8

»Das müsste es sein«, sagte Frieda und lehnte ihr Fahrrad gegen den Maschendrahtzaun. »Trude hat gesagt, es ist das letzte Grundstück vor dem Wald.« »Schön hier«, sagte Sprotte und sah sic h um. Die schmale Straße, auf der sie hergekommen waren, verschwand ein Stück weiter zwischen hohen Bäumen. Nur wenige Häuser waren zu sehen. Rechts von der Straße floss ein Bach träge an Brombeeren und Brennnesseln vorbei. Am anderen Ufer standen ein paar Häuser und Bootsschuppen zwischen fast kahlen Bäumen.

Mit zusammengekniffenen Augen guckte Sprotte die Straße runter. »Sieht wirklich so aus, als war uns kein Pygmäe gefolgt«, sagte sie.

Frieda zuckte die Achseln und ging auf die verwilderte Weißdornhecke zu, die das Grundstück von Trudes Vater umgab. »Torte hat donnerstags nach der Schule Nachhilfe«, sagte sie. »Und Steve hab ich vorsichtshalber das Ventil von seinem

Vorderrad geklaut, damit er beschäftigt ist. Der ist im Moment nämlich der Einzige, der T ortes Blödsinn mitmacht. Komm, hier geht's wohl rein.«

Gemeinsam öffneten sie das grob gezimmerte Gatter, das schief zwischen zwei Zaunpfosten hing. »Ob Trudes Vater das gebaut hat?«, fragte Frieda und kicherte, weil es beim Aufmachen fast von den Pfosten fiel.

Das Grundstück war riesengroß. Auf der einen Seite grenzte es an den Wald, auf der anderen an ein unbebautes Stück Land. Der Wohnwagen stand weit hinten, unter einem hohen Baum, dessen abgefallenes Laub wie eine braune feuchte Mütze auf seinem Dach klebte. »Er ist blau!«, stellte Sprotte erstaunt fest. »Und irgendwie bemalt.«

Seite an Seite stapften sie auf den Wagen zu. Trudes Vater war nur selten hier gewesen, seit er von zu Hause ausgezogen war, das Gras war ungemäht. Nach ein paar Schritten waren ihre Hosen klitschnass bis zu den Knien. »Sieh dir das an!«, murmelte Sprotte. Der Wohnwagen war nicht nur himmelblau,

Trudes Vater hatte ihn von den Rädern bis zum Dach mit Sternen, Monden und feuerschweifi-gen Kometen bemalt.

»Kitschig, was?«, sagte Frie da und grinste. »Aber schön. Komm, wir gucken mal durchs Fenster.« Sprotte hielt sie fest. »Warte!«, flüsterte sie. »Hörst du das?«

Aus dem Wagen drang Musik, ganz deutlich, irgendwas Schmalziges, und Stimmen hörte man auch. Verwirrt guckten Sprotte und Frieda sich an.

»Ob das Trudes Vater ist?«, flüsterte Sprotte. »Mit seiner neuen Freundin?«

Leise schlichen sie die letzten Meter zum Wagen. Lauschend blieben sie unter dem Fenster stehen. Jemand kicherte. Dann wurde die Musik lauter.

»Ich guck mal rein«, flüsterte Sprotte und stellte sich auf die Zehenspitzen.

»Nein!«, Frieda versuchte, sie am Ärmel vom Fenster weg-zuzerren. »Lass das, das geht uns nichts an. Was ist, wenn die ...«

»Was?«, fragte Sprotte und grinste. Dann stellte sie sich wieder auf die Zehenspitzen. So konnte sie gerade durch das dunkle Fenster schielen. Aber zu ihrer großen Enttäuschung war nichts zu erkennen, gerade mal ein Tisch, auf dem irgendwas stand, aber es war ein großes pinkfarbenes Tuch drübergedeckt. Sprotte reckte sich.

»Sprotte, komm da jetzt endlich weg!«, zischte Frieda noch mal. »Lass uns an der Straße warten.«

Aber Sprotte beachtete sie gar nicht. »Na, da wird ja was los sein, wenn Trude kommt«, flüsterte sie und presste ihr Ohr gegen das Fenster.

