I

ALS ENGLAND noch eine ackerbautreibende Nation war, als noch der Pflug einer reichlichen Ernte vorarbeitete und eine dünngesäte, aber tüchtige und großherzige Bauernschaft sich ausschließlich dem Anbau des Bodens widmete, als noch in weitgedehnten Forsten das Lager des Rehs und die Grube des Kaninchens zu finden waren - zu jener Zeit stand in einer Ortschaft, etwa vierzehn Meilen von Pontefrakt entfernt, eine hübsche kleine Herberge, allen Reisenden auf jener Straße wohlbekannt als ein behaglicher Rastort.

Das Haus war von Holz und hatte nur zwei Stockwerke, aber es war mit vielfältigen Schnitz- und Skulpturarbeiten geschmückt und schien ursprünglich für andere Zwecke erbaut worden zu sein; aber viele Veränderungen hatten gerade in jener Gegend des Landes stattgefunden bis zu den Tagen, in welchen unsere Erzählung spielt.

Wer das Haus genauer in Augenschein nahm, konnte sehen, daß es vor dem Jahre 1180 errichtet sein mußte; denn in der Art der Fenster und in der Linie verschiedener Balken, die an der Vorderseite hinliefen, sprach sich unverkennbar die Tatsache aus, daß zur Zeit seiner Erbauung der Gebrauch von Glasfenstern in Privathäusern noch nicht bekannt war. Um 1200 aber hatte man schon reichlich Glas in England, und obgleich ländliche Häuser selten den Schmuck von Scheiben besaßen, entbehrte doch kein Haus von der Würde eines Gasthofes, wo Reisende bei regnerischem und ungestümem Wetter eine Unterkunft suchten, der Glasfenster, die damals aus vielen kleinen rautenförmigen Glasstücken zusammengesetzt waren.




Der Gasthof machte bei hellem wie bei schlechtem Wetter einen heiteren Eindruck. Das obere Stockwerk des Hauses ragte über das untere hervor und bildete so eine Art Säulengang, in dem zwei lange Bänke standen, die sowohl vor der Hitze des Sommers als auch vor dem Regen des Herbstes und des Frühlings schützten.

Vor der Tür des Gasthauses breitete sich einer jener angenehmen offenen Plätze aus, wie man sie damals gewöhnlich in jedem Landstädtchen und Dorf Englands antraf. Dort wurden die Spiele und Belustigungen des Orts abgehalten, dorthin brachte der Jockei sein Pferd zum Verkauf und ritt es zur Probe, dort kam mancher Ringer zu Fall, und manches Mädchen wurde dort umworben und gewonnen.

Dieser grüne Platz hatte alles, was zu seinem Rang und Beruf gehört: einen glatten, trockenen Weg für Pferde, zwei Fußpfade, die sich in der Mitte kreuzten, und eine Gruppe von hohen Ulmen auf der Südseite. Er hatte einen Teich, der von einer Quelle genährt und frisch erhalten wurde, und eine Allee von Bäumen nach der Kirche zu. Der Boden war wellig, so daß die jungen Leute bei ihren lustigen Begegnungen die Möglichkeit hatten, den Eltern ein paar Minuten aus dem Gesicht zu kommen, und das Ganze war mit jenem kurzen, trocknen Rasen bedeckt, wie man ihn nur auf einem gesunden Sandboden findet.

An einem Frühlingsabend - der größte Teil der Reisenden, die auf eine Stunde in dem Gasthof von Barnesdale eingekehrt waren, hatten sich wieder auf den Weg gemacht, um noch vor Einbruch der Nacht unter ihrem eigenen Dach zur Ruhe zu kommen - saß in dem niedern Wirtszimmer noch ein Mann in der Tracht eines Landbewohners, einen großen, schwarzen, ledernen Krug vor sich und ein paar Hornbecher daneben. Ein Stück braunes, auf der heißen Asche geröstetes Brot, das er von Zeit zu Zeit in seinen Becher tauchte, war die einzige feste Nahrung, die er zu sich nahm, und es war vermutlich nicht ratsam für ihn, kostbarere Speisen zu verlangen, wenigstens nach seiner Kleidung zu urteilen. Obgleich sie nicht sehr alt schien, war sie doch von der ärmlichsten und einfachsten Art: eine grobe, schmutziggraue Jacke von rauhem Tuch, lederne Beinkleider und Holzschuhe.

