XXXIV

DER SHERWOOD-FORST war, obwohl zu jener Zeit berühmt wegen seiner Ausdehnung und wegen der Dichte des Baumwuchses, in vielen Gegenden doch schon damals nicht mehr das, was er ehemals gewesen. Seine frühere, weit gewaltigere Ausdehnung war jedoch noch daran zu erkennen, daß sich viele Meilen jenseits der königlichen Grenzpfähle Wälder fanden, die einmal zum Sherwood gehört hatten. Einer der größten Striche solchen Waldlandes lag in dem südöstlichen Teil von Yorkshire. Er war durch drei oder vier Meilen unregelmäßig angebauten Grundes, wo hin und wieder Gruppen von Bäumen und kleine Wäldchen standen, vom Sherwood selbst getrennt und, weil entlegener von der Heerstraße, wilder und öder als der eigentliche Sherwood. Da in der Nähe keine großen Städte und keine Schlösser lagen, die einem mächtigen Baron gehörten, war dieses Gebiet ohne beständige Aufsicht und Überwachung.

Unter einem Sandhügel am Saume dieses Waldes, wo hohe Bäume in die Lüfte ragten und das braune Laub des Herbstes umherraschelte, saßen an einem schönen Nachmittag, etwa drei Tage nach der Flucht des jungen Ritters aus dem Schloß von Nottingham, der alte Graf von Monthermer, sein Neffe Hugh, sechs oder acht von seinen eignen Dienstleuten und vier von dem Anhang des kühnen Geächteten, die ihr ländliches Waldmahl verzehrten.

Der alte Graf und seine Dienstleute hatten alle das grüne Kleid der Waidleute angelegt, während Hugh noch mit demselben Anzug bekleidet war, den er am Hof getragen hatte. Er hoffte täglich, die Kunde zu erhalten, daß Prinz Edward ihn vor dem König gerechtfertigt und seiner Sache bei dem alten Grafen von Ashby sich kräftig und mit Erfolg angenommen habe. Er hegte nicht die Absicht, die Lebensweise oder die Tracht eines Geächteten anzunehmen, solange Prinz Edward am Hofe seinem tyrannischen Vater den Widerpart hielt.

Sein Oheim entstammte aber einer etwas geradlinigeren Schule des Rittertums, so daß er alles, was Unterwerfung unter den Thron Heinrichs bedeutete, grundsätzlich ablehnte, sowenig er sich der Ansicht verschließen konnte, daß Prinz Edward bei seinem Wirken zum Wohle des Volkes gewichtiger Bundesgenossen gegen seinen eigenen Vater und dessen einflußreiche Ratgeber, Pembroke und Mortimer, bedurfte. Zudem hatte er von seiner frühesten Jugend an ein Leben der Abenteuer und der Entbehrungen kennengelernt.

Das wilde Treiben im Walde, die Jagd, der beständige Wechsel der Umstände und der Umgebung und selbst die Gefahren des Lebens eines Geächteten waren ihm ebenso angenehm wie wohltuend.

Die Männer sahen fröhlich die Sonne sinken, die im Untergehen ein immer glänzenderes Gold annahm, um schließlich die Spitzen der Berge von Derbyshire und die Wolken darunter mit Purpur und Gold zu überströmen. Lustiger Gesang, Scherz und fröhliches Gelächter gingen im Kreis herum, und wenn die Erinnerung an Freunde, die er verloren, an sein Vermögen, das dahin war, an vereitelte Pläne und zerstörte Hoffnungen durch die Seele des alten Grafen flog, so verschattete sie sie doch nur einen Augenblick, und mit der Philosophie eines alten Ritters dachte er: Ich habe mein mögliches getan, ich habe Ruhm gewonnen, ich habe für die Freiheit meines Landes gefochten, und was nun kommt, muß eine neue Generation in Angriff nehmen.

»Schaut dort!« rief jetzt Hugh. »Da kommen drei Reiter! Neuigkeiten vom Hofe, ich will dafür stehen. Ein Brief von Prinz Edward vielleicht.«

»Wer sind die Reiter, Scathelock?« fragte der Graf. »Meine Augen werden nachgerade trübe, und die Eurigen sind scharf genug.«

»Der Mann, der den Mühlstein gemacht hat«, antwortete Scathelock, »kann nicht besser durch ihn hindurchsehen als ein anderer. Und wahrlich, mein Lord, sie sind noch viel zu weit entfernt, als daß ich sagen könnte, wer sie sind; obwohl ich von ganzem Herzen wünschte, mein guter Lord hätte meinen Augen geglaubt vor sechs Monaten etwa. Dann hätten wir kein Evesham gehabt.«

»Wieso?« fragte der Graf, sich lebhaft gegen ihn kehrend.

