James Patrick Kelly Fluchtwege



Morris Knox wischte den Boden der Toilette, als er vom nahen Aufzugsschacht das Knarren eiserner Stränge vernahm. Zunächst schenkte der alte Mann diesem Geräusch überhaupt keine Beachtung. In Gedanken weilte er längst nicht mehr im antiseptischen Waschraum.

Er zuckte jedoch zusammen, als er das leise Läuten aus dem Foyer hörte. Erschrocken warf er einen Blick auf die Uhr und eilte dann der Besucherin entgegen: Madeline, die Instandhaltungs-Aufseherin für diese Einheit. Sie lehnte an der Tür des Lifts, und während sie ihn beobachtete, zeigte sich jene Ungeduld in ihren Zügen, die Mütter zu langsamen Kindern entgegenbringen. Knox kannte diesen Ausdruck bereits und verabscheute ihn. Er war zweiunddreißig Jahre älter als Madeline Bianchi.

»Sie sind noch immer hier?«

»Ich bin fertig«, sagte er.

»Beeilen Sie sich, Knox! Sie beeinträchtigen das Arbeitsergebnis unserer Einheit.«

Er zuckte die Achseln.

»Ich übergebe Mildred die sechsundzwanzig«, meinte Madeline und hatte es offenbar satt. »Kommen Sie in mein Büro, wenn Sie hier fertig sind.« Sie betrat die Aufzugskabine, und hinter ihr schloß sich die Tür.

»Ich bin fertig«, versicherte Knox dem stummen Stahl. Er schüttelte den Kopf und kehrte in den Waschraum zurück.

Morris Knox war ein kleiner und drahtiger Mann, der gerade erst den Wettlauf mit der Zeit verloren hatte. Er bewegte sich noch immer mit einem Rest der alten und nervösen Energie, die ihn einst ausgezeichnet hatte, humpelte jedoch leicht aufgrund der Beinprothese, die nicht perfekt angepaßt worden war. Seine Züge standen im Widerspruch zum oft zitternden Körper: Sie bildeten eine bewegungslose Maske, offenbarten nicht die geringste Regung.

Im Jahre 1985 hatte Knox & Co. von der Umweltschutzbehörde den Auftrag erhalten, die Jahrhunderttürme zu konzipieren. Es handelte sich dabei um den Prototyp einer Forschungsgemeinschaft, und Morris Knox ernannte sich selbst zum Projektarchitekten. Als er zusammen mit seiner Familie während der Krebs-Unruhen acht Jahre später in dem abgeschlossenen und autonomen Komplex Zuflucht suchte, wurde er zum ersten Instandhaltungs-Aufseher. Jetzt wurden seine Fähigkeiten, Entwürfe anzufertigen, nicht mehr gebraucht. In der letzten Zeit bestand sein Beitrag für die Gemeinschaft der Türme darin, Blumen zu begießen und dort Ordnung zu schaffen, wo sich Kinder und Jugendliche ausgetobt hatten.

Er schob den Reinigungswagen in den Lift und ließ sich zur zweiundzwanzigsten Etage hinabtragen. Dort verstaute er sein Arbeitszeug und wechselte die Kleidung.

Madelines Büro war einst seins gewesen, doch jetzt erkannte er es kaum wieder. An den kalkweißen Wänden hingen keine Bilder mehr, und der große Schreibtisch diente nicht mehr als Unterlage für ein Chaos aus Papieren und Dokumenten. Wie viele andere, die in den Türmen aufgewachsen waren, konnte Madeline Schmutz und Unordnung nicht ausstehen. Sie pflegte sich gewissenhaft: Ihr kastanienbraunes Haar war kurzgeschnitten, und sie erweckte ständig den Eindruck, als habe sie sich gerade das Gesicht gewaschen. Nicht einmal ihr Arbeitskombi wies irgendwelche Flecken auf. Das ärgerte Knox. Arbeit war schmutzig, meinte er, und somit gehörte es sich auch, daß Arbeiter schmutzig wurden. Aber Madeline hatte schon immer ausgezeichnete Leistungen vollbracht und gab jetzt auch eine gute Aufseherin ab. Insgeheim war Knox stolz auf ihre Fähigkeiten, denn schließlich hatte er sie ausgebildet.

Er nahm auf einem Stuhl Platz, und Madeline griff nach einem Speicherchip und schob ihn in den Computer. Kurz darauf begann der Drucker zu summen, und eine beschriftete Folie glitt aus dem Ausgabeschlitz. Madeline reichte sie ihm.