Aber der Anzug des Landmannes war nicht das einzige, was an seiner Erscheinung auffiel. Seine Gestalt hatte jene Eigentümlichkeit, die man in der Regel nicht als eine Vollkommenheit ansieht, eine Art übermächtiger Anmaßung des Nackens, den Kopf hinunterzudrücken, die ihm ein augenfälliges Recht auf den Namen eines Buckligen gab.

Andererseits war er ein nicht übel aussehender Mann: Seine Beine waren kräftig und wohlgeformt, seine Arme derb und lang, seine Brust ausnehmend breit für eine verwachsene Gestalt und seine grauen Augen groß, klar und funkelnd. Seine Nase war etwas lang und spitz, aber in seinen Mundwinkeln und unter seinen Augenlidern lag viel Schalkheit und schlaue Lustigkeit. Den Bart hatte er glatt geschoren wie ein Priester, seine sehr hervorstehenden Brauen und sein Haar, das in drei oder vier Locken über seine sonnverbrannte Stirn hing, waren beinahe schon weiß.

Behäbig saß der Bauer an dem Tisch, sein Brot in den Becher tunkend und von Zeit zu Zeit mit einem Auge in den Krug schauend, als wollte er sich vergewissern, wieviel noch drinnen sei. Er rührte sich kaum auf seinem Sitz und wandte nicht einmal den Kopf vom Fenster, obgleich ein hübsches Mädchen von etwa achtzehn Jahren sich öfter verstohlen nach ihm umsah.

Als sich jedoch plötzlich das Geräusch eines trabenden Pferdes vernehmen ließ, rief der Bauer lebhaft: »Da, Kate, Ihr lustige Mischung von Weib und Schlange, nehmt den Krug weg; sie kommen jetzt. Fort damit, gutes Mädchen! Sie dürfen mich nicht dabei antreffen, daß ich teuren Bordeauxwein trinke. Gebt mir eine Kanne Ale, Mädchen. - Wie riecht es im Zimmer?«

»Wie in der Zelle eines Mönchs, Mr. Hardy«, sagte das Mädchen, indem sie lachend den schwarzen Krug wegnahm. »Nach wohlgegorenem Traubensaft und einem Stück gerösteten Brotes.«

»Pack dich fort, Hexe!« schrie der Bauer. »Was weißt du von Mönchszellen? Nur allzuviel, fürchte ich. Bring das Ale, sage ich, und schütte ein paar Tropfen davon auf den Boden, um dem Zimmer einen anderen Geruch zu geben.«

Das Mädchen lief fort und kehrte nach einer Minute zurück, das verlangte Ale in der Hand.

»Gieße davon aus - verschütte etwas!« rief Hardy. Aber da es schien, als halte sie ein solches Beginnen mit einem guten Getränk für Sünde, war der Bauer genötigt, es selbst zu tun. Er entriß ihr die Kanne und schwappte einen gehörigen Teil des Inhalts über Tisch und Fußboden.


In diesem Augenblick verstummte das Stampfen von Rossehufen, das man gehört hatte, und laute Rufe nach Bedienung riefen das Mädchen ab. Hardy nahm seinen Platz wieder ein, setzte die Kanne Ale an seinen Mund und schien es nicht übelschmeckend zu finden, trotz des Bordeauxweins, der vorangegangen war. Zugleich jedoch ging in seinem Äußern eine beträchtliche Veränderung vor. Sein Nacken wurde gekrümmter, seine Schultern zogen sich noch mehr nach vorn. Er machte zudem die Knöpfe hinten an seinem Wams auf, so daß es etwas zu weit für seine Gestalt schien; auch zog er die Haare mehr über die Stirn, ließ seine Wangen einfallen, und durch diese und andere kleine Kunstgriffe wußte er sich das Aussehen eines volle fünfzehn Jahre älteren Mannes zu geben, als er eine Minute vorher geschienen hatte.

