»SCHLAF GUT, MEIN LIEBLING«

Die nächsten zwei Tage verliefen ganz ähnlich.

Am vierten Tag ihres Aufenthalts fuhr Vesper schon früh am Morgen nach Royale. Ein Taxi kam, holte sie ab und brachte sie später wieder zurück. Sie sagte, sie habe ein Medikament gebraucht.

An diesem Abend bemühte sie sich sehr, fröhlich zu wirken. Sie trank viel, und als sie nach oben gingen, gab sie sich ihm voller Leidenschaft hin. Bonds Körper reagierte entsprechend, doch danach weinte sie bitterlich in ihr Kissen, und Bond ging in trostloser Verzweiflung in sein Zimmer.

Er fand kaum Schlaf, und in den frühen Morgenstunden hörte er, wie sich die Tür leise öffnete. Von unten erklangen gedämpfte Geräusche, und er war sicher, dass sie sich in der Telefonzelle befand. Bald hörte er, wie ihre Tür sachte geschlossen wurde, und er vermutete, dass sie erneut niemanden in Paris erreicht hatte.

Das war am Samstag.

Am Sonntag kehrte der Mann mit der schwarzen Augenklappe zurück. Bond wusste es sofort, als er von seinem Mittagessen aufblickte und ihr Gesicht sah. Er hatte ihr alles erzählt, was er vom patron erfahren hatte, bis auf die Aussage des Mannes, dass er vielleicht wiederkommen würde. Er hatte befürchtet, dass diese Vorstellung sie beunruhigen könnte.

Außerdem hatte er Mathis in Paris angerufen und den Peugeot überprüfen lassen. Der Wagen war vor zwei Wochen bei einer respektablen Firma gemietet worden. Der Kunde besaß einen schweizerischen KFZ-Grenzübergangsschein. Sein Name war Adolph Gettler. Als Adresse hatte er eine Bank in Zürich angegeben.

Mathis hatte sich mit der Schweizer Polizei in Verbindung gesetzt. Ja, die Bank führte ein Konto auf diesen Namen. Es wurde selten benutzt. Herr Gettler arbeitete für die Armbanduhrenindustrie. Weitere Erkundigungen könnten nur dann eingeholt werden, wenn eine Anklage gegen ihn vorläge.

Vesper hatte angesichts dieser Informationen mit den Schultern gezuckt. Als der Mann dieses Mal auftauchte, stand sie während des Mittagessens auf und ging sofort in ihr Zimmer.

Bond traf eine Entscheidung. Nachdem er aufgegessen hatte, folgte er ihr. Beide Türen zu ihrem Zimmer waren verschlossen, und als er sie dazu brachte, ihn reinzulassen, sah er, dass sie in den Schatten am Fenster gesessen und vermutlich das Geschehen auf der Terrasse beobachtet hatte.

Ihr Gesicht wirkte wie aus Stein. Er führte sie zum Bett und zog sie neben sich. Steif saßen sie da, wie Menschen in einem Eisenbahnabteil.

»Vesper«, sagte er, während er ihre kalten Hände in seinen hielt, »wir können so nicht weitermachen. Wir müssen damit aufhören. Wir quälen uns gegenseitig, und es gibt nur eine Möglichkeit, es zu beenden. Entweder erzählst du mir, was los ist, oder wir müssen diesen Ort verlassen. Sofort.«

Sie erwiderte nichts, und ihre Hände lagen leblos in seinen.

»Mein Liebling«, sagte er. »Willst du es mir nicht erzählen? Weißt du, an unserem ersten Morgen hier kam ich vom Strand zurück und wollte dich bitten, mich zu heiraten. Können wir nicht noch mal von vorne anfangen? Was ist das für ein schrecklicher Albtraum, der uns umbringt?«

Zuerst sagte sie nichts, dann rollte langsam eine Träne ihre Wange hinab.

»Du meinst, du hättest mich geheiratet?«

Bond nickte.

»Oh mein Gott«, sagte sie. »Mein Gott.« Sie drehte sich zu ihm, klammerte sich an ihn und vergrub ihr Gesicht an seiner Brust.

Er hielt sie fest an sich gedrückt. »Erzähl es mir, meine Liebste«, bat er. »Erzähl mir, was dich quält.«

Ihr Schluchzen wurde leiser.