Es handelte sich um ein Memo von Roberts aus der Abteilung für Arbeitskraft-Verwaltung. Er lobte Knox wegen seiner langen und aufopferungsvollen Tätigkeit für die Gemeinschaft. Er teilte ihm mit, es sei unfair, daß ein Mann im Alter Knox’ – noch dazu jemand, der sich solche Verdienste erworben hatte – den ganzen Tag mit der Verrichtung primitiver Arbeiten verbringen müsse. Deshalb, so hieß es weiter, freue sich die Arbeitskraft-Verwaltung, seine Quote auf anderthalb Schichten zu reduzieren, auf vier Stunden pro Tag. Natürlich gehe damit eine Neueinstufung seines Status einher, denn immerhin verfüge er dadurch nicht mehr über das Minimum an Arbeitskrediten, das für eine private Kabine erforderlich sei. Aus diesem Grund wurde er höflich darum gebeten, seine Habe in das geriatrische Wohnheim zu bringen, zu einem Zeitpunkt, auf den er sich mit seiner Vorgesetzten einigen müsse.

Knox kannte einen Trick, um emotionalen Schmerz zu vermeiden. Er stellte sich in einer sicheren Zukunft vor, in der Begleitung von guten Freunden. Anschließend betrachtete er schwierige Augenblicke in der Gegenwart aus jener Perspektive, so als seien sie nur Erinnerungen, Anekdoten, die ihm das mitfühlende Lächeln seiner Begleiter einbrachten. Knox schloß die Augen, doch diesmal versuchte er vergeblich, jene Vision zu beschwören.

Er fürchtete sich vor dem geriatrischen Wohnheim. Er kannte viele Leute, die dort untergekommen waren und deren natürlicher Lebensrhythmus sich völlig verändert hatte. Die Betreffenden existierten nur noch für ihre jeweiligen Vergangenheiten, hatten die Zukunft aufgegeben. Morris Knox war noch nicht bereit, an den Tod zu denken. Er folgte noch immer dem Verlauf der Straße des Lebens, hielt weiterhin auf ein fernes Ziel zu – auch wenn er nicht wußte, worin das bestand.

Madeline sprach zu ihm. »…muß ich Ihnen eingestehen, daß ich es war, die um eine Reduzierung Ihrer Quote bat. Aber so etwas lag nicht in meiner Absicht. Man behandelt Sie ziemlich mies.«

»Danke.«

Sie biß sich auf die Lippe und errötete. »Ich mußte an die Einheit denken. In diesem Jahr bekam niemand von uns Bonuszeit. Wegen Ihnen. Sie wissen, daß das stimmt. Sie machen sich nichts vor. Als Sie noch meinen Platz einnahmen, haben Sie die gleiche verdammte Sache mit Jimmy Packer gemacht.«

»Und was wäre, wenn ich Arbeit in einer anderen Einheit bekomme?«

Madeline bedachte ihn mit einem mitleidigen Blick. »Als was denn?«

Knox stand auf und ging steifbeinig zur Tür.

»Es tut mir leid, Morris. Ich möchte Ihnen gern helfen. Ich … ich stehe in Ihrer Schuld. Aber Sie müssen sich mit gewissen Dingen abfinden.« Das war kein Befehl, sondern eine Bitte.

»Bis später.« Knox wandte sich von ihr ab und floh auf den Flur, schloß die Tür des Büros so vorsichtig und behutsam, als bestünde sie aus zerbrechlichem Porzellan.


In der einunddreißigsten Etage, kurz nach dem Beginn der ersten Schicht, begab sich Knox in das Büro Dr. Cheddi Jains. Jain runzelte die Stirn, als Knox an der kleinen Lesenische verharrte. Der dunkelhäutige Mann sprach fast überhastet, und obgleich er ein reines Oxford-Englisch benutzte, waren in seiner Stimme auch Hindi-Einflüsse zu vernehmen.

»Gestern abend wurde das Labor erneut nicht richtig gereinigt.«

»Ich hole es heute abend nach.«

Kurzes Schweigen folgte. Jain musterte den alten Mann gleichgültig.

»Die Verwaltung hat meine Arbeitsquote gekürzt. Ich brauche einen Ersatz für eine halbe Schicht.«

Jain schaltete den Rechner aus und rollte den Sessel zu Knox herum. Sein Oberlippenbart war so silbergrau wie Holzkohlenasche. Nachdenklich zupfte er daran.

»Setzen Sie sich. Warum sagen Sie mir das?«

»Wie ich hörte, suchen Sie Freiwillige. Für experimentelle Arbeit.«

»Sie wollen sich also zur Verfügung stellen. Für den Kredit einer halben Schicht?«

Knox nickte.

»Wie lautet der Zugangscode Ihrer Personaldatei?«

Knox nannte die einzelnen Ziffern, und Jain gab sie in sein Tischterminal ein.

»Verheiratet, Frau und Kind verstorben. Ja. Harvard, gut. Hmmmm …« Jain brummte vor sich hin, als er die Angaben der fünf Folien las, die das Leben Morris Knox’ in einigen wenigen Sätzen zusammenfaßten. »Sie haben … Augenblick, hier steht’s … das rechte Bein aufgrund von Knochenmarkkrebs verloren. Empfinden Sie noch immer Schmerzen?«

»Gelegentlich.«

»Sie könnten stärker werden. Und vielleicht sind Sie bereits zu alt – doch das läßt sich jetzt gleich feststellen. Mit einem einfachen Test. Wenn Sie ihn bestehen, nehme ich Sie auf. Zeitweise – für Freiwillige gibt es keine dauerhaften Anstellungen. Und wie ich bereits sagte: Das Experiment könnte sich als unangenehm für Sie erweisen. Aber ich darf Sie beruhigen: Direkte Gefahren bestehen nicht.«

Knox saß still und ruhig da und nahm alles schweigend hin.

