FRUIT DÉFENDU

Als er zurück in sein Zimmer kam, rührte ihn die Tatsache, dass seine Kleidung weggeräumt und seine Zahnbürste und Rasierutensilien im Badezimmer ordentlich an einem Ende der gläsernen Ablage über dem Waschbecken aufgereiht worden waren. Am anderen Ende befanden sich Vespers Zahnbürste sowie ein oder zwei kleine Fläschchen und ein Tiegel mit Gesichtscreme.

Er sah die Fläschchen an und stellte überrascht fest, dass eine von ihnen Schlaftabletten enthielt. Vielleicht waren ihre Nerven von den Ereignissen in der Villa stärker in Mitleidenschaft gezogen worden, als er gedacht hatte. Das Badewasser war bereits für ihn eingelassen worden, und auf dem Stuhl daneben lagen ein Handtuch und eine Flasche mit einem teuren Pinienbadezusatz.

»Vesper«, rief er.

»Ja?«

»Du bist wirklich die Beste. Du gibst mir das Gefühl, ein teurer Gigolo zu sein.«

»Man hat mir gesagt, ich solle mich um dich kümmern. Ich erfülle nur meine Aufgabe.«

»Liebling, das Badewasser hat genau die richtige Temperatur. Willst du mich heiraten?«

Sie schnaubte. »Du brauchst eine Sklavin, keine Ehefrau.«

»Ich will dich.«

»Tja, ich will meinen Hummer und Champagner, also beeil dich.«

»Schon gut, schon gut«, erwiderte Bond.

Er trocknete sich ab und zog ein weißes Hemd und eine blaue Hose an. Er hoffte, dass sie ebenso einfach gekleidet sein würde, und freute sich, als sie, ohne anzuklopfen, in der Tür erschien und ein blaues Leinenhemd trug, das so sehr ausgeblichen war, dass es nun die Farbe ihrer Augen hatte. Dazu trug sie einen dunkelroten Rock aus plissierter Baumwolle.

»Ich konnte nicht länger warten. Ich war völlig ausgehungert. Mein Zimmer liegt direkt über der Küche, und ich wurde von den wundervollen Düften gequält.«

Er ging zu ihr und legte seinen Arm um sie.

Sie nahm seine Hand, und gemeinsam gingen sie nach unten auf die Terrasse, wo ein Tisch für sie gedeckt worden war, der vom Licht des leeren Esszimmers beleuchtet wurde.

Der Champagner, den Bond bei ihrer Ankunft bestellt hatte, stand in einem metallüberzogenen Weinkühler neben ihrem Tisch und Bond schenkte ihnen zwei Gläser ein. Vesper machte sich an einer köstlichen hausgemachten Leberpastete zu schaffen und lud ihnen beiden eine Portion des knusprigen französischen Brots auf die Teller sowie ein Stück der tiefgelben Butter, die mit Eissplittern gekühlt wurde.

Sie sahen einander an, nahmen jeder einen tiefen Schluck, und Bond füllte ihre Gläser erneut bis zum Rand.

Während sie aßen, erzählte Bond ihr von seinem Bad im Meer, und sie sprachen darüber, was sie am nächsten Morgen unternehmen würden. Die ganze Zeit über redeten sie nicht über ihre Gefühle füreinander, doch sowohl in Vespers als auch in Bonds Augen schimmerte eine aufgeregte Vorfreude auf die Nacht. Hin und wieder berührten sich ihre Hände oder Füße, als ob sie so die Anspannung in ihren Körpern lindern wollten.

Nachdem sie die Hummer verspeist, die zweite Flasche Champagner zur Hälfte geleert und sich gerade einen großen Löffel Sahne auf ihre fraises des bois geladen hatten, stieß Vesper einen zufriedenen Seufzer aus.

»Ich benehme mich wie ein Schwein«, sagte sie fröhlich. »Du gibst mir ständig all diese Dinge, die mir gefallen. Ich bin noch nie so verwöhnt worden.« Sie ließ den Blick über die Terrasse und die vom Mond beleuchtete Bucht dahinter schweifen. »Ich wünschte, ich würde es verdienen.« In ihrer Stimme lag ein ironischer Unterton.

»Was meinst du damit?«, fragte Bond überrascht.

»Oh, ich weiß nicht. Ich schätze, jeder bekommt, was er verdient, also verdiene ich es vielleicht doch.«

Sie lächelte. Dann warf sie ihm einen seltsamen Blick zu.

»Du weißt wirklich nicht besonders viel über mich«, sagte sie plötzlich.

Der ernste Unterton in ihrer Stimme überraschte Bond.

»Mehr als genug«, erwiderte er lachend. »Alles, was ich bis morgen und übermorgen und bis zum Tag danach wissen muss. Abgesehen davon weißt du auch nicht viel über mich.« Er schenkte ihnen Champagner nach.