»Lass mich kurz allein«, bat sie, und ihrer Stimme haftete ein neuer Tonfall an. Ein Tonfall der Resignation. »Lass mich ein wenig nachdenken.« Sie küsste sein Gesicht und hielt es zwischen ihren Händen. Sie sah ihn voller Sehnsucht an. »Liebling, ich versuche, das zu tun, was für uns am besten ist. Bitte glaube mir. Aber es ist schrecklich. Ich bin in einer schrecklichen …« Sie weinte wieder und klammerte sich an ihn wie ein Kind, das Albträume hat.

Er tröstete sie, streichelte ihr über das lange schwarze Haar und küsste sie sanft.

»Geh jetzt«, sagte sie. »Ich brauche Zeit zum Nachdenken. Wir müssen etwas unternehmen.«

Er zog sein Taschentuch hervor und trocknete damit ihre Augen.

Sie brachte ihn zur Tür und dort hielten sie sich eine Weile lang ganz fest. Dann küsste er sie erneut, und sie schloss die Tür hinter ihm.

An diesem Abend kehrte ein Großteil der Fröhlichkeit und Intimität ihrer ersten Nacht zurück. Sie war aufgeregt, und ihr Lachen klang manchmal spröde, doch Bond war fest entschlossen, sich ihrer neuen Stimmung anzuschließen, und erst gegen Ende des Abendessens machte er eine beiläufige Bemerkung, die sie innehalten ließ.

Sie legte ihre Hände auf seine.

»Sprich jetzt nicht darüber«, sagte sie. »Vergiss es für den Moment. Das ist alles vorbei. Ich erzähle dir morgen früh davon.«

Sie sah ihn an, und plötzlich füllten sich ihre Augen mit Tränen. Sie nahm ein Taschentuch aus ihrer Tasche und tupfte sie weg.

»Gib mir noch etwas Champagner«, sagte sie. Sie lachte seltsam. »Ich will viel mehr. Du trinkst sehr viel mehr als ich. Das ist nicht fair.«

Sie saßen und tranken, bis die Flasche leer war. Dann stand sie auf. Sie stieß gegen ihren Stuhl und kicherte.

»Ich glaube, ich bin betrunken«, sagte sie. »Wie skandalös. Bitte, James, schäm dich nicht für mich. Ich wollte doch so gerne fröhlich sein. Und jetzt bin ich fröhlich.«

Sie stellte sich hinter ihn und fuhr mit ihren Fingern durch sein schwarzes Haar.

»Komm schnell nach oben«, sagte sie. »Ich will dich heute Nacht so sehr.«

Sie warf ihm eine Kusshand zu und verschwand.

Zwei Stunden lang liebten sie sich langsam und voll glücklicher Leidenschaft. Es war ein Zustand, von dem Bond noch am Tag zuvor gedacht hatte, dass sie ihn nie wieder erreichen würden. Die Mauern der Unsicherheit und des Misstrauens schienen verschwunden zu sein, und die Worte, die sie einander zuraunten, waren wieder unschuldig und wahr, und es gab keinen Schatten zwischen ihnen.

»Du musst jetzt gehen«, sagte Vesper, nachdem Bond eine Weile lang in ihren Armen geschlafen hatte.

Als ob sie ihre Worte zurücknehmen wollte, hielt sie ihn gleich darauf fester, murmelte ihm Zärtlichkeiten zu und presste ihren Körper an seinen.

Als er schließlich aufstand und sich vorbeugte, um ihr das Haar zurückzustreichen und ihre Lider und ihren Mund zum Abschied zu küssen, schaltete sie das Licht an.

»Sieh mich an«, sagte sie, »und lass mich dich anschauen.«

Er kniete sich neben sie.

Sie betrachtete jeden Zug seines Gesichts, als ob sie ihn zum ersten Mal sehen würde. Dann legte sie ihren Arm um seinen Hals. In ihren tiefblauen Augen schimmerten Tränen. Sie zog seinen Kopf langsam zu sich heran und küsste zärtlich seine Lippen. Dann ließ sie ihn gehen und schaltete das Licht aus.

»Gute Nacht, mein Liebster«, sagte sie.

Bond beugte sich vor und küsste sie noch einmal. Er konnte die Tränen auf ihren Wangen schmecken.

Er ging zur Tür und schaute zurück.

»Schlaf gut, mein Liebling«, sagte er. »Mach dir keine Sorgen, jetzt ist alles gut.«

Leise schloss er die Tür und ging überglücklich in sein Zimmer.

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