Wieder zupfte Frieda an ihrer Jacke. Sprotte riss so ärgerlich ihren Arm los, dass sie mit dem Ellbogen gegen die Wohnwagenwand schlug. Der dumpfe Knall ließ selbst sie zusammenschrecken. Die Musik im Wohnwagen verstummte. Erschrocken kauerten die beiden Mädchen sich unter das Fenster.

»Verdammt, das hast du jetzt davon!«, wisperte Frieda, aber da ging die Wohnwagentür auch schon auf, und jemand stieg die Treppe herunter. Sprotte wagte einen Blick über Friedas eingezogenen Kopf. Das war nicht Trudes Vater.

Nie und nimmer. Der Kerl war höchstens fünfzehn, nicht besonders groß, dünn wie ein Bambusstock und mit jeder Menge schwarzem Haar auf dem Kopf. So viele Haare hatte Trudes Vater schon lange nicht mehr. Ein Einbrecher. Ein Wohnwageneinbrecher.

Sprotte schlug das Herz bis zum Hals, aber nicht vor Angst. Vor Wut.

Mit einem Satz stand sie auf den Füßen und baute sich zu Friedas Entsetzen vor der Wohnwagentreppe auf. »Was machst du hier?«, fuhr sie den Fremden an. »Das ist unser Wohnwagen. Verschwinde, aber dalli. Und wehe, du hast

was kaputtgemacht.«

Den Fremden erschütterte Sprottes plötzliches Erscheinen nicht. Sehr schuldbewusst guckte er auch nicht. Im Gegenteil. Er schien sich bestens zu amüsieren. Er kreuzte die Arme über der Brust und grinste.

»He, komm mal her, hier regt sich je mand furchtbar auf!«, rief er in den dunklen Wohnwagen. »Lange rotblonde Haare, dünne Beine in Tigerhose, wütendes Gesicht mit Zornfalte zwischen den Brauen. Soll ich mal raten, wer das ist?«

Im Wohnwagen rumpelte es. Da war wirklich noch jemand. Vorsichtshalber machte Sprotte einen Schritt zurück. Aber nur einen kleinen. Frieda stellte sich hinter sie. »Lasst mich raten«, sagte der Fremde. Grinsend beugte er sich vor. »Sprotte - und, hm, wartet mal, Wilma oder Frieda. Nee, Wilma ist bestimmt kleiner. Also Frieda.« Sprotte und Frieda wechselten einen schnellen Blick. »Der muss irgendwas mit den Urwaldzwergen zu tun haben«, knurrte Sprotte. »Also wenn da wieder dieser liebeskranke Torte hintersteckt, dann verpfeif ich ihn höchstpersönlich bei Fred. Der ... «

»Hallo, Sprotte.« Mit verlegenem Lächeln schob Trude sich aus der Wohnwagentür.

»Na also!«, sagte der Fremde und griff nach Trudes Hand. »Das sind zwei von den Hühnern. Wusste ich's doch. Aber du hast nicht erzählt, dass ihr hintereinander herspioniert.« »Tun wir auch nicht. Wir waren hier verabredet«, sagte Trude. »Um drei. Ist es schon drei? Ich ...«, verlegen zupfte sie an ihren Ohrläppchen. Sie waren knallrot, noch röter als ihr Gesicht.

»Es ist drei!«, stellte Sprotte fest. Misstrauisch musterte sie den Jungen, der jetzt auch noch seinen Arm um Trudes Hüften schlang.

»Ähm, ja, genau, es ist drei«, sagte Frieda und brachte ein freundliches Lächeln zustande. »Ist das dein Cousin, Trude?«

Trude nickte und legte verlegen eine Hand auf Paolos Schulter. »Ja, das ist Paolo«, murmelte sie. »Wir, ähm, wir ...«, sie warf einen Blick zurück in den Wohnwagen. »Wir haben Ohrlöcher gestochen. Wir mussten das hier machen, weil...«, sie kicherte verlegen, »na ja, meine Mutter hat's mir verboten, wegen Allergie und so, aber Paolo hat auch einen, und er kann das wirklich gut. Das Ohrlöcherstechen, mein ich. Hat überhaupt nicht wehgetan.« Sie schob Paolos Hand sacht von ihrer Hüfte und kam die Treppe runter. »Wie gefällt euch der Wagen?«, fragte sie mit unsicherer Stimme. »Bisschen kitschig, was?«

»Nein, wir finden ihn ganz toll!«, sagte Frieda. »Er hat uns richtig umgehauen, ehrlich.«

Sprotte sagte nichts. Sie guckte immer wieder zu Trudes Cousin. Der grinste

sie noch mal unverschämt an und verschwand dann wieder im Wagen.

