Der Senat summte vor Geschäftigkeit, als Julius und Brutus eintrafen. Sie stiegen am Rande des Forums von ihren Pferden und führten sie durch die Grüppchen der Senatoren, die aus allen Richtungen, aus der Stadt und von außerhalb, zusammenkamen, um an der Dringlichkeitssitzung teilzunehmen.
»Wie hast du so schnell davon erfahren?«, fragte Julius seinen Freund, als sie über den Platz gingen.
Brutus sah ein wenig verlegen aus; dann hob er den Kopf.
»Meine Mutter hat es mir erzählt. Sie hat etliche… Kontakte zum Senat. Wahrscheinlich war sie eine der Ersten, die davon gehört haben.«
Verwundert bemerkte Julius eine gewisse Behutsamkeit in Brutus’ Verhalten. Der Freund hatte ihn die ganze Zeit zu einem Treffen mit Servilia gedrängt, und Julius spürte, wie wichtig es ihm war.
»Ich glaube, ich muss deine Mutter tatsächlich endlich kennen lernen«, sagte er in leichtem Ton.
Brutus warf ihm einen kurzen Blick zu. Als er sah, dass sein Freund sich keineswegs über ihn lustig machte, grinste er erleichtert.
»Sie ist auch sehr interessiert daran, dich kennen zu lernen. Vor allem jetzt, nach dieser Verhandlung. Ich möchte, dass du sie kennst. Sie ist so völlig anders als alle Menschen, denen ich je begegnet bin.«
»Vielleicht heute Abend, wenn noch Zeit dazu bleibt«, erwiderte Julius, der sich seine unterschwellige Abneigung nicht anmerken ließ. Tubruk hatte ihm bereits seine Meinung über die Frau kundgetan, doch wenn Brutus es sich so sehr wünschte, dann war er es ihm schuldig.
Am Fuß der Stufen nahm Brutus die Zügel der beiden Pferde in eine Hand.
»Wenn es dir möglich ist, komm anschließend in die Kaserne. Die Primigenia wird bereit sein und auf deine Befehle warten«, sagte er. Seine Augen strahlten so vor Begeisterung, dass Julius lachen musste.
»Ich komme, sobald ich kann«, sagte er, dann ging er die Treppe hinauf und verschwand im Halbdunkel zwischen den Säulen.
Da der Debattenleiter und der Konsul noch nicht eingetroffen waren, hatte die offizielle Diskussion noch nicht begonnen, als Julius eintrat. Die Hälfte seiner Kollegen stand immer noch in aufgeregt debattierenden Gruppen zusammen und warf sich Fragen und Kommentare zu, die die allgemeine Unruhe noch verstärkten. Julius nutzte die Zeit, um sich zu denjenigen zu gesellen, die er kannte, und dort Einzelheiten zu erfahren, die Brutus noch nicht gehört hatte.
Pompeius stand bei Crassus und Cinna. Die drei redeten hitzig miteinander, hießen Julius mit anerkennendem Nicken willkommen und diskutierten weiter.
»Selbstverständlich hast du das Kommando, mein Freund. Es steht sonst niemand zur Verfügung, der dafür geeignet wäre, und sogar Cato würde nicht zögern, schließlich stehen nur noch die Streitkräfte in Ariminum zum Schutz des Südens bereit«, sagte Crassus zu Pompeius.
Der sonnengebräunte Feldherr zuckte die Achseln. In seinem Gesicht malten sich bittere Vorahnungen.
»Er würde alles tun, um mich davon abzuhalten, militärische Befehlsgewalt zu übernehmen, das weißt du. Man darf ihm nicht erlauben, seine eigenen Leute aufzustellen. Denkt nur daran, was in Griechenland geschehen ist! Und dann die Piraten, die tun, was sie wollen und unsere Händler nach Belieben überfallen. Falls es sich bei diesen Gladiatoren um dieselben handelt, die wir schon am Vesuvius nicht niederringen konnten, dann ist Mutina durch unsere zögerliche Politik seit Sullas Tod verloren gegangen. Und das alles nur, weil Cato den Senat daran hindert, einen Feldherrn zu entsenden, der dieser Aufgabe auch gewachsen ist. Glaubt ihr denn, dass es dieses Mal anders ausgeht?«
»Das wäre gut möglich«, antwortete Cinna. »Cato hat Besitzungen im Norden, die von den Sklaven bedroht werden. Sie könnten sich sogar nach Süden wenden und die Stadt selbst angreifen. Cato ist nicht so dumm, dass er eine Bedrohung Roms ignorieren würde. Sie müssen dich entsenden. Wenigstens haben wir die Legionen aus Griechenland wieder hier, um die anderen zu verstärken.«
»Dort kommt gerade der Konsul herein. Er muss sein Veto gegenüber Cato einlegen, falls dieser störrische Fettsack sich dagegen ausspricht. Hier geht es um mehr als um eine persönliche Meinungsverschiedenheit. Die Sicherheit des ganzen Nordens steht auf dem Spiel, und die Sicherheit von Rom selbst.«
Pompeius verabschiedete sich und drängte sich rüde durch die umstehenden Senatoren, um sofort mit dem soeben eintretenden Konsul zu sprechen. Julius beobachtete, wie er den älteren Mann anhielt, der für den Posten ausgewählt worden war, zwischen den konkurrierenden Senatsfraktionen zu vermitteln. Der Mann machte einen nervösen, fast schon verschüchterten Eindruck, während Pompeius heftig gestikulierend auf ihn einredete. Als der Konsul dem immer noch argumentierenden Pompeius den Rücken zuwandte und auf das Rostrum stieg, trommelte Julius stirnrunzelnd mit den Fingern auf seinen Bauch.
