ROSA LICHTER UND CHAMPAGNER

Bond ging in sein Zimmer, das erneut keine Anzeichen von unbefugtem Eindringen aufwies, zog seine Kleidung aus, nahm ein langes heißes Bad, gefolgt von einer eiskalten Dusche, und legte sich auf sein Bett. Ihm blieb noch eine Stunde, um sich auszuruhen und seine Gedanken zu sammeln, bevor er das Mädchen in der Bar des Splendide traf. Eine Stunde, um die Einzelheiten seines Plans für das Spiel durchzugehen, und für die Zeit nach dem Spiel, in all den verschiedenen Varianten von Sieg oder Niederlage. Er musste die begleitenden Rollen von Mathis, Leiter und dem Mädchen planen, und die möglichen Reaktionen der Gegenseite visualisieren. Er schloss die Augen und stellte sich eine Reihe sorgfältig aufgebauter Szenen vor, als ob er die sich drehenden Glassteinchen eines Kaleidoskops betrachten würde.

Um zwanzig vor neun hatte er alle Variationen erwogen, die aus seinem Duell mit Le Chiffre entstehen konnten. Er stand auf und zog sich an. Dabei verdrängte er die unmittelbare Zukunft aus seinen Gedanken.

Während er seine schmale schwarze Satinkrawatte band, hielt er einen Moment lang inne und betrachtete sein Spiegelbild. Seine graublauen Augen blickten mit einem Hauch Ironie zurück, und eine Locke seines widerspenstigen schwarzen Haars bildete ein dickes Komma über seiner rechten Augenbraue. Mit der schmalen vertikalen Narbe auf seiner rechten Wange ließ ihn das entfernt wie einen Piraten wirken. Aber keine Ähnlichkeit mit Hoagy Carmichael, dachte Bond, während er ein flaches Metalletui mit fünfzig seiner Morland-Zigaretten mit den drei goldenen Ringen füllte. Mathis hatte ihm von Lynds Bemerkung erzählt.

Er steckte das Etui in seine Hosentasche, und klappte sein Ronson-Feuerzeug auf, um zu sehen, ob es noch ausreichend gefüllt war. Nachdem er auch das schmale Bündel Geldscheine eingesteckt hatte, öffnete er eine Schublade und nahm ein leichtes Lederholster heraus. Er ließ es über seine linke Schulter gleiten, sodass es etwa acht Zentimeter unter seiner Achselhöhle hing. Dann holte er unter einem Stapel Hemden in einer anderen Schublade eine sehr flache .25 Beretta Automatic hervor, deren Griffabdeckung entfernt worden war. Er nahm das Magazin und die einzelne Kugel im Lauf heraus, bewegte den Schlitten ein paarmal hin und her, und drückte schließlich bei leerer Kammer mehrmals den Abzug. Dann lud und sicherte er die Waffe wieder und steckte sie in das Schulterholster. Er schaute im Raum umher, um festzustellen, ob er etwas vergessen hatte, dann zog er sein einreihiges Smokingjackett über das Abendhemd aus schwerer Seide. Seine Kleidung war kühl und angenehm zu tragen. Ein Blick in den Spiegel bestätigte ihm, dass die flache Waffe unter seinem linken Arm nicht zu sehen war. Dann richtete er ein letztes Mal seine schmale Krawatte, verließ sein Zimmer und verschloss es.

Als er sich am unteren Absatz der kurzen Treppe in Richtung Bar wandte, hörte er hinter sich die Lifttür aufgehen und eine kühle Stimme sagte: »Guten Abend.«

Es war die Frau. Sie blieb vor dem Aufzug stehen und wartete darauf, dass er zu ihr kam.

Er erinnerte sich genau an ihre Schönheit. Daher war er nicht überrascht, erneut von ihr überwältigt zu sein.

Sie trug ein Kleid aus schwarzem Samt, einfach und doch von einer Eleganz, die nur ein halbes Dutzend couturiers auf der Welt erreichen konnten. Um ihren Hals trug sie eine schmale Diamantkette und am V-Ausschnitt, der den Ansatz ihres ausladenden Dekolletés enthüllte, eine ebensolche Brosche. Sie hatte eine flache schwarze Handtasche dabei, die sie, die Arme in die Seiten gestemmt, an ihrer Taille trug. Ihr rabenschwarzes Haar fiel glatt herunter, bis zu der leichten Innenwelle unterhalb des Kinns.

