Lautes Durcheinander herrschte in der Halle, nachdem Fidelma ihre Anschuldigungen ausgesprochen hatte. Der Lärm schwoll immer mehr an. Prinz Ca-then und Cadell forderten die Menge zu Ordnung und Ruhe auf.
Buddog saß wie versteinert da. Nicht einmal ein Augenzucken verriet ihre Empfindungen. Sie war nicht hysterisch geworden, stritt nichts ab. Nur Leere lag auf ihrem Gesicht.
Elen sah kreidebleich aus, sie starrte Buddog an. »Aber wenn . wenn Buddog Mair ermordet hat, dann ...« Sie drehte sich zu ihrem Vater um, der verkrampft dasaß, blaß und schmallippig. »Du und Mair, du warst ihr Liebhaber!« Sie schrie das voller Abscheu. »Du und Mair .«
Es verstrich eine Weile, ehe die Menge in der Halle wieder zur Ruhe gebracht war.
»Da Buddog deine Vorwürfe weder abstreitet noch bestätigt, kannst du mit deinen Ausführungen fortfahren«, erklärte Cathen Fidelma.
»Buddog kam als Geisel in Gwndas Haushalt. Damals war sie noch ein junges Mädchen. Mit den Jahren waren Gwnda und Buddog ein Liebespaar geworden. Buddog entwickelte eine blinde Liebe für ihn. Ich weiß nicht, wie seine Beziehung zu Mair begann. Vielleicht lag es daran, daß Mair viele Männer brauchte. Vielleicht fühlte er sich durch ihre Aufmerksamkeit geschmeichelt.«
Fidelma verstummte, denn Gwnda wollte etwas sagen.
»Buddog ist mir sehr teuer. Ich würde alles für sie tun, um sie zu schützen. Doch Mair ... Sie war jung und lebendig. Sie hat mir Kraft geschenkt. Sie hat mich neu belebt!«
»Schon an unserem ersten Abend hier habe ich vermutet, daß Buddog etwas mit der Sache zu tun hat«, sagte Fidelma ruhig. »Allerdings war es ja nicht mein, sondern Bruder Meurigs Fall. Mir war nicht klar, in welche Gefahr er sich bei seinen Ermittlungen begeben würde.«
Sie schwieg eine Weile, ehe sie weitersprach.
»Gwnda war an jenem Vormittag auch im Wald. Es mag purer Zufall gewesen sein, daß er Buddog begegne-te, kurz nachdem sie Mair erwürgt hatte. Man bedenke, Buddog ist Gwnda nicht gleichgültig. Das hat er uns soeben bestätigt. In wenigen Sekunden entschied er sich, ihr Verbrechen zu vertuschen. Er trug Buddog auf, nach Llanwnda zurückzugehen. Um den Rest würde er sich kümmern. Nachdem sie fort war, war ihm das Schicksal günstig. Idwal kehrte unvermutet zurück, er wollte sich bei Mair entschuldigen. Gwnda versteckte sich .«
Gwnda stöhnte auf und nickte. »Zuerst hatte ich keinen genauen Plan«, sagte er. Seine sonstige Strenge, seine ganze Autorität schienen in sich zusammengefallen. Er war nur noch ein alter Mann, gekrümmt und zerbrechlich. »Ich verbarg mich in der Hoffnung, nicht entdeckt zu werden. Idwal trat zur Leiche und beugte sich hinunter. Er konnte offenbar nicht glauben, daß sie tot war, und versuchte, sie wiederzubeleben. Dann hörte ich das Geschrei der Leute. In dem Moment wußte ich, was ich zu tun hatte.«
»Da bist über Idwal hergefallen und hast Iorwerth und Iestyn gegenüber behauptet, du hättest ihn auf frischer Tat ertappt. Du tatest so, als seist du der gewissenhafte und ehrbare Fürst, und hast deine Leute angewiesen, Idwal gefangenzunehmen. Und dann hast du jemanden zur Abtei Dewi Sant geschickt, um einen barnwr zu holen. Du mußtest dafür sorgen, daß man dir in dieser Angelegenheit nichts vorwerfen konnte.«
Es herrschte Stille. Elen äußerte Bedenken: »Eine Sache stimmt nicht, Schwester. Es gab doch Hinweise darauf, daß Mair vergewaltigt wurde. Man sagte, daß da viel Blut war .«
Fidelma hielt eine Hand hoch. »Gwnda war eingefallen, daß viele glaubten, Mair sei noch Jungfrau. Das war das Schändlichste an Gwndas Versuch, das Verbrechen zu vertuschen. Er nahm sein Messer und schnitt damit ein paarmal in die Innenseite ihrer Oberschenkel, bis Blut floß. Mit ziemlichem Eifer bemühte er sich anschließend, Elisse zu überzeugen, daß das Mädchen noch Jungfrau gewesen war und es sich um eine Vergewaltigung handelte. Dabei vergaß er in seiner Eile, eine neue Spur zu legen, für den Fall, daß die Frau von Elisse, die die Leiche für das Begräbnis vorbereitete, die Wunden entdeckte.«