Inzwischen hatte vor der Tür des Gasthofes all das Lärmen und Treiben geherrscht, das gewöhnlich den Empfang eines Gastes in jenen Zeiten begleitete, wo die Wirte einem ankommenden Kunden nicht genug Ehre und Respekt bezeigen konnten und ihre Glückwünsche mit Scheltworten an Pferdebuben und vielfältigen lauten Anweisungen an Kammeraufwärter und Mägde vermischten.

Endlich führte der Wirt einen stattlichen, gut aussehenden Mann von etwa dreißig bis fünfunddreißig Jahren herein. Er war unverkennbar der Lieblingsdiener irgendeines vornehmen Mannes und von recht derber, freimütiger Art; etwas wichtigtuerisch vielleicht, aber gutmütig und munter.

»Nicht gekommen«, sagte er im Eintreten, über die Schulter weg zu dem Wirt sprechend, »nicht gekommen! Das ist doch sehr sonderbar! Ich ward doch über eine halbe Stunde aufgehalten in Barnsley Green, um Richter bei einem Ringkampf zu sein. So fürchtete ich, sie würden vor mir hier sein. Nun, gebt uns einen Becher gutes Getränk, um die Zeit zu verplaudern; ich darf nicht sagen, gebt uns vom Besten - denn das Beste ist für meinen Herrn -, aber ich sehe nicht ein, warum nicht das Zweitbeste für meines Herrn Mann sein sollte. So schafft es uns schnell herbei, ehe die Leute kommen, und bewährt Eure Einsicht in die Güte der Sorte!«

Der von ihm geforderte Wein war bald gebracht, auf den Tisch gesetzt, woran der Bauer Hardy saß, und der Dienstmann des Lords, Blawket mit Namen, nahm auf der andern Seite Platz und betrachtete einen Augenblick seinen Tischgenossen, während der Wirt dabeistand, seine Blicke auf das Gesicht des neuen Gastes heftend, um darin die Billigung seines Weines zu lesen. Blawket war nicht saumselig, die Güte des Getränkes zu erproben; er hob die Kanne an den Mund, nahm einen guten Zug, atmete tief auf, trank wieder Und nickte dann dem Wirt mit einer Miene zu, die seine Zufriedenheit ausdrückte.

Nach einigen Worten zwischen dem Wirt und dem Gast, woran der Bauer keinen Anteil nahm, sondern mit der Miene eines Mannes dasaß, der ebenso ermüdet wie schwächlich ist, begab sich der Wirt zu seinen Geschäften, und der Dienstmann, seine Blicke eine kleine Weile auf seinen Tischgenossen heftend, fragte mit freundlichem, aber gönnerhaftem Tone:

»Was habt Ihr denn da, Bauersmann? Dünnes Ale, nicht wahr? Kommt, nehmt einen Becher von etwas Besserem, Euch aufzuheitern. Schlechte Zeiten, wie? Ja, es ist mir auf Erden noch kein Hacke- und Spatenmann vorgekommen, der nicht etwas auszusetzen fände an Gottes Jahreszeiten. Da, trinkt das! Es wird Euch Euern Weizen zehnmal grüner erscheinen lassen! Wäre ich ein Pflüger, ich wollte meine Felder mit solchen Güssen bewässern, tagtäglich in die eigene Kehle geleitet. Dann gäbe es kein Murren über schlechte Ähren.«