»Wenn es dunkel ist, sieht er besonders toll aus«, sagte Trude hastig. »Seht ihr die Glühlampen da unterm Dach? Die kann man anmachen. Und in dem Schuppen dahinten ...«, sie zeigte zum Waldrand, »... da könnten wir doch gut Oma Slättbergs Hühner unterbringen, oder?«

»Bestimmt.« Sprotte warf einen Blick zu dem kleinen Schuppen. Dann guckte sie wieder Trude an. Ihre Ohrläppchen waren wirklich knallrot. »Ist dein Cousin jetzt immer hier, wenn wir uns treffen?«, zischte Sprotte. »Wenn ja, dann können wir uns auch weiter mit Titus rumschlagen. Den kennen wir wenigstens.«

»Nein, natürlich nicht.« Trude schüttelte energisch den Kopf. »Er ist sowieso nur diese Woche bei uns zu Besuch.« Von der Straße kam ein Hühnerpfiff, kurz, dann lang. Gleich zweimal. Das Gatter klapperte, und Melanie lief durch das nasse Gras auf sie zu. Wilma stapfte niesend hinterher. »Wow, ist er das?«, rief Melanie. Schwer atmend blieb sie vor dem Wohnwagen stehen. »Sterne, Monde, Kometen ... Na ja, die Jungs würden das vermutlich kitschig finden, aber ...«, sie stieß Sprotte an, »ich find's super, Wahnsinn. Dafür müssen wir Trude glatt einen Orden verleihen, was?« Sie fuhr Trude durch das kurze Haar. »He, was hast du mit deinen Ohren gemacht? Die ...« Abrupt brach sie ab.

Trudes Cousin kam die Treppe runtergesprungen. »Mach's gut, Bella«, sagte er, gab Trude einen KUSS mitten auf den Mund, grinste den ändern Hühnern zu und rannte durch das hohe Gras zur Straße. Unter den tief herabhängenden Zweigen der Weißdornhecke zerrte er ein Fahrrad hervor, hob es über das Gatter, kletterte hinterher - und fuhr davon.

Wilma starrte Trude an, als wäre ihr ein zweiter Kopf gewachsen. Melanie kaute hektisch auf ihrem Kaugummi herum. Frieda grinste.

»Ihr guckt, als hättet ihr noch nie einen Jungen gesehen«, sagte sie. »Komm«, sie zog Trude mit sich. »Zeig uns unser neues Bandenquartier. Jeden Winkel will ich sehen.« »Was hat der Kerl hier gemacht?«, raunte Melanie Sprotte ins Ohr, als die beiden im Wagen verschwunden waren. »Waren die etwa zusammen da drin, als ihr kamt?« »O Melli«, seufzte Sprotte und folgte der schniefenden Wilma in den Wohnwagen.

Melanie blieb noch draußen. Sie warf einen Blick zurück zur Straße, dann musterte sie den Wohnwagen. »Wir könnten ganz groß >Die Wilden Hühner< auf die Tür schreiben!«, rief sie den ändern nach. »In Gold. Wie findet ihr das?«

Wilma steckte den Kopf aus der Wohnwagentür. »Komm endlich rein, Melli«, sagte sie. »Und guck dir das beste Bandenquartier an, das die Weltje gesehen hat!«

»Wird gleich warm«, sagte Trude, machte die Wohnwagentür hinter Melanie zu und knipste einen kleinen Heizkörper an.

Die Wagenwände hatte Trudes Vater innen genauso blau gestrichen wie außen.

Sterne gab es auch, die ganze Decke war voll gemalt damit.

»Ich hab ein bisschen was vorbereitet«, sagte Trude und zog das pinkfarbene Tuch weg, das den Tisch unterm Fenster bedeckte. Teller und Tassen kamen zum Vorschein, sogar ein kleiner Kuchen mit fünf Kerzen. Die Wilden Hühner stand drauf, in Zuckerguss-Schnörkelschrift. »Jede von uns soll eine Kerze auspusten. Ich weiß ...«, Trude zupfte die Servietten zurecht, die kunstvoll gefaltet auf den Tellern standen, »... wir haben eigentlich erst was zu feiern, wenn wir die Hühner gerettet haben, aber trotzdem. Paolo hat mir beim Backen geholfen, sonst hätt ich’s nicht mehr geschafft. Wie, ahm, wie findet ihr's, hm?« Sprachlos guckten die anderen sie an.

