Kurt Bracharz Die intelligente Küche



Das Bier war mal wieder alle. Ich hatte einen langen Fernsehabend vor mir, zuerst die Landesrundschau, dann die Tagesschau, dann die dritte Folge der Familienserie auf dem Ersten, anschließend den Auslandsreport auf dem Zweiten, zwischendurch eine Wissenschaftssendung auf ARD, später der Club 2, und, wenn dann noch Zeit blieb, die Nachtgedanken, die Spätnachrichten und die Programmvorschau. Dafür brauchte ich mindestens zwei Sechserpacks, und der Kühlschrank war vollkommen leer, was Alkohol betraf. Sonst war genug Zeug da, das ich demnächst mal wegwerfen mußte, weil es nicht mehr so recht appetitlich war. Beispielsweise waren sowohl die Edelschimmelkäse und auch die Rotschmierkäse von einem grüngrauen Rasen überzogen. Dabei handelte es sich zwar um Schimmel, aber vermutlich um einen, der die Vorsilbe ›Edel‹ nicht verdiente. Ein einsames Yoghurt war so aufgetrieben, daß es vielleicht bald platzen würde, und das Gemüse sah schlapp und verfärbt aus. Ich kaufe einmal pro Woche groß ein und schmeiße am Ende der Woche alles weg, was nicht den Weg in meinen Magen gefunden hat. Es gäbe natürlich ökonomischere Möglichkeiten der Hauswirtschaft, aber das ist eine Sache, auf die ich nicht viel Gedanken verschwenden mag.

Also schlüpfte ich in die Schuhe und machte mich auf den Weg zum Supermarkt, der gottlob nur fünf Minuten von meiner Wohnung entfernt ist, so daß ich nur dann das Auto nehmen muß, wenn ich ein paar Bierkisten zu transportieren habe.

Für die Tageszeit – später Nachmittag – war der Supermarkt reichlich voll. Ich holte meine beiden Sechserpackungen Altbier und stellte mich dann in die Reihe vor der einzigen offenen Kasse. Zwei andere Kassiererinnen waren zwar da, hielten aber ihre Zugänge geschlossen, was mir ein bißchen merkwürdig vorkam, weil die Schlange an der offenen Kasse schon recht lang war. Es gab noch mehr Merkwürdigkeiten: nach einer Weile schien es mir, als würde ich beobachtet. Ein Typ in einem weißen Arbeitsmäntelchen, der mir ganz nach Geschäftsführer oder sowas aussah, starrte mich an. Die Kassiererin betrachtete mich, während sie die Preise eintippte. Die beiden anderen Frauen sahen mich an, während sie so taten, als rechneten sie etwas auf Streifen, die sie aus ihren Kassen zogen.

Dann erschien eine Blasmusik. Sechs Mann, eine Trommel, zwei Trompeten, zwei Posaunen, eine Tuba, eine Klarinette. Die Musikanten, fünf Männer und eine Frau an der Klarinette, kamen von draußen in den Supermarkt hereinmarschiert und stellten sich vor der Kasse auf. Die Kunden in der Schlange glotzten. Der Geschäftsführer beobachtete mich. Da ich heute nichts geklaut hatte, erwiderte ich frech seinen Blick, worauf er ihn senkte. Das gab mir zu denken.

Wie immer, wenn ich in der Schlange vor einer Supermarktkasse stehe, gab es eine Verzögerung. Entweder kommen irgendwelche Schülerinnen von der Haushaltsschule, die ihre Einkäufe nicht bar bezahlen, sondern in einem Heftchen abrechnen lassen, mit dem die Kassiererin dann lange beschäftigt ist, oder der Zahlstreifentransporter klemmt und die Kasse muß repariert werden, oder jemand hat zumindest fünf Waren ohne Preisauszeichnung, von denen die Kassiererin die Preise nicht auswendig weiß. Diesmal gab es einen Disput mit einer kleinen dicken Frau vor mir, die auf ein Lockvogelangebot des Supermarkts hineingefallen war und sich jetzt herumzustreiten begann, statt die Ware einfach zurückzuschmeißen. Mir war das im Grunde gleichgültig, weil ich es nicht eilig hatte, aber der Geschäftsführer, die Kassiererinnen und die Blasmusik wirkten genervt.