»Ich murre nicht«, antwortete der Bucklige, indem er das Horn nahm und es langsam schlürfend leerte. »Meine Ähren werden grün und voll. Wenig Mühe nur kostet mich der Anbau meines Landes, und doch bekomme ich eine fette Ernte. Und überdies, mit Verlaub, guter Herr, und ohne Beleidigung gesprochen, ich will doch lieber mir selbst und dem Himmel als irgendeinem andern Menschen angehören.«

»Schwerlich, wenn Ihr einen so guten Herrn hättet, wie ich einen habe«, versetzte der Dienstmann, der dennoch ein wenig errötete. »Man ist in seinem Hause so frei wie auf dem freien Platz von Salisbury; es ist eine Lust, seine Befehle zu vollziehen. Er ist auch ein Freund des Bauern und des Bürgers und des guten de Montfort. Er ist kein ausländischer Günstling, sondern ein echter Engländer.«

»Auf seine Gesundheit denn!« sagte Hardy. »Befindet sich Euer Lord eben in der Gegend?«

»Jawohl«, versetzte Blawket, »in Doncaster, und ich bin hier, um einige Herren zu treffen, welche diesen Weg nach York reiten sollen, und ihnen zu sagen, daß ihre Versammlung dort nicht ganz sicher sein dürfte, so daß sie einen andern Ort festsetzen müssen.«

»Ho, ho!« sagte der Bauer. »Ein neuer Aufstand gegen die Fremden um den Weg? Nun, nieder mit ihnen, sag' ich, und hinauf mit den englischen Yeomen. - Aber wer kommt da? Es sind von denen, die Ihr sucht, ich will darauf wetten. - Laßt uns ihre Gesichter besehen.« Er schaute durch eine der kleinen rautenförmigen Glasplatten am Fenster, indes der Dienstmann seinem Beispiel folgte und einige eben angekommene Beisende in Augenschein nahm, bevor sie in das allgemeine Empfangszimmer geführt wurden.

»Kennt Ihr den?« fragte der Bauer. »Ich meine, ich habe dies dunkle Gesicht da unten früher schon gesehen.«

»Ja, ich kenne ihn«, antwortete Blawket. »Er ist ein Vetter des Grafen von Ashby, den aufzusuchen ich hauptsächlich hierherkam. Er ist ein schöner Gentleman und wohlredend, obwohl etwas schwarz um das Maul.«

»Wenn sein Herz so schwarz ist wie sein Gesicht«, sagte der Bauer, »so würde ich an Eurer Stelle das, was ich zu sagen hätte, lieber für das Ohr des Grafen aufsparen, als es ihm mitteilen.«

»Ha, meint Ihr?« fragte der Dienstmann. »Mir scheint, Ihr wißt mehr von ihm, Freund Pflüger.«

»Nicht viel«, versetzte der andere, »und was ich weiß, ist nichts sonderlich Gutes, und so muß man wohl vorsichtig sein, es wiederzusagen.«

»Was hält ihn denn so lang auf, das bin ich neugierig zu wissen?« sagte der Dienstmann, nachdem er zum Tisch zurückgekehrt war und noch etwas von seinem Wein geschlürft hatte.

»Er spaßt draußen, darauf will ich schwören«, sagte der Bauer, »mit der hübschen Kate, des Wirts Tochter. Er täte gut, dafür zu sorgen, daß der junge Harland, des reichen Freisassen Sohn, ihn nicht sieht, sonst dürften sein Schädel und ein tüchtiger Knüttelstock genauere Bekanntschaft miteinander machen. Es wäre beinahe so gekommen vor drei Monaten, als er das letztemal hier war.«

