XXX

IN DEM KLEINEN, am unteren Stadtrand gelegenen Holzhaus, das Richard de Ashby für seinen Aufenthalt in Nottingham gemietet hatte, saß die unglückliche Kate Greenly an einem Fenster und schaute über die Wiesen und Äcker hin. Ein schwacher Schimmer der Herbstsonne fiel auf das Mädchen und ließ es so schön wie je erscheinen, denn obgleich ihr Gesicht die Röte ländlicher Gesundheit verloren hatte, zeichneten sich ihre Züge doch durch einen eigentümlichen schwermütigen Ausdruck aus, der für sie einnahm.

Ihre Blicke waren auf die herbstlichen Felder geheftet, aber sie dachte nicht an die glücklichen Tage ihrer Kindheit, nicht an die Kurzweil und Freuden ihrer Jugend, sondern an Richard de Ashby, der sie mißhandelt und verraten hatte, den sie jetzt haßte und fürchtete und doch noch liebte, so seltsam dies scheinen mag. Plötzlich zuckte ein Ausdruck der Furcht über ihr Gesicht. Sie hatte Richards Schritte auf der Treppe vernommen und wußte, sie durfte ihn nicht merken lassen, daß sie nachdenklich gewesen war. Hastig holte sie den Rocken und das Spinnrad und beugte ihr Haupt über den Faden.

Er trat in das Zimmer, einen roten Fleck auf der Stirn, die Zähne fest zusammengebissen, die Lippen heruntergezogen. Leidenschaftlicher Zorn sprach aus jeder Linie seines Gesichts, und die Wut drückte sich sogar in jedem seiner Schritte aus. Er trat näher, als wolle er gerade auf Kate Greenly zugehen, blieb dann aber in der Mitte des Zimmers stehen, stampfte mit dem Fuß auf und rief: »Verflucht und nochmals verflucht!« Sich dann zu dem unglücklichen Mädchen wendend, schrie er: »Pack dich in dein Zimmer! Was treibst du dich hier herum, Dirne? Schick dich an, in wenigen Tagen zu deinem Vater zurückzukehren oder - wenn dir das besser gefällt —«, fuhr er mit einem zynischen Lächeln fort, »zu deinem Liebhaber, dem Freisassen. Er wird ein herrliches Schätzchen an dir finden.«

Kate stand auf und starrte ihn einen Augenblick fassungslos an. Dann sagte sie ganz ruhig: »Ich bin bereit, zu meinem Vater zurückzukehren. Ich habe mich schon selber dazu entschlossen; denn ich will nicht mehr mit dir leben, Richard de Ashby. Am besten gehe ich sogleich fort.«

»Nein, zum Teufel, das sollst du nicht!« schrie er, entschlossen, das Opfer seiner Tyrannei nicht freizugeben. »Pack dich in dein Zimmer, sag' ich. Ich werde dich zurückschicken, wenn es mir paßt. Fort! Ich erwarte andere Leute hier!« Ohne Antwort schritt Kate Greenly an ihm vorbei der Tür zu.

Er hätte sie am liebsten geschlagen; denn der Zorn, der in diesem Augenblick in seinem Herzen tobte, forderte gewaltig einen Gegenstand, an dem er sich auslassen konnte. Sie sah ihn aber nicht einmal an, und so hatte er keinen Vorwand.

Nachdem sie die Tür hinter sich geschlossen hatte, faltete Richard de Ashby seine Hände ineinander und schritt im Zimmer auf und ab, indem er murmelte: »Dieser Dummkopf von Mortimer! Hatte ihn in der Hand und läßt ihn in seinem Zimmer, das jedes Kind erklettern konnte! - Pfui über den Narren! Dabei gibt es dort Kerker, so tief wie ein Brunnen! Aber er kümmert sich um nichts, sondern denkt nur an die Ländereien, die er gewinnt. Wie ist nun über die Schwierigkeit wegzukommen?«

Während er sinnend am Fenster stand, wurde hinter ihm die Zimmertür geöffnet, und vier Männer traten herein. Zwei waren gekleidet wie Höflinge und zwei wie Personen geringeren Standes. Diejenigen jedoch, deren Anzug vornehmes und höfisches Betragen erwarten ließ, besaßen nichts weniger als gefällige Anmut oder männliche Würde. Statt dessen zeigten sie ein anmaßendes, affektiertes Wesen und warfen ängstliche und verstohlene Blicke umher.

