Löffel hin Löffel her

Es war wieder Adventszeit. Ich war verblüfft, in der Baracke auf dem kleinen Tisch stand mein Drahtbäumchen mit der grünen Tannenwolle. Der Advokat Paul Gast hatte es in seinem Koffer aufgehoben und dieses Jahr mit drei Brotkugeln geschmückt. Weil wir im dritten Jahr sind, sagte er. Er glaubte, man weiß nicht, dass er Brotkugeln spendieren kann, weil er seiner Frau das Brot stiehlt.

Seine Frau Heidrun Gast wohnte in einer Frauenbaracke, Ehepaare durften nicht zusammenwohnen. Die Heidrun Gast hatte schon das Totenäffchengesicht, das Schlitzmaul von einem Ohr zum andern, den weißen Hasen in den Dellen der Wangen und gequollene Augen. Sie war seit dem Sommer in der Garage und musste die Akkumulatoren der Autos füllen. Ihr Gesicht war von der Schärfe der Schwefelsäure noch löchriger als ihre Pufoaika.

In der Kantine sah man täglich, was der Hungerengel aus einer Ehe macht. Der Advokat suchte seine Frau wie ein Wächter. Wenn sie bereits zwischen anderen am Tisch saß, zog er sie am Arm und stellte ihre Suppe neben seine. Wenn sie kurz wegschaute, tauchte er den Löffel in ihr Geschirr. Wenn sie es merkte, sagte er: Löffel hin, Löffel her.

Das Bäumchen mit den Brotkugeln stand noch auf dem Tisch in der Baracke, und Heidrun Gast starb in diesem kaum angefangenen Januar. Die Brotkugeln hingen noch am Bäumchen, und Paul Gast trug schon den Mantel seiner Frau mit dem Bubikragen und den abgewetzten Taschenklappen aus Hasenfell. Und er ließ sich öfter als bisher rasieren.

Und Mitte Januar trug unsere Sängerin Ilona Mich den Mantel. Und der Advokat durfte bei ihr hinter die Decke.

In dieser Zeit fragte der Rasierer: Habt ihr zu Hause Kinder.

Der Advokat sagte: Ich.

Und wie viele, fragte der Rasierer.

Drei, sagte der Advokat.

Aus dem Rasierschaum starrten seine Augen gefroren zur Tür. Dort hing an einem Haken meine Wattekappe mit den Ohrenklappen wie eine geschossene Ente. Der Advokat schnaufte einen tiefen Seufzer, dass ein Schaumbatzen vom Handrücken des Rasierers auf den Boden flog. Und dort, wo er hinfiel, zwischen den Stuhlbeinen, standen die Gummigaloschen des Advokaten fast auf den Zehenspitzen. Sie waren unter der Sohle an die Knöchel gebunden mit glitzrigem, ganz neuem Kupferdraht.

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