XX

Der Clemens-Hornn-Degen schwang an Fentons Hüfte. Fenton trug einen Rock aus blauem Samt, eine braungelbe Weste mit Goldknöpfen, blaue Kniehosen, braungelbe Strümpfe und Schuhe mit mittelhohen Absätzen.

Fenton ging auf unsicheren Beinen nach unten, um seinen Besucher zu treffen. Giles, der einen siebenarmigen Kandelaber trug, um ihm zu leuchten, konnte oder wollte ihm den Namen nicht nennen.

Fenton hatte den Eindruck, das ganze Haus sei von heimlichen Schritten belebt. Als er zuerst auf den oberen Flur trat, hätte er schwören können, er sah, wie Harry -einer der Diener, der in dem Kampf mit dem Mob schwer verletzt war - die zum Boden führende Treppe hinaufhumpelte.

Außerdem hörte er bald ein eiliges Tapsen und Jaulen, und im nächsten Augenblick umdrängten ihn die Doggen, allen voran der geströmte Donner. Sie spürten, daß er krank gewesen war, denn nicht einmal Donner sprang an ihm empor, um ihm die Pfoten auf die Schultern zu legen. Aber sie preßten sich dicht an ihn heran und leckten ihm ungestüm die Hände, als er sie streichelte. Sie wimmerten und blickten mit verdutzten Augen zu ihm empor. »Sachte!« mahnte Fenton, der sich bemühte, das Gleichgewicht zu halten. »Ganz sachte!«

Er ging hinter Giles die Treppe hinunter. Die Hunde folgten ihm auf den Fersen.

Giles stellte seinen Kandelaber auf den Endpfosten des Treppengeländers, und Fenton betrat die große untere Halle, wo er erstaunt stehenblieb.

Der Fußboden glänzte vor Sauberkeit, und alle Wandkerzen brannten in ihren Haltern mit hellem, aber weichem Licht. Die Halle war leer bis auf einen Mann, der im Rahmen der weitgeöffneten Haustür stand. Es war ein großer, schwerer Mann. Er trug einen scharlachroten Uniformmantel, der halb aufgeknöpft war, einen schweren Pallasch und am Halse ein üppiges Spitzenjabot. Auf seiner schwarzen, geölten Perücke thronte verwegen ein breitrandiger schwarzer Hut mit einer roten Feder. Sein breites Gesicht zierte ein schwarzer Schnurrbart, der so lang war, daß er in die Locken der Perücke hineinragte. Unter dunklen, buschigen Augenbrauen blickten zwei blaue Augen hervor. Im Augenblick war dieses Gesicht hochrot vor Zorn.

»Giles«, sagte Fenton, »hier scheint uns wieder ein grober Irrtum unterlaufen zu sein.« Dann lächelte er dem Besucher zu. »Sir, seid Ihr nicht Captain O'Callaghan vom Ersten Königlichen Dragonerregiment?«

»Ich habe diese Ehre«, erwiderte Captain O'Callaghan und nahm eine steife Haltung an.

»Sieh nur, Giles!« sagte Fenton und deutete mit dem Kopf nach draußen.

Vor der Tür lagen der Pfad und die Linden im Schein eines strahlenden Halbmonds. Jenseits der Bäume, gegenüber dem Haus, saß eine Reihe von Dragonern regungslos zu Pferd. Sie trugen das lange Schwert auf der linken Seite und über der linken Schulter eine Feuersteinbüchse oder leichte Muskete an einem ledernen Wehrgehenk.

»Hast du es denn ganz vergessen, Giles?« fragte Fenton. »Nun, dies ist doch der Captain, der nach unserem Kampf mit den Green-Ribbon-Leuten die Toten und Verwundeten wegschaffte.« Und Fenton trat vor und streckte die Hand aus, während Donner dicht an seiner Seite blieb.

»Captain«, fuhr Fenton in tiefer Aufrichtigkeit fort, »ich heiße Euch herzlich willkommen. Ihr müßt entschuldigen, daß ich Euch warten ließ, aber ich bin krank gewesen, und mein Haushalt ist etwas in Unordnung geraten, seitdem meine . meine Frau . « Er verstummte allmählich. Hier stimmte etwas nicht. O'Callaghan, der vor Verlegenheit tief errötete, blieb in steifer Haltung stehen, ohne seine Hand auszustrecken. »Was hat dies zu bedeuten?« fragte Fenton mit leiser Stimme.

