Das Mädchen sah aus, als würde sie sich einfach nur mitten im Farnkraut ausruhen. Ein Arm lag locker hinter ihrem Kopf, der andere ausgestreckt an ihrer Seite. Das blasse, zarte Gesicht wirkte entspannt. Die Augen mit den dunklen Wimpern waren geschlossen. Zwischen den leicht geöffneten Lippen leuchteten schöne weiße Zähne. Ihr dunkles Haar bildete einen starken Kontrast zu der bläßlich schimmernden Haut.
Allein das dünne Rinnsal Blut aus dem Mundwinkel, das inzwischen getrocknet war, und ihre scheinbar so durchscheinende Haut, die rot bis bläulich gesprenkelt war, verrieten, daß sie sich nicht einfach nur ausruhte. Ein scharfsichtiger Beobachter hätte außerdem an ihren zerrissenen und blutverschmierten Kleidern erkennen können, daß etwas nicht stimmte.
Der Junge stand vor dem Mädchen, blickte ausdruckslos zu ihm hinunter. Er war schmal, drahtig gebaut, hatte rötlichbraune Haare und sommersprossige, gebräunte Haut, die verriet, daß er sich die meiste Zeit bei Wind und Wetter draußen aufhielt. Seine Lippen waren übermäßig rot und voll, was ihm einen leichten Zug ins Häßliche gab. Seine wäßrigen Augen hafteten auf dem Körper des Mädchens. Er trug eine ärmellose Schaflederjacke, die von einem Ledergürtel zusammengehalten wurde. Überdies mutete sein Äußeres durch die dicken Hosen und die Ledergamaschen wie das eines Schäfers an.
Ein tiefer Seufzer drang aus seiner Kehle.
»Ach Mair, warum nur? Warum, Mair?«
Er schien nun zu schluchzen, doch sein Gesichtsausdruck blieb unverändert. Mit starrem Blick stand er noch eine Weile so da, bis er die Rufe in der Ferne vernahm. Ruckartig schaute er auf, hielt den Kopf leicht zur Seite geneigt, als lauschte er. Seine Miene wirkte auf einmal gehetzt. Die schreiende Meute näherte sich ihm rasch. Jetzt konnte er ihre Rufe deutlich verstehen.
Der Junge blickte noch einmal auf das tote Mädchen und rannte los.
Er war kaum zehn oder zwanzig Meter weit gekommen, als ihn ein heftiger Schlag auf die Schultern zu Boden riß. Er stürzte nach vorn auf Hände und Knie. Mühsam rang er nach Luft.
Hinter einem Baum war ein stämmiger Mann hervorgetreten, der eine dicke Holzkeule in Händen hielt. Er war dunkel, untersetzt und trug einen Vollbart. Nun stand er breitbeinig über dem Jungen, die Keule erhoben, gewaltbereit und bedrohlich.
»Steh auf, Idwal«, brummte der Mann finster. »Sonst schlage ich noch einmal zu.«
Der Junge blickte auf, seine Schulter schmerzte.
»Was willst du von mir, Fürst Gwnda?« jammerte er. »Ich habe dir nichts getan.«
Der Mann runzelte böse die Stirn. »Keine Widerrede, Bursche!«
Er zeigte auf den Weg hinter sich, auf die Leiche des Mädchens. Da tauchte unter den Bäumen hervor eine Gruppe von Männern auf und lief nun den Waldweg entlang.
»Hierher!« rief der dunkelhaarige Mann. »Hierher, Leute! Ich habe ihn. Ich habe den Mörder.«
Die Meute rannte auf den knienden Jungen zu, der vor Angst zu weinen anfing.
»Bei der Heiligen Jungfrau, ich schwöre, ich habe sie nicht ...«
Einer der Männer, die ihn zuerst erreichten, schlug ihm seitlich auf den Kopf. Nun völlig zu Boden gestreckt, wurde der Junge glücklicherweise bewußtlos, denn jetzt prügelten auch die anderen auf ihn ein.
