. »Zum Teufel, was soll ich denn jetzt machen, Peter? Die Tabaksteuer ist die mit Abstand populärste gesetzliche Maßnahme, die unser Parlament im laufenden Jahr durchgebracht hat. Mit welcher Ausrede könnte ich ausgerechnet hier ein Veto einlegen?«

Peter Tager zog ein paar Blatt Papier aus seiner Tasche. »Hier finden Sie die erforderlichen Antworten auf Ihre Frage, Oliver. Ich habe sie mit dem Senator durchdiskutiert. Sie werden garantiert keine Probleme bekommen. Ich habe die Pressekonferenz übrigens für sechzehn Uhr angesetzt.«

Oliver schaute die Unterlagen gründlich durch und nickte schließlich beruhigt. »Wirklich ausgezeichnet.«

»Dafür bin ich schließlich da. Kann ich sonst noch etwas für Sie tun?«

»Nein. Vielen Dank. Also, dann bis um vier.«

Peter Tager ging zur Tür.

»Peter?«

Tager drehte sich um. »Ja?«

»Ich möchte Ihnen gern eine Frage stellen. Glauben Sie, daß ich wirklich eine Chance habe, Präsident der Vereinigten Staaten zu werden?«

»Was meint der Senator?«

»Er behauptet, daß ich eine Chance habe.«

Tager kehrte noch einmal zum Schreibtisch zurück. »Ich kenne Senator Davis seit langer Zeit, Oliver, und in all diesen Jahren hat er sich nicht einmal geirrt. Nicht ein einziges Mal. Der Mann hat ein untrügliches Gespür. Wenn Todd Davis sagt, daß Sie der nächste Präsident der USA werden, können Sie Ihr Hab und Gut darauf verpfänden, daß Sie der nächste Präsident werden.«

Es klopfte an der Tür. »Herein.«

Die Tür ging auf, und herein trat eine schöne, junge Sekretärin, Anfang Zwanzig, aufgeschlossen, eifrig. Sie hielt ein paar Faxe in der Hand.

»Oh, Entschuldigung, Gouverneur. Ich hatte nicht gewußt, daß Sie in einer .«

»Schon gut, Miriam.«

Tager strahlte. »Hallo, Miriam.«

»Hallo, Mr. Tager.«

»Ich weiß gar nicht, was ich ohne Miriam machen sollte. Sie ist mein ein und alles.«

Miriam lief puterrot an. »Wenn es sonst nichts für mich zu tun ...« Sie legte die Faxe auf Olivers Schreibtisch, machte auf dem Absatz kehrt und stürmte aus dem Zimmer.

»Was für eine schöne Frau«, meinte Tager und warf Oliver einen prüfenden Blick zu.

»Ja.«

»Oliver - Sie passen doch auf?«

»Natürlich passe ich auf. Aus dem Grunde hatte ich Sie gebeten, mir das kleine Apartment zu beschaffen.«

»Ich meine - verdammt auf der Hut. Der Einsatz ist gestiegen. Und wenn Sie das nächstemal geil werden, halten Sie sich einen Moment lang zurück und bedenken Sie, ob eine Miriam, Alice oder Karen das Oval Office wirklich wert ist.«

»Ich weiß, was Sie meinen, Peter. Und vielen Dank für den Hinweis. Sie müssen sich in dieser Hinsicht aber keine Sorgen um mich machen.«

»Gut.« Tager sah auf seine Uhr. »Ich muß mich beeilen. Ich führe Betsy und die Kinder zum Mittagessen aus.« Er lächelte. »Habe ich Ihnen eigentlich schon erzählt, was Rebecca heute morgen gemacht hat? Meine fünfjährige Tochter wollte heute morgen um acht eine Kindersendung auf Video anschauen. Woraufhin Betsy erwiderte: >Liebling, ich werde die Kassette nach dem Mittagessen für dich einlegenc, und Rebecca schaut sie an und sagt: >Mummy, dann möchte ich sofort zu Mittag essen.< Ziemlich clever, was?«

Der Stolz, der in Tagers Stimme mitschwang, entlockte Oliver ein Lächeln.