»Sie sind also einverstanden. Prächtig.« Jain streckte die Hand aus, und Knox schüttelte sie. »Vielleicht sollte ich Ihnen noch einiges erklären. Wir haben hier einen Apparat, der jene Gehirnlappen stimuliert, die für memoriale Verarbeitung zuständig sind. Dadurch offenbaren sich Ihrem Bewußtsein eidetische Erinnerungsbilder. Penfield war der erste, der diese Technik anwandte, in den fünfziger Jahren. Wir wissen also ziemlich genau, mit welchen Ergebnissen wir rechnen können. Im Verlaufe des Experiments werden Sie das Gefühl bekommen, bestimmte Ereignisse Ihrer Vergangenheit erneut zu erleben. Gleichzeitig aber sind Sie sich der Gegenwart und Ihres Platzes darin bewußt. Während der Verbindung mit dem Apparat beantworten Sie meine Fragen. Das ist ein sehr wichtiger Punkt. Es ist möglich, daß Sie nachher über Kopfschmerzen klagen. Wir geben Ihnen ein Mittel dagegen. Haben Sie alles verstanden?«

Knox nickte.

»Dann kommen Sie bitte mit.«

Jain entriegelte eine Tür mit der Aufschrift ›Psychobiologie‹, und Knox nahm in einem Sessel Platz, der ein Teil der Computerbank des Laboratoriums war. Anschließend befestigte Dr. Cheddi Jain einige Elektroden an der Stirn und den Handgelenken des alten Mannes.

»Wollen Sie gleich beginnen?« fragte Knox unruhig.

Jains Hände waren kühl und bewegten sich geschickt. Er machte weiter, ohne die Frage Knox’ zu beantworten.

»Ich habe heute morgen noch einige Dinge zu erledigen.«

Jain beendete die Vorbereitungen und schaltete den Computer ein. Er wandte Knox den Rücken zu, und als er sprach, schienen seine Worte den Monitoren und Anzeigetafeln zu gelten.

»Dies ist der Test. Die erste Freiwillige verlor bereits das Bewußtsein, nachdem sie nur wenige Sekunden mit dem Apparat verbunden war. Die zweite erlebte ihre Erinnerungen so intensiv, daß sie meine Fragen ignorierte. Wenn Sie eine dieser beiden Reaktionen zeigen, kann ich Sie nicht gebrauchen. Verstanden?« Er kehrte an die Seite Knox’ zurück, um die Elektroden noch einmal zu überprüfen. »Alles klar? Ich beschere Ihnen einen ganz kurzen Ausflug in Ihre Vergangenheit.«

Knox war so müde, daß das Gefühl in ihm entstand, als schmerzten seine Knochen. Er hatte gerade vier ganze Schichten damit verbracht, Reparaturarbeiten an den Aufzügen von Turm I zu leiten. Seit fast zwei Tagen schlief er nicht mehr. Als er in die Separatnische trat, spürte er, was passiert war. Martha lag auf dem Bett, ihm den Rücken zugewandt. Sie schluchzte, nur leise, und doch schien jenes kaum hörbare Klagen das ganze Zimmer zu erfüllen. Er kniete neben ihr nieder, strich ihr sanft übers Haar und hielt den Atem an.

»Knox! Wo sind Sie, Knox?«

Sie drehte sich um. Ihre Lippen zitterten, ohne einen Laut hervorzubringen.

»Ich bin in meiner Separatnische. Zusammen mit meiner Frau.«

Und schließlich platzte es aus ihr heraus: »Er ist tot, Moe. Er ist tot. Ben ist tot.«

Er fühlte sich wie betäubt und starrte auf die dunklen Flecken, die ihre Tränen auf dem Kissen bildeten.

»Was geschieht?«

»Ich bin bei meiner Frau.«

Knox spürte, wie ätzende Eiseskälte in seinem Innern entstand. Sein Sohn – tot. Er war nicht rechtzeitig zur Stelle gewesen.

»Sag etwas, Moe. Erklär mir alles. Erklär mir, warum er sterben mußte.«

»Knox!«

»Meine Frau weint. Er ist totder Junge ist tot. Deshalb weint sie. Lassen Sie uns in Ruhe.«

»O mein Gott, was soll ich nur machen? Es hätte nicht … nicht ausgerechnet ihn … treffen dürfen. Ben!« Er hielt seine Frau umschlungen und spürte, wie sie immer wieder in Schüben des Kummers erzitterte. Er wollte sie irgendwie trösten, fürchtete jedoch …

»Und schon sind Sie wieder zurück«, sagte Jain. »Es ist vorbei. Sie sind sicher verwirrt. Lassen Sie sich Zeit dabei, sich neu zu orientieren.«

Irgendwo juckte es ihm im Gesicht. Knox kratzte sich, und als er die Hand sinken ließ, waren die Knöchel feucht. Damals vergoß ich keine Tränen, dachte er verbittert. Hatte keine Zeit dazu.

