Himmel unten Erde oben

Im Sommerhaus auf der Wench, tief im Obstgarten, stand eine Holzbank ohne Lehne. Sie hieß Hermannonkel. Den Namen hatte sie, weil wir niemanden kannten, der so hieß. Der Hermannonkel hatte in der Erde zwei runde Füße aus Baumstämmen. Sein Sitzbrett war nur an der Oberseite glattgesägt, an der Unterseite war die Rinde am Holz. In der prallen Sonne schwitzte der Hermannonkel Harztropfen. Wenn man sie abzupfte, waren sie am nächsten Tag nachgewachsen.

Weiter oben auf dem Grashügel stand die Tante Luia. Sie hatte eine Lehne und vier Beine und war kleiner und schlanker als der Hermannonkel, und älter als er. Der Hermannonkel war ihr nachgekommen. Ich ließ mich vor der Tante Luia den Hügel hinunterrollen. Himmel unten Erde oben und dazwischen Gras. Immer hielt das Gras mich an den Füßen fest, dass ich nicht in den Himmel falle. Immer sah ich den grauen Unterleib der Tante Luia.

An einem Abend saß die Mutter auf der Tante Luia, und ich lag vor ihren Füßen auf dem Rücken im Gras. Wir schauten hinauf, die Sterne waren alle da. Und die Mutter zog sich den Kragen ihrer Strickjacke übers Kinn, bis der Kragen Lippen hatte. Bis nicht sie, sondern der Kragen sagte:

Der Himmel und die Erde sind die Welt. Der Himmel ist so groß, weil darin für jeden Menschen ein Mantel hängt. Und die Erde ist so groß wegen den ganzen Entfernungen bis zu den Zehen der Welt. Bis dorthin ist es aber so weit, dass man mit dem Denken aufhören muss, weil man die Entfernungen wie eine leere Übelkeit im Magen spürt.

Ich fragte: Wo ist das Weiteste auf der Welt.

Wo sie aufhört.

An den Zehen.

Ja.

Sind es auch zehn.

Ich glaube, ja.

Weißt du, welcher Mantel dir gehört.

Erst wenn ich oben im Himmel bin.

Dort sind doch die Toten.

Ja.

Wie kommen sie dorthin.

Sie wandern mit der Seele.

Hat die Seele auch Zehen.

Nein, Flügel.

Haben die Mäntel Ärmel.

Ja.

Sind die Ärmel ihre Flügel.

Ja.

Sind der Hermannonkel und die Tante Luia ein Paar.

Wenn das Holz heiratet, dann ja.

Dann stand die Mutter auf und ging ins Haus. Und ich setzte mich auf die Tante Luia, genau dorthin, wo sie gesessen hatte. Dort war das Holz warm. Im Obstgarten zitterte der schwarze Wind.

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