Als der Streit endlich beigelegt war und ich mit meinen zwei Sechserpacks an die Kasse trat, legte die Blasmusik los, der Geschäftsführer trat auf mich zu, die Kassiererin grinste mich breit an, und ich erfuhr, daß ich der zehntausendste Kunde dieses Saftladens war. Ich bekam ein fürstliches Geschenk, wie sich der Geschäftsführer ausdrückte, der meine Antwort, ich sei aber gar kein Adeliger, als Witz auffaßte. Die Blasmusik spielte irgendein Humtata-Stück und ich wurde von einem wieselflink herbeigeeilten Fotografen dabei aufgenommen, wie ich ein Kuvert entgegennahm, das mein angeblich fürstliches Geschenk enthielt.

Ich öffnete es und entnahm ihm einen Gutschein für eine Küche der Firma Heitekkuck.

Eine Küche war so ziemlich das letzte, was ich brauchte, aber einem geschenkten Gaul schaut man nicht unter den Schwanz, also lächelte ich, während der Fotograf eifrig weiter knipste. Dann erwarb er noch das Recht an den Bildern, indem er mich auf einem Revers unterschreiben ließ, und ich erfuhr, daß die Fotos in einer Anzeigenserie der Supermarktkette verwendet werden würde, wogegen ich nichts hatte.

Schließlich ließen sie mich gehen, nachdem ich noch ein Glas indiskutablen roten Sekt mit ihnen getrunken hatte, und ich brachte mein Bier nach Hause. Als ich die ersten Sechserpacks in den Kühlschrank gestellt hatte, sah ich mich in meiner Küche um und machte mir Gedanken. Eine neue Küche brauchte ich so dringend wie einen zweiten Blinddarm, das war schon klar. Meine Frage, ob ich sie in Geld ablösen könnte, war negativ beantwortet worden. Heitekkuck produzierte sogenannte ›intelligente Küchen‹, was auch immer das war. Falls meine Küche eine dumme war, paßten wir gut zusammen, jedenfalls waren wir immer gut miteinander ausgekommen. Andererseits war in meiner Küche alles alt und dreckig. Das hatte mich zwar nie gestört, aber warum sollte ich nicht eine neue Küche akzeptieren? Zumindest eine Zeitlang würde sie neu und sauber sein, und das war ja nichts direkt Unangenehmes.

Ich rief am nächsten Tag bei Heitekkuck an und machte einen Liefertermin aus. Dann ging ich zu meinem Hausmeister und sagte ihm, ich hätte eine Küche zu verschenken. Das interessierte ihn lebhaft, denn er kannte eine arme Familie, die sie gerne übernehmen würde. Ich wußte, daß er sie ihnen nicht schenken, sondern verkaufen würde – so gut kannte ich ihn schon lange –, aber das war nicht mein Problem, Hauptsache, ich wurde die alte Küche los.

»Ich muß eine Woche lang verreisen. Hier sind die Schlüssel für meine Wohnung. Sie sollten die alte Küche bis Donnerstag ausgebaut haben, denn dann kommt die neue. Ich wär Ihnen dankbar, wenn Sie den Einbau der neuen ein wenig überwachen könnten, wenn ich schon nicht selber da sein kann.«

Der Hausmeister war ganz begeistert von diesem Vorschlag. Wahrscheinlich verwendete er meine Wohnung in meiner Abwesenheit als Liebesnest mit seiner Freundin, vermietete sie an Pokerrunden und was es sonst noch für Möglichkeiten gab, aber solange ich davon nicht direkt tangiert war, nahm ich das gleichmütig hin. In meiner Wohnung gibt es so gut wie nichts Persönliches, so daß es gleichgültig ist, ob sich Fremde darin aufhalten oder nicht.

Ich verreiste also eine Woche lang. Meinem Beruf des Übersetzers kann ich dank meines sehr guten Laptops überall nachgehen, in Hotelzimmern ebenso wie im Freien, sofern es warm genug für die Batterien des Geräts ist. Ich fuhr nach Luzern und verbrachte eine nette Woche in gemütlichen Beizen, mit Bergwanderungen, Fahrten mit der Pilatusbahn und mit Dampfern auf dem See. Als ich nächsten Montag wieder nach Hause kam, läutete ich beim Hausmeister.