»Nehmt eure Plätze ein, Senatoren!«, rief der Konsul.
Der Sitzungseid war rasch geleistet, dann räusperte sich der Konsul und richtete das Wort an die gespannt vor ihm Sitzenden.
»Wir sind zu einer Dringlichkeitssitzung zusammengekommen, um über unsere Antwort auf den Aufstand im Norden zu diskutieren. Ich habe die neuesten Berichte dabei, die sich sehr Besorgnis erregend anhören. Ursprünglich handelte es sich um eine Revolte einiger Gladiatoren aus einer Kampfschule in Capua. Zunächst sah es so aus, als hätte der Prätor vor Ort die Sache im Griff, aber es ist ihm nicht gelungen, den Aufstand niederzuschlagen. Allem Anschein nach haben die Aufständischen eine Sklavenarmee um sich geschart, mit der sie nach Norden ziehen. Sie haben eine Reihe kleinerer Städte und Güter geplündert, dabei Hunderte von Menschen getötet und alles niedergebrannt, was sie nicht mitnehmen konnten. Der Legat von Mutina hat sich den Sklaven entgegengestellt, woraufhin die Garnison zerstört wurde. Es gab keine Überlebenden.«
Er machte eine kleine Pause. Die Senatoren, die noch nichts davon gewusst hatten, stöhnten laut auf oder machten ihrem Zorn mit Worten Luft. Der Konsul hob die Hände, um sie zu beruhigen.
»Senatoren, diese Bedrohung kann nicht ernst genug genommen werden. Die Legionen in Ariminum haben Anweisung, die Stadt zu sichern, aber nachdem Mutina vernichtet ist, liegt der Norden völlig offen. Die mir vorliegenden Schätzungen schwanken sehr stark, aber es ist gut möglich, dass die Aufständischen an die dreißigtausend Sklaven unter ihrem Kommando haben, und mit jeder verwüsteten Stadt werden es mehr. Ich kann mir nur vorstellen, dass sie die Legionen in Mutina mit einer absoluten Übermacht überrannt haben. Deshalb müssen wir ihnen mit der größten Streitmacht entgegentreten, die wir aufbieten können, während wir gleichzeitig unsere südlichen Grenzen weiterhin schützen. Ich muss nicht eigens betonen, dass wir nicht riskieren dürfen, so kurz nach dem Aufstand in Griechenland Soldaten aus den dortigen Garnisonen abzuziehen.
Momentan sieht es nicht so aus, als wollten sich die Sklaven gen Rom wenden, aber falls sie das tun sollten, gibt es hier im Süden mehr als achtzigtausend Sklaven, die sich ihrer Sache anschließen könnten. Das wäre eine sehr ernst zu nehmende Bedrohung. Unsere Reaktion muss rasch und endgültig erfolgen.«
Der Konsul warf zuerst Cato und dann Pompeius einen kurzen Blick zu.
»Ich bitte euch, eure Streitigkeiten diesmal zum Wohle der Stadt und der römischen Ländereien hintan zu stellen, und bitte den Vorsitzenden darum, die Meinungen einzuholen.«
Der Konsul setzte sich, wischte sich nervös über die Stirn und war offensichtlich erleichtert, die Sitzung an einen anderen übergeben zu können. Der Vorsitzende hatte seine Stellung schon einige Jahre inne, und seine Erfahrung verlieh ihm eine Gelassenheit, die auch die hitzigsten Temperamente beschwichtigte. Er wartete geduldig, bis sich die allgemeine Aufregung gelegt hatte, bevor er den ersten Sprecher auswählte.
»Pompeius?«
»Vielen Dank. Senatoren, ich bitte darum, dass man mir das Kommando über die Legionen gibt, die gegen diese Aufständischen entsandt werden. Meine Leistungen in der Vergangenheit sprechen für meine Eignung, und ich dränge auf einer rasche Abstimmung. Jeder Soldat im Umkreis von hundert Meilen wurde in die Stadt zurückgerufen, innerhalb einer Woche müssten wir eine Armee von sechs Legionen marschbereit haben, um sie nach Norden zu schicken, wo sie sich mit den beiden Legionen in Ariminum vereinen, sobald wir dort eingetroffen sind. Wenn wir noch lange zögern, wächst diese Sklavenarmee womöglich so stark an, dass wir sie eventuell nicht mehr aufhalten können. Denkt daran, Senatoren, dass die Sklaven uns selbst in unseren eigenen Häusern zahlenmäßig überlegen sind. Übertragt mir das Kommando, und ich werde sie im Namen des Senats vernichten.«
Pompeius setzte sich, hier und da wurden Jubelrufe laut, einige Senatoren trampelten mit den Füßen. Er ging nicht auf den Lärm ein, sondern hielt den Blick fest auf Cato gerichtet, der sich langsam und mit gerötetem Gesicht erhob.