Nun erhob sich Elisse und trat in den Zeugenstand. »Ich kann nur bestätigen, Prinz Cathen, daß das Blut aus diesen Wunden stammte. Als Gwnda mir weiszumachen versuchte, daß es von dem Jungfernhäutchen herrührte, sagte ich ihm, daß er sich irrte. Wie meine Frau auch aussagen kann, war Mair keine Jungfrau mehr, hatte sie sie doch einmal um Rat gefragt, wie man eine Schwangerschaft verhüten konnte.«
»Es muß Gwnda wie ein Zeichen des Schicksals vorgekommen sein, daß Idwal zurückkehrte, um sich bei Mair zu entschuldigen, und sie tot auffand.« Fidelmaseufzte. »Doch Gwnda war sehr schlau. Als er merkte, daß der Apotheker die Vergewaltigungstheorie nicht stützen würde, und ihm klar wurde, daß der barnwr, den er gerufen hatte, ihm auf die Spur kommen könnte, schlug er einen anderen Kurs ein. Wenn Idwal tot wäre, wozu wäre dann noch eine Verhandlung nötig?«
Gwnda richtete sich auf; ihm war bewußt, daß er sich verteidigen mußte. »Ich war in meinem eigenen Haus eingesperrt, als der Mob den Jungen in die Finger bekam. Das weißt du. Ich habe damit nichts zu tun.«
»Ich weiß, daß du vollbewaffnet von zwei jungen Männern ohne Waffen, die ich hier heute auch sehe, festgehalten wurdest.«
Ganz hinten in der Halle bewegten sich zwei Männer auf ihren Plätzen unruhig hin und her.
»Leugnest du diese Posse? Ich glaube, selbst wenn du Iorwerth nicht überredet haben solltest, die Wut der Menge zu schüren, damit sie Idwal schließlich lynchte, hast du sicher Vorteile aus der Situation gezogen und keinen Versuch unternommen, die Leute von ihrem Wahn abzubringen. Doch du wolltest dem barnwr vorgaukeln, du hättest keinen Anteil an dem Mord gehabt. Du wolltest dein Ansehen nicht beschädigen und jedes Mißtrauen zerstreuen. Du hast zugelassen, daß man Idwal wegholte, und du bist davon ausgegangen, daß der Mob ihn hängen würde. Wäre er erst einmal tot, hätte die Sache ein Ende, und Buddog könnte nicht mehr beschuldigt werden - oder du, dafür, daß du ihr Verbrechen vertuscht hast.«
Buddog hatte die ganze Zeit reglos dagesessen. Fidelma betrachtete Gwnda ohne Bedauern. »Wie du uns erklärt hast, Gwnda, empfindest du immer noch viel für Buddog, trotz deiner Affäre mit Mair. Das ist das Eigenartige. Dein Beschützerinstinkt war so groß, daß du dem armen Bruder Meurig, als er der Wahrheit ganz nah war, zur Hütte im Wald gefolgt bist und ihn dort umgebracht hast.«
Gwnda fing lauthals an, seine Unschuld zu beteuern. Fidelma schnitt ihm das Wort ab. »Als wir dir mitteilten, daß Bruder Meurig überfallen worden sei, da hast du deine Überraschung nur gespielt und warst auf einmal verschwunden. Von uns hattest du nicht erfahren, wo Bruder Meurig ermordet wurde. Doch du sagtest, du wolltest ihn mit ein paar Männern aus der Hütte im Wald holen. Ist es nicht merkwürdig, daß du wußtest, wo genau die Leiche Bruder Meurigs war?«
Gwnda stöhnte vor Verzweiflung. Er legte seinen Kopf in die Hände und wiegte sich auf seinem Stuhl vor und zurück. Erst nach einer Weile brachte er ein paar verständliche Worte hervor.
»Er wollte nicht auf mich hören und vernünftig sein«, murmelte er. »Ich versuchte Bruder Meurig von der Schuld des Jungen zu überzeugen, doch er begann einen Streit. Schließlich kam es zu einem Handgemenge. Er rief dem Jungen zu, er solle fortrennen, dich suchen und dir alles berichten. Ich machte mich los . Ich schwöre, ich habe das nicht gewollt . Ich habe mich nur verteidigt. Die Axt ... Ich habe sie einfach durch die Luft geschwungen .«
Fidelma blickte ihn ohne Mitgefühl an. »Als Bruder Meurig tot war, bist du nach Llanwnda zurückgekehrt. Warum bist du Idwal nicht hinterhergelaufen?«
Gwnda wiegte sich noch immer vor und zurück und stöhnte dabei leise. Ein befremdliches, beinah furchterregendes Verhalten für einen Mann seines Alters und seiner Position.
»Ich wußte nicht, was ich tun sollte. Du und Bruder Eadulf, ihr wart zurückgekommen. Ich mußte herausfinden, ob Idwal mit euch gesprochen hatte. Erst als ich mitbekam, daß ihr keinen Verdacht hegtet, benachrichtigte ich Iorwerth. Mit ein paar anderen Männern nahm er die Verfolgung auf. Man fand den Jungen und . Du kennst den Rest. Du hattest recht, ich habe sie zu der Tat überredet und gesagt, daß sie keine Strafe zu erwarten hätten.« Gwnda hob einen Arm und ließ ihn wieder fallen, als sei er besiegt worden.