»Sir Nicholas«, stieß der Captain hervor, »ich halte Euch hoch in Ehren; hol mich der Teufel, wenn's nicht wahr ist. Ich finde wenig Geschmack an diesem Auftrag, das will ich ganz offen bekennen. Aber es ist meine Pflicht, nicht wahr?« Es lag ein fast flehentlicher Ton in seiner Stimme. »Zunächst aber ein Wort mit Euch!« Captain O'Callaghan deutete mit seiner Hand, die in einem langen schwarzen Lederhandschuh steckte, auf Giles. »Euer Bursche da!« sagte er verächtlich. »Stopft ihm den Mund, Sir Nicholas. Stopft ihm den Mund, sag' ich, sonst, bei Gott, werde ich es besorgen, indem ich ihm meinen Degen in die Kehle ramme!«

»Wenn Ihr in meinem Hause seid, Sir«, erwiderte Fenton mit allzu großer Höflichkeit, »werdet Ihr es vielleicht mir überlassen, den Dienern Befehle zu erteilen. - Giles, hast du Captain O'Callaghan Anlaß zur Beschwerde gegeben?« Giles spitzte die Lippen.

»Ich befürchte es, Sir. Aber Ihr seid jetzt hier und könnt selbst über seinen >Auftrag< urteilen. Doch überzeugt Euch erst davon, daß er nicht vom Green-Ribbon-Klub kommt.« Eine Pause.

»Woher?« brüllte Captain O'Callaghan, baß erstaunt.

»Ich meine damit, Sir Captain, Mylord Shaftesbury und seine Landpartei.«

O'Callaghans Erstaunen verwandelte sich in schäumende Wut. Instinktiv machte er eine kurze Handbewegung nach seinem Degengriff, die bei Donner, der zitternd neben Fenton saß, ein so bösartiges Knurren auslöste, daß der Dragoner rasch wieder den Kopf wandte.

»Halt!« rief Fenton.

Da es ihm an Kraft fehlte, die Dogge zurückzuhalten, beugte er sich über Donner und sprach beruhigend auf ihn ein. Doch es wurde ihm dunkel vor den Augen, als er sich bückte, und er mußte sich rasch wieder aufrichten.

»Giles«, sagte er, »wir haben uns beide mächtig geirrt, du und ich.«

»Geirrt, Sir?«

»Ja.« Fenton nickte mit dem Kopf zum Dragonerhauptmann hinüber. »Du hast einem irischen Katholiken zugemutet, daß er einer Mörderbande dient, die entweder der Staatskirche oder einer puritanischen Sekte angehört und ihn am liebsten töten möchte.«

»Ah!« grunzte O'Callaghan.

»Aber das ist noch nicht das Wichtigste, Giles«, fuhr Fenton fort. »Unser Gast gehört zur Armee, und durch keinerlei Bestechung hätte Mylord Shaftesbury ihn hierher schicken können. Denn die Armee ist fest in den Händen des Königs und wird von Seiner Majestät allein befehligt.«

Giles blickte ein wenig beschämt drein, und Fenton wandte sich wieder an seinen Besucher. »Aber nun ein Wort mit Euch, Captain«, sagte er in einem völlig veränderten Ton. »Seid nicht so kühn mit Euren Drohungen.«

»Nein?«

»Nein! Und vor allen Dingen nehmt die Hand von Eurem Degen weg. Donner«- Fenton streichelte die Dogge-»ist viel zu dicht bei Euch. Er würde Euch selbst die Kehle zerfleischen, ehe Ihr überhaupt den Degen ziehen könntet.«

»Ach nein, wirklich?« fragte O'Callaghan ironisch, und sein prahlerisches Wesen brach durch. Herausfordernd machte er abermals einen kurzen Griff nach dem Degen.