»Nun!« antwortete Scathelock. »Ich ließ Euch wissen, es sei ein Verräter unter Euch, und sagte Euch, wer es war. Aber man glaubte mir nicht. Und man ließ Richard de Ashby die Bande zwischen seinem Hause und der Sache des Volkes zerreißen und das Pferd liefern, das den Prinzen Edward von Hereford wegtrug. Es ist noch mehr Gift in den Zähnen dieser Natter - es wäre gut, wenn man sie ihr auszöge!«

Der alte Graf von Monthermer ließ sein Haupt sinken bei den Erinnerungen, die Scathelocks Worte in ihm weckten, und sah traurig auf die grünen Grashalme nieder.

»Es ist Robin selbst!« rief da ein anderer von den Männern, der aufgestanden war und, die Augen mit der Hand gegen die untergehende Sonne beschattend, über den Talgrund geschaut hatte. »Es ist Robin selbst! Ich sehe seine breiten Schultern und seinen schmalen Kopf. Ihr werdet alsbald sein Horn hören.«

»Tatsächlich, Eure Augen sind scharf!« sagte Scathelock, als im Augenblick darauf der weiche Ton eines Horns die Anhöhe heraufschallte. »Es ist Robins Zeichen! Kein Mensch kann dem Metall so sanfte Töne entlocken wie er. - Verzeiht mir, mein Lord!« fuhr er zu dem Grafen sich wendend, fort. »Ich hab' Euch vorhin verletzt!«

»Gar nicht, mein guter Kameradi« antwortete der alte Mann. »Es waren nur die Erinnerungen an die Vergangenheit. Ich handelte damals so, wie zu handeln mir am besten und edelsten schien, Scathelock! - Also kommt da wirklich Robin? Ohne Zweifel bringt er gute Nachrichten.«

»Für uns ist er selten ein Unglücksbote«, antwortete Scathelock, »aber ich bin sicher, der Abt von St. Anna, nachdem er seinen Pächtern eine schwere Schenkung abgeschunden, oder ein königlicher Vogt, beladen mit schönen .freiwilligen' Gaben, oder der Einnehmmer des Grafschaftsbeamten von Nottingham würden den Anblick von Robins sonnverbranntem Kopf und seinen kräftigen Armen nicht eben für die angenehmste Erscheinung halten, die ihnen zwischen Nottingham und Doncaster begegnen könnte.«

»Gut, gut«, erwiderte der andere. »Wenn er die Geldstolzen und die Habsüchtigen erschreckt, so hat dagegen sein Schritt auf der Schwelle der Armen und Unterdrückten keinen schlimmen Laut, Scathelock!«

»Stoßt in Euer Horn, Tom of the Lane!« rief Scathelock. »Er kann uns nicht sehen, obwohl wir ihn schon erspäht haben.«

Es dauerte noch etwa zehn Minuten, bis Robin Hood und seine beiden Begleiter vor der Anhöhe auftauchten. Er begrüßte alle herzlich und mit fröhlichen Worten. Aber wenn auch keine Falte seine Stirn zusammenzog, war doch leicht zu sehen, daß seine Stimmung nicht heiter war.

»Nun«, sagte er, sich mit seinen Begleitern neben die zwei Edelleute setzend, »was habt Ihr denn hier zu essen? Wir drei sind elend hungrig und durstig dazu. Ein fetter Wildschweinskopf und eine Trappe, kaum berührt! Bei meinem Leben! Ein Abendessen für einen Kaiser! Aber, mein Lord, es scheint, Ihr seid noch nicht fertig?«

»Wir waren beinahe mit unserem Essen zu Ende«, sagte der alte Graf. »Doch an einem Abend wie diesem verlängert man gern die Mahlzeit mit Gesprächen, guter Robin. Es ist auch noch ein guter Vorrat von des Priors Wein unter der Anhöhe. Scathelock hat sich, scheint es, vorgenommen, uns lustig zu machen.«

»Daran tut er recht«, versetzte Robin. »Der König kann die Leute reich und adlig machen; aber nicht jedermann kann sie so leicht lustig machen. Ich wollte, ich könnte es.«

»Ihr scheint traurig, Robin«, bemerkte Hugh de Monthermer. »Wenn Ihr mir schlechte Kunde bringt, laßt sie mich besser gleich hören.«

»Gute oder schlechte, wie Ihr es nehmt«, antwortete Robin Hood. »Aber zum Teil sind sie leidig genug für jedes Ohr.«