»Nun, Dickon«, rief der zuerst Eingetretene, »wir haben reiflich über die Sache nachgedacht! - Aber was siehst du so verdattert drein? Hat der Prior von St. Peter deinem Schatz den Hof gemacht? Oder der König dir im Spiel dein Geld abgenommen. Oder hat womöglich ...«

»Still, keinen solchen Unsinn, Ellerby«, rief Richard de Ashby. »Ich bin in einer Stimmung, die keinen Spaß verträgt. Was mir fehlt? Meiner Treu, mir fehlt nichts Geringes. Mein bitterster Feind, Hugh de Monthermer, war in Mortimers Hand, zum Tode verurteilt, heute früh mit Tagesanbruch sollte ihm der Kopf abgeschlagen werden. Mortimer und Pembroke wollten sich in seine Ländereien teilen, und ich und de Margan hätten Befriedigung unserer Rache gehabt...«

»Ich hätte mir auch ein Stück von den Ländereien verschafft«, unterbrach ihn Ellerby, »oder ein paar Beutel voll Gold, wär' ich an Eurer Stelle gewesen. Nun gut.«

»Nun gut? Schlecht sag' ich«, versetzte Richard de Ashby wütend.

»Was wollt Ihr! Der Narr Mortimer, statt ihn in einen Kerker zu werfen, läßt ihn in seinem Zimmer und denkt, er könne nicht hinaus, weil das Fenster zwanzig oder dreißig Fuß über dem Wall liegt und eine Schildwache unten auf und ab wandelt. Natürlich wagt ein Mann, der weiß, daß sein Leben verloren ist, einen Fluchtversuch! Wie man also diesen Morgen das Zimmer öffnet, ist der Gefangene fort, und an der Wand des Zimmers liest man, mit Kohle geschrieben, die Worte: ,Mein Prinz! Eure damalige Erlaubnis benützend, bin ich, da die niederträchtige Falschheit meiner Feinde mir zu mächtig wurde, entflohen. Ich bin aber jederzeit bereit, meine Unschuld auf gesetzliche Weise zu erhärten, entweder in gerichtlicher Untersuchung oder durch Zweikampf mit irgendeinem meiner Ankläger. Keiner unterstehe sich, dies auszulöschen, ehe der Prinz es gesehen hat!' Mit dieser Drohung schloß er. Jetzt tobt Guy de Margan, aber Mortimer und Pembroke lachen, weil sie seine Güter dennoch zu teilen hoffen. Ich warf ihnen jedoch Salz in ihre Suppe, indem ich ihnen erklärte, da sie ihn hätten mit dem Kopf auf den Schultern laufen lassen, so habe er jetzt auch eine Zunge darin, mit der er sich bei des Prinzen Rückkehr bald reinigen und, wie er sein Leben gerettet, so auch seine Ländereien retten würde. - Nun, kann das einen nicht toll machen, wenn man solche Narren so wohlangelegte Pläne vereiteln sieht?«

»Nein, nein«, versetzte der Mann, der Ellerby gefolgt war. »Nichts sollte einen Mann um einen Deut toller machen als das Brummen eines Dudelsacks einen Dachshund. - Tobt Euch aus und laßt dann den Verdruß fahren, Richard.«

»Ich will Euch etwas sagen, Dighton«, erwiderte Richard de Ashby. »Ihr habt nie solchen Haß gefühlt, wie ich ihn hege.«

»Sicher nicht«, antwortete Dighton mit gleichgültiger Miene. »Ich schaffe immer einen Freund aus dem Wege, bevor ich ihn hasse. Es ist besser, die Dinge nie aufs Äußerste zu treiben. Wenn Ihr beim ersten Streit, den Ihr mit einem Mann habt, ihn auf die Reise schickt auf der langen Straße, welche keine Biegungen hat und keine Umkehr gestattet, so dürft Ihr gewiß sein, nie wieder Händel mit ihm zu bekommen. Ich habe dies Mittel als das probateste befunden.«

»Aber gesetzt, Ihr könnt das nicht?« fragte Richard de Ashby. »Ihr seid schwächer oder weniger gewandt, habt keine Gelegenheit - gesetzt also, Ihr könnt das nicht?«