»Genug!« rief der dunkelhaarige Mann. »Ich weiß, ihr seid voller Zorn. Wir werden ihn in unser Dorf mitnehmen und vor einen barnwr bringen.«
»Wozu brauchen wir einen Richter, Gwnda?« rief einer der Männer. »Haben wir es nicht mit eigenen Augen gesehen? Habe ich nicht beobachtet, wie sich Idwal und die arme Mair erst vor kurzem lauthals gestritten haben? Idwal war so außer sich, wie ich ihn noch nie erlebt habe.«
Der schwarzbärtige Mann schüttelte den Kopf. »Wir müssen die Gesetze einhalten, Iestyn. Wir werden nach dem barnwr schicken, einem erfahrenen Richter aus der Abtei Dewi Sant.«
Der Mönch war jung und lief mit dem zuversichtlich raschen Schritt der Jugend den Weg durch den Wald. Er hatte den Winterumhang eng um seinen Körper geschlungen, um sich vor der frühmorgendlichen Kälte zu schützen. Seinen dicken Wanderstab aus Schlehdorn trug er weniger als Gehhilfe, sondern vielmehr als Waffe bei sich - jederzeit zu seiner Verteidigung einsatzbereit. Der Wald von Ffynnon Druidion, der Druidenquelle, war berüchtigt für Straßenräuber, die in düsteren Verstecken lauerten und hier ihr Unwesen trieben.
Bruder Cyngar hatte keine Angst, er war nur vorsichtig. In der ersten Morgendämmerung dieses Herbsttages, der strahlend schön zu werden versprach, würden, so meinte Cyngar, alle Räuber noch ihren Alkoholrausch ausschlafen. So früh würde kein einziger Schurke nach Opfern Ausschau halten. Nicht einmal der gefürchtete Clydog Cacynen, der hier in den Wäldern hauste. Clydog, die Wespe, wurde er genannt, denn er stach zu, wenn man es am wenigsten erwartete. Ein berüchtigter Geächteter. Die Angst vor ebenjenem Clydog Cacynen hatte Bruder Cyngar dazu gebracht, bereits in aller Frühe aufzubrechen, nachdem er die Nacht in der Hütte eines Holzfällers bei dem alten aufrecht stehenden Stein Unterschlupf gefunden hatte.
Der Rauhreif hatte sich wie ein weißer Teppich über den Waldboden gelegt. Die schwache winterliche Sonne versuchte, ihre Strahlen durch die weichen weißen Wolken zu bohren. Der Wald wirkte farblos. Die Bäume hatten größtenteils bereits ihr Laub verloren, hatte es doch schon mehrere kalte Nächte gegeben, obwohl der Spätherbst erst noch bevorstand. Hier und da waren ein paar immergrüne Stechpalmen zu sehen, an deren weiblichen Exemplaren rote Beeren leuchteten. Kleine braune Zapfen schmückten die Erlen, dazwischen sah man Birken. Aber alles wurde überragt von hohen, ausladenden Eichen.
Ab und zu entdeckte Bruder Cyngar an Eschenstämmen Holzkohlenpilze. Sie waren ungenießbar, vertrieben aber angeblich Krämpfe, wenn man sie vor dem Schlafengehen ins Bett legte, wie er gehört hatte. Aber eigentlich verachtete er solchen Aberglauben.
Es regte sich im Wald. Cyngar bemerkte eine Spitzmaus, ein winziges braunes Etwas, das aus dem Gebüsch vor ihm heraushuschte. Er sah, wie die kleine Maus kurz innehielt und herumschnüffelte. Ihr schlechtes Sehvermögen wurde durch ihren einzigartigen Geruchssinn wettgemacht, denn kaum witterte sie den Fremden, piepste sie und war im Bruchteil einer Sekunde wieder verschwunden.
Über Bruder Cyngar stieß ein am Himmel kreisender Rotmilan einen wehmütigen Schrei aus, er hatte wohl die kleine, davonhuschende Maus im kahlen Strauchwerk entdeckt, und wäre nicht Bruder Cyngar gewesen, hätte er sie sich zum Frühstück geholt.
Nur einmal hob der Mönch seinen Stock zur Verteidigung, als er in der Nähe ein unheimliches Rascheln vernahm. Doch er entspannte sich wieder, als er ein bräunliches weiß gesprenkeltes Fell und ein breites Geweih erkannte, das zu einem Damhirsch gehörte, der sofort im sicheren Unterholz verschwand.