Frieda drückte Trude so fest, dass ihr die geliehene Brille verrutschte.

»Wunderschön!«, schniefte Wilma, prustete in ihr Taschentuch und schob sich auf eine der Bänke neben dem Tisch. »Wunderwunderschön!«

Sprotte setzte sich neben sie. »Dafür sollten wir Trude zum Ehrenhuhn ernennen«, sagte sie. »Steht irgend so was in unserm Geheimbuch?«

»Nee.« Wilma schüttelte bedauernd den Kopf. »Wir haben nicht mal einen Orden. Aber sie könnte Hühnerschatzwart werden. Oh, verdammt!« Sie schlug sich gegen die Stirn. »Ich hab ihn nicht mitgebracht. Nächstes Mal, okay?« Der Hühnerschatz bestand inzwischen aus sehr vielen Dingen. In der alten Schatulle, die Sprotte auf Oma Slättbergs Dachboden gefunden hatte, lagen die Eintrittskarten von allen Konzerten und Kinovorstellungen, die sie gemeinsam besucht hatten, dazu die Autogramme, die Melanie bei den Konzerten mit der tatkräftigen Drängelhilfe der ändern erkämpft hatte, jede Menge Fotos von ihrer letzten Klassenfahrt, unter anderem eins von den schlafenden Pygmäen, das Wilma heimlich gemacht hatte, ihre Bandenkasse, in die sie alle regelmäßig einzahlten, und das Geheime Bandenbuch, in dem leider noch nicht allzu viel Geheimes stand. Trude wurde knallrot. »Nee, lasst mal«, sagte sie, ging zu der kleinen Küchenzeile und setzte einen Kessel mit Wasser auf. »Das mit dem Schatz macht Wilma viel besser. Ich würde doch dauernd vergessen, wo ich ihn versteckt hab.« »Guckt euch das an«, Frie da trat hinter sie und sah sich staunend um. »Eine richtige kleine Küche. Mit Geschirr und Kocher, sogar ein Kühlschrank ist da. Woher kommt denn der Strom?«

»Wir kochen mit Gas«, erklärte Trude. »Da unten im Schrank ist die Gasflasche, die ist gerade neu. Und der Strom ...« Sie zuckte die Achseln. »Mein Vater hat mir das mal erklärt, aber ich hab's vergessen. Auf jeden Fall ist welcher da. Nur das Klo, das ist draußen. In dem kleinen Holzhaus hinterm Wagen. Ist jetzt im Winter ziemlich kalt, na ja, ist ebe n nur ein Plumpsklo.«

»Da sollten wir wohl besser nicht mehr so viel Tee trinken, was?«, schniefte Wilma.

»Stimmt.« Trude kicherte. Sie stellte zwei benutzte Gläser in die Spüle und holte aus einem kleinen Hängeschrank eine Teekanne. In den Gläsern war noc h ein Rest Cola. Melanie schnupperte an ihnen. »Sieh einer an, die zwei haben Cola mit Rum getrunken.«

»Na und?« Frieda kippte die Cola weg und schob Melanie zur Seite. »Mach dich nützlich, los. Zünde die Kerzen auf dem Kuchen an.«

»Ja, ja«, Melanie nahm Trude die Streichhölzer aus der Hand. »Aber ich finde, in einer Bande sollte es keine Geheimnisse geben.«

»Ach ja?« Sprotte zog den Kopf aus dem Schrank, den sie gerade inspizierte. »Dann erzähl doch mal, von wem du den Knutschfleck hast.«

Melanie biss sich auf die Lippen und zündete ohne ein weiteres Wort die Kerzen an.