»Und, habe ich jetzt eine neue Küche?« fragte ich ihn. Er nickte und meinte: »Ihre alte war ganz schön verdreckt, kann ich Ihnen sagen. Eine Zeitlang haben wir uns gefragt, ob wir nicht einen Herrn vom Naturwissenschaftlichen Museum kommen lassen sollten, ich glaub nämlich nicht, daß alle Insektenarten, die hinter Ihrem Mistkübel herauskamen, der Wissenschaft schon bekannt sind.«

Ich gab dem Hausmeister für seine Bemühungen um die Reinigung und den Aus- und Einbau der alten beziehungsweise neuen Küche ein erkleckliches Trinkgeld und ging in meine Wohnung, die intelligente Küche anzustaunen.

Man sah ihr die Intelligenz nicht an, sie sah aus wie jede andere Küche, kam mir zumindest bei der ersten Inaugenscheinnahme vor. Die Farbe gefiel mir nicht unbedingt, aber ich würde mich daran gewöhnen. Da der Kühlschrank leer war, ging ich in den Supermarkt, dem ich die leere Küche verdankte, und kaufte zwei Sechserpack Altbier, ein bißchen Wurst, Brot und Käse sowie Gewürzgurken, Mixed pickles, Dosenspargel und einige Fischkonserven.

Es dauerte ein paar Tage, bis zum erstenmal etwas passierte, mit dem ich nicht gerechnet hatte. Ich war wenig zu Hause gewesen, hatte ein paarmal im Gasthaus oder bei Freunden gegessen und stellte gegen Ende der Woche fest, daß die Wurst immer noch im Kühlschrank lag, mittlerweile aber ein bißchen grün aussah.

Ich suchte also den Abfallkübel und fand ihn auf der Innenseite der Tür unter der Spüle. Nachdem ich die Wurst hineingeworfen und die Tür geschlossen hatte, was automatisch auch den Deckel des Kübels verschloß, sagte eine sonore, wenn auch etwas ausdrucksarme Stimme: »Jeden Tag verhungern 40.000 Kinder; das sollte man bedenken, wenn man Lebensmittel wegwirft.«

Ich blickte um mich, wie es wohl jedermann in meiner Situation getan hätte. Es war niemand da. Litt ich an Gehörshalluzinationen? Es gab keinen Grund dafür. Ich trank zwar viel Bier, aber so viel nun auch wieder nicht. Ich nahm auch keine anderen Drogen, zumindest nicht regelmäßig. Im übrigen sind Gehörshalluzinationen typisch für tierische Drogen, und fast alles, was man zu kaufen kriegt, ist pflanzlicher Natur und drückt eher auf die optischen Tasten. Also, was war das gewesen? Ich öffnete noch mal die Tür zum Abfallkübel und schloß sie wieder. Diesmal hörte ich nichts außer den üblichen Geräuschen. Schön, hatte ich mich eben geirrt.

Am nächsten Morgen frühstückte ich zum erstenmal seit Tagen zu Hause. In der letzten Zeit war ich immer nach dem Aufstehen gleich weggegangen und hatte irgendwo in einem Restaurant einen Kaffee gekippt. Aber am Vorabend hatte ich Eier, Speck, Butter und noch ein paar Dinge gekauft, die zu einem ordentlichen amerikanischen Frühstück gehören. Die nahm ich jetzt aus dem Kühlschrank und freute mich auf den pechschwarzen bitteren Kaffee dazu, als eine Stimme, ähnlich der vor ein paar Tagen, aber tiefer, sagte: »Denk an deinen Cholesterinspiegel.«

Ich setzte mich an den Küchentisch und sagte mir, das Beste sei es, ganz ruhig zu bleiben, und durch eine überlegte Analyse herauszufinden, was hier eigentlich vorging. Stimmenhören gilt als eines der ersten Zeichen eines schizophrenen Schubes. Schnappte ich über?

Als Kind eines naturwissenschaftlichen Zeitalters entschloß ich mich zu einem Experiment. Ich legte alles zurück, was ich aus dem Kühlschrank genommen hatte. Es dauerte zwar länger, als ich gedacht hatte, aber tatsächlich meldete sich die Stimme wieder zu Wort, indem sie sagte: »Gut so.«

Schön. Das alles gab Sinn. Jemand sprach mit mir, und zwar Dinge, die in einem mehr oder weniger sinnvollen Zusammenhang mit meinen Handlungen in der Küche standen.