»Wirklich schade«, sagte Jain, als er die Elektroden löste, »daß Ihre erste Erfahrung mit dem Apparat unangenehmer Natur war. Wir hoffen, den Freiwilligen bald dazu verhelfen zu können, die einzelnen Erinnerungssequenzen zu selektieren und zu kontrollieren.«

Kaum war die letzte Elektrode abgenommen, sprang Knox aus dem Sessel. Alles um ihn herum begann sich rasend schnell zu drehen. Nur das, was er eben vor seinem inneren Auge gesehen hatte, war real. Jain hielt ihn fest und half ihm dabei, erneut Platz zu nehmen.

»Ruhen Sie sich aus. Die Nachwirkungen sind stärker, als Sie vielleicht glauben. Unterhalten wir uns, bis Sie sich wieder besser fühlen. An was haben Sie sich erinnert?«

»An den Tod … meines Sohnes. Und es war nicht nur eine Erinnerung, sondern die Wirklichkeit.« Knox zitterte. »Ich … ich kann jetzt nicht darüber sprechen.«

Jain lehnte sich an die Kante des Schreibtisches und zupfte an seinem Oberlippenbart. »Diese Arbeit hier ist sehr wichtig, sowohl für mich als auch die Türme. Wenn wir herausfinden, auf welche Weise Reminiszenzen gespeichert und anschließend erneut dem Bewußtsein zugänglich gemacht werden, so können wir das zurückgewinnen, was verlorenging. Es heißt, nach dem Abschluß des Krebs-Projektes seien wir dazu imstande, draußen zu überleben. Ihre Erinnerungen werden für diejenigen von großer Bedeutung sein, die die Türme verlassen. Aber ich mache Ihnen keine Vorwürfe, wenn Sie es jetzt für besser halten, sich nicht für die eigentlichen Experimente zur Verfügung zu stellen. Wenn Sie hingegen an Ihrer vorherigen Entscheidung festhalten, so werden sie mit weiteren bitteren Erlebnissen konfrontiert – das garantiere ich Ihnen.«

Der Psychologe lächelte mitfühlend. Im Vergleich mit dem eher schmalen Gesicht hielt Knox seine Zähne für zu groß. »Es ist das Heim, nicht wahr?« fragte Jain. »Ich weiß, daß Sie nicht wirklich freiwillig zu mir gekommen sind. Das war bei niemandem der Fall. Aber eigentlich sind die Heime gar nicht so übel. Wollen Sie ihren Entschluß noch einmal überdenken?«

Knox straffte seine Gestalt. Er zog ein Taschentuch hervor, putzte sich die Nase und wischte sich die Tränen aus den Augenwinkeln. Dann verwandelte sich sein Gesicht wieder in die starre Maske, die es zuvor gewesen war.


Als Knox Jain verließ, war die erste Schicht, seine Freiperiode, bereits zur Hälfte verstrichen. Normalerweise wäre er jetzt in seine Separatnische zurückgekehrt und hätte gelesen oder an seinem Zeichenbrett gearbeitet – einem Relikt aus glücklicheren Zeiten. Seit dem Tode Marthas beschäftigte er sich in seiner Freizeit damit, ebenso wundervolle wie nutzlose Gebäude zu entwerfen, um der Langeweile zu entrinnen. Doch inzwischen war die Nische nicht mehr die Oase des Friedens und der Besinnung wie einst. Trotzdem begab er sich in den ersten Turm. Er hatte die Mahlzeit zum Ende der letzten Schicht verpaßt, und obgleich er keinen Appetit verspürte, wünschte er sich einen Ort, an dem er allein sein konnte.

Er saß in einer Ecke der Mensa und stocherte in dem Salat herum, der ihm nicht schmeckte, als Madeline hereinkam. In dem fast völlig leeren Saal wurde sie sofort auf ihn aufmerksam und schlenderte an seinen Tisch heran.

»Ich habe nach Ihnen gesucht, Knox. Wir sollten uns über Ihren Umzug unterhalten.«

Knox stopfte sich ein Salatblatt in den Mund. Madeline setzte sich. Sie beobachteten sich schweigend, während er ruhig kaute.

»Kommen Sie schon, Knox. Spielen Sie nicht den Beleidigten.«

Er spießte ein zweites Salatblatt auf. Madeline hielt seinen Arm fest.

»Ich sagte doch, daß es mir leid tut.«

»Das stimmt, ja. Sie hatten Ihre Pflicht zu erfüllen.« Knox streifte ihre Hand ab.

