XXXVII

ZWEI TAGE vor dem für die Waffenentscheidung festgesetzten Morgen war ganz Nottingham in Aufregung und gespannter Erwartung. Durch den Aufenthalt des Königs auf dem Schloß waren ohnehin mehr Menschen in der Stadt, als das gewöhnlich der Fall war. Aber jetzt strömte eine noch viel gewaltigere Menge von Neugierigen herbei, um Zeuge des Zweikampfes zu sein, wobei aller Pomp und Glanz des kriegerischen Gepränges jener Zeit entfaltet wurde.

Hugh de Monthermer hatte von seinen Freunden im Walde keine Nachrichten erhalten, keine Umstände waren ihm bekannt geworden, mit denen er seine Unschuld beweisen konnte. Prinz Edward war sichtlich besorgt, und der einzige Mensch, der an dem unglücklichen Handel Freude zu haben schien, war der König selbst, der, eine würdevolle Anmut und Ruhe heuchelnd, erklärte, er betrachte den jungen Lord von Monthermer so lange als unschuldig, bis seine Schuld bewiesen sei. Er behandelte ihn mit übertriebener Artigkeit, ja mit Auszeichnung, wie man wohl einen Gladiator behandelt, ehe man ihn in die Arena schickt.

Um jedoch keine Begünstigung zu zeigen, wie er - einer der am meisten von Günstlingen beherrschten Fürsten, die je gelebt - sich auszudrücken beliebte, ließ er ausdrücklich den jungen Grafen von Ashby einladen, sich mit seinem Gefolge in Nottingham-Castle einzufinden, um an der königlichen Gastlichkeit vor dem Kampf teilzunehmen. Alured war schon angekommen und hatte die für ihn bereiteten Zimmer in Besitz genommen.

Zweimal war er mit Hugh de Monthermer zusammengetroffen, einmal in der Halle und einmal im Schloßhof. Ihre Begegnungen waren von den Leichtfertigen und Boshaften, die an Höfen immer so zahlreich sind, mit neugierigem Interesse beobachtet worden. Aber wenn sie einen Ausbruch erbitterter Gefühle zu sehen hofften, um sich daran zu ergötzen, so täuschten sie sich völlig. Die beiden Gegner begrüßten sich mit ernster Höflichkeit, und besonders bei dem zweiten Zusammentreffen im Schloßhof schien Alureds etwas übermütiger Stolz sehr gedämpft. Ja, er blickte Hugh de Monthermer mehr traurig als finster an, und manche glaubten Unschlüssigkeit in seinem Blick zu lesen.

»Es ist klar«, sagte Sir Harry Grev zu Sir William Gearv, die ganz in cler Nähe standen. »Er zweifelt an der Wahrheit der von ihm erhobenen Anklage - er hält Hugh de Monthermer nicht für schuldig.«

»Er weiß, daß jemand der Schuldige sein muß«, versetzte der andere, »und das ist in der Regel genug für einen Ashby, um ihn seinen Zorn an dem auslassen zu machen, der zuerst in seine Nähe kommt!«

»Aber was ist aus seinem Vetter Richard geworden?« fragte Grey. »Ich habe ihn heute den ganzen Tag nicht gesehen und gestern auch nicht.«

»Ich glaube, er sitzt auf Lindwell«, versetzte Geary. »Die Leute sehen ihn kalt an - ich weiß nicht warum.«

»Das hat seine Ursachen. Erstlich ist es klar, daß er die Anklage ausgebrütet hat, und doch überläßt er das Ausfechten der Sache seinem Vetter...«

»Und daran tut er sehr klug!« unterbrach ihn Geary. »Fürs erste, weil Hugh de Monthermer ihm den Hals brechen würde mit dem kleinen Finger; sodann, weil nur noch ein Mann zwischen ihm und dem Grafentum Ashby steht und eine gute Lanze in einem tüchtigen Zweikampf wahrscheinlich die Zahl vermindert.«

»Ob es wohl möglich ist«, fragte Grey augenzwinkernd, »daß er bisher schon die Zahl vermindert hat?«

Sir William Geary zuckte bedeutungsvoll die Achseln, gab aber keine Antwort.


Ähnliche Gespräche wurden an diesen Tagen viele in Nottingham geführt, aber Richard de Ashby hörte nichts davon; denn er war viele Meilen entfernt und führte Besprechungen mit seinem Komplicen Ellerby, der sich in den wilden, gebirgigen Teilen von Derbyshire versteckt hielt, um den Verlauf der Ereignisse abzuwarten.