Der Waldpfad führte nun auf einen offenen, mit Farnkraut überzogenen Hang. Bruder Cyngar verspürte eine gewisse Erleichterung, weil er jetzt den Wald hinter sich hatte. Er machte sogar eine Pause, legte seinen Stock beiseite und holte, als er etwas kleines Orangefarbenes am Wegrand entdeckte, sein Messer heraus. Er kniete nieder und untersuchte die weiße Unterseite der Pilze. Viele aßen diese roh oder in Ho-nigmet getaucht. Bruder Cyngar legte sie in das kleine marsupium, das er am Gürtel trug.
Er erhob sich, nahm seinen Stock und schritt mit neuer Kraft voran, denn er wußte, daß sein Ziel nun nicht mehr fern war.
Hinter dem nächsten Höhenzug lag die Gemeinschaft von Llanpadern, das heilige Kloster der Gesegneten Brüder, in der etwa dreißig Glaubensbrüder im Dienste Gottes wirkten. Dort wollte Bruder Cyngar um die Gastfreundschaft der Mönche ersuchen und frühstücken, ehe er zur berühmten Abtei Dewi Sant auf der Halbinsel Moniu, die manche auch auf lateinisch Menevia nannten, aufbrach. Die Abtei war allen religiösen Gemeinschaften des Königreiches von Dy-fed übergeordnet. Sein eigener Klostervorsteher hatte Bruder Cyngar Botschaften an den dortigen Abt Tryffin anvertraut. Bruder Cyngar war am Vortag ge-gen Mittag aufgebrochen und hatte nach einer längeren Wegstrecke in der Holzfällerhütte übernachtet, um dann von dort zu recht früher Stunde und ohne etwas im Magen, den berüchtigten Wald von Ffynnon Druidion zu durchqueren. Ihm war wie allen anderen Pilgern, die Richtung Süden nach Moniu unterwegs waren, die sprichwörtliche Gastfreundschaft von Llanpadern bekannt.
Gelassen schritt Bruder Cyngar nun voran. Die Sonne, die noch nicht ganz durch die Wolken gebrochen war, schien bereits so warm, daß sie den Morgenfrost vertrieb.
Nun hatte er den Sattel des nackten felsigen Berges erreicht, den man Carn Gelli nannte. An seinem höchsten Punkt war ein kleiner Steinhügel kunstvoll aufgeschichtet. Darunter befand sich ein altes Grab, das dem Berg seinen Namen verlieh. Bruder Cyngar blieb stehen und schaute ins Tal hinunter. Dort lag das Kloster, ein Komplex aus grauen Steingebäuden. Aus einem großen Schornstein stieg Rauch auf. Bruder Cyngar lief den Pfad weiter, immer schneller, getrieben von dem Wunsch, rasch das Kloster zu erreichen.
Als er sich dem Tor näherte, mußte er zu seiner Verwunderung feststellen, daß es offenstand und weit und breit niemand zu sehen war. Unwillkürlich lief ihm ein Schauer über den Rücken. Das war ungewöhnlich, selbst zu dieser frühen Stunde, denn sonst traf man die Brüder von Llanpadern auf den umliegenden Feldern an, machten sie sich doch schon beim ersten Tageslicht an die Arbeit, auch an einem kalten Herbstmorgen wie diesem. Gewöhnlich herrschte an den Toren und auf den Feldern reges Treiben.
Beklommen blieb Bruder Cyngar am Tor stehen. Heute versah dort niemand seinen Dienst. Nach kurzem Zögern trat er zu dem hölzernen Pfosten, um an der Bronzeglocke zu ziehen, die dort hing. Ein schauriger Klang hallte nach. Nichts rührte sich daraufhin, kein Laut war zu vernehmen. Es gab keinerlei Anzeichen dafür, daß sich überhaupt jemand im Kloster aufhielt.
Bruder Cyngar wartete einige Augenblicke und zog dann noch einmal die Glocke mit ihrem fordernden Läuten, diesmal länger und beharrlicher. Doch wieder regte sich nichts.
Langsam schritt er in den ausgestorbenen Innenhof und blickte sich um.
Überall herrschte Totenstille.