Abends um zehn kam Oliver ins Schlafzimmer, wo Jan in ein Buch vertieft war, und sagte: »Liebling, ich muß noch einmal aus dem Haus, zu einer dringenden Besprechung.«

Jan hob den Kopf. »Um diese Zeit? Mitten in der Nacht?«

Er seufzte. »Leider ja. Am Morgen findet eine Sitzung des Haushaltsausschusses statt. Man hält es für notwendig, mich dafür zu instruieren.«

»Du arbeitest zuviel. Versuch bitte, nicht allzuspät heimzukommen, ja, Oliver?« Sie zögerte, bevor sie es aussprach. »Du bist in letzter Zeit abends ziemlich oft ausgegangen.«

Er fragte sich, ob die Bemerkung als Warnung gemeint war. Er trat näher, beugte sich über sie und gab ihr einen Kuß. »Sei unbesorgt, Liebling. Ich werde so früh wie möglich wieder zurück sein.«

»Heute abend brauche ich Ihre Dienste nicht in Anspruch zu nehmen«, teilte Oliver seinem Chauffeur mit. »Ich nehme den kleinen Wagen.«

»Du kommst spät, Liebling.« Miriam war völlig nackt.

Er grinste und ging zu ihr hinüber. »Entschuldige. Ich bin nur froh, daß du nicht ohne mich angefangen hast.«

Sie lächelte. »Halt mich ganz fest.«

Er nahm sie in die Arme und drückte sie an sich, und sie preßte ihren warmen Leib an seinen.

»Zieh dich aus. Mach schnell.«

»Was würdest du davon halten«, fragte er einige Zeit später, »nach Washington, D.C, zu ziehen?«

Miriam setzte sich abrupt im Bett auf. »Du willst mich wohl ärgern?«

»Ganz und gar nicht. Es könnte sein, daß ich bald nach Washington gerufen werde. Und ich möchte gern, daß du dort bei mir bist.«

»Und wenn deine Frau das mit uns herauskriegt ...«

»Wird sie aber nicht.«

»Wieso ausgerechnet Washington?«

»Das darf ich dir noch nicht sagen. Ich kann dir jedoch versichern, daß es eine aufregende Sache wird.«

»Ich folge dir, wohin du willst, solange du mich liebhast.«

»Aber du weißt doch, daß ich dich liebe.« Wie schon so oft in der Vergangenheit, gingen ihm diese Worte leicht von der Zunge.

»Liebe mich noch einmal.«

»Warte, einen Moment noch. Ich habe etwas für dich.« Er stand auf, ging zu seiner Jacke, die er über einen Stuhl geworfen hatte, nahm ein Fläschchen aus der Tasche und goß den Inhalt in ein Glas. Es war eine klare Flüssigkeit.

»Probier's mal.«

»Was ist das?« fragte Miriam.

»Es wird dir guttun. Ich versprech's dir.« Er hob das Glas und leerte es zur Hälfte.

Miriam trank einen kleinen Schluck, bevor sie den Rest in einem Zug austrank. »Schmeckt gar nicht schlecht.«

»Danach wirst du dich richtig sexy fühlen.«

»Ich fühl mich schon jetzt richtig sexy. Komm wieder zu mir ins Bett.«

Sie befanden sich mitten im Liebesspiel, als Miriam auf einmal Atembeschwerden bekam. »Mir ist nicht gut«, sagte sie und begann zu keuchen. »Ich ... ich kriege keine Luft mehr.« Sie schloß die Augen.

»Miriam!« Keine Reaktion. Sie sackte auf dem Bett nach hinten. »Miriam!«

Sie war ohnmächtig geworden.

Verdammt! Warum tust du mir so was an?

Er stand auf und begann, ratlos im Zimmer auf und ab zu gehen. Er hatte die Flüssigkeit bereits einem Dutzend Frauen zu trinken gegeben, und bisher hatte sie lediglich in einem einzigen Fall geschadet. Vorsicht! ermahnte er sich - wenn er jetzt einen Fehler beginge, wäre für ihn alles aus, all seine Hoffnungen und Träume, die Pläne, auf die er hingearbeitet hatte. Das durfte er auf keinen Fall zulassen. Er stand neben dem Bett und blickte auf sie hinab. Er fühlte ihren Puls. Sie atmete noch - Gott sei Dank. Er würde es jedoch unbedingt verhindern müssen, daß sie in dieser Wohnung entdeckt wurde, weil die Spuren sich sonst bis zu ihm zurückverfolgen lassen würden. Er mußte sie einfach fortschaffen, irgendwohin, an einen Ort, wo sie bald gefunden würde, damit sie rasch ärztliche Hilfe bekäme. Sie würde seinen Namen nie verraten; dessen war er sich sicher.