»So sprecht denn!« sagte Hugh de Monthermer. »Der Stachel schlimmer Nachricht ist die lange Ungewißheit, Robin. Die Last trägt sich leicht, wenn sie einmal aufgepackt ist. - Sie glauben bei Hofe meiner Aussage nicht?«

»Doch«, antwortete Robin Hood. »Der Prinz, wie ich höre, hat Euch Gerechtigkeit widerfahren lassen. Er kam sogleich von Derby herüber, und ich sorgte dafür, daß Euer Brief ihm ohne Verzug zukam. Keine zwölf Stunden nach dem Zeitpunkt, da Euer Kopf fallen sollte, wurde das Urteil aufgehoben und Ihr für unschuldig erklärt.«

»Ist das die Handhabung und Pflege des Rechts unter Heinrich dem Dritten?« sagte der alte Graf bitter. »Das Leben eines Peers von England ist ein Spielzeug in eines Königs Händen. - Das wird sich von selbst rächen!«

»Ha!« rief Robin Hood mit einer gewissen kummervollen Ungeduld in der Stimme. »Auch andere haben ihr Spiel getrieben mit dem Leben von Peers. Ist Euch die Nachricht noch nicht zugekommen, daß Lindwell-Castle einen neuen Herrn hat?«

Hugh de Monthermer fuhr mit einer Miene ungläubigen Staunens auf. »Tot?« rief er. »Der alte Graf von Ashby tot?«

»Ja, wahrhaftig«, antwortete Robin Hood. »Ermordet, so heißt es, bei dem Bullen-Weißdorn unterhalb von Lindwell-Green, nicht weit von der Grenze zu Thornywood. - Ihr kennt den Platz, mein Lord?«

»Recht gut«, antwortete Hugh de Monthermer. »Aber ist es gewiß, Robin?«

»Nichts ist gewiß«, versetzte der Geächtete bissig. »Nichts ist gewiß in dieser Welt, soviel ich weiß. Aber diese Neuigkeit ist leider im ganzen Lande verbreitet, und wie ich diesen Morgen an Southwell vorbeikam, hörte ich auf dem Rasenplatz eine Verkündigung ausrufen, diesen traurigen Mord betreffend.«

»Das ist höchst seltsam«, sagte Hugh. »Solche Dinge werden uns noch an allem verzweifeln lassen. Während Narren und Schurken zu Ehren emporsteigen, werden ehrliche Leute in den Sherwood getrieben, um bei den Tieren des Waldes zu hausen, und rechtschaffene Männer werden vor den Toren ihres eigenen Schlosses ermordet. Wer kann das getan haben, Robin? Wißt Ihr es?«

»Ich weiß es recht gut«, versetzte Robin Hood. »Richard de Ashby hat es getan. Und diese niederträchtige Bestie - teils Wolf, teils Fuchs, teils Schlange - weiß den Verdacht der blutigen Tat auf einen anderen zu schieben. Aber er soll sich getäuscht finden, wenn man meinem Rat folgt! Ich will dafür sorgen; denn ich habe mir eine Schuld vorzuwerfen bei dieser Sache. Ich war von dem Plan in Kenntnis gesetzt und hätte ihn vielleicht vereiteln können. Aber über anderen Dingen vergaß ich es und kam zu spät.«

»Ja«, sagte Hugh de Monthermer, »es konnte kein anderer sein. Aber wie wollt Ihr ihn der Strafe zuführen, Robin?«

»Das muß Eure Aufgabe sein«, versetzte Robin Hood. »Ich will seine Schuld beweisen, Ihr aber müßt ihn strafen.«

»Das will ich!« rief Hugh de Monthermer aufspringend. »Ich will ihn der Tat anklagen und ihn auffordern, sich mit den Waffen zu rechtfertigen.«

»Das ist nicht nötig«, antwortete Robin Hood trocken. »Er klagt Euch an!«

»Mich?« fragte Hugh de Monthermer ungläubig.

»Was? Meinen Neffen?« rief der alte Graf empört.