»Warst du dabei? Hast du zugesehen, wie ein unschuldiger Junge gehängt wurde, den du hättest retten können?« fragte Cathen voller Abscheu.
Gwnda schien sich ganz in sich zurückgezogen zu haben. Er antwortete nicht.
Fidelma wandte sich nun an Cathen. »Mein Verdacht in bezug auf Gwnda und sein Verhalten wurde bestätigt, als er merkte, wie unerschütterlich ich auf meinem Standpunkt beharrte, daß Idwal unschuldig sei. An dieser Stelle spielte ihm der Zufall in die Hände. Eine Kette von Zufällen bestimmt diese Geschichte, wie wir sehen. Elen hatte rein zufällig ein Gespräch zwischen dem Geächteten Clydog und ein paar anderen Männern mit angehört. Sie versteckte sich, wurde entdeckt, konnte aber fliehen. Trotzdem fürchtete sie ständig, erkannt zu werden. Dann wurde Mair umgebracht. Da sich Mair und Elen von weitem sehr ähnlich sahen, kam Elen auf die Idee, daß Mair irrtümlich das Opfer von Clydogs Leuten geworden war - und sie eigentlich gemeint war. Und wieder wollte es der Zufall, daß eines Tages einer der Männer, die sie im Wald belauscht hatte, hier im Ort auftauchte. Elen glaubte, er habe sie wiedererkannt und fürchtete um ihr Leben. Sie vertraute sich ihrem Vater an. Der wiederum witterte eine neue Möglichkeit, uns von unserer Fährte abzubringen, und stimmte zu, daß sie uns die Geschichte erzählte.
Da er vorher jedoch vorgegeben hatte, fest von Id-wals Schuld überzeugt zu sein, und mir sogar untersagt hatte, weitere Ermittlungen anzustellen, machte mich dieser plötzliche Sinneswandel sehr mißtrauisch. Gwndas Problem war es, daß er alles, was er tat, immer ein wenig zu eifrig tat, daß er fadenscheinige Tatbestände aufbauschte und überbewertete - so etwa das Blut an Mairs Kleidern, daß er sich mal weigerte, die Ermittlungen zu unterstützen, und sich dann wieder sehr darum bemühte.«
Sie machte eine Pause, und ihr Blick schweifte über die schweigende Menge in der Halle.
»Dies, Prinz Cathen, ist die Wahrheit über den Mord an Mair und Bruder Meurig, zu dem noch als weiteres Verbrechen Idwals Tod hinzukommt. Der Selbstmord von Iorwerth war nur eine Folge dieser Tragödie.«
Cathen hatte sich zurückgelehnt und nickte nachdenklich. »Cadell, nimm den Fürsten von Pen Caer und Buddog fest. Sie werden mit uns an den Hof von Gwlyddien zurückkehren.« Dann zog der junge Prinz seine Augenbrauen zusammen. »Was ist mit den toten Seelen des Klosters Llanpadern? Die hast du aus den Augen verloren, Schwester.«
Fidelma schüttelte den Kopf und lächelte düster. »Die Klosterbrüder habe ich keineswegs vergessen«, erwiderte sie.
Das Gericht hatte sich kurz zu einer Beratung zurückgezogen, nachdem Buddog und Gwnda abgeführt worden waren. Als der Schreiber wieder um Ruhe bat, trat Eadulf vor die Menge. Fidelma blieb im Hintergrund, war jedoch jederzeit bereit, ihm beizuspringen, wenn er Unterstützung brauchte. Sie hatten zuvor die Darlegung ihrer Beweisführung abgesprochen.
»Prinz Cathen, ich beherrsche die Sprache der Kym-ren nicht so gut wie Schwester Fidelma. Doch ich denke, du wirst es mir nachsehen, wenn ich auf der Suche nach dem richtigen Ausdruck etwas Zeit brauche.«
Cathen lächelte. »Solltest du auf Latein und in der Sprache von Eireann reden wollen, so sei dir das anheimgestellt, denn beide Sprachen sind mir geläufig. Keine Bange, ich bin sicher, daß es zu keinen Mißverständnissen kommen wird.«
»Vielen Dank, Prinz Cathen. Schwester Fidelma hat einen der beiden Fälle aufgeklärt, mit denen wir hier in Pen Caer beschäftigt waren. Eigentlich hat uns aber der gewichtigere der beiden Fälle hergeführt: Das Verschwinden der Mönche von Llanpadern, in deren Kloster auch dein Bruder Rhun lebte. Ich werde nun berichten, wie man die armen Brüder gefangennahm und warum die meisten von ihnen tot sind oder zu Sklaven gemacht wurden.« Eadulf wandte sich an Cadell. »Hol den Gefangenen Clydog.«
Unruhe kam auf, als zwei Wachleute den stattlichen Anführer der Bande hereinbrachten. Er blickte sich herausfordernd in der Halle um, als würde ihn gleichgültig lassen, was hier geschah. Dann entdeckte er Eadulf, der vor dem Gericht als sein Ankläger stand, und schnaubte höhnisch.