Er brauchte fast eine halbe Stunde, um sie anzuziehen und in der Wohnung sämtliche Spuren zu tilgen. Er schob die Tür einen Spalt weit auf, um sich zu vergewissern, daß im Flur niemand war, bevor er sie hochhob, über seine Schulter legte, nach unten trug und in seinen Wagen setzte. Es war kurz vor Mitternacht, die Straßen waren menschenleer und verlassen, und es begann zu regnen. Er fuhr zum Juniper Hill Park, und nachdem er absolut sicher war, daß sich keine Menschenseele in Sichtweite befand, hob er Miriam aus dem Wagen und legte sie behutsam auf eine Parkbank. Er fand es entsetzlich, sie da so liegenzulassen; doch er hatte keine andere Wahl. Absolut nicht. Seine ganze Zukunft stand auf dem Spiel.

Er bemerkte ein paar Meter weiter eine Telefonzelle, rannte hin und wählte den Notruf 911.

Jan war noch nicht zu Bett gegangen, als Oliver heimkehrte. »Es ist nach Mitternacht«, sagte sie vorwurfsvoll. »Was hat dich nur ...?«

»Verzeih, Darling. Wir haben uns in eine lange, langweilige Diskussion über den Haushalt verwickelt, und . na ja, wir konnten uns einfach nicht einigen. Jeder vertrat eine andere Auffassung.«

»Du siehst blaß aus«, sagte Jan. »Du mußt erschöpft sein.« »Ich bin tatsächlich ein wenig müde«, gab er zu. »Komm ins Bett.« Sie schaute ihn mit einem vielsagenden Lächeln an.

Er gab ihr einen Kuß auf die Stirn. »Ich brauche dringend ein wenig Schlaf, Jan. Die Besprechung hat mich total geschafft.«

Das State Journal brachte die Story am nächsten Morgen auf der Titelseite:

Sekretärin des Gouverneurs bewusstlos in Park gefunden

Miriam Friedland wurde heute um 02.00 Uhr im Regen be-wußtlos auf einer Parkbank entdeckt. Die herbeigerufene Ambulanz brachte sie ins Memorial Krankenhaus, wo die Ärzte ihren Zustand als kritisch bezeichnen.

Oliver las gerade den Bericht, als Peter mit einem Zeitungsexemplar in der Hand zu ihm ins Büro stürzte. »Haben Sie schon gesehen?«

»Ja. Das ... es ist furchtbar. Die Presse hat bereits pausenlos angerufen.«

»Können Sie sich den Vorfall erklären?« fragte Tager. Oliver schüttelte den Kopf. »Ich habe keine Ahnung. Ich habe soeben mit dem Krankenhaus gesprochen. Sie liegt im Koma. Die Ärzte suchen nach der Ursache ihres Zustands und werden mich verständigen, sobald sie mehr wissen.«

Tager musterte Oliver. »Hoffentlich ist es nichts Schlimmes.«

Leslie Chambers bekam die Zeitungsberichte nicht zu Ge-sicht, weil sie sich um diese Zeit wegen des Kaufs eines Fernsehsenders in Brasilien aufhielt.

Der erwartete Anruf vom Krankenhaus kam am folgenden Tag.

»Gouverneur, wir haben die Labortests abgeschlossen. Ihre Sekretärin hat eine Substanz namens Methylendioxy-methamphetamine eingenommen - eine Substanz, die gemeinhin unter dem Namen Ecstasy bekannt ist -, und zwar in flüssiger Form, die in erhöhtem Maße lebensgefährlich ist.«

»Wie ist ihr Zustand?«

»Leider unverändert kritisch. Sie liegt weiterhin im Koma. Es ist möglich, daß sie aus dem Koma erwacht, aber . « Er zögerte. »Es könnte ebensogut anders enden.«

»Halten Sie mich bitte auf dem laufenden.«

»Selbstverständlich. Sie müssen sehr betroffen sein, Gouverneur.«

»In der Tat.«

Oliver Russell war in einer Sitzung, als eine Sekretärin hereinrief.