»Außerdem«, meinte Madeline und verzog kurz das Gesicht, »ist es im Heim gar nicht so schlimm. Nachdem Sie mich verließen, bin ich runtergegangen und habe mit Torres gesprochen, dem Leiter. Er versicherte mir, Sie könnten dort einige Privilegien genießen, da Sie nach wie vor arbeiten. Er hat sogar einen Platz für Ihr Zeichenbrett gefunden.«

»Ich habe nicht die Absicht, ins Heim zu wechseln, Madeline.«

»Wie bitte? Es bleibt Ihnen doch gar keine Wahl.«

»Ich habe mich an Cheddi Jain gewandt, mich als Freiwilliger gemeldet.«

Madeline musterte ihn verblüfft. »Wieso denn? Sie wissen doch, was man sich so sagt.«

»Machen Sie sich keine Sorgen«, erwiderte Knox trocken. »Ich werde mit meiner Arbeit nicht in Verzug geraten.«

»Bestimmt nicht, da bin ich ganz sicher, Knox. Tut mir leid; ich wußte nicht, daß Sie das alles so ernst nehmen. Ich sollte jetzt wohl besser gehen.«

»Ja, das sollten Sie.«

Sie stand rasch auf, so als sei ihr der Stuhl plötzlich zu heiß geworden. »Sie sind ein undankbarer alter Kauz, wissen Sie das? Es ist mir egal, ob Sie mir Vorwürfe machen oder nicht. Warum sollte ich mich darum scheren? Und es kümmert mich auch nicht, wenn Sie verletzt werden oder überschnappen. Wenn das geschieht, schmeiße ich Sie sofort aus der Einheit. Klar? Das wollten Sie doch hören, oder?« Sie stieß den Stuhl so heftig an den Tisch zurück, daß der Synthosalat durch die Erschütterung vom Teller fiel. Das schmierige Durcheinander auf der Tischfläche machte die Frau noch zorniger, und ohne ein weiteres Wort marschierte sie davon.

Knox strich die Blätter mit der Hand aufs Tablett zurück, trug es zum Abfallvertilger und schob es durch den Schlitz. Inzwischen dauerte es nicht mehr lange bis zum Beginn der zweiten Schicht, dachte er, nachdem er einen Blick auf die Uhr geworfen hatte. Er beschloß, in seine Separatnische zurückzukehren, die dritte Schicht zu verschlafen und nicht über das Geschehene nachzudenken. Er war plötzlich sehr müde.


Während der ersten Phase des Experiments versuchte Jain, Knox darin zu unterweisen, die Erinnerungsreaktion selbst zu kontrollieren. Drei Monate lang saß der alte Mann jeden Tag stundenlang im Computersessel und kommentierte seine Reminiszenzen. Jedoch war er außerstande dazu, die eidetischen Illusionen aus eigener Kraft zu beschwören. Fakten, Streiflichter, einige vage Sinneseindrücke – mehr brachte er nicht zustande. Doch wenn Jain den Stimulator einschaltete, erstrahlte die Vergangenheit so hell wie die Mittagssonne, und dann glitt die Welt des Jahres 2014, das Laboratorium und die Türme, in den Dunst des Unwirklichen.

Er erlebte alles noch einmal …

… Die DeVeau-Schule wurde an einem kühlen Frühlingstag eingeweiht. Ein beharrlicher Nieselregen verwischte nach und nach die Spuren, die die Arbeiter im gefrorenem Schlamm hinterlassen hatten. Unruhe kam in die Menge der Würdenträger und Beamten, und alle drängten dem Eingang der Schule entgegen. Schließlich trat der letzte von ihnen ein, und sie alle hörten, wie Martin Carr, der Chef Knox’, die architektonische Struktur seinem eigenen Reputationskonto gutschrieb. Knox stand ein wenig abseits und bewunderte sein erstes Gebäude. Er berührte einen dunklen Fleck, der sich dort an einer Wand zeigte, wo der entsprechende Stein die Feuchtigkeit des Regens aufgenommen hatte. Er fühlte sich kalt und hart und rauh an – real und wirklich. In diesem Augenblick war das Gebäude keine unüberschaubare Planskizze mehr, sondern ein dauerhafter Teil der Welt. Der einjährige Bau reduzierte sich auf eine Sekunde in der Ewigkeit, und es erstaunte Knox festzustellen, daß seine Ideen und Vorstellungen konkreten Niederschlag in Stein und Beton gefunden hatten. Wo sich seiner Entscheidung gemäß eine Wand hätte befinden sollen, existierte auch eine. Ein Fenster in der Flanke dort droben? Ein Strich im Plan genügte – und schon war es da. Und wenn Carr nicht auf der lächerlichen Abdeckung der Belüftungsschlitze bestanden hätte, die nun wie Warzen aus der Decke ragten, so wäre dieses Haus ein Kunstwerk gewesen. Trotzdem war Knox sehr zufrieden mit seinem Werk und sah sich stolz um.