»Schön, schön«, murmelte er, »das Gericht von Dy-fed scheint einen Sachsen zum Richter ernannt zu haben. Gibt es unter den Männern von Dyfed keinen begabten Richter, daß man schon eure Blutsfeinde an den Gerichten zuläßt?«
»Ich habe hier den Vorsitz, Clydog«, fuhr ihn Prinz Cathen barsch an. »Was immer hier geschieht, du stehst mir oder meinem Vater Gwlyddien Rede und Antwort. Fahre mit deinen Ausführungen fort, Bruder Eadulf.«
Eadulf betrachtete eine Weile das arrogante Gesicht des Geächteten. Dann fragte er: »Gefangener, möchtest du hier vor dem Gericht von Dyfed als Clydog Cacynen - Clydog, die Wespe, auftreten, als gewöhnlicher Geächteter und Dieb? Oder ziehst du es vor, lieber als Clydog, Sohn des Königs Artglys von Ceredigion, angehört zu werden?«
In der Halle war kein Laut zu vernehmen.
Clydog lachte leise. »Nun, Sachse, du und deine Gwyddel-Freundin, ihr seid offenbar gute Beobachter. Ich werde hier als Prinz Clydog von Ceredigion auftreten.«
Eadulf wandte sich wieder an Cathen, der Clydog erstaunt ansah. »Du hattest recht, mein Lord, als du bei unserem Treffen in der Abtei Dewi Sant vermutetest, daß Ceredigion hinter dem Geschehen im Kloster Llanpadern stecken könnte. Mit deiner Erlaubnis wähle ich die gleiche Darlegungsweise wie Schwester Fidelma vor mir für die Geschehnisse in Llanpadern. Ich werde die Geschichte der Reihe nach erzählen, und sollten wir Zeugen oder Ergänzungen für meine Aussagen benötigen, so werden sie zugelassen.«
Cathen hob seine Hand zum Zeichen, daß Eadulf beginnen möge. Der Prinz schien zu überrascht von allem, um etwas sagen zu können.
»Ceredigion hegt schon seit langem feindliche Absichten gegen Dyfed. Das hast du uns gesagt. Als Teil ihres Plans hat sich Clydog ins Herzstück von Dyfed eingeschlichen, um Unruhe zu stiften und Uneinigkeit unter den Bewohnern des Königreiches zu schaffen. Es war leicht für ihn, sich mit seinen Leuten im Wald zu verbergen. Das Auftreten als Räuberbande diente ihm dabei als Deckmantel.
Worin bestand nun der Plan? Das ist nicht weiter schwierig. Falls man die Leute von Dyfed glauben machte, die Angelsachsen steckten hinter dem Ganzen und König Gwlyddien müßte eine Armee aufstellen und gegen die sächsischen Königreiche in den Krieg ziehen, bliebe Dyfed schutzlos zurück. Wären die Krieger erst einmal fort, könnten die Männer aus Ceredigion einmarschieren und das Königreich an sich reißen. Eine ganz einfache Strategie.«
Cathen schüttelte den Kopf. »Einfach, aber untauglich. Die Leute von Dyfed würden sich gegen Ceredigion erheben. Die Herrschaft eines Prinzen von Ceredigion würden sie niemals akzeptieren, und unsere Krieger würden zurückkehren und weiterkämpfen.«
»Damit rechnete man«, erwiderte Eadulf. »Doch dazu später. Wie alle simplen Pläne war auch dieser nicht ohne Tücken. Seine Verwirklichung begann mit zwei koordinierten Aktionen. Als erstes sollte einer von Artglys’ Verbündeten, Morgan von Gwent, das Königreich der Hwicce angreifen. Man hatte vor, ein Kriegsschiff der Hwicce zu verleiten, die Verfolgung von Morgans Schiff entlang der Küste von Dyfed aufzunehmen. Das sächsische Schiff mußte von anderen gesehen werden, damit sich das Gerücht eines Überfalls der Angelsachsen verbreitete. Dieser Teil des Plan gelang, doch nicht zu dem dafür vorgesehenen Zeitpunkt.«
»Was meinst du damit?« wollte Cathen wissen.
»Beim zweiten Teil des Vorhabens, den Clydog ausführen sollte, ging alles daneben.«
Clydog, der zwischen den Wachleuten stand, lachte höhnisch auf. »Nichts ist schiefgelaufen, nur daß du dich eingemischt hast, Sachse!«
Eadulf ließ sich von Clydogs Zwischenruf nicht beeindrucken. »Clydog sollte ein Kloster in Dyfed überfallen. Die Nachricht davon und von der Ermordung der Mönche des Klosters durch sächsische Piraten sollte das Volk von Dyfed dazu bringen, sofortige Rache zu fordern. Gwlyddien sollte gezwungen werden, überstürzt gegen die Angelsachsen ins Feld zu ziehen.«
»Worin bestand der Fehler?« fragte Cathen rasch.