»Das Wort hat Cato«, bestätigte der Vorsitzende.
»Pompeius hat fürwahr eindrucksvolle Leistungen vorzuweisen«, hob der Genannte an und lächelte dem mit versteinerter Miene dasitzenden Senator zu. »Ich stimme mit ihm überein, dass wir eine Streitmacht aufstellen und so bald als möglich entsenden müssen, bevor der gesamte Norden in Flammen steht. Es gibt jedoch durchaus andere Männer, denen wir das Kommando über die Truppen geben können, andere Männer, die den Rang eines Feldherrn bekleiden und Erfahrungen im Kampf für Rom vorweisen können. Es kommt mir vor, als sei derjenige, der sich unaufgefordert in den Vordergrund drängt, nicht unbedingt der Geeignetste für diese schwierige Aufgabe. Es wäre besser, wenn wir einen Heerführer damit betrauen, der für uns alle akzeptabel ist. Ich gestehe, dass mich Pompeius’ Eifer ein wenig misstrauisch macht, vor allem angesichts der jüngsten Geschichte unserer Stadt, weshalb ich vorschlage, das Kommando Lepidus anzuvertrauen, der soeben aus Griechenland zurückgekehrt ist.« Nachdem er sich wieder gesetzt hatte, brach lautes Gemurmel aus, durchsetzt von wütenden Rufen, mit denen sich die beiden Fraktionen gegenseitig beleidigten.
»Ich bitte um Ruhe, meine Herren! Mit diesen Gehässigkeiten ist Rom nicht im Geringsten gedient!«, rief der Debattenleiter über ihre Köpfe hinweg und sorgte so dafür, dass alsbald eine unruhige Stille in den Reihen einkehrte. Er ließ den Blick über die sitzenden Senatoren schweifen und nickte Julius zu, der sich gegen Ende von Catos Rede erhoben hatte.
»Ich war Zeuge der übergroßen Vorsicht, mit der Lepidus gegen Mithridates vorgegangen ist. Er hat viel zu lange gezögert, den Feind zu stellen, und hatte sich kaum von seinen Schiffen fortbewegt, als ich auf ihn getroffen bin und ihm den Leichnam des griechischen Königs übergeben habe. Ich habe in diesem Senat schon zu viele Kompromisse erlebt. Lepidus ist eine schlechte Wahl, wenn es darum geht, rasch und entschlossen vorzugehen und den Aufstand zu zerschlagen, bevor er außer Kontrolle gerät. Wir müssen unseren Groll und unsere kleinlichen Streitigkeiten beiseite schieben und das Kommando demjenigen übergeben, der schnell und effektiv vorgehen kann. Das ist Pompeius.«
Der Vorsitzende vergaß seine übliche unparteiische Haltung und nickte zustimmend, war kurz darauf jedoch gezwungen, abermals von Cato Notiz zu nehmen, der sich noch einmal erhoben hatte.
»Ich habe Sorge, dass diese Bedrohung als Entschuldigung für falschen Ehrgeiz missbraucht wird, Senatoren. Lepidus zumindest stellt für uns keine Gefahr dar, wenn die Schlachten geschlagen sind, wohingegen Pompeius vielleicht an die Zukunft denkt, noch während wir hier über diese Wahl entscheiden. Ich werde für Lepidus stimmen.« Der Mann ließ sich vorsichtig wieder auf seinem Sitz nieder und funkelte Julius dabei einen Augenblick an.
»Gibt es noch andere Kandidaten? Wenn ja, so sollen sie sich erheben, andernfalls schreiten wir direkt zur Abstimmung.« Der Debattenleiter wartete einen Moment und ließ abermals den Blick über die Anwesenden schweifen.
Da erhob sich Crassus steif, ohne sich um das Erstaunen in den Reihen von Catos Parteigängern zu scheren. Er erhielt mit einem Nicken Redeerlaubnis, verschränkte die Hände auf dem Rücken und wandte sich wie ein Vormund an seine Mündel.
»Senatoren, ich fürchte, dass uns politisches Kalkül zu einer falschen Wahl verleitet, jedenfalls, was das Schicksal dieser Stadt angeht. Ich weiß nicht, wer bei einer Stichwahl zwischen Lepidus und Pompeius als Sieger und Feldherr hervorgehen würde, doch falls die Wahl auf Lepidus fällt, kann das nur zu einer Katastrophe führen. Ich setze mich stattdessen für einen dritten Kandidaten ein, um eine sinnlose Vergeudung von Menschenleben zu verhindern, die das Kommando des Lepidus mit Sicherheit nach sich ziehen würde. Obwohl ich mich in den vergangenen Jahren eher den Geschäften verschrieben habe, möchte ich meine früheren Erfahrungen mit den Legionen hier und heute ins Feld führen und mich, mit eurer Billigung, selbst zur Wahl stellen.«
Nachdem sich Crassus gesetzt hatte, wurde es in der Halle erneut laut. Pompeius staunte über das Bekenntnis seines Freundes und versuchte erfolglos, seinen Blick aufzufangen, doch Crassus schaute weg. Als der Tumult sich langsam legte, erhob sich Pompeius. Seine Hände waren unbewusst zu Fäusten geballt.