Donners Knurren fand jetzt Widerhall bei Löwe und Nacktarsch. Donner, der Gefahr für seinen Herrn witterte, straffte seine Muskeln und machte sich sprungbereit.

Captain O'Callaghan war jetzt nicht mehr ganz so rot im Gesicht. Langsam ließ er die Hand auf seinen scharlach-farbenen Mantel sinken. Aber er wich keinen Schritt zurück. Er stand mit halbgesenkten Augenlidern da und zwirbelte seinen Schnurrbart. »Sir Nicholas Fenton. Der Teufel soll mich holen, aber ich muß Euch von diesem Augenblick an in Gewahrsam nehmen und zum Tower geleiten, wo Ihr in Gefangenschaft bleiben müßt bis. nun, so liegen die Verhältnisse.«

Fenton starrte ihn nur an, während der Captain verlegen von einem Fuß auf den anderen trat.

»Zum Tower?« wiederholte Fenton wie betäubt, »zum Tower von London?«

»Ei, was für ein anderer Tower könnte wohl gemeint sein?«

Fenton blickte zu Giles hinüber, dessen Gesicht ebenso ausdruckslos war wie sein eigenes. »Auf welche Anklage hin?«

»Sir Nicholas, das darf ich Euch nicht sagen, und das wißt Ihr auch ganz gut!«

»Soviel mir bekannt, werden Männer nur für ein einziges Vergehen in den Tower überführt, nämlich Hochverrat.«

»Nun«, grunzte O'Callaghan, während er ihn zustimmend anblinzelte, »wenn Ihr selber die Beschuldigung erratet.«

»Hochverrat?«

».Es steht mir nicht zu, es abzuleugnen. Ich zweifle aber nicht daran, daß Ihr Euch in ein paar Wochen von diesem Verdacht reinigen könnt.«

»Captain«, sagte Fenton, während sein Verstand fieberhaft arbeitete, »ich will Eure Redlichkeit nicht in Abrede stellen. Aber dies, ich schwör's Euch, ist der gröbste Irrtum, der je begangen worden ist!« Er berührte den Kameenring an seiner linken Hand. »Dürfte ich vielleicht, ehe Ihr Eurer Pflicht genügt, ein Wort mit dem König selber wechseln? Oder darf ich ihm, falls das ein zu großer Wunsch ist, ein gewisses Zeichen senden?«

»Wollt Ihr etwa an den König appellieren?« fragte O'Callaghan und ließ vor Staunen seinen Schnurrbart in Ruhe. »Das ist meine Absicht.«

»Aber, Sir Nicholas! Gott steh uns bei! Diese Order ist von Seiner Majestät eigenhändig unterzeichnet!«

Captain O'Callaghan griff in seine Manteltasche und zog eine Pergamentrolle hervor, die er nur so weit entrollte, daß die Bänder des Siegels herabglitten und die Unterschrift zu sehen war. »Seht her! Kennt Ihr vielleicht diese Schrift?« fragte der äußerst verblüffte Captain.

Fenton warf einen Blick darauf. Die Unterschrift »Charles R.« war unverkennbar. Zu oft hatte er sie auf vergilbten Briefen gesehen.

»Es ist des Königs Hand«, gab Fenton zu.

Er fühlte, daß eine große Tür zugeschlagen und der Riegel knarrend vorgeschoben war - eine Tür, die ihn für immer in die Vergangenheit einschloß.

Lydia war von ihm gegangen. Der König hatte ihn verlassen. Er selbst war des Hochverrats angeklagt. Nur wenige, die dieses Vergehens bezichtigt waren, entkamen dem Strick des Henkers, der vierteilenden Axt und dem bauchaufschlitzenden Messer. Die geliebte Vergangenheit hatte sich in ein Ungeheuer verwandelt, und es hatte den Anschein, der Teufel trage mit fliegenden Fahnen den Sieg davon. Fenton war einsam und verzagt, aber .

»Ich bin noch nicht am Boden«, sagte er laut.

»Was sagt Ihr da?« erkundigte sich Captain O'Callaghan.