… Er erreichte den dritten Platz. Plötzlich schienen um ihn herum alle anderen Geräusche zu verklingen, und er hörte nur noch das rasche Pochen, das seine Laufschuhe auf dem Untergrund der Permabahn verursachten. Selbst das rhythmische Zischen seines Atems wurde leise. Schweiß tropfte ihm von der Stirn und brannte in den Augen. Es war, als bestünden seine Beine aus Blei – und dann hatte er die zweite Position errungen. In der letzten Kurve entdeckte er eine Kraftreserve in sich, von deren Existenz er bisher überhaupt nichts geahnt hatte, und es schien ein Feuer in ihm zu brennen, dessen Flammen aus Schmerz, Wut und Entschlossenheit bestanden. Wie ein Stein, den jemand zu Boden schmettern wollte, näherte er sich der Ziellinie. Die anfeuernden Rufe seiner Teamgefährten waren ebenso dumpf wie das Rauschen in einer Muschel. Er sah die Ziellinie direkt vor sich, und er warf sich ihr entgegen. Unmittelbar hinter dem Gewinner taumelte er in die sich ihm entgegenstreckenden Arme.

… Er hörte das Klopfen, reagierte jedoch gar nicht darauf. Er war zu beschäftigt. Die Tür öffnete sich, und sein Sohn trat ins Büro. Ben lächelte – und es war ein so breites Lächeln, daß es sein schmales Gesicht fast in zwei Hälften teilte. Knox war erstaunt, denn bisher hatte er angenommen, daß die Behandlungen seinem Sohn allen Grund zur Freude nahmen. Dann sah er die junge Frau. Sie schob sich an Ben vorbei ins Zimmer, den Kopf ein wenig nach vorn geneigt, so als wolle sie sich für irgend etwas entschuldigen. Im Vergleich mit Ben, der wie ein vierzigjähriger Mann wirkte, obgleich er gerade erst seinen einundzwanzigsten Geburtstag hinter sich hatte, wirkte sie in ihrer einfachen Studentenuniform und aufgrund ihrer weichen und glatten Züge wie ein Kind. Das silberblonde Haar reichte ihr bis zu den Schultern. Sein Sohn legte ihr den Arm um die Schultern und zog sie an sich. Erschrocken begriff Knox, was sich nun anbahnte. Stolz schwang in der Stimme Bens mit, als er sagte: »Pa, darf ich dir Madeline Bianchi vorstellen? Wir wollen heiraten.«

… Martin Carr paffte an seiner Zigarre und beobachtete Knox gutmütig, während der sein Steak zerschnitt. Der beißende Rauch beeinträchtigte den Geschmack des Fleisches, und Knox legte das Besteck beiseite. Carr teilte ihm mit, daß man ihn zum Gesellschafter der Firma machen wolle. Er sprach diese Worte recht feierlich aus, aber Knox reagierte eher ungestüm darauf. Er fühlte sich wie ein Ballon, der so stark aufgebläht war, daß er jederzeit platzen konnte. Zitternd griff er nach der Hand Carrs und schüttelte sie heftig. Carr verzog das Gesicht und zog den Arm zurück. Daraufhin lachten sie beide. Endlich bin ich jemand, dachte Knox. Jetzt steht meiner Karriere nichts mehr im Wege.


Je länger das Experiment dauerte, desto mehr freute sich der alte Mann auf die Erlebnisse im Computersessel. Er hatte dabei über einige körperliche Beschwerden zu klagen, und manchmal erschöpften und verwirrten ihn die Erinnerungen und hinterließen in ihm eine gewisse Orientierungslosigkeit. Dann und wann empfand er einen dumpfen und pochenden Schmerz im Beinstumpf, und ab und zu glaubte er ein Prickeln in dem Fuß zu spüren, der ihm längst amputiert worden war.

Nach einer Weile genoß er alle seine Erinnerungen, selbst die unangenehmen, denn im Remineszenzenkummer entdeckte er echte und reale Empfindungen, die mit ihrer Intensität über alle anderen Gefühle hinausgingen, die er jemals gehabt hatte.

Das Experiment drängte alle anderen Interessen Knox’ in den Hintergrund. Das Zeichenbrett wurde irgendwo verstaut und vergessen. Den größten Teil seiner freien Zeit verbrachte der alte Mann in der Bücherei, in der er seine Erinnerungen mit Hilfe alter Zeitungsberichte wiederauffrischte. Oder er lag im Bett und konzentrierte sich ganz auf seine Vergangenheit, in der Hoffnung, die eidetische Reminiszenz-Reaktion auszulösen und kontrollieren zu können. Das energetische Niveau des Stimulators wurde immer mehr gesenkt – bald genügte nur ein geringer elektrischer Impuls, um das Bewußtsein Knox’ in der Zeit zurückkehren zu lassen. Der ganze Vorgang erschien ihm wie eine zweckbestimmte Wiedergeburt, und er war davon überzeugt, seinem längst grau gewordenen Selbstwertgefühl wieder Farbe geben zu können, wenn es ihm gelang, die letzte Barriere zu überwinden.

Selbst die halbe Arbeitsschicht für die Instandhaltungseinheit erschien ihm erträglicher. Zwar setzte ihm Madeline noch immer zu, aber ihre Verachtung machte ihm nun nichts mehr aus. Er fand sich mit seinem Leben in den Türmen ab – und gleichzeitig ignorierte er es weitgehend.