»Ich ziehe meinen Namen zugunsten von Crassus zurück«, sagte er verstimmt.
»Dann gehen wir ohne weitere Verzögerung zur Abstimmung über. Erhebt euch und bekennt euch zu eurer Wahl, meine Herren«, verkündete der Vorsitzende, der vom Wandel der Ereignisse ebenso überrascht war wie alle anderen. Er wartete einige Augenblicke, um den Senatoren Zeit für ihre Entscheidung zu lassen, dann fing er an, laut die Namen zu rufen.
»Lepidus!«
Julius verdrehte mit den anderen Sitzenden den Hals, um die Anzahl derer zu schätzen, die aufgestanden waren, und atmete erleichtert auf. Es waren nicht genug, um die Wahl für sich zu entscheiden.
»Crassus!«, rief der Vorsitzende mit unterdrücktem Lächeln.
Julius erhob sich mit Pompeius und den anderen, die die Wahl für richtig gehalten hatten. Der Vorsitzende nickte dem Konsul zu, der ebenfalls aufstand und die Rednerbühne betrat.
»Crassus ist zum Heerführer der Nordarmeen ernannt und wird hiermit beauftragt, gegen die Aufständischen ins Feld zu ziehen und die Rebellen erbarmungslos zu vernichten.«
Crassus erhob sich, um den Senatoren zu danken.
»Ich werde alles tun, was in meiner Macht steht, um Unheil von unserem Land und unserer Stadt abzuhalten. Sobald die Legionen auf dem Campus Martius bereitstehen, rücke ich gegen die Rebellen aus.«
Er unterbrach sich einen Augenblick und lächelte dann verschlagen.
»Ich belasse sämtliche Legaten unter mir in Amt und Würden, aber ich brauche einen Stellvertreter, falls ich fallen sollte. Ich ernenne Gnaeus Pompeius zu diesem Stellvertreter.«
Überall wurden Flüche und Jubelrufe laut, niemand hörte mehr auf die Stimme des Debattenleiters, die wiederholt zur Ruhe mahnte. Julius musste angesichts dieses Schachzugs lachen, und Crassus, der sich sichtlich amüsierte, neigte den Kopf in seine Richtung.
»Ruhe!«, brüllte der Vorsitzende empört gegen den Tumult an. Nur langsam wurde das Stimmengewirr unter seinem wütenden Blick leiser.
»Wir sollten uns nun den Einzelheiten widmen, Senatoren«, sagte der Konsul und blätterte in seinen Unterlagen. »Unsere Boten berichten, dass die Sklaven nach Mutina gut bewaffnet seien, da sie sich die Waffen und den Nachschub der Legionäre angeeignet haben. Einer unserer Leute hat angeblich gesehen, wie die Gladiatoren die Sklaven im Umgang mit Schwert und Speer ausgebildet und sogar unsere Formationen auf dem Schlachtfeld nachgestellt haben. Nach Mutina sollten wir sie auf keinen Fall unterschätzen.« Nervös befeuchtete der Konsul den Zeigefinger und blätterte weiter in den Pergamenten, die vor ihm lagen.
»Haben sie Offiziere gewählt?«, wollte Pompeius wissen.
Der Konsul nickte ohne aufzusehen. »So, wie es aussieht, haben sie Strukturen gebildet, die denen unserer eigenen Legionen in jeder Hinsicht ähnlich sind. Mir liegt die ursprüngliche Nachricht des Eigentümers der Quartiere vor, aus denen die Gladiatoren entflohen sind. Sie muss hier irgendwo sein…«
Die Senatoren warteten geduldig, bis der Konsul das Gesuchte gefunden hatte.
»Richtig… es waren insgesamt siebzig Gladiatoren… alle Wachen wurden getötet. Die dortigen Sklaven haben sich ihnen angeschlossen, ob freiwillig oder unter Zwang, weiß der Mann nicht zu sagen. Er behauptet, er sei selbst nur mit knapper Not davongekommen. Allem Anschein nach bilden diese Gladiatoren die Offizierskaste ihrer Armee.«
»Aber wer führt diesen Gladiatorenhaufen an?«, wollte Pompeius wissen, ohne sich darum zu kümmern, dass sein Ton in gewisser Weise bestätigte, dass Crassus’ Führerschaft nichts weiter war als eine Fassade.
Wieder blätterte der Konsul in seinen Unterlagen herum und befeuchtete den Finger mehr als einmal, um sie voneinander zu trennen.
»Ja, hier habe ich es. Sie werden von einem Gladiator namens Spartacus angeführt, einem Thraker. Er hat das Ganze angezettelt, und die anderen sind ihm gefolgt. Mehr habe ich hier nicht, aber sobald weitere Berichte eingehen, leite ich sie unverzüglich an Crassus weiter.«
»Mit eurer Erlaubnis, meine Herren, würde ich jetzt gern mit meinem Stellvertreter von hier aufbrechen und uns auf den bevorstehenden Marsch vorbereiten«, sagte Crassus.