Gelassen zog Fenton den Ring von seinem Mittelfinger. Er hatte kein Verlangen, dem Captain die Bedeutung seiner Worte zu erklären. Wiederum spürte er ein geheimnisvolles Rascheln im Haus. Nachlässig, ohne sich umzudrehen, warf er den Ring über seine Schulter. Er hörte, wie er klirrend über den Boden rollte. »Giles«, sagte er, »laß ihn zusammen mit dem Schmutz aufkehren. Wie die Ehre des Mannes, der ihn mir gab, ist er keinen roten Heller wert. -Und nun, Captain O'Callaghan«, setzte er scharf hinzu, »was geschieht, wenn ich nicht die Absicht habe, mich greifen zu lassen?«

»Meiner Treu!« entgegnete der Captain. »Dann werdet Ihr trotzdem verhaftet, ob es Euch paßt oder nicht. Ihr seid ein feiner, flotter Degenfechter, Sir Nicholas, wenn Ihr auf kräftigen Beinen steht. Aber was könnt Ihr jetzt gegen meine Dragoner ausrichten?« fragte er spöttisch.

»Potz Geck!« rief plötzlich jemand mit lauter, aber lässiger Stimme. »Da sind einige unter uns, die der Ansicht sind, daß wir ziemlich viel ausrichten könnten.«

Mit diesen Worten schlenderte George Harwell schweren Schrittes und mit weingerötetem Gesicht aus dem Speisezimmer. Sein Degen mit dem silbernen Griff hing in der Scheide. Doch in der rechten Hand trug er einen Pallasch wie der Captain selber.

»Dies hier geht Euch nichts an, Sir, wer Ihr auch seid«, sagte Captain O'Callaghan und blickte ihn scharf an. Dann fügte er hinzu: »Ah, daß Gott erbarm! Ihr seid so betrunken wie ein Seemann!«

»Ein wenig erfrischt«, entgegnete George, »mag ich wohl sein. Das löst die Zunge und verleiht dem Schwertarm Schwung.« Der einschneidige Degen pfiff zischend durch die Luft, als George ihn auf und ab schwang. »Aber glaubt Ihr wirklich, daß Ihr Nick Fenton ergreifen könnt, mein kühner Dragoner? Dann werft einen Blick hinter Euch und überlegt Euch die Antwort!«

Als Fenton sich umdrehte, sah er Giles und Harry, den Hausknecht, hinter sich, der mit einem Armvoll glitzernder Waffen nahte. Harry drückte Giles einen alten zweischneidigen Degen mit Ringgriff und einen linkshändigen Dolch mit muschelförmigem Stichblatt in die Hand. Dieselben Waffen in den eigenen Händen, trat Harry ein paar Schritte zurück.

Fenton sah Big Tom mit einem Knüttel auf der Schulter und einer schweren Feuersteinmuskete in der Hand aus der Küche heraufkommen. Hinter ihm tauchte Job, der Stallknecht, auf, der an einem Ledergehenk über der Schulter eine schwere Muskete und in jeder Hand eine Keule trug. Ihm folgten der breitschultrige Kutscher Whip und Sam, der Türhüter .

Da Feuersteingewehre neu eingeführt waren und, an Stelle der alten Luntenschloßgewehre, nur an Eliteregimenter verteilt wurden, mußte Giles die vorhandenen Exemplare durch wohlüberlegte Bestechung erworben haben.

»Sir Nick«, flüsterte Giles, »werft nur einen Blick auf die Treppe, die nach oben führt.«

Obgleich keiner von ihnen die Treppe sehen konnte, hatte Fenton bereits leise, rasche Schritte gehört, und in der Halle erschienen fast geräuschlos alle männlichen Diener des Hauses. Sie trugen Degen aus der Rumpelkammer und fünf schwere Kavalleriepistolen. Selbst Dick, der Stalljunge, war dabei. Fenton wandte sich wieder um.

Im Rahmen der offenen Haustür stand Captain O'Callaghan mit gespreizten Beinen und betrachtete das Bild, das sich ihm bot.