»Ei, dann bedient Euch eines Freundes, der es kann!« versetzte der Bandit. »Es gibt eine Menge trefflicher Gentlemen, die immer bereit sind, unter gewissen Bedingungen eines jeden Händel zu den ihrigen zu machen. Da ist Ellerby, der ganz erträglich mit der Lanze und dem breiten Schwert umgehen kann. Ich selbst«, er sah mit einem selbstgefälligen Lächeln hinab auf die kräftigen Muskeln seiner Beine, »ich selbst bin selten unglücklich darin, einem Freund einen unbequemen Kameraden vom Halse zu schaffen. Und wenn Verschwiegenheit not tut, sind wir ebenso klug, wie wir stark sind -nicht wahr, Ellerby?«

»Ganz gewiß!« stimmte Ellerby mit demselben sich spreizenden Wesen zu. »Wir sind vollkommen in allem. Wir sind so große Staatsmänner wie de Montfort, so große Soldaten wie der Prinz Edward, so große Feldherren wie Gloucester...«

»Und so große Spitzbuben«, fiel Richard de Ashby ein, der sich durch die Großsprecherei nicht täuschen ließ, »und so große Spitzbuben wie ... Aber nein, ich will Euch nicht durch einen Vergleich beschimpfen. Ihr seid in dieser Hinsicht wenigstens unvergleichlich oder nur einer mit dem andern vergleichbar.«

»Ein feines Kompliment, fürwahr«, sagte Ellerby höhnisch. »Ganz besonders am Platz, da wir gekommen sind, Euch einen Gefallen zu erweisen.«

»Nicht ohne eine Belohnung für jetzt und für die Zukunft«, versetzte Richard de Ashby. »Ihr dient mir nicht, ohne Euch selbst zu dienen.«

»Schon gut!« sagte Dighton mit einem unverschämten Grinsen. »Wir dürfen uns nicht entzweien, damit nicht gewisse andere Leute Vorteil daraus ziehen. Aber um den Gegenstand Eures Ärgers ruhen zu lassen, innigst geliebter Richard, und diesen Handel mit Monthermer zu vergessen, laßt uns die Angelegenheit da aufnehmen, wo Ellerby anfing. Wir haben reiflich nachgedacht über Euren Plan und halten dafür, daß sich die Sache machen läßt. Wenn wir den alten Mann dahin bringen können, daß er sich einmal allein so weit von seinem Schloß entfernt, daß er seinen Leuten aus dem Gesicht kommt, wollen wir Sorge tragen, daß er nicht mehr auf seinen eigenen Füßen zurückkommt nach Lindwell. Indessen sind noch ein paar Worte zu reden über andere Dinge. - Aber sprecht Ihr, Ellerby, Ihr seid ein Redner. Ich bin bloß ein Mann der Tat.«

»Nun, was sind das für Dinge?« fragte Richard de Ashby ungeduldig. »Wenn Ihr die Tat ausführen könnt, dann vollbringt sie, je eher, desto besser!«

»Wahr«, sagte Ellerby grinsend. »Aber es kommt noch etwas in Betracht, mein geliebter Freund. Die Tat möchte leichter sein als den Lohn zu bekommen. Wenn dieser alte Mann dahin ist, so steht noch zwischen Euch und den Gütern von Ashby ein tüchtiger, junger, stierköpfiger Lord, Alured genannt, der, da er ein großes Vermögen hat und vernünftig lebt, Euch aller Wahrscheinlichkeit nach um ein halbes Jahrhundert überleben und der Welt eine blühende, stattliche Zucht von Junkern hinterlassen wird, die seine Titel und Ländereien erben.«

»Uberlaßt ihn mir«, versetzte Richard. »Seinen Stierkopf, wie Ihr ihn nennt, wird er bald gegen eine Mauer anrennen, an der er ihn zerbrechen wird. Ich werde die Sache schon so einrichten.«

»Selbst wenn dies der Fall sein sollte«, entgegnete Ellerby ungerührt, »wie können wir versichert sein, daß nicht Richard Graf von Ashby einmal die Nase rümpfen werde über uns, seine armen Freunde, und uns die Belohnung verweigert, außer der kleinen Geldsumme, die er uns jetzt gibt. Wir müssen es von Eurer Hand ausgestellt und unterzeichnet haben, guter Richard, daß Ihr uns zu dieser Tat geworben habt und uns zweitausend Pfund Silber als Lohn versprecht.«

Richard de Ashby sah ihn mit einem spöttischen Lächeln an, obgleich sein Herz voller Grimm war, und antwortete:

»Ihr müßt mich für einen Knaben halten! Da wir aber alle zu der Art von Menschen gehören, die ihren Mitmenschen nicht trauen, müssen wir gegenseitig Sicherheiten haben, das ist klar. Deshalb hört mich an: Ich will Euch heute noch durch eine Urkunde mein Schloß in Hereford übermachen, mit allen dazugehörigen Ländereien. In der Urkunde soll eine Klausel sein, die Wiedereinlösung vorbehaltend, so daß, wenn ich Euch binnen zwei Jahren zweitausend Pfund Silber zahle, das Schloß wieder mein ist. Dagegen sollt Ihr mir eine Vertragsurkunde, von Eurer Hand unterzeichnet, ausstellen, daß Ihr die verabredete Tat ausführen wollt. So haben wir alle einander gegenseitig in der Gewalt.«

»Und seid so gut, was sollen denn wir bekommen?« fragte jetzt vortretend einer der beiden Männer, die Ellerby und Dighton in das Zimmer gefolgt waren und von den übrigen vergessen zu sein schienen.

»Was man Euch versprochen hat«, versetzte Richard de Ashby. »Jeder von Euch fünfzig französische Goldkronen heute nacht, wenn die Tat geschehen ist.«

»Aber wir müssen doch auch einen Teil von den zweitausend Pfund Silber haben!« rief der Sprecher.

Da faßte ihn Dighton an der Brust und sagte in drohend-scherzhaftem Ton: »Halt dein Maul, Parson. Ich will darüber schon mit dir ins reine kommen. Wenn du nicht gehangen wirst, ehe das Geld gezahlt ist, wollen wir es teilen wie Offiziere und Soldaten. Ihr und Dicky Keen sollt miteinander ein Viertel haben und wir zwei das übrige.«

Dies Versprechen schien den Helfershelfer zu befriedigen, der sich vermutlich darauf verließ, daß es auch unter Dieben eine Ehre gebe, und daher nicht an der Erfüllung der Zusage zweifelte. Richard de Ashby und die zwei höheren Gurgelabschneider waren aber ihrerseits nicht so vertrauensvoll, sondern setzten die zwei Urkunden auf, über die sie, zu ihrer gegenseitigen Sicherstellung, übereingekommen waren.

Die Urkunde Richard de Ashbys war bald geschrieben, aber eine Schwierigkeit gab es bei der Zusage, die er von seinen zwei Kumpanen verlangte. Dighton gestand frech, daß er außer seinem Namen kein Wort schreiben könne, und auch Ellerby mißtraute sehr seinem Geschick in dieser Kunst, obgleich beide jeden zum Kampf auf Leben und Tod gefordert hätten, der da geleugnet hätte, daß sie Gentlemen von guter Erziehung seien. Richard de Ashby lehnte es seinerseits auf das entschiedenste ab, die Urkunde selbst zu schreiben, obwohl sie ihre Unterschrift zusagten. Endlich brachte Ellerby nach vieler Aufmunterung und Beihilfe ein Schriftstück zustande, mit verschiedenen wunderlichen Prozeduren in Orthographie und Anordnung.

»Und jetzt«, sagte Richard de Ashby, nachdem beide unterschrieben hatten, »brauchen wir nur noch diesen alten Mann aus seinem Schloß zu locken, was wir am besten sofort versuchen; denn wenn Alured zurückkehrte, wäre unsere Tat vereitelt.«

»Aber unter welchem Vorwand wollt Ihr ihn vermögen, sein Schloß zu verlassen?« fragte Dighton.

»Ich werde ein Schreiben aufsetzen, das ihn bestimmt dazu veranlassen wird und das auch in anderer Beziehung meine Absichten fördert. Wen sollen wir jedoch mit dem Brief hinschicken?«

»Warum nicht das Weibsbild, das Ihr bei Euch habt?« schlug Ellerby vor. »Wir könnten sie als einen Pagen herausstaffieren.«

»Auf keinen Fall«, versetzte Richard de Ashby. »In dieser Angelegenheit darf ich ihr nicht trauen. Wenn bei dem alten Mann der Brief gefunden wird, vermag sie vielleicht nicht zu schweigen. Ihr müßt unterwegs irgendeinen Bauernknaben auftreiben, und auch dem darf sich nur einer von Euch zeigen. Aber ich will jetzt den Brief schreiben; es ist keine Zeit zu verlieren.«

Hierauf setzte sich Richard de Ashby und schrieb den verhängnisvollen Brief an seinen Verwandten, der diesen aus seinem Haus locken und in die Hände der Mörder liefern sollte. Da er die Handschrift der Person, in deren Namen er schrieb, nie gesehen hatte, bemühte er sich, die eines Schreibers oder Kopisten nachzuahmen. Der Brief lautete:


Dem höchst edlen und tapferen Lord,

Grafen von Ashby,

meinen Gruß!