Kurz darauf ging die Tür auf, und herein trat ein mittelgroßer Mann, dessen Schlankheit keineswegs Schwäche, sondern vielmehr rüstige Sehnenkraft zu verraten schien. Sein Anzug bestand in einem Rock von kastanienbrauner Farbe, Reitstiefeln und räderlosen Sporen. Über dem engen Rock, der halb über die Schenkel reichte, trug er einen weiten braungelben Waffenrock und darüber wieder einen grünen Mantel, den er jetzt über die Schultern zurückgeworfen hatte. Stein Auftreten war unbefangen und sicher, aber sein Auge schweifte mit einem hastigen und verstohlenen Blick umher und gab ihm ein verschlagenes und lauerndes Aussehen. Sein Gesicht war unstreitig hübsch, obwohl etwas fahl, sein Bart kurz und schwarz und sein Haar auffallend glänzend wie das einer Frau. Es war augenscheinlich, daß er seinem Anzug nicht geringe Sorgfalt widmete. Die gestickten Schnäbel seiner Schuhe waren entsetzlich lang und mit einer kleinen goldenen Spange an seine Knie geheftet, auch sein kostbarer Mantel war reich mit Figuren bestickt. Doch war die Kleiderpracht des Zeitalters so groß, daß man seinen Anzug nicht vergleichen konnte mit denen der meisten Männer seines Ranges; denn seine Einkünfte waren viel zu beschränkt, um ihm zu erlauben, seiner Vorliebe für prächtige Kleidung nachzuhängen.

Der Dienstmann hatte sich bei seinem Eintritt erhoben und trat ihm mit einer tiefen Verbeugung entgegen.

Der Vetter des Grafen jedoch kannte entweder den sich ihm Nähernden nicht oder stellte sich so an, und Blawket sah sich genötigt, Erklärungen darüber zu geben, wer er sei und was seine Botschaft betreffe.

»So?« sagte Richard de Ashby. »Gefahr in York, wirklich? Dann hat uns der gute Lord Monthermer, Euer Gebieter, umsonst hierhergesprengt, wie es scheint. Ich weiß nicht, wie mein Vetter Alured, der Graf von Ashby, dies aufnehmen wird; denn er liebt es nicht, Reisen zu machen, um sich dann getäuscht zu sehen.«

»Mein Lord hat nicht die Absicht, den Grafen zu täuschen«, versetzte der Dienstmann. »Er will die Zusammenkunft im Laufe des morgigen Tages irgendwo mit ihm halten.«

»Wißt Ihr nicht, wo?« fragte der Edelmann, und als Blawket einen mißtrauischen Blick auf den Bauern richtete, fuhr der andere fort: »Kommt mit mir auf den grünen Platz, wo keine müßigen Ohren uns belauschen können.«

Wenn diese Worte ein Wink für den Buckligen sein sollten, das Zimmer zu verlassen, so ging dieser Wink verloren; denn Hardy blieb wie angenagelt am Tisch sitzen, langte von Zeit zu Zeit nach seinem Krug Ale und sah mehr als einmal nach der Tür, nachdem Sir Richard und des Lords Dienstmann das Zimmer verlassen hatten. Ihre Besprechung dauerte lange, und inzwischen traten zwei Diener Richard de Ashbys in das Gastzimmer und näherten sich dem Tisch, an dem der Bauer saß.

»Holla, was hast du denn da, Bauernlümmel?« schrie einer von ihnen. »Wein für einen solchen Kerl, wie du bist?« Mit diesen Worten hob er die Kanne empor, aus welcher der Dienstmann getrunken hatte.

»Die ist weder mein noch dein«, versetzte Hardy, »und so tätest du wohl am besten, sie stehenzulassen.«

»Ei, ei!« rief der Diener; »zurechtgewiesen von einem buckligen Bauern! Wenn es nicht dein Sach' ist, Gesell, so halt dein Maul; denn dann geht es dich nichts an! Ich werde mir aber erlauben, damit nach meinem Belieben zu schalten«, und damit schenkte er einen Becher ein und goß ihn hinunter.