»Dann seid Ihr also alle dem Verrat zugetan?« rief er. »Und gewillt, dem Befehl des Königs zu trotzen?«

»Das nicht«, erwiderte George gelassen. »Wir verteidigen nur Nick Fenton.«

»Aber ich sage Euch, Mann, es ist töricht! Warum tut Ihr das?«

George brüllte zurück:

»Zu lange hat Nick Fenton die Lasten des Kampfes allein getragen! Zu lange hat Gott oder der Teufel ihm Stiche in den Rücken versetzt! Zu lange hat er sich für die Interessen aller eingesetzt, nur nicht für seine eigenen. Und nun soll diese Mühe nicht vergeblich gewesen sein!«

Von der Gruppe hinter ihm erhob sich ein mörderisches Geschrei, das als Beifallsruf gedacht war.

Und draußen hinter den schattigen Linden, im Schein des Halbmondes, regten sich die Dragoner ebenfalls. Ein Pferd bäumte sich wiehernd auf. Jemand stieß einen kräftigen Fluch aus. Ein leichtes Getrappel wurde hörbar, als der Kornett die Reihe entlangritt und einen Befehl erteilte. »Legt an!«

Whip, Job, Big Tom, Sam und sogar Giles antworteten darauf mit einem wahren Freudengeheul. Hinter sich konnte Fenton das dumpfe Geräusch hören, als seine Anhänger die schweren Musketen zum Abfeuern auf die Gestelle legten.

Fenton schossen mancherlei Gedanken durch den Kopf, und er bemerkte nicht einmal die offene Tür zum Salon, in der Meg York stand, die dort seit dem Augenblick gewartet hatte, als Fenton die Treppe herunterkam. Ihre Unterlippe war blutig gebissen, und der eigentümliche Blick in ihren Augen war schwer zu deuten.

»Halt!« rief Fenton und hob die Hand. Mit dieser Bewegung machte das zornige Gemurmel, ja sogar das Knurren der Doggen, tiefem Schweigen Platz.

Fenton ging allein auf den Captain zu. O'Callaghan, die Hand über dem Degengriff, beobachtete ihn vorsichtig.

»Captain«, sagte Fenton mit ruhiger Stimme, »ich möchte .«

Und dann geschah's. Die Schwäche überwältigte ihn. Ihm wurde schwindelig, und sein Fuß glitt auf den glatten Dielen aus. Zu seinem Entsetzen schlug er der Länge nach zu Boden und empfand die Demütigung als einen brennenden körperlichen Schmerz. Der Dragoner blickte auf das schwergeprüfte Gesicht des Mannes hinab, der krampfhaft versuchte, sich aufzurichten. Nach einem kurzen inneren Kampf fühlte der Captain seinen Zorn dahinschmelzen.

»Ach, hol's der Teufel!« murmelte er. Und dann mit schroffem Respekt: »Mit Verlaub, Sir Nicholas.«

Damit beugte er sich über Fenton und half ihm wieder auf die Beine, während die rote Feder auf seinem breitrandigen Hut wie eine Schiffsflagge dippte.

»Prinz Rupert selbst«, erklärte O'Callaghan mit lauter Stimme, »hat oft infolge von Wunden oder Nahrungsmangel Schwächeanfälle erlitten. Ihr braucht Euch deswegen nicht zu schämen . Bei Gott, Sir! Meine ganze Hochachtung, daß Ihr überhaupt hier seid!«

Es war, als übten diese Worte eine seltsam besänftigende Wirkung auf alle Männer in der Halle aus.

»Ich danke Euch für Eure Höflichkeit«, sagte Fenton. »Ich hatte Euch nur sagen wollen, daß meine Worte hastig und unüberlegt waren. Der Mörder meiner Frau .«

Hier wurde Captain O'Callaghan abermals von Bestürzung erfaßt.

».der Mörder meiner Frau ist noch nicht der Gerechtigkeit überführt. Das muß ich erreichen, anstatt mich mit anderen herumzuschlagen. Ferner dürfen meine Diener kein Blut mehr für mich vergießen. Zum Schluß danke ich Euch für Eure Geduld, Sir, und ergebe mich als Euer Gefangener.«

Captain O'Callaghan blickte zu Boden, dann zur Decke, in der Tat nach allen Richtungen, bloß nicht auf Fenton. »Nun«, sagte er schließlich verlegen, und abermals: »Nun!«

»Ich bin bereit. Hm - darf ich vielleicht ein paar Bücher mitnehmen?« sagte Fenton. »Bücher?» fragte Captain O'Callaghan verblüfft. »Ach so, Bücher. Hem! Nun, sie können Euch morgen geschickt werden, zusammen mit Kleidung und Bettzeug. Mittlerweile .« Im hinteren Teil der Halle herrschte plötzlich ein ziemlicher Tumult. Dann ließ sich die harsche Stimme des Kutschers Whip hören.