Mitten auf dem Hof war eine mindestens vier Meter hohe Pyramide aus Ästen und Holzscheiten aufgeschichtet, die aussah, als sollte sie in nächster Zeit angezündet werden und als ein riesiges Freudenfeuer in Flammen aufgehen. Der junge Mann betrachtete sie genauer und rieb sich dabei nachdenklich die Wange.
Er unterdrückte den Schauer, der ihm erneut über den Rücken fahren wollte, und lief über den viereckigen Hof auf die Tür der Kapelle zu und stieß sie auf. Die Kapelle wirkte düster, obwohl es heller Vormittag war. Nicht einmal die Altarkerzen waren angezündet. In dem Dunkel konnte er kaum etwas erkennen.
Da Bruder Cyngar das Kloster schon mehrere Male besucht hatte, kannte er sich hier gut aus und trat nun durch eine kleine Tür, die zum Wohntrakt führte, wie er wußte. Die Mönche verbrachten die Nacht in einem großen Schlafsaal, der jetzt vor ihm lag. Die Betten wirkten unberührt. Sie schienen entweder sehr früh aufgestanden zu sein und hatten sie gerichtet, oder sie waren in der letzten Nacht überhaupt nicht schlafen gegangen.
Während Bruder Cyngar zwischen den leeren Bettreihen umherwandelte, wurden seine Lippen immer trockener, und seine Unruhe nahm zu. Irgend etwas riet ihm, sich ganz leise über den Steinfußboden zu bewegen.
Hinter dem Schlafsaal befand sich das Refektorium, der Speisesaal des Klosters.
Auch der wirkte wie ausgestorben, das hatte er schon vermutet. Doch auf welche Weise leer und verlassen er ihn vorfinden würde, das hatte er nicht geahnt. Ein paar rußig flackernde Kerzen erleuchteten den Saal, und zu seiner Überraschung sah Bruder Cyngar, daß die Tische alle gedeckt waren und sich auf jedem Holzteller noch die halb verzehrten Speisen befanden. Messer und Löffel lagen so herum, als wären die Mönche bei ihrer Mahlzeit gestört worden. Neben den Gedecken standen Becher mit Wasser oder Wein.
Plötzlich schreckte Cyngar nervös auf und ließ seinen Schlehdornstock mit lautem Gepolter zu Boden fallen. Auf einem Tisch unweit von ihm zog eine schwarze Ratte etwas von einem Teller herunter und huschte mit ihrer Beute davon. Bruder Cyngar preßte die Lippen fest aufeinander, dann beugte er sich nach unten, um seinen Stock aufzuheben.
Nirgendwo sah er ein Anzeichen, das erklärt hätte, warum die Mönche die Tafel so überstürzt verlassen hatten. Es gab keine Unordnung, Stühle und Bänke waren zurückgeschoben, als hätten sich alle ganz normal erhoben, nichts deutete darauf hin, daß sie das Refektorium hektisch oder in Panik verlassen hätten. Bruder Cyngar ging zwischen den Tischen auf und ab und suchte nach Hinweisen, die den Anblick, der sich seinen ungläubigen Augen bot, hätten erhellen können.
Ihm fiel auf, daß die Kerzen fast heruntergebrannt waren, also hatte man sie lange vor seinem Eintreffen angezündet, an ein oder zwei Stellen war das Kerzenwachs auf den Tisch gelaufen. Es muß sich um das Abendessen handeln, dachte Bruder Cyngar, also müssen die Mönche vor Beendigung ihrer Mahlzeit einfach aufgestanden sein, alles ordentlich hinterlassen haben und ... und einfach verschwunden sein! Bruder Cyngar begann vor Angst zu zittern.
Dann nahm er all seinen Mut zusammen und machte sich daran, die restlichen Gebäude des Klosters abzusuchen, eines nach dem anderen. Die Räume des Klostervorstehers waren ordentlich und sauber, sein Bett war unberührt, und auch hier gab es keine Anzeichen für einen Tumult oder einen plötzlichen Aufbruch. Das kleine Skriptorium wirkte ebenfalls aufgeräumt, die Bücher standen in Reih und Glied in den Regalen. Draußen, auf der anderen Seite des Innenhofs, in den Lagerräumen, befand sich ebenfalls alles an seinem Platz, und als der junge Mönch die Stallungen betrat, hatte auch dort alles seine Ordnung.