»Jawohl«, versetzte der Geächtete, »und mit scheinbar unumstößlichen Beweisen! Richard hat, wie ich hörte, einen Brief gefälscht und ohne Zweifel auch falsche Zeugen gedungen. Ich bin nicht imstande gewesen, genauer zu erfahren, wie er diese neue Tücke eingeleitet und angelegt hat. Aber, was ich Euch eben erzählen wollte, meine guten Lords: Auf dem Rasenplatz von Southwell sah ich diesen Morgen einen Beamten des Königs mit verschiedenen Gewappneten. Ich blieb unter der Volksmenge stehen, die lachte, als sie Robin Hood, den Geächteten, den Räuber, den Mörder von vielem Wildbret, den königlichen Beamten gegenüberstehen sah, und hörte so die Verkündigung ausrufen: ,Kund und zu wissen männiglich, daß Hugh de Monthermer, Lord von Amesbury und Lenton, angeschuldigt ist, auf starken Verdacht hin, verräterischer- und böslicherweise umgebracht zu haben William, Grafen von Ashby, und daß er deshalb geladen wird, zu erscheinen vor dem König in Nottingham, sich zu reinigen von besagter Anschuldigung durch gerichtliche Untersuchung, Eid, Gottesurteil oder Zweikampf, nach seiner Wahl, gemäß den Gesetzen des Königreichs und des Rittertums.' - So lauten die Worte.«

»Und sonderbar genug sind sie«, sagte der alte Graf. »Die Form weicht etwas ab von der üblichen Art, und der Name des Anklägers ist nicht genannt.«

»Alles ist jetzt aus seinem Geleise«, versetzte Robin Hood, »und dies ist eben wie das übrige. Aber es macht nichts - es läuft am Ende auf eines hinaus.«

Hugh de Monthermer stand, die Arme übef der Brust gekreuzt, da, in Nachsinnen versunken.

»Der Schurke!« sagte er endlich. »Der Schurke! Aber er soll den Tag noch bereuen. - Ich will sogleich fort, Robin, und ihm entgegentreten, ehe die Welt einen Tag älter wird. Wenn meine Rechte mich im Stich ließe gegen Richard de Ashby, müßte mein Gewissen in Wahrheit schlecht sein. Ich will sogleich fort; eine solche Anklage darf ich nicht eine Stunde länger als nötig auf mir liegenlassen.«

»Nein, mein guter Lord!« rief Robin Hood. »Setzt Euch nieder und laßt Euch von mir belehren. - Übereilung kann alles verderben. Ich habe den Schlüssel schon in meiner Hand, und obgleich ich hoffe und vertraue, Eure Lanze eine Armeslänge durch den Verräter hindurchgerannt oder Euer gutes Schwert in seiner lügenhaften Kehle zu sehen, verspreche ich doch, daß Ihr außerdem die Mittel in die Hand bekommen sollt, jedermann zu beweisen, daß nicht nur Ihr unschuldig seid, sondern er selbst der Mörder ist. Fürs erste also dürft Ihr nicht an den Hof von England gehen ohne sicheres Geleit. Mich dünkt, Ihr solltet das nun schon aus Erfahrung wissen.«

»Aber Prinz Edward ...«, rief Hugh de Monthermer.

»Prinz Edward kann wieder fort sein«, unterbrach ihn der Geächtete. »Ihr müßt sicheres Geleit haben, und die darüber verfließende Zeit wird nicht verloren sein. Setzt Euch nieder, mein Lord, und trinkt einen Becher Wein. - Diese Nachricht hat Euch erschüttert. Ich verstehe das. Laßt mich nur alles anordnen. Am dritten Tag von heute an sollt Ihr am englischen Hof sein. Dort müßt Ihr unbedingt dafür sorgen, daß der Kampf um acht Tage verschoben wird. Dann sollt Ihr, ehe Ihr in die Schranken reitet, die Beweise, die ich Euch liefern werde, dem Prinzen einhändigen, damit sie bekanntgemacht werden, sobald der Kampf vorüber ist. Kommt nur, setzt Euch! Ich will Euch die Gründe dartun, warum Ihr so handeln müßt. Zunächst soll einer von Euern eignen Leuten zum Prinzen reiten und sicheres Geleit für Euch erbitten. - Er kann bis morgen nacht wieder zurück sein.«

Hugh, der erregt auf und ab geschritten war, setzte sich nun wieder neben ihn, der alte Lord lehnte sich gegen einen Baum, seine getreuen Dienstleute und die Gefährten des kühnen Waidmanns schlossen einen Kreis und ließen den Weinbecher herumgehen. Eine kalte, klare Herbstnacht brach an, und ein wärmendes Feuer wurde angezündet, das zugleich auch der Beleuchtung diente, und lange noch saßen die drei Männer, den Gegenstand, der ihre Gedanken vor allem beschäftigte, in ernstem Gespräch erörternd.