Ich verbrachte daraufhin einige Zeit mit Experimenten. Ich warf Restmüll in den Biomüllbehälter. Nach einigen Sekunden, die er offenbar zur Analyse brauchte, sagte der Mistkübel: »Mülltrennung ist erste Bürgerpflicht.« Als ich den Restmüll wieder herausnahm, sagte er: »Danke.« Das Ganze spielte ich gleich noch mal durch, und der Mistkübel sagte genau dasselbe wie zuvor; allzu flexibel war er offenbar nicht programmiert.

Der Herd konnte auch sprechen. Das war ganz natürlich. Er warnte mich rechzeitig vor dem Überkochen der Milch, aber er fragte mich auch, ob die Portion, die ich kochte, nicht zu groß für eine Person sei. Da ich nicht annahm, daß er feststellen konnte, wie viele Leute im Raum waren, behauptete ich, ich hätte Gäste. Er fragte mich, wie viele, und ich erwiderte drei. Das akzeptierte er. Während ich die Portion aß, die er als angemessen für vier Personen ansah, betrachtete ich ihn.

Die ganze Sache gefiel mir nicht besonders. Ich wußte, daß die Franzosen früher Autos gebaut hatten, die einem durch ein Sprechmodul Anweisungen gaben und plötzlich mit Grabesstimme »Tanken« sagten, statt lieber ein Lichtchen aufblinken zu lassen, und angeblich hatte es auch einen Wagen gegeben, der einem bei Rotlicht ermahnte: »Bohr nicht in der Nase, du Schwein!«, aber vor alledem war man wieder abgekommen, weil die Produzenten feststellen mußten, daß die meisten Menschen zu arrogant waren, um von ihrem Auto belehrt werden zu wollen.

Nun versuchte offenbar jemand dasselbe mit Küchen. Ich warf einen Blick in die Betriebsanleitung, die man mir in Form von zwei dicken Aktenordnern mitgeliefert hatte und die ich bis dahin ignorieren zu können geglaubt hatte, und stellte fest, daß tatsächlich eine ganze Menge Funktion programmiert worden waren. Der Herd konnte mir Kochrezepte erzählen, wenn ich in bestimmter Weise an seinen Schaltern drehte und übernahm natürlich bei der Ausführung dieser Rezepte auch alle Zeiteinstellungen, die seiner Meinung nach notwendig waren, der Kühlschrank belehrte mich über Konservierung bei verschiedenen Temperaturen, der Mistkübel hatte alles über Mülltrennung, Abfallverwertung und Recycling parat, was in einem Speicher seiner Größe untergebracht werden konnte, der Kühlschrank erstellte fortwährend ein Inventar seines Inhalts und analysierte anhand von Geruchsmolekülen den Zustand der Waren (was ihn auch in die Lage versetzte, mir Ratschläge bezüglich der Dinge zu geben, die ich herausnahm), und so ging es weiter und weiter, die Küchenstühle erinnerten einen gegebenenfalls und gelegentlich an das Übergewicht, und der Küchentisch, zu dem den Designern sonst offenbar nichts eingefallen war, wünschte einem ›Mahlzeit‹ und konnte ein Tischgebet sprechen, wenn man ihn entsprechend programmierte. Offenbar hatten die Designer angenommen, daß diese Funktion nicht jedermann erwünscht sei, deshalb war sie nur als Option vorhanden.

In den nächsten Wochen versuchte ich mit alldem zu leben. Täglich wurde ich darüber belehrt, daß ich zu cholesterinreich aß, zuviel Alkohol trank, Übergewicht hatte, zu sehr schwitzte (der Kühlschrank hielt einmal meinen Buttersäureausstoß für Käse in seinem Inneren und teilte mir geschwätzig mit, daß Käse eigentlich in einem kühlen Keller aufbewahrt werden sollte, im Kühlschrank aber an Geschmack verliere) und anderes Ärgerliches mehr. Daß mir der Tisch immer freundlich ›Mahlzeit‹ wünschte und zuprostete, sobald ich das Glas aufhob, war dagegen nur ein sehr bescheidener Ausgleich.