»Sir«, rief er grimmig, »was soll mit der Pamphlin geschehen?« Fenton warf einen Blick über die Schulter und sah, daß sie Judith Pamphlin heraufgebracht hatten. Ihre Hände waren mit einer Kette auf dem Rücken gefesselt. Mit einem heftigen Stoß schob Whip die Frau nach vorn.

Sie hatten ihr ein sauberes Kleid über den hageren Körper gezogen, um Spuren der Mißhandlung zu verdecken. Ihr Haar war wirr und hing ihr bis auf die Schultern herab. Das lange Gesicht war schmutzig und grün und blau geschlagen. Es hätte Mitleid erregen können, wenn in ihren lebhaften Augen nicht ein boshafter Haß gebrannt hätte.

Fenton warf ihr einen kurzen Blick zu und kam zu einem Entschluß.

»Sie ist nur ebenso fanatisch als Rundkopf wie ich als Kavalier«, sagte er und blickte zur Seite. »Laßt sie ungestraft in Frieden ziehen.«

»Sir!« stieß Whip hervor.

»Das ist mein Befehl.«

Es wurde kein Protest mehr geäußert. Aber aus der Tiefe der Halle kam ein seltsames Fauchen, das sich sehr häßlich anhörte. »Laßt uns gehen«, sagte Fenton hastig.

»Ich muß um Euren Degen bitten.« Wieder wurde Captain O'Callaghan puterrot vor Verlegenheit. »Das heißt«, fügte er rasch hinzu, als er sah, wie Giles Collins leise vortrat und seinen Degen fester umklammerte. »Ihr braucht ihn nur hier zurückzulassen.«

Langsam schnallte Fenton sein Degengehenk ab, und nur mit großem Widerstreben warf er Giles seinen Degen zu, der ihn geschickt auffing. »Ich werde ihn so bald nicht wieder brauchen«, sagte Fenton.

»Das mag zutreffen. Und doch habe ich so eine Ahnung«, erwiderte Giles, »als ob es zu einem letzten großen Kampf käme.«

Alle fuhren plötzlich zusammen. Ein heiserer Triumphschrei entrang sich Judith Pamphlins Kehle.

»Ah, jetzt wird der stolze Mann als Verräter abgeführt«, rief sie, so daß die Männer unruhig mit den Waffen klirrten. »Sehet nur, er, der meine Herrin verführt hat, sich der Lust des Fleisches hinzugeben und ein sündhaftes Leben zu führen, ist durch die Macht des Herrn zu Boden geschlagen! Wie es im Buch der Offenbarungen geschrieben steht, soll er von dem Wein des Zornes Gottes trinken!«

Die Frau zitterte in ihrer Ekstase so heftig, daß selbst die Kette rasselte, mit der sie gefesselt war. »Ich stehe zu Eurer Verfügung, Captain«, sagte Fenton.

Spät an diesem Abend, lange nachdem Fenton mit den Dragonern davongeritten war, versammelten sich sämtliche Diener unten in der Küche. Sie bildeten einen Kreis um das rauchende Feuer, um über Judith Pamphlin zu Gericht zu sitzen. Wenig Worte wurden gewechselt. Keine Auspeitschung fand statt. Das Urteil bestand nur in einem Kopfnicken. Big Tom griff sie bei den Haaren, hielt ihren Kopf und ihre Schultern über ein Holzfaß und schlitzte ihr langsam die Kehle auf, während die Ratten unbeachtet umherhuschten. Sie begruben sie im Hintergarten und legten die Rasenstücke so geschickt wieder an ihren Platz, daß keiner jemals hier ein Grab vermutete.

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