Am vorletzten Abend vor dem Zweikampf, gegen sieben Uhr, als alles in Nottingham nach Hause zurückgekehrt war und im Schloß sowohl wie in der Stadt die tiefste Ruhe herrschte, wurden zwei Schwertfeger (Waffenschmied; eigentlich: der das Schwert blank macht), die im äußeren Zimmer vor den Gemächern des jungen Grafen von Ashby auf dem Schloß zu Nottingham saßen und einen prächtigen Harnisch blank rieben, durch ein Pochen an der Tür in ihrer Beschäftigung unterbrochen. Mit lauter Stimme hießen sie den Besuch eintreten, und im nächsten Augenblick streckte ein altes Weib ihren Kopf in das Zimmer und verlangte den Grafen von Ashby zu sprechen.

Die beiden Männer hatten lustig ihre Arbeit betrieben, ohne daran zu denken, zu welch blutigem Werk die Waffen in ihren Händen gebraucht werden sollten. So schauten sie denn so wohlgelaunt auf, als ob alles nur Spaß und Spiel wäre, und einer von ihnen sagte: »Er wird Euch nicht annehmen, gute Dame, da Ihr alt und häßlich seid. Wäret Ihr jung und hübsch, würdet Ihr sicher sehr bald Zutritt finden. - Was ist Euer Anliegen?«

»Ich möchte ihm sagen«, antwortete die Alte, »daß man ihn ohne Verzug erwartet drunten im Hause des Sir Richard de Ashby.«

»Gut, ich will es ihm mitteilen«, rief der Mann. »Mach du dich fort und schließ die Tür hinter dir; denn der Nachtwind ist kalt.«

Nach diesen Worten fuhr er in seiner Arbeit fort und schien durchaus keine Lust zu haben, sie zu unterbrechen, um irgendwelche Botschaften zu bestellen.

»Nun, was denn?« rief sein Gefährte. »Ihr müßt das dem Lord melden!«

»Pah! Dazu ist in einer Stunde noch Zeit«, erwiderte der andere. »Morgen früh ist noch Zeit genug, wenn es mir so behebt. Was hat Richard de Ashby Nötiges mit meinem Lord zu verhandeln? Geld borgen, glaub' ich fast. Laß ihn nur - die garstige Schlange!«

»Nein, dann geh' ich«, sagte der andere Schwertfeger, stand auf und ging in ein anderes Zimmer, wo sich einige Yeomen und ein Page aufhielten. Dem letzteren bestellte er die Botschaft und kehrte zu seiner Arbeit zurück. Der junge Graf von Ashby saß in seinem Zimmer Guy de Margan gegenüber, als der Auftrag des alten Weibes endlich ausgerichtet wurde.

»Es freut mich zu hören, daß er zurück ist«, sagte er, nachdem der Page die Tür wieder geschlossen hatte. »Nur wundert mich, daß er nicht hierherkommt! Aber ich will gehen und mit ihm sprechen. Irgend etwas warnt mich, Sir Guy de Margan. Und was Ihr sagt, überzeugt mich nicht. Meine Schwester weiß es besser - Lucy ist die Wahrheit selbst. Bedenkt, Sir, ich habe zu beschwören, daß meine Streitsache eine gerechte sei, daß ich, so wahr mir Gott helfe, an die Wahrheit meiner Beschuldigung glaube. Aber ich zweifle daran, Guy de Margan, ich zweifle daran. Wenn Ihr neue Beweise habt, so sprecht! Aber es ist nutzlos, immer und immer zu wiederholen, was ich schon gehört habe und was widerlegt worden ist.«

»Vielleicht kann Euch Euer Vetter neue Beweise hefern, mein Lord«, sagte Guy de Margan. »Vielleicht hat er eben deshalb nach Euch geschickt.«

»Möglich! Ich will darum sogleich zu ihm«, rief der Graf aufspringend. »Aber wo wohnt er in Nottingham? Ich glaubte, er sei im Schloß mit den anderen untergebracht. - Drunten im Hause des Sir Richard de Ashby? Wo das sein mag, bin ich begierig zu erfahren.«

»Ich kann es Euch zeigen, mein Lord«, sagte Guy de Margan eifrig. »Es ist eine halbe Meile von liier entfernt.«