Als Trude den Tee aufgegossen hatte, pusteten sie sie alle zusammen aus, und Frieda schnitt den Kuchen an. Trude nahm auch ein Stück, ein extra großes sogar. Erstaunt guckte Melanie sie an. »Du isst wieder Kuchen? Seit wann das denn? Was ist mit deiner Diät?« Trude zuckte die Schultern und schob sich genüsslich die Gabel in den Mund. »Ach, keine Lust mehr«, sagte sie mit vollem Mund. »Paolo sagt, Diäten helfen sowieso nichts. Wisst ihr, was er mir erzählt hat? Dass ich in manchen Ländern eine echte Schönheit war. In Arabien zum Beispiel.« Sie kicherte. »Stellt euch vor, Melanie würden da alle hässlich finden, wegen der vorstehenden Knochen.« »Wegen der was?«, fragte Melanie entgeistert. »Der Kerl spinnt doch total!«

Frieda grinste. »Reg dich ab, Melli, wir sind ja nicht in Arabien«, sagte sie. »Wie ist das eigentlich in Amerika, Sprotte?« Aber Sprotte hörte nicht zu. Sie stand auf und warf sich auf die große Schaumstoffmatratze am anderen Ende des Wohnwagens. »Ob wir wohl mal hier übernachten können?«, fragte sie. »Wir alle zusammen? Wär doch toll, oder?« Wilma warf zweifelnd einen Blick aus dem Fenster. »Ist ein bisschen einsam, oder?«

»Quatsch, wir wären doch zu fünft«, sagte Sprotte. »Was soll denn da passieren?«

»Na ja, jetzt haben wir erst mal andere Sorgen«, Frieda goss allen noch Tee ein. »Heut ist schon Donnerstag, wir müssen dringend was für die Hühner bauen. Irgendeinen Auslauf, in den sie vom Schuppen aus reinkönnen.« »Stimmt«, seufzte Sprotte und setzte sich wieder zu den anderen an den Tisch. »Aber wo kriegen wir den Draht für den Zaun her? Sollen wir zusammenlegen und welchen im Baumarkt kaufen?«

»Lasst uns doch erst mal auf dem Schrottplatz gucken!«, näselte Wilma und wärmte sich die Finger an ihrer heißen Teetasse. »Da liegen doch meistens Maschendrahtreste rum.« »Gute Idee.« Sprotte guckte nach draußen. Es kam Nebel auf. Weiß hing er über dem feuchten Gras. »Lasst uns das heute noch erledigen. Ich würd zwar lieber hier bleiben, aber viel Zeit haben wir ja nicht mehr.« Da guckte Trude mit verlegener Miene auf ihre Uhr. »Ahm, ich - wusste nicht, dass wir das heute machen«, sagte sie. »Ich hab mich zum Kino verabredet, das fängt um fünf an. Aber ...«, sie guckte Sprotte unsicher an. »Du willst ins Kino?« Melanie guckte Trude an, als wären ihr Hörner gewachsen. »Du hattest doch keine Lust mehr auf Kino, weil du nie widerstehen kannst, wenn sie mit dem Eis rumkommen. Sag bloß, du gehst mit deinem ... « »Klar kann Trude ins Kino gehen!«, unterbrach Frieda sie. »Den Draht können wir auch ohne sie besorgen, und das Gehege müssen wir sowieso an einem anderen Tag bauen. Es wird stockdunkel sein, bis wir vom Schrottplatz zurück sind.«

»Stimmt!« Sprotte zuckte die Achseln.

»Oh, danke«, stammelte Trude. »Aber das Geschirr lasst stehen, das wasch ich später ab, okay? Und morgen nehm ich mir ganz bestimmt nichts vor. Ehrenwort.« Als sie alle wieder auf die Fahrräder stiegen, fuhr Trude davon, als wären Außerirdische hinter ihr her. Kopfschüttelnd guckte Melanie ihr nach.

»Wahrscheinlich wollte Trude nur nicht mit Melli ins Kino«, flüsterte Sprotte Wilma zu, während sie die schmale Straße entlangfuhren. »Weil die nämlich bloß ins Kino geht, damit die Jungs sie mit Popcorn bewerfen und ihr erzählen, wie toll ihre Haare aussehen.«

Wilma musste so kichern, dass sie Schlangenlinien fuhr. »Wetten, das war irgendeine Gemeinheit, Sprotti?«, rief Melanie von hinten.

»Nichts als die Wahrheit, Melli«, rief Sprotte über die Schulter zurück. »Heiligstes Hühnerehrenw ort. Nichts als die Wahrheit.«

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