Etwa eine Stunde nach Einbruch der Nacht wurde ein Brief geschrieben, und sobald er gesiegelt war, wurde er durch einen Diener des alten Grafen nach Nottingham geschickt. Danach setzten der Graf, sein Neffe und Robin Hood ihr Gespräch fort, während die Sterne glänzend und klar hervortraten und sich alles ringsumher, außer den dämmernden Umrissen der Bäume, dem Auge entzog. Der Wind flüsterte durch die Zweige mit einem langgedehnten, seufzenden Laut, und hin und wieder, während der vielen nachdenklichen Pausen, die in der Beratung eintraten, hörte man das Geraschel zur Erde niederfallender Blätter.

Kurz nach Mitternacht vernahm das feine Ohr des Geächteten plötzlich ein leises Geräusch. »Hört!« sagte er verhalten und schaute sich um. Dann rief er laut: »Wer ist da?«

Keine Antwort erfolgte, aber im Augenblick darauf landete mit einem Sprung von der Anhöhe herab der Knabe Tangel inmitten der Gesellschaft, die um das Lagerfeuer saß.



»Haha, Robin!« rief der lachend. »Ich konnte noch nie herausbringen, ob du ein Esel oder ein Hase bist.«

»Ei wie, Bursche?« rief Robin amüsiert. »Ich bitte dich, finde noch mehr solche geschmackvollen Vergleiche!«

»Nach deinen langen Ohren mußt du das eine oder das andere sein«, sagte Tangel. »Was ich auch tun mag, ich kann dich nie schlafend antreffen. Aber ich glaube, du hast mehr von einem Hasen: das eine lange Ohr ruhend, während das andere aufrecht steht wie eine Schildwache auf einem Hügelkamm. - Aber ich komme weither, Robin, um einer Dame Botschaft an einen müßigen Ritter auszurichten! - Da, Robin, ist ein Billett für dich! Es ward gesandt an Robin Hood oder einen von seinem Volk - der Bote hielt mich für ein Volk und gab es deshalb mir, obgleich man mich, weiß der Himmel, ebensogut für einen Kirchturm hätte halten können, was den Größenunterschied betrifft.«

Er händigte Robin Hood einen kleinen Brief ein. Dieser schürte das Feuer, daß es heller aufloderte, und wollte gerade das Papier öffnen, als er einige Worte bemerkte, die außen darauf geschrieben waren: Dem Lord Hugh de Monthermer, in Eile, wenn er zu finden ist - wenn nicht, für Robin Hood vom Sherwood.

»Es ist an Euch, mein Lord«, sagte er, den Brief Hugh übergebend, der ihn augenblicklich aufriß und den Blick lebhaft über die Zeilen hinlaufen ließ. Als er fertig war, fing er an, die Nachricht laut vorzulesen, ließ jedoch den ersten Satz weg:

»Euer Ankläger ist Richard de Ashby, und ich zittere bei dem Gedanken, er könnte Euch wissentlich falsch anklagen. Aber ich habe es seinem Gesicht angesehen, habe es aus dem Ton seiner Stimme gehört, daß dies Verbrechen seine Tat ist. Ich weiß nicht.

was raten, aber es ist passend, daß Ihr dies wisset. Eure eigne Klugheit muß das übrige tun. Ich fürchte für Euch; ich fürchte auch für meinen Bruder Alured. Es steht jetzt nur noch einer zwischen Richard und dem Reichtum und Rang, wonach es ihn gelüstet. Er ist zu weit gegangen, um noch irgendein Mittel der Welt zu scheuen, und meine Befürchtungen für den, der ihm im Wege steht, sind sehr stark.«

»So ist es bei den Bösewichten«, meinte der alte Graf, bedächtig mit dem Kopf nickend. »Sehr oft wissen sie ihre Taten vor den Weisen und Klugen dieser Welt zu bemänteln, aber der Unschuld und Einfalt gelingt es häufig, sie unter jeder Maske zu entdecken.«

»Ich lobe mir ein Weib, das das Herz eines Mannes zu ergründen sucht«, sagte Robin Hood, für den die Nachricht nichts Neues enthielt. »Das heißt, wenn sie ihn nicht liebt; denn in diesem Fall sind alle Weiber Narren. - Aber kommt, mein Lord, laßt uns ein besseres Obdach für die Nacht aufsuchen. Mein Blut ist nicht sehr frostig, aber doch spüre ich die Kälte hier. - Bewirtet Tangel gut, meine lustigen Männer, und gebt ihm einen Schlegel von der Trappe und einen Becher Wein. Aber hütet die Flasche vor ihm. - Denke an den letzten Weihnachtsabend, Tangel, wo du einen Jagdhund für ein bedrängtes Fräulein hieltest und dich in deinem Rausch sehr klug verwundertest, wie sie zu einem Barte komme!«

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