Beim Umdrehen tippte er mit der Hand auf Julius’ Schulter. »Wenn wir losziehen, will ich die Primigenia dabei haben, Julius«, sagte er leise.
»Sie wird bereit sein«, versprach Julius.
Crassus entspannte sich in der wohligen Wärme der im Boden eingelassenen Wanne und ließ alle Mühsal des Tages von sich gleiten. Draußen war es schon früh dunkel geworden, doch das Badegemach wurde durch leise flackernde Laternen und Kerzen erleuchtet und die Luft von dichtem Dampf erfüllt. Er genoss die Kühle des Marmors an seinen Armen, die auf der marmornen Einfassung ruhten. Das Wasser reichte ihm bis zum Hals, aber da er unter der Oberfläche auf einem blank polierten Steinsitz saß, konnte er sich völlig entspannen. Er atmete langsam aus und fragte sich, warum das Becken in seinem eigenen Haus nie so bequem und angenehm war.
Servilia saß ihm gegenüber nackt im Wasser, nur ihre Schultern ragten daraus hervor. Wenn sie sich bewegte, tauchten die wogenden Rundungen ihrer Brüste verlockend auf, um kurz darauf wieder im Wasser zu verschwinden, das von den süßen Ölen getrübt war, welche Servilia für sie beide ins Wasser goss. Als er müde und gereizt von seinen Heerführern zu ihr gekommen war, hatte sie sofort gewusst, was er brauchte. Seine schlechte Laune war alsbald verflogen, nachdem ihre Finger die schmerzenden Partien seines Nackens bearbeitet hatten, bevor er in das tiefe Becken gestiegen war, das im Privatflügel ihres Hauses in den Boden eingelassen war. Sie spürte immer genau, wie ihm zumute war.
Jetzt sah sie, wie die Anspannung des Tages von Crassus wich, und sie amüsierte sich über sein wohliges Stöhnen, seine erleichterten Seufzer. Sie wusste etwas über den alternden Senator, das sonst kaum jemand wusste, nämlich dass er ein schrecklich einsamer Mann war, der ein riesiges Vermögen und sehr viel Einfluss angesammelt hatte, ohne jedoch an seinen Jugendfreunden festgehalten zu haben. Nur selten verlangte er mehr von ihr als die Gelegenheit, ein privates Gespräch zu führen, obwohl sie wusste, dass der Anblick ihrer Nacktheit ihn immer noch erregen konnte, wenn sie es zuließ. Es war eine angenehme Beziehung, ohne die schäbige Sorge um die Bezahlung, die sonst gelegentlich die Intimität trübte. Er bot ihr keine andere Münze als seine Gesellschaft an, doch die war manchmal mehr wert als Gold.
Das Öl glitzerte auf der Wasseroberfläche, und sie malte mit dem Finger Muster hinein. Sie wusste, wie sehr er sich an ihrem Anblick erfreute.
»Du hast die Primigenia auferstehen lassen«, sagte sie. »Mein Sohn ist unglaublich stolz auf die Männer, die er unter diesem Namen versammelt hat.«
Crassus lächelte leise. »Hättest du Marius gekannt, würdest du verstehen, weshalb es mir solches Vergnügen bereitet hat, das zu tun.«
Er beschloss, sie nicht daran zu erinnern, welche Rolle Pompeius und Cinna dabei gespielt hatten, da er ihre Namen nicht in ihrem Hause hören wollte. Auch das verstand sie, ohne dass es eigens ausgesprochen werden musste.
Servilia erhob sich halb aus dem Wasser und streckte ihre schlanken Arme seitlich aus, so dass ihre Brüste seinen Blicken dargeboten waren. Sie bildete sich sehr viel auf sie ein und bewegte sich ohne Scham vor ihm. Crassus lächelte anerkennend. Er genoss ihre Anwesenheit.
»Ich war ein wenig erstaunt, dass er Julius das Kommando übergeben hat«, sagte er.
Servilia zuckte die Achseln, was ihn überaus faszinierte.
»Er liebt ihn«, erwiderte sie. »Rom darf sich glücklich schätzen, dass es Söhne wie diese beiden hat.«
»Cato würde dir da nicht zustimmen, meine Liebe. Vor ihm solltest du dich in Acht nehmen.«
»Das weiß ich, Crassus. Sie sind beide noch so jung. Sogar noch zu jung, um die Gefahr wachsender Schulden zu sehen.«
Crassus seufzte. »Du bist zu mir gekommen, weil du meine Hilfe gebraucht hast, weißt du noch? Ich habe der Primigenia keine finanziellen Beschränkungen auferlegt. Soll ich jetzt damit aufhören? Ich würde mich zum Gespött der Leute machen.«
»Weil du die Legion des Marius aus der Asche hast wiederauferstehen lassen? Niemals. Du hast wie ein Staatsmann gehandelt, Crassus; das werden sie anerkennen. Es war ein überaus nobler Akt.«
Crassus lachte auf, legte den Kopf nach hinten auf den kühlen Stein und blickte hinauf zur Decke, unter der sich der Dampf als abkühlender Nebel sammelte.