Vesper sah ihn nachdenklich an.

»Menschen sind Inseln«, sagte sie. »Sie berühren sich nicht. Egal, wie nah sie sich kommen, sind sie in Wirklichkeit immer voneinander getrennt. Selbst wenn sie seit fünfzig Jahren verheiratet sind.«

Bond dachte voller Bestürzung, dass sie in einen Zustand des vin triste verfiel. Zu viel Champagner hatte sie schwermütig werden lassen. Doch plötzlich lachte sie fröhlich. »Schau nicht so besorgt.« Sie lehnte sich vor und legte ihre Hand auf seine. »Ich war nur ein wenig sentimental. Jedenfalls scheint meine Insel heute Nacht sehr nah an deiner Insel zu liegen.« Sie trank einen Schluck Champagner.

Bond lachte erleichtert. »Tun wir uns zusammen und bilden eine Halbinsel«, schlug er vor. »Jetzt sofort, gleich nachdem wir die Erdbeeren aufgegessen haben.«

»Nein«, widersprach sie neckisch. »Ich muss noch einen Kaffee trinken.«

»Und einen Brandy«, konterte Bond.

Der kleine Schatten war vorübergezogen. Der zweite kleine Schatten. Auch dieser ließ ein winziges Fragezeichen zurück. Es löste sich schnell auf, als die Wärme und Intimität sie wieder umschlossen.

Nachdem beide einen Kaffee getrunken hatten und Bond an seinem Brandy nippte, nahm Vesper ihre Handtasche, erhob sich und stellte sich hinter ihn.

»Ich bin müde«, sagte sie und legte eine Hand auf seine Schulter.

Er griff nach oben und hielt sie dort fest, und für eine Weile verharrten sie reglos in dieser Pose. Sie beugte sich vor und fuhr sanft mit ihren Lippen über sein Haar. Dann war sie verschwunden, und ein paar Sekunden später ging das Licht in ihrem Zimmer an.

Bond rauchte und wartete, bis es wieder ausgeschaltet wurde. Dann ging er ihr nach und hielt nur kurz inne, um dem Gastwirt und seiner Frau eine gute Nacht zu wünschen und ihnen für das Abendessen zu danken. Sie wünschten ihm ebenfalls eine gute Nacht, und er ging nach oben.

Es war erst halb zehn, als er ihr Zimmer durch das Bad betrat und die Tür hinter sich schloss.

Das Mondlicht schien durch die halb geschlossenen Fensterläden und umspielte die geheimen Schatten ihres weißen Körpers auf dem breiten Bett.


Bond erwachte bei Sonnenaufgang in seinem eigenen Zimmer, lag eine Weile einfach nur da und schwelgte in seinen Erinnerungen.

Dann stand er leise auf, schlich in seinem Pyjamaoberteil an Vespers Tür vorbei, verließ das Haus und ging zum Strand.

Das Meer lag glatt und still unter der aufgehenden Sonne. Die kleinen pinken Wellen rollten müßig über den Sand. Es war kalt, aber er zog sein Oberteil aus und wanderte nackt am Rand des Meeres entlang bis zu der Stelle, an der er am Abend zuvor gebadet hatte. Dann ging er bewusst langsam ins Wasser, bis es ihm bis zum Kinn reichte. Er hob seine Füße vom Grund und sank nach unten, wobei er sich mit einer Hand die Nase zuhielt und die Augen zukniff. Er spürte, wie das kalte Wasser seinen Körper umgab und durch sein Haar strich.

Die spiegelglatte Oberfläche der Bucht war völlig unberührt, bis auf eine Stelle, an der ein Fisch aus dem Wasser gesprungen und wieder eingetaucht zu sein schien. Unter Wasser stellte er sich diese friedliche Szenerie vor und wünschte, Vesper würde in diesem Moment zwischen den Pinien hervorkommen, damit sie überrascht sein würde, wenn er plötzlich durch die stille Wasseroberfläche brach.

Als er nach einer vollen Minute in einem Schwall aus Gischt an die Oberfläche zurückkehrte, wurde er enttäuscht. Weit und breit war niemand zu sehen. Eine Weile schwamm er umher oder ließ sich treiben, und als ihm die Sonne heiß genug erschien, kehrte er an den Strand zurück, legte sich auf den Rücken und schwelgte in dem Körper, den die vergangene Nacht ihm zurückgegeben hatte.

Wie schon am Abend zuvor starrte er in den leeren Himmel hinauf und fand dort die gleiche Antwort.

Nach einer Weile stand er auf und ging langsam zu seinem Pyjamaoberteil zurück.

Heute würde er Vesper bitten, ihn zu heiraten. Er war sich ganz sicher. Es ging nur darum, den richtigen Moment dafür zu finden.

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