Teurer und geliebter Lord!


Nachdem eine falsche, grausame und abscheuliche Anklage gegen mich erhoben worden und ich, ohne angehört zu sein, zum Tode verurteilt bin, sah ich mich genötigt, meinen guten Namen unverteidigt den Feinden preiszugeben und mein Leben durch die Flucht aus dem Schloß von Nottingham zu retten. Nun beschwöre ich Euch als einen Mann, der immer für den Spiegel des Rittertums und den Stolz des Adels und der Waffen galt, mir heute um drei Uhr eine Besprechung zu gewähren, und zwar bei dem sogenannten Bullen-Weißdorn, den Ihr, mein Lord, wohl kennt und der nur eine Meile von Eurem Schloß Lindwell entfernt ist. Dort will ich Euch die Beweise meiner Unschuld in die Hände geben und Euch bitten, mein Anwalt beim König und beim Prinzen zu sein. Es ist notwendig - was ich kaum zu betonen brauche daß Ihr ganz allein kommt. Selbst das Plaudern eines Pagen könnte mir den Tod bringen.

Hugh de Monthermer



Richard de Ashby teilte den Inhalt des Schreibens keinem seiner Komplicen mit, sondern faltete es sogleich nach der Unterschrift zusammen, umband es mit gelber Seide, siegelte es und drückte den Knauf von Ellerbys Dolch darauf.

»Jetzt ist alles bereit«, sagte er, sich erhebend. »Laßt uns gehen. -Sind eure Pferde unten?«

»Sie stehen hinter dem Hause«, sagte Dighton. »Dann rasch in den Sattel!« rief Richard. »Ich will das meinige holen und in einer Minute zu euch stoßen. Ich muß so schnell wie möglich Nachricht haben, wenn die Sache erledigt ist.«

»Ihr werdet nach und nach ein Mann der Tat, Richard!« sagte Ellerby, der Tür zuschreitend. »Aber laßt uns nicht zu lange warten!«

»Nicht länger, als bis Ihr ums Haus herumgeritten seid«, versetzte Richard de Ashby, mit ihnen die Treppe hinuntersteigend. Gleich darauf schloß sich die schwere Haustür hinter den Meuchelmördern.

Kaum waren sie fort, so stürzte Kate Greenly in das Zimmer. Sie raffte einen großen braunen Schleier auf, der in der Fensternische lag, und warf ihn über den Kopf. Ihre Augen waren wild und unruhig, ihr Gesicht blaß und ihre Lippen blutlos; sie zitterte am ganzen Leibe.

»Wo kann ich Hilfe finden?« murmelte sie wie im Fieber vor sich hin. »Was kann ich tun? - Ich will jene Männer im Walde aufsuchen. Aber es wird zu spät werden, wenn ich zu Fuß gehe. Vielleicht sollte ich wieder den Pagenanzug anlegen und ein Pferd mieten?« Sie sann einen Augenblick nach und fuhr fort: »Aber der Wald ist weit entfernt von Lindwell, da er auf der entgegengesetzten Seite liegt. Es wird zu spät sein!«

Den Blick hatte sie nachdenklich auf das Fenster gerichtet. Plötzlich stieß sie einen leisen Schrei aus; denn hinter den kleinen Scheiben war ein Kopf aufgetaucht. Entsetzt griff Kate nach der Rücklehne eines großen Stuhls, um sich aufrecht zu halten, während sie sich fragte, ob es ein lebendes Wesen oder nur ein Gemälde ihrer erhitzten Phantasie sei.

»Es ist der Knabe!« rief sie endlich. »Es ist der Zwerg, den ich bei ihnen im Walde gesehen!« Mit unsicheren Schritten wankte sie zum Fenster und schob den großen Riegel zurück.

Tangel drängte sich sogleich hindurch, sprach herein und rief: »Haha! Ich wartete, bis sie alle draußen waren, und kletterte dann herauf, um Euch zu sagen ...«

Aber ehe er seinen Satz zu Ende bringen konnte, sank Kate Greenly ohnmächtig neben ihm auf den Boden nieder.

Загрузка...