»Du streichst mir viel zu offenkundig Honig ums Maul, findest du nicht? Wir reden hier von keiner kleinen Summe, bei aller Freude, die es mir bereitet hat, die Primigenia wieder in den Heeresrollen zu sehen.«
»Hast du jemals daran gedacht, dass Julius die Schulden womöglich begleicht? Er hat genug Gold.« Die Luft kühlte ihre Haut merklich ab. Ein Schauder überlief sie, und sie ließ sich wieder ins Wasser gleiten. »Es wäre so viel besser für dich, ein Geschenk daraus zu machen, eine noble Geste, die die kleinlichen Männer im Senat beschämt. Ich weiß, dass du dich nicht groß um Geld scherst, Crassus, deshalb hast du so viel davon. Dir liegt mehr an dem Einfluss, der damit verbunden ist. Es gibt andere Arten von Schulden. Wie oft habe ich schon Informationen weitergegeben, die du zu deinen Gunsten einsetzen konntest?«
Als Antwort auf ihre eigene Frage zuckte sie mit den Schultern, worauf das dampfende Wasser kleine Wellen schlug. Crassus hob mit einiger Mühe den Kopf und ließ seinen Blick über sie wandern. Sie lächelte ihn an.
»Es ist ein Teil meiner Freundschaft, und es hat mir hin und wieder Freude bereitet, dir zu helfen. Mein Sohn wird dir immer in Freundschaft zugetan sein, wenn du ihm das Geld gibst. Julius wird dich in allem unterstützen. Solche Männer kann man nicht mit schnöder Münze kaufen, Crassus. Dafür sind sie viel zu stolz, aber eine erlassene Schuld? Das ist eine großzügige Geste, und das weißt du ebenso gut wie ich.«
»Ich werde… darüber nachdenken«, sagte er und schloss die Augen.
Servilia sah zu, wie er in einen leichten Schlaf hinüberglitt. Das Wasser um sie herum kühlte allmählich ab. Er würde tun, was er wollte. Ihre eigenen Gedanken wanderten zu dem Tag, an dem sie Julius bei der Verhandlung gesehen hatte. Was für ein selbstbewusster junger Mann. Als ihr Sohn ihm die Primigenia überlassen hatte, hatte sie sich gefragt, ob die beiden über die Schulden bei Crassus nachgedacht hatten. Jetzt würden diese sich zu einer Bürde auswachsen. Eigenartig, dass der Gedanke an die Dankbarkeit ihres Sohnes ihr weniger Vergnügen bereitete als die Gewissheit, dass sie an dem Geschenk für Julius beteiligt gewesen war.
Genüsslich ließ sie die Hände über ihren Bauch gleiten und dachte an den jungen Römer mit den sonderbaren Augen. Er hatte eine Kraft in sich, die sich in dem schlafenden Crassus nurmehr als Widerhall fand, obwohl die Aufgabe, die Legionen nach Norden zu führen, dem alten Mann zugefallen war.
Eine Sklavin kam beinahe geräuschlos herein, ein hübsches Mädchen, das Servilia von einem Bauernhof im Norden gerettet hatte.
»Dein Sohn ist gekommen, Herrin, mit dem Tribun«, flüsterte das Mädchen.
Servilia sah zu Crassus hinüber und gab dem Mädchen ein Zeichen, dass sie ihre Stelle in dem noch immer warmen Wasser einnehmen sollte. Wenn er aufwachte, wollte er gewiss nicht allein sein, und das Mädchen war hübsch genug, um selbst sein Interesse zu wecken.
Servilia warf ein Gewand über ihren nassen Körper und erschauerte leicht vor Vorfreude.
Sie blieb kurz vor einem großen Spiegel stehen, der in die Wand eingelassen war, und strich sich das feuchte Haar aus der Stirn. Ihr Magen fühlte sich vor überraschender Spannung leicht an bei dem Gedanken daran, Julius endlich gegenüberzutreten, und sie musste über sich selbst lächeln.
Brutus saß mit Julius in einem Zimmer, das nichts von der kunstvollen Aufmachung aufwies, mit der sie ihre Geschäftsräume ausgestattet hatte. Es war schlicht eingerichtet, und die Wände waren mit einem zurückhaltend gemusterten Stoff verhüllt, der eine wohl tuende Wärme vermittelte. Auf dem Rost flackerte ein Feuer, und die Flammen warfen goldenes Licht auf die beiden Männer, die sich erhoben, um sie zu begrüßen.
»Es freut mich, dass ich dich endlich kennen lerne, Cäsar«, sagte sie und streckte ihm die Hand entgegen. Ihr Gewand lag genauso an ihrem feuchten Körper an, wie sie es erhofft hatte, und als sie sein Gesicht sah, während er versuchte, sie nicht offen anzustarren, erfüllte sie eine freudige Zufriedenheit.