»Wie wir jetzt wissen, hatte man das Kloster Llan-padern für den Angriff ausgewählt. Doch Clydog hat die klösterliche Gemeinschaft zu früh überrumpelt. Warum? Nur Clydog und seine Männer kennen die Antwort. Vielleicht war seine ungeduldige Natur schuld. Vielleicht hatten sie falsche Informationen erhalten und dachten, das sächsische Schiff sei längst eingetroffen. Doch man hatte das Schiff der Hwicce noch gar nicht an der Küste gesichtet, obwohl alles zur gleichen Zeit passieren sollte. Der Anschlag auf Llanpadern gelang. Die Klosterbrüder sahen sich auf Gedeih und Verderb den bewaffneten Räubern ausgeliefert und leisteten keinen Widerstand. So fügte man ihnen vorerst auch kein Leid zu. Clydog raubte alle kostbaren Gegenstände aus der Kapelle und nahm selbst das Vieh mit, wahrscheinlich, um alles zu verkaufen. Aber das Unvorhergesehene war, daß Clydog nun zu einem so frühen Zeitpunkt Gefangene hatte und er nach dem Plan auf das Eintreffen des sächsischen Schiffes warten mußte.«
»Das ergibt für mich keinen Sinn«, warf Cathen ein. »Warum haben sie die Brüder nicht alle auf einmal abgeschlachtet? Es war doch sehr riskant, sie als Gefangene zu behalten.«
»Es wäre ein größeres Risiko gewesen, sie zu töten, ehe man der Bevölkerung die sächsischen Plünderer von dem Schiff vorführen konnte. Der ganze Plan war doch darauf aufgebaut, wie ich schon sagte. Als Cly-dog immer noch keine Nachricht von dem Schiff hatte, mußten die Gefangenen aus Llanpadern fortgeschafft werden. Sie dort zu behalten wäre gleichermaßen töricht gewesen. So wurden die Klosterbrüder in zwei Gruppen aufgeteilt. Die einen mit Pater Clidro wurden in Clydogs Lager im Wald gebracht; die anderen auf Morgans Schiff, das sich in einer abgelegenen Bucht an der Küste versteckt hielt.«
»Beim lebendigen Gott!« rief Prinz Cathen. »Mein Bruder gehörte auch diesem Kloster an. Ich war zwar mit ihm oft nicht einer Meinung, aber er war mein Bruder. Für diesen Frevel werde ich Rache nehmen an Ceredigion.«
»Warte mit deiner Rache, bis du erfährst, was alles geschah«, riet ihm Eadulf. »Morgans Schiff war also eingetroffen und hatte die Hälfte der Mönche an Bord genommen. Alle siebenundzwanzig Bewohner des Klosters waren zu dieser Zeit noch am Leben.«
»Was ist mit meinem Bruder?« fragte Cathen besorgt.
»Laß mich erst einmal das Geschehene schildern, so gut ich kann«, erwiderte Eadulf. »Clydogs größter Fehler bestand also darin, das Kloster zu früh überfallen zu haben.«
»In welcher Hinsicht war das ein Fehler? Ich kann dem Ganzen anscheinend nicht so recht folgen«, stellte Prinz Cathen verwirrt fest.
»Kaum hatte Clydog die Brüder aus Llanpadern fortgebracht, da kamen zunächst Bruder Cyngar und kurze Zeit später Idwal dort vorbei und entdeckten, daß das Kloster leer und verlassen war. Es gab keinerlei Anzeichen für einen Überfall. Sie unterrichteten verschiedene Leute von dem rätselhaften Verschwinden der Mönche. Davon wußte Clydog nichts.
Erst in der nächsten Nacht suchte das Schiff der Hwicce, das Morgan verfolgte, in einer Bucht in der Nähe Unterschlupf. Clydogs Männer hatten auf der Lauer gelegen und es erwartet. Sie nahmen sieben ihrer Gefangenen mit auf die Klippen am Meer.«
»Kannst du das beweisen, Sachse?« warf Clydog ein.
»Aber sicher.« Eadulf drehte sich um und sah ihm ins Gesicht. »Als das sächsische Schiff dort vor Anker lag, gingen zwei Männer der Hwicce an Land. Du und deine Leute haben den beiden aufgelauert, und es gelang euch, einen von ihnen gefangenzunehmen. Mit diesem glücklichen Umstand hatte niemand gerechnet. Nun hattet ihr endlich einen echten sächsischen Krieger in eurer Gewalt.