»Ihr müßt ein armer Schelm sein«, sagte der Bauer, »daß Ihr so darauf erpicht seid, auf andrer Leute Kosten zu trinken, ohne wenigstens mit einem höflichen Wort Euern Trunk zu bezahlen.«

»Was sagt er da?« schrie der Mann, zu seinem Begleiter sich wendend - denn obgleich er wohl verstanden hatte, war er doch nicht recht vorbereitet zu handeln, da er zu denen gehörte, die bereitwilliger sind, zu zechen und zu schimpfen als einen wirklichen Kampf aufzunehmen. »Was sagt er da?«

»Er nannte dich einen armen Schelm, Timotheus«, sagte sein Gefährte. »Wirf ihn oberst zuunterst hinaus, den mißgeschaffenen Lumpl«

»Hinaus mit ihm!« schrie der andere, als er seinen Kameraden bereit sah, ihm beizustehen, »hinaus mit ihm!« und trat drohend dem Bauern näher.

»Bleibt mir vom Leibe!« sagte Hardy, den Kopf schüttelnd. »Ich bin ein alter Mann und nicht so wohlgewachsen wie ihr zwei Knappen. Aber ich dulde keinen Schlag von den halbverhungerten Kötern irgendeines armen Vetters! - "Nehmt euch in acht, meine Freunde!« Und als einer von ihnen sich ihm etwas zu sehr näherte, versetzte er ihm, ohne von seinem Sitz aufzustehen, einen Schlag, der ihn seine Länge an den Binsen messen machte, womit der Boden bestreut war. Zugleich rief er mit kläglicher Stimme: »Wer sollte denken, daß zwei gewaltige Burschen einen armen, mißgestalteten Mann anfallen würden?«

Es traf sich, daß derjenige, den der Bauer zu Boden geschlagen hatte, der Mutigere von den beiden war, und sich wieder aufraffend, stürmte er heftig auf seinen Gegner ein. Dies erspähte der andere, fuhr im selben Augenblick auf Hardy los und trat ihm den Stuhl unter dem Leib weg, so daß der Bucklige und sein Kamerad miteinander zu Boden stürzten. Dann packte er seinen Feind beim Kragen und drückte ihm den Kopf mit beiden Händen fest auf den Boden.

»Prügle ihn durch, Dickon, prügle ihn durch!« schrie er.

»Ich will ihm ein Bad in der Roßschwemme geben«, sagte der andere keuchend. »Seine Nase wird das Wasser zischen machen wie ein rotglühendes Hufeisen.«

In diesem Augenblick jedoch zog der durch solch ungestüme Vorgänge verursachte Lärm die hübsche Wirtstochter Kate Greenly herbei, die, obwohl sie große Achtung und Rücksicht für alle Diener Richard de Ashbys hatte, doch den armen Hardy nicht gern mißhandelt sehen mochte. Sie sah sich rasch um, ergriff dann einen Kübel voll Wasser, der hinter der Tür des Wirtszimmers stand, und goß den ganzen Inhalt desselben über die Kämpfer aus, die ringend auf dem Boden lagen.

Alle drei sprangen schnappend und keuchend auf; aber der Gewinn war unstreitig auf Hardys Seite, der, befreit von den Griffen seiner Gegner, den dreibeinigen Stuhl faßte und ihn leicht über seinem Kopfe schwang, um sich damit zu verteidigen, während die Angreifer die kurzen Schwerter zogen und mit den erbarmungslosesten Absichten auf den alten Bauern losstürmten.

Kate Greenly kreischte jetzt laut auf, wobei sie ihren hübschen kleinen Hals aufs äußerste anstrengte, und ihr Geschrei zog bald Blawket, den Dienstmann des Lords, herbei, dem langsam auch Richard de Ashby folgte. Der gute Wirt selbst, der es sich, sowohl aus Rücksicht für seine eigene Person als auch für die Kundschaft seines Hauses, zum Gesetz gemacht hatte, sich nie in Händel zu mischen, hielt sich aus dem Weg und begab sich sogar in den Stall unter dem Vorwand, nach den Pferden seiner Gäste zu sehen.

Blawket jedoch, ganz im Geist eines echten englischen Yeoman, stürzte sich sogleich in den Kampf und nahm sofort für den Schwächeren Partei.