Julius fühlte sich regelrecht überwältigt von ihr. Er fragte sich, ob es Brutus nichts ausmachte, dass sie fast nackt vor ihnen stand, trotz des dünnen Stoffs, der ihren Körper bedeckte. Er sah, dass sie gebadet hatte, und sein Puls beschleunigte sich bei dem Gedanken daran, was vor ihrer Ankunft dort vor sich gegangen sein mochte. Sie war nicht herkömmlich schön, dachte er, aber wenn sie lächelte, vermittelte sie eine natürliche, unverstellte Sinnlichkeit. Flüchtig wurde ihm klar, dass er schon so lange nicht mehr mit einer Frau geschlafen hatte, dass er es bereits vergessen hatte, doch abgesehen davon konnte er sich nicht entsinnen, dass ihn Cornelia oder Alexandria jemals so ohne jede Mühe erregt hatten, wie diese Frau es tat.
Als er ihre Hand ergriff, errötete er ein wenig.
»Dein Sohn spricht in den höchsten Tönen von dir. Ich bin froh, dass ich deine Bekanntschaft machen darf, wenn auch nur kurz, ehe ich nach Hause zurückkehre. Es tut mir sehr Leid, dass ich nicht länger bleiben kann.«
»Die Primigenia muss antreten, um den Aufstand niederzuschlagen«, sagte sie nickend, und seine Augen weiteten sich ein wenig bei ihren Worten. »Ich will dich nicht aufhalten, und ich sollte mich wieder meinem Bad widmen. Denk einfach immer daran, dass du eine Freundin hast, solltest du mich jemals brauchen.«
Julius fragte sich, ob in diesen Augen, die ihn so freundlich ansahen, wirklich ein Versprechen lag. Ihre Stimme war so tief und sanft, er hätte ihr eine Ewigkeit zuhören können. Dann schüttelte er den Kopf, wie um sich aus einer Trance zu befreien.
»Ich vergesse es bestimmt nicht«, sagte er und legte den Kopf ein wenig zur Seite. Als sie Brutus ansah, erhaschte er einen Blick auf ihre von dem feuchten Tuch verhüllten Brüste und wurde wieder rot, als sie seinen Blick auffing und ihn mit offensichtlicher Genugtuung anlächelte.
»Bring deinen Freund bald wieder mit, Brutus, wenn ihr einmal mehr Zeit habt. Anscheinend spricht mein Sohn von uns beiden in den höchsten Tönen.«
Julius sah seinen Freund an, der leicht die Stirn runzelte.
»Das werde ich tun«, erwiderte Brutus. Dann führte er Julius hinaus, und Servilia schaute den beiden nach. Ihre Finger strichen bei dem Gedanken an den jungen Römer ganz sacht über ihre Brüste, deren steife Brustwarzen nur wenig mit der kühlen Luft auf ihrer Haut zu tun hatten.
Brutus fand trotz der Dunkelheit in den Straßen leicht den Weg zu Alexandrias Wohnung. In der Rüstung der Primigenia war er ein wenig verlockendes Ziel für das räuberische Gesindel, das es auf die Armen und Schwachen abgesehen hatte. Atia, Octavians Mutter, öffnete die Tür mit ängstlichem Gesichtsausdruck, der jedoch gleich wieder verflog, als sie ihn erkannte. Sie ließ ihn ein, und er fragte sich, wie viele andere Menschen sich vor nächtlichen Soldatenbesuchen fürchteten. Während sich die Senatoren mit Leibwachen umgaben, blieb dem einfachen römischen Bürger kein anderes Mittel zum Schutz von Leib und Leben, als die verriegelte Tür, die den Rest der Stadt aussperrte.
Alexandria war zu Hause, und Brutus war peinlich berührt, als er sah, dass Octavians Mutter nur ein paar Fuß neben ihnen ihr Abendmahl zubereitete.
»Gibt es hier einen Ort, wo wir uns etwas ungestörter unterhalten können?«, fragte er.
Alexandria blickte durch die offene Tür in ihr Zimmer, und Atias Mund verzog sich zu einer schmalen Linie.
»Nicht in meinem Haus«, sagte sie und sah Brutus finster an. »Ihr zwei seid nicht verheiratet.«
Brutus stieg die Röte in die Wangen.
»Ich verlasse morgen die Stadt. Ich wollte nur…«
»Ich weiß sehr wohl, was du nur wolltest, aber ich sage dir eins: Nicht in meinem Haus.« Atia widmete sich wieder dem Zerkleinern von Gemüse und überließ Brutus und Alexandria sich selbst. Das Kichern, das die beiden unterdrückten, hätte ihre Vermutungen nur noch bestätigt.
»Kommst du mit mir nach draußen, Brutus? Ich bin sicher, Atia vertraut dir in Sichtweite der Nachbarn«, sagte Alexandria. Sie warf sich ihren Umhang um und folgte ihm nach draußen in die Nacht. Atia setzte ihr Hackbrett an den Kessel und strich ungerührt das Gemüse in den Sud.
Kaum waren sie allein, warf sich Alexandria in seine Arme, und sie küssten sich. Obwohl es bereits dunkel war, waren die Straßen immer noch belebt. Brutus blickte sich irritiert um. Der kleine Hauseingang bot ihnen kaum Schutz vor dem Wind, ganz zu schweigen vor fremden, neugierigen Blicken.