Du und deine Männer, ihr habt bis zum Anbruch der Morgendämmerung gewartet und euch in der Nähe versteckt. Wie ihr gehofft hattet, kamen ein paar Leute vorbei und entdeckten das Schiff der Hwicce, das gerade die Segel setzte. Zu diesem Zeitpunkt hattest du bereits den Befehl erteilt, sieben der verschleppten Mönche umzubringen und an den Klippen liegenzulassen. Die Beweise, daß sie von Sachsen getötet worden waren, hast du neben den Leichen abgelegt. Ist das soweit richtig, Clydog?«
Der Prinz von Ceredigion reagierte hochmütig und voller Verachtung. »Meine Billigung für dein Märchen brauchst du nicht, Sachse. Wo sind deine Beweise?«
»Prinz Cathen«, meldete sich Fidelma zu Wort. »Ich habe eine ungewöhnliche Bitte. Ich würde gern Clydog in die hinteren Reihen des Gerichtssaals verbannen und ihn knebeln lassen, damit er uns nicht mehr unterbrechen kann, bis wir fertig sind.«
»Das ist nicht rechtens ...«, protestierte Cathen.
»Aber notwendig, das versichere ich dir«, sagte Fidelmaeindringlich und blickte Eadulf an, der daraufhin kurz nickte.
Cathen seufzte und winkte Cadell, das Entsprechende zu tun. Clydog protestierte lauthals.
»Und jetzt?« fragte Cathen. Fidelma drehte sich zu Eadulf um und bat ihn mit einer Geste, fortzufahren.
»Bringt Sualda herein«, rief er.
Einen Augenblick später betrat der dünne, blasse Mann, dem Eadulf geholfen hatte, als er schwerverletzt in Clydogs Lager lag, bedachtsam den Saal.
»Sage Prinz Cathen, wie du heißt«, forderte Eadulf ihn auf.
Der Mann zögerte. »Ich bin Sualda, ich stehe im Dienste Prinz Clydogs von Ceredigion.«
»Erkennst du mich wieder?« fragte Eadulf.
»Wir haben uns letzte Nacht unterhalten.«
»Und vorher?«
»Daran erinnere ich mich nicht. Du hast mir allerdings erzählt, du seist derjenige gewesen, der im Waldlager meine Wunde versorgt hat, als ich bewußtlos lag.«
»Wer hatte dir die Wunde beigebracht?«
»Ein Sachse.«
»Bei diesem Sachsen handelte es sich um einen Seemann, den Clydogs Männer gefangengenommen hatten, als er von seinem Schiff in der Nahe von Llan-ferran an Land gegangen war, oder?«
Der Mann zögerte wieder, doch dann nickte er.
»Wir haben bisher erfahren«, sagte Eadulf, »daß Clydog einige Mönche aus Llanpadern an diese Stelle an der Küste führte und sie umbringen ließ.« Er betete darum, Cathen möge ihn nicht genauer danach fragen, ob sich das wirklich so abgespielt hatte.
»Ich gehörte nicht zu denen, die die Mönche töteten«, erwiderte Sualda. »Ich habe den sächsischen Gefangenen bewacht, als es geschah.«
Eadulf blickte zu Fidelma. Die List hatte Erfolg gehabt. Sie hatten nun ein Geständnis.
»Also sag uns, was da passiert ist. Nachdem die Mönche hingemetzelt worden waren, was geschah dann?«
»Wir hatten den Befehl, wieder nach Llanpadern zurückzumarschieren. Clydogs Auftrag lautete, alles so aussehen zu lassen, als sei das Kloster von den Angelsachsen auf ihrem Beutezug überfallen worden.«
»Aber das habt ihr nicht gemacht. Warum nicht?«
»Corryn wartete schon auf uns und war wütend, als er uns sah. Er sagte, daß ein paar von den Mönchen besser als Leichen in Llanpadern hätten bleiben sollen. Er hatte noch den alten Pater bei sich. Pater Clidro. Wir . das heißt . Nun, er hängte den alten Mann in der Scheune auf. Unterdessen ritten Clydog und seine Männer los, um die anderen Gefangenen zu holen, die wir im Wald zurückgelassen hatten.«
»Und der sächsische Seemann?«
»Der war mit uns nach Llanpadern gebracht worden.«
»Wie starb er?«
»Während sich Clydog und Corryn wegen der ermordeten Mönche stritten, entwischte uns der Hwicce. Ich sollte ihn wieder einfangen. Ich verfolgte ihn bis in den Raum, in dem die Mönche sonst aßen. Er griff sich ein Fleischmesser und versetzte mir damit einen Stoß, dann erschlug ich ihn mit meinem Schwert. Während man mich ins Lager zurückbrachte, erfuhr ich, daß unsere Leute ein paar weitere Gefangene getötet hatten und sie auf einem Fuhrwerk wieder nach Llanpadern zurückschafften. Mehr weiß ich nicht, ich war bewußtlos und lag im Fieber.«
Eadulf lächelte. »Clydog scheint sich nicht im klaren gewesen zu sein, daß Zeit eine große Rolle spielt. Denn als er nach Llanpadern zurückkehrte, um alles so zu arrangieren, daß es nach einem Überfall aussah, stieß er auf ein weiteres Hindernis. Auf Schwester Fidelmaund mich.«
Prinz Cathen gab ein Zeichen, Clydog von seinen Knebeln zu befreien. Sualda wurde auf eine Seite der Halle geführt.
