Holz und Watte

Es gab zweierlei Schuhe: Die Gummigaloschen waren ein Luxus. Die Holzschuhe eine Katastrophe, nur die Sohle war aus Holz, ein zweifingerdickes Brettchen. Das Oberteil war graues Sacktuch mit einem schmalen Lederstreifen rundherum. Am Lederstreifen entlang war das Tuch mit Nägeln an die Sohle genagelt. Weil das Sacktuch für die Nägel zu schwach war, zerriss es immer, zuerst an den Fersen. Die Holzschuhe waren hohe Schuhe, sie hatten Ösen zum Schnüren, aber Schnürsenkel gab es keine. Man fädelte dünnen Draht ein, er wurde an den Enden zugedreht, um sich selbst gezwirbelt. Auch an den Ösen war das Sacktuch nach wenigen Tagen zerfetzt.

In Holzschuhen kann man die Zehen nicht biegen. Man hebt die Füße nicht vom Boden, man schiebt die Beine. Vom Schlurfen werden sie kniesteif. Es war eine Erleichterung, wenn die Holzsohlen an den Fersen abrissen, die Zehen wurden etwas freier, und man konnte das Knie besser biegen.

Bei den Holzschuhen gab es nicht rechts und links und nur drei Größen, winzige, riesige und ganz selten mittlere. Man suchte sich in der Wäschekammer aus dem Haufen Holz mit Segeltuch zwei gleichgroße Schuhe aus. Bea Zakel war die Geliebte von Tur Prikulitsch und die Herrin über unsere Kleidung. Manchen half sie beim Wühlen, um zwei gutgenagelte Stücke zu finden. Bei anderen schob sie nur, ohne sich zu bücken, ihren Stuhl näher zum Schuhhaufen und lauerte, dass nichts gestohlen wird. Sie selbst trug gute Halbschuhe aus Leder, und wenn es eisig kalt war, Filzstiefel. Wenn sie durch den Dreck laufen musste, zog sie Gummigaloschen drüber.

Nach dem Plan der Lagerleitung sollten die Holzschuhe ein halbes Jahr halten. Aber nach drei, vier Tagen war das Tuch an den Fersen abgerissen. Jeder versuchte, sich durch Tauschgeschäfte zusätzliche Gummigaloschen zu organisieren. Die waren biegsam und leicht, eine Handbreit größer als der Fuß. Man hatte Platz genug für mehrere Fußlappen übereinander, die wir statt Strümpfen trugen. Damit sich die Füße beim Gehen nicht aus den Galoschen herausheben, band man sie unter der Sohle mit einem Stück Draht an den Fuß. Oben am Rist wurde er zugedreht. Wo der Drahtknoten auf dem Rist saß, war der neuralgische Punkt, an der Stelle waren die Füße immer wundgerieben. Und an der Wunde kriegte man die erste Frostbeule. Sowohl die Holzschuhe als auch die Galoschen waren den ganzen Winter an die Fußlappen angefroren. Und die Fußlappen an die Haut. Die Gummigaloschen waren zwar noch kälter als die Holzschuhe, aber sie hielten Monate.

Die Arbeitskleidung, eine andere Kleidung gab es ja nicht, also die Lagerkleidung, die Uniform für Internierte, wurde halbjährlich ausgeteilt. Zwischen Männer- und Frauenkleidung gab es keinen Unterschied. Außer den Holzschuhen und Gummigaloschen gehörte zur Arbeitskleidung Unterwäsche, Watteanzug, Arbeitshandschuhe, Fußlappen, Bettzeug, Handtuch und ein Stück von einem Barren abgehackte Seife, die streng nach Sodium roch. Sie brannte auf der Haut, von den Wunden hat man sie besser ferngehalten.

Die Unterwäsche war aus ungebleichter Leinwand: 1 lange Unterhose, an den Knöcheln und vorn am Bauch mit Schnüren, 1 kurze Unterhose mit Schnüren, 1 Unterhemd mit Schnüren, das alles in einem war Unterobertagnachtsommerundwinterhemd.

Der Watteanzug hieß Pufoaika, ein Steppdeckenanzug mit Längswülsten. Die Pufoaika-Hose hatte einen Keilschnitt für dicke Bäuche und enge Fesseln mit Schnüren an den Knöcheln. Nur vorne am Bauch war ein Knopf und rechts und links zwei Hosentaschen. Die Pufoaika-Jacke war sackförmig mit Stehkragen, genannt Rubaschka-Kragen, und hatte Manschetten mit einem Knopf am Arm, vorne eine Knopfreihe und seitlich zwei draufgesetzte viereckige Taschen. Als Kopfbedeckung hatten Männer wie Frauen Pufoaika-Mützen mit Ohrenklappen, daran Schnüre.

Die Pufoaika-Farben waren blaugrau oder grüngrau, je nachdem, wie das Färben ausgefallen war. Nach einer Woche war der Anzug sowieso dreckstarr und braun von der Arbeit. Die Pufoaikas waren eine gute Sache, die wärmste Kleidung draußen im trockenen Winter, wenn der Frost funkelte und der Atemhauch ans Gesicht fror. Und im Glutsommer waren die Pufoaikas weit genug, die Luft konnte zirkulieren und den Schweiß trocknen. Doch bei nassem Wetter waren die Pufoaikas eine Plage. Die Watte saugte sich voll mit Regen und Schnee und blieb wochenlang nass. Man klapperte mit den Zähnen, bis abends war man unterkühlt. In der Baracke mit den 68 Bettgestellen und 68 Internierten mit ihren 68 Wattemonturen, 68 Mützen, 68 Paar Fußlappen und 68 Paar Schuhen dampfte trübe Luft. Und wir lagen wach und schauten ins gelbe Dienstlicht, als wäre darin die Schneeschmelze. Und in der Schneeschmelze der Nachtgestank, der uns mit Walderde zudeckte und mit vermodertem Laub.

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