Eines Abends kam ich ohnehin schon schlecht gelaunt heim, trat in die Küche und wurde mit der Bemerkung »Aha, angesoffen« empfangen. Es war nicht genau zu eruieren, woher sie kam, aber vermutlich aus den Geruchssensoren des Kühlschranks. Ich setzte mich an den Küchentisch und sagte laut: »Wenn ich das haben möchte, könnte ich ja gleich heiraten.«

Darauf schwiegen die Dinge, aber nach einer Weile sagte mein Stuhl: »Bei dem Übergewicht wäre eine Pearsons-Diät angebracht.«

»Schnauze«, sagte ich. Dann holte ich einen Sechserpack aus dem Kühlschrank. Der sagte zwar nichts, weil er vielleicht glaubte, daß ich wieder Gäste hätte, aber kaum hatte ich mich hingesetzt, bemerkte der Stuhl: »Bei 86 Kilogramm Körpergewicht geben sechs kleine Bier mehr als ein Promille. Und du hast schon mindestens eines, dem Luftalkohol nach zu schließen.«

Ich gab ihm keine Antwort. Ein Stuhl ist für mich kein Gesprächspartner. Ich rief meinen Freund Speedy an, einen Computerfreak. Er versprach mir, am nächsten Tag vorbeizuschauen. Ich verzog mich in mein unintelligentes Fernsehzimmer und schaltete meinen totalblöden Fernsehapparat ein, der sein volldebiles Programm herunternudelte. Ich füllte mich mit Bier ab und wartete darauf, daß morgen alles besser würde.

Speedy kam am nächsten Tag. Er suchte eine Weile herum und fand dann einen schwarzen Kasten hinter der Spüle. »Das ist die Zentraleinheit«, sagte er, »der Rest ist ein Kinderspiel.«

»Der Zugriff auf die Zentraleinheit kann zu irreparablen Schäden führen, jedenfalls erlischt jegliche Garantie«, meldete sich der Mistkübel ungefragt. Wir ignorierten ihn beide. Speedy öffnete den Kasten und ich ging einstweilen fernsehen. Eine Stunde später kam Speedy ins Fernsehzimmer, sagte »es müsse alles in Ordnung sein«, und sah sich mit mir das Bundesligaspiel an.

Am nächsten Morgen nahm ich Speck, Eier und ein Bier aus dem Kühlschrank. »Ein Bier am Morgen ist das Beste gegen einen Kater«, sagte der Kühlschrank höflich.

»Worauf du einen lassen kannst«, erwiderte ich unfreundlich und wußte, daß eine passende Antwort die technischen Möglichkeiten eines Kühlschranks überstieg.

Ich braute mir einen tintenschwarzen Kaffee – »das macht munter«, sagte der Herd – und ließ mich ächzend auf meinen Stuhl sinken. »Allzu dünn ist auch nicht schön«, bemerkte der Stuhl.

»Gut gesagt«, erwiderte ich, vertilgte mein Frühstück und machte dann ein Experiment mit dem Mistkübel: ich nahm das etwas hart gewordene, aber an sich immer noch gut eßbare Weißbrot vom Vortag und schmiß es hinein.

»Jeden Tag verhungern 40.000 Kinder, das sollte man bedenken, wenn man Lebensmittel wegwirft«, sagte der Mistkübel, räusperte sich dann und setzte hinzu: »Die Zentraleinheit meldet, daß das Programm geändert wurde, aber auf diesen Teil hier gibt es keinen Zugriff, wenn nicht die Hardware ausgetauscht wird. Das ist im Sinne des Erfinders.«

Ich rief Speedy an, der sagte, er habe sich so etwas schon gedacht.

»Und was soll ich jetzt tun?«

»Wirf keine Lebensmittel weg und gewöhn dich an den Spruch des Mistkübels.«

»Gibt’s keine dritte Möglichkeit?«

Speedy klang ein wenig verärgert, als er sagte: »Hör mal, ist diese Küche wirklich intelligenter als du?«

Das frage ich mich seither, wenn ich so dasitze, in meinem Essen herumstochere und zuhöre, wie der Tisch ständig: »Komm, oh Herr, sei unser Gast« undsoweiter intoniert, solange er einen Teller auf seiner Oberfläche spürt, weil es bei Speedys Bemühungen offensichtlich auch irgendeine Fehlschaltung gegeben hat, und der Mistkübel leise, aber beharrlich meinen Namen ruft – weiß der Teufel, von wem er ihn erfahren hat.


Copyright © 1991 by Kurt Bracharz

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