Erst als er wieder über den Hof zur Kapelle zurückeilte, wurde ihm bewußt, was das zu bedeuten hatte. In den Ställen fehlten die Tiere, weder Hühner, Schweine noch Kühe oder Schafe, selbst die beiden Maulesel, die im Kloster gehalten wurden, waren da. Sie waren wie die Mönche allesamt wie vom Erdboden verschluckt.
Bruder Cyngar hielt sich für einen logisch denkenden jungen Mann. Er war der Sohn eines Bauern, so schnell ließ er sich nicht in Angst und Schrecken versetzen. Ehe die Furcht die Oberhand gewann, müßten erst einmal alle Fakten und möglichen Deutungen untersucht und genauer in Augenschein genommen werden. Vorsichtig näherte er sich dem Haupttor und suchte dabei mit den Augen den Boden ab, als würde er dort auf Hinweise stoßen, die die Flucht der Mönche und der Tiere erklärten. Die Kühe und Maulesel würden vor dem Tor sicher Spuren hinterlassen haben. Doch im weichen Boden war nichts zu sehen. Er entdeckte ein paar tiefe Wagenspuren, aber das war nicht ungewöhnlich. Viele Bauern der Umgebung trieben regelmäßig mit dem Kloster Handel. Die Wege nach Norden und Westen waren steinig, also würden dort die Fährten rasch verschwinden. Er konnte ein paar Abdrücke von flachen Sandalen, wie sie die Mönche trugen, erkennen, aber sonst so gut wie nichts. So blieb ihm nur der Schluß, daß die Gemeinde wie Rauch im Wind zerstoben sein mußte.
Bruder Cyngar verspürte den Drang, auf die Knie zu fallen und ein Gebet zu sprechen, um das Böse von sich fernzuhalten, denn was man nicht auf natürliche Weise erklären konnte, mußte das Werk des Übernatürlichen sein. Für das ausgestorbene Kloster gab es im Augenblick keine Erklärung. Zumindest keine, die ihm in den Sinn kam.
Könnte es sein, daß Pater Clidro, der Klostervorsteher von Llanpadern, und seine Mitbrüder sich mitten beim Abendessen von den Tischen erhoben hatten, die Kerzen hatten brennen lassen, alle Tiere um sich geschart hatten und dann ... Was dann? Wie von Geisterhand vertrieben worden waren?
Als ein von der Vernunft bestimmter junger Mann zwang sich Bruder Cyngar, noch einmal ins Refektorium zurückzukehren und die Kerzen auszulöschen, ehe er wieder zum Haupttor ging. Wieder ließ er die Augen umherschweifen, dann schloß er die Tore. Unschlüssig stand er da. Was sollte er nun tun?
Er wußte, daß sich ein paar Meilen nach Norden die größere Gemeinde Llanwnda befand. Gwnda, der Fürst von Pen Caer, war ein Mann der Tat und allseits dafür bekannt. Sollte er sich dorthin aufmachen? Doch da fiel ihm ein, daß es in Llanwnda keinen Priester gab, und was sollten Gwnda und seine Leute gegen die übernatürlichen Mächte des Bösen ausrichten, durch die sich die Bruderschaft von Llanpadern offensichtlich in Luft aufgelöst hatte?
Also blieb ihm nur eines zu tun. Er mußte so rasch wie möglich zur Abtei Dewi Sant weiterwandern. Abt Tryffin wüßte schon Rat, auch sollte er umgehend von dem furchtbaren Geschehen in Kenntnis gesetzt werden. Nur die Mönche der großen Abtei Dewi Sant besaßen die Macht, den bösen Fluch von dem Kloster hier zu nehmen. Welch ein geheimnisvoller Zauber mochte unter der armen klösterlichen Gemeinschaft von Llanpadern gewütet haben? Am ganzen Leibe zitternd, ließ Bruder Cyngar das verlassene Kloster, so schnell er konnte, hinter sich. So gelangte er rasch über den steinigen Weg zu den südlichen Bergen. Der strahlende Herbsttag wirkte nun düster, schwer und bedrohlich. Doch welcher Art war diese Bedrohung?