»Beschreibt mir nur den Weg«, versetzte der Graf. »Ich will allein gehen.«

»Ich werde Euch auf den Weg dahin bringen, mein Lord, und Euch verlassen, wenn Ihr in der Straße seid. Ihr findet das Haus sonst nicht.«

Der junge Graf wußte ihm wenig Dank für seine Dienstfertigkeit und trat in das Vorzimmer. Mit nur einem Pagen, der ihm sein Schwert nachtrug, und Guy de Margan an seiner Seite schritt er in den Hof hinaus und eilte durchs Schloßtor hinaus in die dunklen Straßen von Nottingham.

Rasch stiegen die beiden Gentlemen und ihr junger Begleiter in den unteren Stadtteil hinunter und bogen bald in die Straße ein, wo Richard de Ashbys Haus lag.

Der junge Graf wandte sich mit mehr als seiner gewöhnlichen Ungeduld an de Margan: »Sind wir noch nicht in der Nähe?«

»Doch, mein guter Lord«, versetzte dieser. »Es ist das erste kleine Haus auf der rechten Seite.«

»Ich werde es finden!« rief Alured de Ashby. »Gute Nacht und Dank Euch, Sir Guy! Wir sehen uns morgen wieder!«

Nach diesem kurzen Abschied schritt er weiter und wäre in seiner ungestümen Hast beinahe an dem gesuchten Haus vorbeigeeilt. Aber der Page zupfte ihn am Ärmel und sagte: »Dies muß es sein, mein Lord.« Der junge Edelmann schaute sich um und entdeckte in einem dunklen Winkel das Haus. Tastend suchte er die Tür und pochte mit dem Griff seines Dolches stark dagegen.

Beinahe eine Minute lang hörte er keinen Laut, und er stand gerade im Begriff, noch einmal zu pochen, als ein durch die Ritzen scheinendes Licht zeigte, daß jemand kam. Rasch trat er einen Schritt zurück, und kurz darauf wurde die Tür mit langsamer Bedächtigkeit geöffnet, die schlecht zu des' jungen Ritters Ungeduld stimmte. Der Anblick jedoch, der sich ihm darbot, nachdem sich sein Auge an das herausfallende Licht gewöhnt hatte, überraschte ihn. In der Tür stand die schöne Kate Greenly und blickte ihn starr und finster an, voll starker, schmerzlicher Entschlossenheit.

»Kate Greenly«, rief Alured. »Was ist das? Ihr scheint krank?«

»Ich scheine, was ich bin, mein Lord«, versetzte das Mädchen.

»Aber ich bin froh, daß Ihr kommt. Eure Anwesenheit ist sehr erwünscht und nötig.«

»Wo ist meine Anwesenheit nötig, Kate?«

»Ich will es Euch zeigen, mein Lord, wenn Ihr mir folgen wollt«, erwiderte sie und schritt ihm voran die Treppe hinauf.

Auf dem ersten Absatz blieb der Graf stehen und fragte: »Ist Richard nicht liier?«

Kate gab ihm keine Antwort, sondern sagte nur auffordernd: »Hierher, mein Lord, hierher.«

Er muß krank sein, dachte der Graf, und sie ist auch krank, das ist klar.

Als sie den zweiten Treppenabsatz erreicht hatten, legte das Mädchen die Hand auf die Klinke einer rohen Tür von ungehobeltem Holz, wobei sie die Lampe so hielt, daß sie dem heraufsteigenden Ritter Licht gab. Dann öffnete sie die Tür, trat hinein und schritt voran zu dem schmalen Bett, neben dem eine Wachskerze brannte.

Alured folgte ihr und erblickte entsetzt das geisterhafte Angesicht eines Toten, der ausgestreckt dalag, Stechpalmenreiser auf seiner Brust.



»Himmel!« rief er. »Wer ist das?«

»Der Mörder Eures Vaters«, sagte Kate Greenly hart.

Alured de Ashby preßte erschüttert die Hände an die Schläfen. Ein Gefühl grimmigen Hasses loderte in seinem Herzen gegen den vor ihm liegenden Toten auf, vermischt mit Bangigkeit und Schmerz darüber, daß er selbst einen anderen des Mordes bezichtigt hatte.