»Das ist wirklich lächerlich«, sagte er, obwohl er insgeheim an genau die Art von Zusammenkunft gedacht hatte, die Atia ihnen verwehrt hatte. Er würde ausziehen, um auf weit entfernten Schlachtfeldern zu kämpfen, und es war beinahe Tradition, sich für die Nacht davor ein Bett zu suchen, in dem man willkommen war.
Alexandria kicherte und küsste ihn auf den Hals, dorthin, wo die Haut durch die Berührung der Rüstung kalt war.
»Zieh meinen Umhang um uns«, flüsterte sie ihm ins Ohr, was seinen Puls sofort beschleunigte. Er drapierte das Kleidungsstück so, dass es sie beide umhüllte, und sie atmeten einer des anderen Atem.
»Ich werde dich vermissen«, sagte er wehmütig, als er spürte, wie sich ihr Körper eng an den seinen presste. Mit einer Hand musste er den Umhang festhalten, aber die andere konnte über ihren Rücken gleiten, und als sie warm genug war, unter ihre Stola und auf ihre Haut. Sie keuchte leise auf.
»Ich glaube, Atia hatte Recht«, flüsterte sie, denn sie wollte nicht, dass die Frau sie mit ihren scharfen Ohren hörte. Mit seiner breiten Hand auf ihrer Hüfte kam sie sich vor, als stünde sie nackt neben ihm, und die Menschen, die ständig vorübereilten, verstärkten ihre Erregung nur noch. Der Umhang bot einen warmen Schutz gegen die Kälte, und sie drückte ihn fest an sich, spürte die harten Konturen seiner Rüstung. Seine Beine waren nackt, wie üblich, und mit einem schockierenden Gefühl des Wagemuts legte sie die Hände auf seine Oberschenkel, spürte die sanfte Kraft darin.
»Ich sollte sie herausrufen, damit sie mich vor dir in Schutz nimmt«, sagte sie und ließ die Hand nach oben wandern. Sie fand weiche Bänder, löste sie und spürte seine Wärme an ihrer Hand. Er stöhnte leise, als sie ihn umfasste, und warf einen vorsichtigen Blick nach hinten, um sich zu vergewissern, dass auch niemand auf sie aufmerksam geworden war. Die Menschenmenge verschwamm in der Dunkelheit, und auf einmal war es ihm egal, ob man sie sehen konnte oder nicht.
»Ich möchte, dass du dich in der Fremde an mich erinnerst, junger Brutus. Ich möchte nicht, dass du dir den Hals nach diesen Lagerhuren verdrehst«, flüsterte sie. »Wir beide haben noch etwas zu erledigen, du und ich.«
»Ich würde nie… oh, ihr Götter… ich sehne mich schon so lange nach dir.«
Sie knöpfte die Stola unter ihrem Umhang auf und führte ihn in sich hinein; ihre Augen schlossen sich zitternd unter seinen Bewegungen. Er hob sie mit Leichtigkeit hoch, dann lehnten sie sich eng umschlungen in den Hauseingang, ohne darauf zu achten, was um sie herum geschah. Die Menge ging an ihnen vorüber, aber niemand blieb stehen, und die Nacht verschlang sie.
Alexandria biss sich vor Lust auf die Lippen, zog den Umhang enger und enger um sie beide, bis er ihr beinahe in den Hals schnitt. Sein Brustpanzer drückte kalt gegen sie, aber sie spürte das harte Metall kaum, sondern nur seine Hitze tief in ihr. Sein Atem brannte heiß auf ihren Lippen, sie keuchte und spürte, wie er alle Muskeln anspannte.
Es schien eine Ewigkeit zu dauern, bis sie sich ihrer verkrampften Glieder und der Kälte bewusst wurden. Alexandria stöhnte leise auf, als er sich aus ihr zurückzog. Brutus blieb in der Dunkelheit dicht vor ihr stehen und liebkoste wie im Traum die Haut, die er nicht sehen konnte. Zwischen ihren Körpern stieg Hitze auf, Hitze, die sie erzeugt hatten. Er sah ihr in die Augen, und sie erwiderte seinen Blick. Er sah eine Verletzlichkeit darin, trotz ihres zur Schau getragenen Selbstvertrauens, doch es spielte keine Rolle. Er würde sie nicht verletzen. Er suchte nach Worten, um ihr zu sagen, was sie ihm bedeutete, aber sie legte eine Hand auf seinen Mund und erstickte sein Gemurmel.
»Schsch… ich weiß. Komm einfach wieder zu mir zurück, mein schöner Mann. Komm wieder zurück zu mir.«
Sie drapierte den Umhang so, dass er die Unordnung darunter verdeckte, und nachdem sie ihn ein letztes Mal geküsst hatte, öffnete sie die Tür, wurde kurzzeitig vom Licht der drinnen brennenden Lampe angestrahlt und war dann verschwunden.
Brutus stand allein draußen und richtete sich mit einigen Handgriffen wieder so her, dass er einigermaßen in Würde durch die Straßen gehen konnte. Jeder Nerv in ihm vibrierte immer noch von ihrer Berührung, und er fühlte sich durch die Intensität dessen, was geschehen war, so lebendig wie noch nie. Er ging ein wenig stolzer und breitspuriger, als er sich leichten Schrittes auf den Weg zurück in die Kaserne machte.