»Möchtest du etwas von alldem bestreiten, Clydog von Ceredigion? Was ich vernommen habe, ist ein gerissener Plan, den ein gerissener Verstand ausgeklügelt hat«, meinte Cathen. »Ausgesprochen teuflisch!«
Clydog stand in herausfordernder Haltung da. »Mein Instinkt sagte mir, ich sollte den Sachsen und diese Gwyddel umbringen. Ich hätte meinem Instinkt folgen sollen!«
»Dein Plan ging nicht auf«, erwiderte Cathen kühl. »Es lief einiges falsch, und vor allem hast du es nicht geschafft, König Gwlyddien gegen die Sachsen aufzuwiegeln. Wenn ich Bruder Eadulf recht verstehe, ist das auf die Fehler zurückzuführen, die du gemacht hast.«
»Da hast du recht«, stimmte ihm Eadulf zu. »König Artglys von Ceredigion war höchst verstimmt darüber, daß nichts geschah und in Dyfed nicht der Ruf nach Vergeltung laut wurde. Darum schickte er jemanden los, der sich mit seinem Sohn Clydog treffen sollte. Das war ebenjene Unterredung, die Elen im Wald belauscht hatte. Dort wurde beschlossen, daß man Morgan von Gwent weitere Mönche überlassen wollte für den Fall, daß sich eine entsprechende Aktion als notwendig erweisen würde. Doch Artglys wollte nicht länger warten und hatte seinen Mann auch zu Morgan geschickt, um ihm den Befehl zu übermitteln, ein paar weitere Mönche aus Llanpadern zu töten und an einer gut gewählten Stelle ins Meer zu werfen. Es war purer Zufall, daß Elen diesen Mann wiedersah, als er auf seinem Weg zu Morgans Schiff durch Llanwnda kam.
Morgan hatte dafür gesorgt, daß das Schiff der Hwicce ihnen dichtauf folgte, doch die Sachsen hatten ihren Mast bei einem Unwetter während der Verfolgungsjagd eingebüßt. Also ging ihr Schiff hier in der Nähe vor Anker, weil ein Baum gefällt werden mußte für den neuen Mast. Ein weiterer Zufall wollte es, daß ich Zeuge wurde, wie Morgans Schiff in die Bucht einlief und man die toten Mönche unweit der Küste über Bord warf. Wieder waren ihnen Symbole der Hwicce mitgegeben worden.«
Clydog brach in schallendes Gelächter aus. »Der Sachse versucht, seine Mitbrüder von jeglicher Schuld reinzuwaschen. Glaubt ihm nicht. Die Sachsen haben diese Mönche auf dem Gewissen.«
Prinz Cathen lächelte ihn kalt an. »Deine eigenen Worte haben dich bereits überführt, und die Aussage Sualdas kam noch hinzu. Doch sag mir, Bruder Eadulf, warum haben die Krieger von Ceredigion nicht alle gefangenen Mönche auf einmal abgeschlachtet? Weshalb teilte man sie in Gruppen auf?«
Darauf trat Fidelma einen Schritt vor und ergriff das Wort.
»Damit man die Bevölkerung besser täuschen konnte. Einige Mönche hinterließ man tot bei den Klippen, einige sollten in Llanpadern vorgefunden werden, wenn nicht Eadulf und ich den Plan durch unsere Anwesenheit durchkreuzt hätten. Und andere behielt man zurück, um zum richtigen Zeitpunkt den Haß gegen den angeblichen Feind derart schüren zu können, daß es zu einer Katastrophe kommen mußte. Bruder Eadulf und ich sind der Meinung, daß Morgan ungefähr noch zwölf der Klosterbrüder von Llanpadern gefangenhalten könnte.«
»Unser großes Glück war«, fügte Eadulf hinzu, »daß Morgan sich nicht überzeugt hatte, daß alle Mönche, die er über Bord warf, wirklich tot waren. Einer von ihnen lebte noch.«
Eadulf log nicht. Er behielt nur für sich, daß der arme Mönch gestorben war, ehe er seine Mörder benennen konnte.
Clydogs Augen verengten sich. Prinz Cathen lehnte sich auf seinem Stuhl vor.
»Streitest du immer noch alles ab, Clydog?«
Der Prinz von Ceredigion schob verächtlich das Kinn vor. »Es ist Krieg, das ist alles«, sagte er plötzlich, als wolle er alle üblen Taten damit abtun.
Auf Cathens Gesicht zeichnete sich Zorn ab. »Krieg? Die Mönche des Klosters Llanpadern sind ermordet worden! Mein eigener Bruder, Rhun, der ehrwürdige Pater Clidro, den ich sehr gut kannte, und andere sind geopfert worden von jenen, die dieses teuflische Ränkespiel ausgeheckt haben! Blutvergießen folgt auf Blutvergießen! Haben du und dein Vater Artglys wirklich geglaubt, daß dieser verworrene Plan funktionieren würde? Selbst wenn die Krieger von Ceredigion in Dyfed einmarschiert wären, meinst du etwa, daß niemand in diesem Königreich aufgestanden wäre, sobald sich Artglys zum Herrscher von Dyfed erklärt hätte?«
»Der Plan war noch ausgeklügelter«, warf Fidelma mit leiser Stimme ein.