Sie war wunderschön, und Bonds Herz machte einen Sprung.

»Sie sehen einfach atemberaubend aus. Das Radiogeschäft muss ja regelrecht florieren!«

Sie hakte sich bei ihm unter. »Würde es Ihnen etwas ausmachen, wenn wir direkt zum Abendessen übergehen?«, fragte sie. »Ich will einen großen Auftritt hinlegen, aber schwarzer Samt birgt ein schreckliches Geheimnis. Er knittert ganz fürchterlich, wenn man sich hinsetzt. Und übrigens, falls Sie mich heute Abend schreien hören, habe ich mich auf einen Korbstuhl gesetzt.«

Bond lachte. »Natürlich, lassen Sie uns direkt hineingehen. Und während wir unser Essen bestellen, trinken wir ein Glas Wodka.«

Sie warf ihm einen amüsierten Blick zu, und er korrigierte sich: »Oder natürlich einen Cocktail, wenn Ihnen das lieber ist. Das Essen hier ist das beste in ganz Royale.«

Einen Augenblick lang ärgerte er sich über die Ironie, den leichten Schatten einer Zurechtweisung, mit der sie seiner Entschiedenheit und der Art, wie er auf ihren Blick reagiert hatte, begegnet war.

Aber das war nur ein winziger Zusammenstoß, der bereits vergessen war, als der maître d’hôtel sie durch den vollen Saal führte und Bond sah, wie sich die Köpfe aller Anwesenden zu seiner Begleiterin umdrehten.

Der beste Teil des Restaurants lag neben dem großen, halbmondförmig gewölbten Fenster, das wie das breite Heck eines Schiffes über dem Hotelgarten ausgebaut war. Aber Bond hatte einen Tisch in einer der verspiegelten Nischen im hinteren Bereich des großen Raumes ausgewählt. Diese stammten noch aus edwardianischer Zeit und waren abgelegen und in Weiß und Gold gehalten. Auf dem Tisch lag eine rote, bestickte Decke und an den Wänden hingen spätviktorianische Lampen.

Während sie das Labyrinth aus purpurner Tinte entzifferten, das die zweiseitige Speisekarte bedeckte, rief Bond den Sommelier herbei. Dann drehte er sich zu seiner Begleiterin um.

»Haben Sie sich schon entschieden?«

»Ich hätte gerne ein Glas Wodka«, sagte sie schlicht, und ihr Blick senkte sich wieder auf die Speisekarte.

»Eine kleine Karaffe Wodka, eisgekühlt«, bestellte Bond. Dann sagte er unvermittelt zu ihr: »Ich kann nicht auf das Wohlergehen Ihres neuen Kleids trinken, ohne Ihren Vornamen zu kennen.«

»Vesper«, sagte sie. »Vesper Lynd.«

Bond sah sie fragend an.

»Es ist ziemlich öde, meinen Namen immer erklären zu müssen, aber ich wurde am Abend geboren, laut meinen Eltern an einem ziemlich stürmischen Abend. Offenbar wollten sie sich immer daran erinnern.« Sie lächelte. »Einige mögen ihn, andere nicht. Ich bin einfach daran gewöhnt.«

»Ich finde, es ist ein guter Name«, sagte Bond. Da kam ihm eine Idee. »Darf ich ihn mir ausborgen?« Er erzählte ihr von dem besonderen Martini, den er erfunden hatte, und dass er noch nach einem Namen suchte. »Der Vesper«, sagte er. »Klingt perfekt und passt hervorragend zur blauen Stunde, in der mein Cocktail von jetzt an in der ganzen Welt getrunken wird. Kann ich ihn benutzen?«

»Wenn ich den Cocktail vorher kosten darf«, antwortete sie. »Er klingt wie ein Getränk, auf das man stolz sein kann.«

»Wir werden einen trinken, wenn das alles hier vorbei ist«, sagte Bond. »Egal, ob wir gewinnen oder verlieren. Haben Sie sich entschieden, was Sie gerne essen möchten? Nur keine falsche Bescheidenheit«, fügte er hinzu, als er ihr Zögern bemerkte. »Oder Sie enttäuschen dieses herrliche Kleid.«