»Der Mörder meines Vaters!« stieß er schließlich mühsam hervor. »Der Mörder meines Vaters! - Also ist Hugh de Monthermer unschuldig?«

»So unschuldig wie Ihr selbst! Dies ist einer von denen, die das Verbrechen verübt haben; aber es waren mehrere. Hier hegt nur der Mann, der den ersten Streich geführt hat. - Schaut her!« rief sie, und das Leintuch etwas zurückziehend, wies sie ihm die Wunde auf der Brust des Toten. »Hier traf Eures Vaters Schwert; denn der alte Mann starb tapfer und schickte wenigstens einen der Mörder vor seinen Richter!«

»Ja, ich erinnere mich«, versetzte Alured abwesend, »man fand sein Schwert entblößt und blutig. - Aber wie kommt es, daß Ihr dies alles wißt?«

»Ich will es Euch sagen, Graf von Ashby: Weil ich in der Sterbestunde dieses Mannes sein Geständnis niederschrieb. Der Priester beschwor ihn, ein volles Bekenntnis der Wahrheit abzulegen, nicht nur in das Ohr des Beichtigers, sondern für das Ohr der Gerechtigkeit, damit nicht der Schuldlose statt des Schuldigen bestraft werde. Der Sterbende unterzeichnete es mit zitternder Hand, ich und Pater Markus waren die Zeugen dabei. Hier ist das Papier - lest es und überzeugt Euch. Nach dem Priester habe ich geschickt, er wird bald hier sein.«

Alured de Ashby nahm das Papier und las es bei dem Licht der Lampe, die ihm Kate Greenly hielt.

»Ich gestehe und bekenne öffentlich«, so lautete die Schrift, die genau die Worte des Sterbenden wiedergab, »daß ich, Ingelram Dighton, letzten Dienstag nachmittag mit drei anderen - nein, ich will ihre Namen nicht nennen -, die mit mir am Tage zuvor aus London gekommen waren, dem Grafen von Ashby auflauerten an einem Ort, genannt der Bullen-Weißdorn. Ich führte den ersten Streich auf ihn, verwundete ihn aber nur, worauf er sein Schwert zog und es mir in die Seite stieß, woran ich jetzt sterbe. Der Herr erbarme sich meiner! Ell..., aber nein, ich will seinen Namen nicht nennen! Ein anderer Mann erdolchte ihn hierauf von hinten, und wir warfen ihn in die Grube hinab. Der Lord Hugh de Monthermer hatte nichts mit der Sache zu schaffen. Wir bedienten uns seines Namens, weil die Person, die uns zu der Tat anstiftete, die Anklage auf ihn zu lenken wünschte. Deshalb ward ein Brief, als von ihm herrührend, geschrieben, worin der alte Graf ersucht wurde, an den Platz des Mordes zu kommen. Aber Hugh de Monthermer hat den Brief weder geschrieben noch davon gewußt. Ich habe besagten Monthermer nie in meinem Leben gesehen oder gesprochen, sondern hörte nur an jenem Morgen, er sei aus dem Gefängnis entflohen. Dies ist mir, der ich im Sterben liege, vorgelesen worden im Hause des Sir Richard de Ashby, und ich schwöre bei dem heiligen Sakrament und allen Heiligen, daß es wahr ist.«

Es war mit zitternder Hand unterzeichnet, und weiter unten standen die Unterschriften der Kate Greenly und des Priesters als Zeugen.

Der junge Graf las mehrmals die Schrift. Dann, finster das Mädchen anblickend, fragte er: »Warum habt Ihr das nicht früher vorgebracht?«

»Aus vielen Gründen«, antwortete Kate Greenly ruhig. »Erstens, weil ich nicht die Mittel dazu hatte. Meint Ihr, der grausame und tückische Bösewicht, in dessen Hände ich gefallen bin, läßt mich umherstreifen, wie ich will? Nur in seiner Abwesenheit darf ich wagen, das Haus zu verlassen. Sodann: Ihr wart in Lindwell. Ferner wünschte ich, ehe ich dies vorbrächte, das Ganze in meiner Hand zu haben, um imstande zu sein, nicht nur zu sagen: ,Dieser Mann ist unschuldig', sondern auch: Jener ist der Schuldige!' Ich erkläre Euch, Graf, ich würde Euch auch jetzt noch nichts gesagt haben, wenn Ihr nicht im Begriff wärt, Euer Leben bei einer falschen Anklage aufs Spiel zu setzen oder auf Euer Haupt die Schuld zu laden, einen anderen zu töten für ein Verbrechen, das er nicht begangen hat. Nachdem Ihr nun so viel wißt, ist es Eure Pflicht, den Anstifter dieses Mordes zu entdecken; denn der hier liegt und seine Mittäter waren bloß die Werkzeuge. Ich bin bereit, alles, was ich weiß, zu sagen, zu geeigneter Zeit und am passenden Ort. Aber Ihr dürft weder zu rasch noch zu langsam verfahren; denn wenn Ihr zu langsam zu Werke geht, werde ich nicht mehr hier sein - meine Tage sind gezählt und verrinnen schnell -, und wenn Ihr zu hastig seid, so wird Euch der Schuldige entkommen.«