»Noch ausgeklügelter?« fragte Cathen. »Inwiefern?«
»Der Plan benötigte jemanden innerhalb von Dyfed, um die Unterstützung der Leute hier zu gewinnen. Es gibt mehrere kleine Verräter, die bereit waren, sich an Ceredigion zu verkaufen. Zum Beispiel Iestyn.«
»Ich bin kein Verräter!« rief Iestyn von seinem Platz aus, wo ihn Cathens Männer immer noch festhielten. »Gwlyddien ist ein Schwächling. Es ist an der Zeit, daß wir einen neuen Herrscher bekommen.«
Fidelma ignorierte ihn, gab aber Cadell ein Zeichen.
Kurz darauf führte Cadell einen hochgewachsenen Mann herein; es war Corryn, der immer noch seinen Kriegshelm trug.
»Nimm den Helm ab«, befahl sie ihm.
Als Corryn zögerte, tat es Cadell selbst.
Cathen sprang von seinem Amtsstuhl auf. Er hatte eine Hand auf sein Herz gelegt und starrte Corryn an. Der Geächtete, auf dessen Kopf nun eine Tonsur sichtbar wurde, blickte ihm mit violetten Augen zynisch entgegen.
Fidelma schaute voller Genugtuung zu Eadulf, ehe sie Corryn fragte: »Und wie möchtest du vor diesem Gericht angesprochen werden? Als Corryn, die Spinne, als Bruder Rhun von Llanpadern oder als Prinz Rhun von Dyfed?«
Gleichgültig zuckte Corryn mit den Schultern. »Das spielt keine Rolle. Es sieht so aus, als seien wir bei einem Schachmatt angelangt . Zumindest vorerst.«
Fidelma wandte sich an Prinz Cathen. »Wir tappen nicht mehr im dunkeln. Das letzte Rätsel ist gelöst«, verkündete sie. »Warum beunruhigte Clydogs Erscheinen die Mönche nicht? Warum gab es keinerlei Anzeichen für eine Verteidigung im Kloster? Weil Bruder Rhun seine Macht über die Brüder ausspielte und sie überredete, sich Clydog und seinen Männern kampflos zu fügen. An seinen Händen klebt ihr Blut.«
Cathen ließ sich betroffen auf seinen Stuhl sinken. Er betrachtete seinen Bruder voller Widerwillen und Qual. »Stimmt das, Rhun? Hast du dich mit Ceredigion verbündet, dem Feind dieses Königreiches, um deinen Vater zu stürzen und an die Macht zu gelangen? Ich kann es immer noch nicht glauben. Hast du wirklich diese schreckliche Verschwörung unterstützt?«
Corryn lächelte schief. »Du warst stets so leichtgläubig, kleiner Bruder. Derjenige, der nicht in der Lage ist, für eine Weile ein Mißgeschick zu ertragen, der verdient auch kein Wohlergehen. Ich war fähig, mein Mißgeschick zu ertragen, als ich versuchte, den Preis zu erringen, den ich ersehnte. Lange habe ich diesen Anschlag vorbereitet. Deshalb habe ich den Königshof verlassen und vorgetäuscht, Mönch zu werden. Gott, wie habe ich mich in den folgenden Monaten in der Abgeschiedenheit des Klosters gelangweilt. Als ich endlich zu Clydog und dem Boten seines Vaters in den Wald von Ffynnon Druidion gerufen wurde, war ich so glücklich wie nie zuvor.«
Cathen schüttelte ungläubig den Kopf. Er konnte es nicht fassen. Dann verhärtete sich sein Gesicht. »Es heißt, daß es kein schlimmeres Verbrechen gibt als Vaterlandsverrat, Rhun. Du hast dich als Wolf im Schafspelz erwiesen. Ich muß dich vor unseren Vater bringen, damit er dich in deiner Bosheit und listigen Täuschung selbst sieht. Nur das verlängert deine Lebenszeit ein wenig. Wenn es nach mir ginge, würde man dich sofort von der nächsten Klippe ins Meer stürzen.«
Corryn schien das nicht zu beeindrucken. »Vielleicht wäre es besser für dich, wenn du das auch tätest. Dieses schwache Königreich kann sich nicht mehr lange gegen die ehrgeizigen Absichten von Ceredigion behaupten. Non semper erit aestas!«
Die Brüder funkelten sich mit ihren Blicken an, dann winkte Cathen seinen Männern zu und zeigte auf Corryn.
»Schafft mir ... den aus den Augen.«
Als der ehemalige Mönch zur Tür geführt wurde, rief Cathen ihm plötzlich hinterher: »Vielleicht solltest du dir, Rhun, diese Zeile von Seneca zu Herzen nehmen, die du eben zitiert hast. Sicher, es wird nicht immer Sommer sein. Der Tag der Abrechnung für dich kommt in Kürze. Sollen deine Freunde aus Ceredigion nur versuchen, uns jetzt anzugreifen. Wir sind gerüstet. Sie werden vertrieben werden, wie wir sie in der Vergangenheit immer vertrieben haben; wie Rauch im Wind werden sie vergehen.«