»Kommt!«, rief er, sich auf Hardys Seite stellend. »Zwei gegen einen - und dazu gegen einen alten Mann! Pfui darüber! Zurück, oder ich zerschlage euch die Kinnbacken!«

Diese Verstärkung auf der Seite des Gegners machte die beiden Diener Richard de Ashbys unsicher, und eine augenblickliche Pause trat ein, in der sich endlich ihres Gebieters Stimme vernehmen ließ.

»Was, Händel anfangen, ihr Narren!« rief er. »Wir haben jetzt an anderes zu denken. Zurück, und laßt den alten Mann gehen. -Macht Ihr Euch fort, Pflüger, und laßt Euch nicht wieder darüber betreffen, daß Ihr mit eines Edelmanns Dienern hadert, oder ich will Euch dafür in den Stock legen lassen!«

»Ich zerschmettere ihm den Schädel, ehe er aus dem Hause ist«, sagte einer der Männer, der den Befehlen Richard de Ashbys wenig Achtung zu zollen schien.

»Und ich dir den deinigen, wenn du es versuchst«, versetzte Blawket drohend. »Komm fort, Alter! Ich will dich ungefährdet aus dem Hause geleiten.«

Mit diesen Worten faßte er Hardy beim Arm, führte ihn aus dem Gasthaus und murmelte dabei vor sich hin: »Beim Schulterbein des heiligen Lukas, der alte Kerl ist kräftig genug, um sich selbst verteidigen zu können! Sein Arm ist so dick wie die Keule eines Ebers und so hart wie ein Eichenast. - Wie geht es dir, Gesell?«

»Steif - wund und steif, Freund«, antwortete der Bucklige. »Aber ich danke Euch von ganzem Herzen, daß Ihr Euch meiner angenommen habt, und ich möchte Euch gern einen Becher gutes Ale dafür geben, solches, wie Ihr es außerhalb Londons nie gekostet habt. - Wenn Ihr es nur einrichten könntet, morgen früh in meine arme Wohnung zu kommen«, fuhr er fort, seine Stimme zu einem Flüstern senkend. »Ich könnte Euch ländliche Spiele und Kurzweil zeigen, die Euch Freude machen würden, da Ihr in solchen Dingen ein Kenner seid.«

»Das müßte in recht frühen Stunden sein«, erwiderte Blawket. »Die heute nacht nicht kommen, werden zwar auch morgen nicht vor Mittag hier sein, das ist wahr, aber doch, glaube ich, täte ich besser, sie zu erwarten.«

»Nein, nein - kommt!« sagte Hardy rasch. »Kommt und trinkt einen Becher Ale mit mir.« Und nach einer Pause fügte er mit bedeutungsvoller Miene hinzu: »Überdies möchte ich Euch auch etwas mitteilen, was Eurem Lord nützlich sein dürfte.«

»Aber wie soll ich den Weg finden?« fragte der Dienstmann, ihm forschend ins Gesicht schauend, doch ohne einen Ausdruck von Überraschung über die Andeutung, die der andere gemacht hatte.

»Oh, ich werde ihn Euch zeigen!« antwortete der Bauer. »Trefft mich an dem Kirchensteig dort, und ich will Euch führen. Findet Euch ein wenig vor sechs Uhr ein. Ihr werdet mich schon dort treffen. Gebt mir die Hand darauf!«

Der Dienstmann streckte ihm die Hand hin, und Hardy schüttelte sie mit einem Druck, wie ihn etwa eiserne Zangen geben mögen, beugte zugleich den Kopf vor und fügte leise hinzu:

»Seht wohl zu, was Ihr tut, Ihr habt einen Verräter hier! Einer von den Männern dort ist ein Dummkopf, und der andere ist ein falscher Hund, hierhergekommen, um rechtschaffene und treue Leute auszuspionieren!«

Mit diesen Worten ließ er die Hand des andern los und war bald im Zwielicht des Abends verschwunden.

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