»Und wer ist der Schuldige?« fragte Alured de Ashby erregt. „Nenne ihn, Mädchen, ich beschwöre dich, nenne ihn.«

»Ihr fragt mich, wer der Mann ist? Ich will nicht seine Anklägerin werden, als bis alle anderen Mittel versagen; denn ich darf nicht Anklägerin und Zeugin zugleich sein. Ihr habt jetzt den Faden in der Hand; macht davon mit Klugheit und Festigkeit Gebrauch und Ihr werdet bald alles entdecken, was Ihr zu erfahren wünscht!«

Der Graf schaute ihr eine Minute mit forschendem Blick ins Gesicht; dann trat er näher an das Bett.

»Gebt mir die Lampe«, sagte er, und sie ihr aus der Hand nehmend, beugte er sich zu dem Toten nieder und betrachtete ihn aufmerksam, als wolle er sich jeden Zug auf ewig einprägen. Sich wieder zu seiner vollen Höhe aufrichtend, murmelte er vor sich hin: »Ich habe dies Gesicht schon gesehen, obgleich ich nicht sagen kann, wo. Aber die Erinnerung wird mir wiederkommen. - Wer hat ihn hierhergebracht, um da zu sterben?«

»Die ihn von hier wegführten, um zu morden.«

»Hattest du ihn schon vorher gesehen?«

»Zweimal.«

»Horch! Da ertönt die Nachtglocke«, unterbrach der Graf seine Erkundigungen. »Ich muß fort!«

»Bleibt, bis der Priester kommt!« rief Kate lebhaft. »Er wird bald dasein.«

»Ich kann nicht«, wehrte Alured de Ashby ab. »Man erwartet mich gerade jetzt im Schloß. Aber fürchte nicht, daß ich diese Angelegenheit vergessen werde. Ich will die Wahrheit herausbringen, ruhig, kaltblütig und vorsichtig.«

»So geht denn!« sagte Kate. »Sagt mir nur noch... Aber nein, Ihr könnt ja nicht im Traum daran denken! Ihr habt doch nicht im Sinn, mit den Waffen in der Hand einem unschuldigen, untadeligen Mann entgegenzutreten auf eine falsche, ruchlose Anklage hin? Versprecht es mir!«

»Ich kann kein Versprechen leisten!« erwiderte Alured gequält.

»Dann fordere ich von Euch: Händigt dies Papier dem Prinzen Edward aus, volle zwölf Stunden, bevor Ihr Euch auf den Kampfplatz begebt. Dies müßt Ihr mir versprechen, oder ich selbst gehe und werfe mich...«

»Ich habe kein Recht, das zu verweigern«, unterbrach Alured sie. »Bei meiner Ehre als Ritter, der Prinz soll das Papier haben. Seid Ihr bereit, zu beweisen, daß es echt ist?«

»Ich bin dazu bereit. Wenn sie aber inzwischen den Leichnam wegbringen wollen?«

»Laßt sie nur; sie sollen bewacht werden!« Damit verließ er das Zimmer, stieg langsam die Treppe hinunter, und Kate Greenly leuchtete ihm hinab. Er ging in trübem Nachdenken, mit einem Herzen voll Düsterheit und Beklemmung. Aber er fühlte plötzlich eine weichere Regung in sich aufsteigen, und als er die Haustür erreicht hatte, wandte er sich um, ergriff die Hand der unglücklichen Kate und sagte: »Armes Mädchen, es tut mir leid um dich! Kann ich nichts tun, dich zu retten?«

»Nichts, mein Lord!« antwortete Kate Greenly ruhig und fest.

Загрузка...