»Verzeihung, Gouverneur, ein Anruf für Sie.«

»Ich habe Ihnen doch gesagt, daß ich nicht gestört werden will, Heather.«

»Senator Davis ist in der Leitung.«

»Ach so.«

Oliver wandte sich den Sitzungsteilnehmern zu. »Wir diskutieren die Angelegenheit später zu Ende. Wenn Sie mich jetzt bitte entschuldigen würden .«

Er sah den Herren nach, als sie den Raum verließen, und nahm den Hörer erst ab, als der letzte die Tür hinter sich zugemacht hatte. »Todd?«

»Hör zu, Oliver, was ist das für eine Geschichte mit deiner Sekretärin, die gedopt auf einer Parkbank gefunden wurde?«

»Die Geschichte ist wahr«, sagte Oliver. »Es ist eine furchtbare Geschichte, Todd. Ich .«

»Wie furchtbar?« wollte Senator Davis wissen.

»Worauf willst du hinaus?«

»Du weißt ganz genau, worauf ich hinaus will.«

»Todd, du glaubst doch nicht, daß ich . Ich schwöre dir, ich weiß absolut gar nichts von dem Vorfall.«

»Das will ich hoffen.« Die Stimme des Senators klang verbissen. »Du weißt, wie rasch in Washington ein Gerücht die Runde macht, Oliver. Washington ist das kleinste Dorf Amerikas. Wir wollen dich mit keinerlei negativen Dingen in Verbindung gebracht sehen. Wir bereiten nämlich gerade unseren ersten Schachzug vor, und ich wäre sehr - ich wiederhole -sehr aufgebracht, wenn du irgendeine Dummheit begehen solltest.«

»Ich versichere dir: Ich bin sauber.«

»Dann sieh zu, daß es auch so bleibt.«

»Selbstverständlich. Ich ...« Die Leitung war tot.

Oliver blieb nachdenklich sitzen. Ich werde mich vorsichtiger verhalten müssen. Ich darf nicht riskieren, daß mich jetzt etwas aus der Bahn wirft. Er schaute auf seine Uhr und griff nach der Fernbedienung, um die aktuellen Fernsehnachrichten einzuschalten. Auf dem Bildschirm erschien das Bild einer belagerten Straße; Heckenschützen feuerten ziellos aus umstehenden Gebäuden; im Hintergrund war Artillerie zu hören.

Eine hübsche junge Reporterin im Kampfanzug hielt ein Mikrofon in der Hand und kommentierte: »Der neue Waffenstillstand soll heute um Mitternacht in Kraft treten. Doch selbst wenn er eingehalten werden sollte, lassen sich weder die friedlichen Dörfer dieses kriegsverwüsteten Landes wiederherstellen noch die Unschuldigen, die von der erbarmungslosen Herrschaft des Schreckens getötet wurden, wieder zum Leben erwecken.«

Die Einstellung änderte sich zu einer Nahaufnahme von Dana Evans, einer leidenschaftlich engagierten, schönen, jungen Frau in kugelsicherer Weste und Kampfstiefeln. »Die Men-schen hier sind hungrig und müde. Sie haben nur einen Wunsch - Frieden. Wird es zum Frieden kommen? Das wird sich zeigen. Dana Evans, mit einem Bericht aus Sarajevo für wte, Washington Tribune Enterprises.« Das Bild löste sich in einen Werbespot auf.

Dana Evans, eine Auslandskorrespondentin vom Washington Tribune Enterprises Broadcasting System, berichtete täglich in den TV-Nachrichtenprogrammen; Oliver verpaßte möglichst keine Sendung von ihr. Sie zählte zu den allerbesten Fernsehreportern.

Großartig sieht sie aus, dachte Oliver nicht zum ersten Mal. Aber warum, zum Teufel, würde eine so junge, so schöne Frau sich freiwillig mitten in einen mörderischen Krieg hineinbegeben wollen?

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