»Ich habe mir zwei Sachen ausgesucht.« Sie lachte. »Und eines von beiden hätte mir auch gereicht. Aber sich gelegentlich wie ein Millionär aufzuführen, ist ein wunderbares Vergnügen, und wenn Sie meinen … nun, dann würde ich gerne mit dem Kaviar anfangen, und hätte danach gerne einfach das gegrillte rognon de veau mit pommes soufflés. Und zum Abschluss fraises des bois mit viel Sahne. Finden Sie es sehr schamlos von mir, mich so schnell für eine solch teure Auswahl entschieden zu haben?« Sie lächelte ihn fragend an.

»Im Gegenteil, ich halte es für eine Tugend. Außerdem ist das nur eine einfache, gesunde Mahlzeit.« Er wandte sich an den maître d’hôtel. »Und bringen Sie reichlich Toast.«

»Das Problem«, erklärte er Vesper, »besteht nämlich nicht darin, genügend Kaviar zu bekommen, sondern ausreichend Toast dazu.«

Er wandte sich wieder der Speisekarte zu. »Ich werde mich der Mademoiselle beim Kaviar anschließen, aber dann hätte ich gerne ein kleines tournedos, blutig, mit sauce béarnaise und einem coeur d’artichaut. Und während Mademoiselle ihre Erdbeeren genießt, möchte ich eine halbe Avocado mit ein wenig Vinaigrette. Findet das Ihre Zustimmung?«

Der maître d’hôtel nickte.

»Eine gute Wahl. Monsieur George«, wandte er sich an den Sommelier, und wiederholte die beiden Bestellungen für ihn.

»Parfait«, sagte der Sommelier und reichte ihnen die ledergebundene Weinkarte.

»Wenn Ihnen das recht ist«, sagte Bond, »würde ich heute Abend gerne Champagner mit Ihnen trinken. Es ist ein munterer Wein und passt zum Anlass – zumindest hoffe ich das.«

»Ja, ich hätte gerne Champagner«, antwortete sie.

Mit seinem Finger auf der Seite wandte sich Bond zum Sommelier um: »Den Taittinger 45?«

»Ein hervorragender Wein, Monsieur«, erwiderte der Sommelier. »Aber wenn Monsieur erlauben«, er deutete mit seinem Stift, »der Blanc de Blanc Brut 1943 der gleichen Marke sucht seinesgleichen.«

Bond lächelte. »Einverstanden«, sagte er.

»Das ist keine bekannte Marke«, erklärte Bond seiner Begleiterin, »aber der wahrscheinlich beste Champagner der Welt.« Als ihm sein anmaßender Tonfall auffiel, musste er lächeln.

»Bitte verzeihen Sie«, sagte er. »Ich habe eine fast lächerliche Freude an dem, was ich esse und trinke. Das liegt teilweise daran, dass ich Junggeselle bin, aber hauptsächlich an meiner Liebe zum Detail. Es mag ziemlich pedantisch wirken, aber wenn ich arbeite, speise ich normalerweise allein, und das Essen wird interessanter, wenn man sich damit beschäftigt.«

Vesper lächelte ihn an.

»Mir gefällt es«, sagte sie. »Ich bin eine Genießerin und versuche, alles, was ich tue, voll auszukosten. Ich denke, so sollte man leben. Aber es klingt recht schulmädchenhaft, wenn man es ausspricht«, fügte sie entschuldigend dazu.

Die kleine Karaffe mit Wodka war in einer Schale mit zerstoßenem Eis angekommen, und Bond füllte ihre Gläser.

»Ich stimme Ihnen zu«, sagte er. »Auf dass heute Abend das Glück auf unserer Seite sein möge, Vesper.«

»Ja«, sagte sie leise, während sie ihr kleines Glas hob und ihm dabei mit einer seltsamen Direktheit in die Augen blickte. »Hoffentlich geht alles gut.«

Bond kam es so vor, als würde sie, während sie sprach, unwillkürlich mit den Schultern zucken. Aber dann lehnte sie sich impulsiv zu ihm vor.

»Ich habe Neuigkeiten von Mathis für Sie. Eigentlich wollte er es Ihnen selbst erzählen. Es geht um die Bombe. Eine Wahnsinnsgeschichte.«

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