Aber obgleich ihm die Erinnerungen ein gewisses Glücksgefühl vermittelten, empfand er auch ein dumpfes Unbehagen. Zum erstenmal in seinem Leben wußte Knox nicht mehr so recht, wer er war oder sein sollte. Die Person, die jene Erinnerungen durchlebte, unterschied sich zweifellos von dem tatkräftigen und zufriedenen Mann, der sie geschaffen hatte. Der Erinnerer schenkte jenen Dingen keine Beachtung, die für den jüngeren Knox eine große Rolle gespielt hatten, und statt dessen genoß er Farben und Formen, Launen und Spielereien, Gefühle, auf die sein früheres Ich gar nicht in dem Maße aufmerksam geworden war. Der Erinnerer lief nicht in die Falle, von der aus nur ein Weg in die Zukunft führte – ein Weg, der den jungen Architekten in einen verbitterten alten Hausmeister verwandelt hatte.


Das monotone Summen des Staubsaugers erinnerte Knox an Somatos Requiem für einen Planeten. Er zog einen verchromten Kunststoffstuhl vom Konferenztisch fort, und mit erfahrenem Geschick ließ er die Bürsten des Gerätes viermal über den Boden unter dem Tisch hinweggleiten. Jener finster wirkende kleine Komponist war Bens Musiklehrer gewesen, bis ihnen aufgrund der besonderen Umstände keine andere Wahl blieb, als in die Türme umzuziehen. Knox hatte Somato nie gemocht. Er empfand seinen defätistischen Pessimismus als langweilig und ermüdend.

Die Schnur spannte sich. Doch anstatt den Staubsauger an eine andere Steckdose anzuschließen, bewegte er ihn noch einmal in einem weiten Bogen über den Boden und kehrte dann zurück. Somato war während einer der Massenselbstmord-Wellen des Jahres 1995 gestorben. Ben hatte die Todesanzeige in einer der letzten Ausgaben der Times gelesen. Knox entsann sich auch, angesichts des Todes Somatos tief in seinem Innern so etwas wie schuldbewußte Befriedigung verspürt zu haben. Er sah sich in seiner Einschätzung des Komponisten bestätigt. Seine Sturheit war nichts weiter als geistige Tünche gewesen; letztendlich hatte er den leichtesten Ausweg gewählt.

Der alte Mann überlegte, ob sich in der Bibliothek vielleicht eine Aufzeichnung des Requiem befand. Wenn er sie hörte, mochte er dazu in der Lage sein, seine Erinnerungen nach Belieben auszulösen …

Eine Hand berührte ihn an der Schulter, und überrascht zuckte er zusammen und drehte sich um. Madeline musterte ihn grimmig und bedeutete ihm, den Staubsauger auszuschalten. Die jähe Stille schien ebenso in seinen Ohren zu dröhnen wie die monotone Einleitungssequenz des Requiem.

»Setzen Sie sich«, sagte Madeline ruhig.

Sie nahmen am Konferenztisch Platz, an dem die Mitglieder des Exekutivkomitees der Türme zusammenkamen. In seinem schmutzigen Arbeitskittel fühlte sich Knox ein wenig unsicher an diesem Ort.

»Morris, es gibt keine Möglichkeit, in dieser Hinsicht höflich zu sein, und deshalb sage ich es frei heraus: Sie werden das Experiment aufgeben.«

Der alte Mann strich mit den Fingern über das durchsichtige Plexiglas des Tisches. Der Schweiß hinterließ kleine Flecke, die er mit dem Ärmel fortwischte. Er gab keine Antwort.

»Es ist mir ein Rätsel, wieso Sie keine Einsicht zeigen – ich weiß einfach nicht, was mit Ihnen los ist. Wir alle – Ihre Freunde von der Einheit – machen uns Sorgen um Sie. Sie sind nicht mehr bei der Sache. Ihre Arbeit ist schlampig … und unnütz.« Sie begegnete seinem Blick, und in ihren Augen blitzte es vorwurfsvoll. Das verstärkte das Unbehagen des alten Mannes, denn er wußte, daß Madeline, was ihre Perspektive anging, recht hatte. »Kopf hoch, Morris. Wenn Sie wieder zu Vernunft kommen, kann ich Ihnen helfen.« Ihr Gesichtsausdruck wirkte jetzt nicht mehr ganz so hart. Und er erinnerte sich daran, sie schon einmal auf diese Weise gesehen zu haben, damals, als sie befördert worden war und seinen Posten übernommen hatte. Ein deutliches Bild formte sich vor seinem inneren Auge: eine Madeline, die ihm selbst die Mitteilung machte und ihn dabei so anblickte, als wolle sie sich für die Art und Weise entschuldigen, wie das Leben mit ihm umsprang. Meine Freunde, dachte Knox sehnsüchtig. Sie ist die letzte von ihnen.

»Meine Güte, Sie hören mir nicht einmal richtig zu!«

»Was? O doch, bestimmt. Aber ich kann noch nicht aufhören. Zuerst muß mir da etwas gelingen.«

»Es ist Ihnen bereits etwas gelungen – vorzeitig alt zu werden.«

»Sie haben kein Recht, mir so etwas zu sagen. Von allen Bürgern in den Türmen haben gerade Sie kein Recht dazu.«

Das Gesicht Madelines lief rot an, und sie erwiderte mit erzwungener Ruhe: »Ich möchte Ihnen nur helfen. Sie sind zu alt, um die Pflichten zweier Jobs wahrzunehmen. Ich kann dafür sorgen, daß man sich im Heim um Sie kümmert. Für Cheddi Jain haben Sie nur als Versuchskaninchen Bedeutung. Er wird Sie benutzen und einfach im Stich lassen, wenn er Sie nicht mehr braucht.«

»Aber das, womit ich mich beschäftige, ist sehr wichtig. Ich habe soviel versäumt, und jetzt … ja, jetzt bin ich alt. Das ist der Grund. Ich werde die Zeit, die mir noch bleibt, in etwas Bedeutsameres als die Reinigung von Toiletten investieren.«

Madeline ließ ihren Stuhl langsam vom Tisch fortrollen. Sie sprach mit gesenktem Kopf, aber Knox konnte sie problemlos verstehen. Die Kühle in ihrer Stimme bewirkte dumpfen Schmerz in seinem Innern. »Dann bringen Sie sich meinetwegen um. Allerdings nicht als Mitglied meiner Einheit. Packen Sie Ihre Sachen weg und verschwinden Sie! Sie sind gefeuert!«

Madeline stand auf und schritt rasch fort, ohne sich noch einmal umzusehen.

Ziellos schlurfte Knox durch die Korridore von Turm II. Er verspürte nicht das Verlangen, in seine Separatnische zurückzukehren, zumindest jetzt noch nicht. Die Gänge waren voller Menschen. Sie gingen mit weit ausholenden Schritten an ihm vorbei, lasen Folien, blickten auf die Wanduhren und diskutierten ihre Arbeit – und ihr Verhalten offenbarte dabei allgemeine Zweckhaftigkeit. Aber wohin sind sie unterwegs? dachte Knox. Wissen sie das wirklich? Er fühlte sich versucht, einen der vielen Bürger danach zu fragen, fürchtete sich jedoch vor der Antwort.

Nach einer Weile blieb der alte Mann stehen und sah sich um. Er begriff, daß es nicht einen einzigen Menschen auf der ganzen Welt gab, der sich darum scherte, wohin er ging und wann er sein Ziel erreichte. Sogar ihm selbst war das gleichgültig.

Er schauderte und löste die eidetische Reminiszenz-Reaktion aus.

Er war sieben Jahre alt und mit seinen Großeltern zum Strand gefahren. Er lief über den heißen und elfenbeinfarbenen Sand. Seine Füße brannten. Wellen brachen. Das Wasser spülte heran, und am äußersten Rand hinterließ es einen dünnen Streifen Schaumes. Er trat darauf zu und blieb abrupt stehen. An dieser Stelle war der Sand kühl und hatte die Farbe von Großvaters Haut.

»Können Sie mich verstehen?«

»Was ist denn los?«

»Ich glaube, er arbeitet für Bianchi.«

Die Stimmen vermischten sich mit dem Rauschen des Meeres, und die salzige Brise trug sie fort. Der siebenjährige Knox beobachtete, wie Wolken lautlos über den Himmel zogen.

»Morris, ich bin’s. O mein Gott! Bringt ihn weg von hier. Und sagt Jain Bescheid, verdammt!«

Eine Welle gurgelte über seine Füße hinweg, und kurz darauf floß das Wasser wieder zurück und spülte ihm Sand zwischen die Zehen. Es kitzelte. Und er fragte sich, warum es Leute gab, die diesen herrlichen Sommertag nicht am Meer verbringen wollten.


Viel später kehrte Knox in die Türme zurück, und dort fiel sein Blick auf eine grüne Wand mit Dutzenden von braunen Flecken. Er rollte sich auf die andere Seite und stellte fest, daß er sich in einem großen Zimmer befand. Das verwirrte ihn zunächst, bis er schließlich begriff, daß man ihn ins geriatrische Heim überwiesen hatte.

Zum erstenmal seit vielen Jahren lachte Morris Knox schallend. Er hatte nicht die Absicht, lange an diesem Ort zu verweilen.


Originaltitel: ›Not to the Swift‹

Copyright © 1979 by Mercury Press, Inc.

(erstmals erschienen in ›The Magazine of Fantasy and Science Fiction‹, Februar 1979)

mit freundlicher Genehmigung des Autors und der Agentur Luserke, Friolzheim

Copyright © 1991 der deutschen Übersetzung by Wilhelm Heyne Verlag, München

Aus dem Amerikanischen übersetzt von Andreas Brandhorst

Illustriert von Jobst Teltschik

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