Die Bewunderung Faradays für Ada Lovelace kann gar nicht hoch genug gewürdigt werden. Denn es waren die Pionierarbeiten Faradays, die – erst Jahrzehnte später – die Grundlage für einwandfrei funktionierende Zahlenmaschinen legten: Faraday erkannte mit seinen unzähligen Experimenten den tiefen Zusammenhang zwischen Elektrizität und Magnetismus. Er stellte fest, dass es zwar die verschiedenartigsten Möglichkeiten gibt, elektrische Spannung zu erzeugen, dass es sich dabei jedoch stets um das gleiche Phänomen handelt, das die ganze Natur durchdringt. Er, der aus einfachsten Verhältnissen stammend und nur durch das Lesen der Lehrbücher, die er als gelernter Buchbinder in die Hand bekam, sein Interesse für die Elektrizität wachrief, hatte seine Konzepte und seine Ansicht von der Einheitlichkeit der Natur ohne eine einzige mathematische Formel entwickelt. Erst James Clerk Maxwell, der von den Experimenten Faradays tief beeindruckt war, stellte es sich zur Aufgabe, Faradays Befunde in ein mathematisches Gewand zu kleiden. Es gelang ihm mit Hilfe von vier Gleichungen, in denen alle Erscheinungsformen der Elektrizität und des Magnetismus einheitlich zusammengefasst sind. Man ist kaum in der Lage, die Vielfalt von Phänomenen, die auf dem Elektromagnetismus beruhen, zu überblicken. Selbst die folgende Liste, die kunterbunt den Elektromotor, den Dynamo, das Mobiltelefon, die Röntgenstrahlen, den Transistor, das Radio, das Fernsehen, den Kompass, die Glühlampe, die Hochspannungsleitungen, die Batterie, den Belichtungsmesser, das Mikrofon, die Digitalkamera, das Sternenlicht, die Nordlichter, den Bildschirm, die U-Bahn, die Quarzuhr, das Elektroenzephalogramm und die Computertomographie nennt, ist weit davon entfernt, vollständig zu sein.
Erst wenn über Stunden, gar über Tage hinweg landesweit der elektrische Strom ausfiele, würde uns schmerzhaft bewusst werden, wie sehr die moderne Zivilisation von den Erkenntnissen Faradays abhängt, die von Maxwell mit einem mathematischen Gerüst versehen wurden.
Umso kurioser ist die Geschichte vom Besuch des Finanzministers in Faradays Labor: Der Minister machte sich Sorgen um das für Faradays Experimente – die aus heutiger Sicht lächerlich billig waren – investierte Steuergeld. „What is this good for?“, „Wozu braucht man das?“, fragte der Minister angesichts der Spulen und Kondensatoren mit besorgter Miene. „What are babies good for?“, „Wozu braucht man Babys?“, gab Faraday darauf stolz zur Antwort.
So unzählig die Anwendungen der Elektrodynamik sind, so zahllos sind auch die Namen der Erfinder dieser Anwendungen. Auch die folgende Liste, bestehend aus Manfred von Ardenne, Alexander Graham Bell, Henry Clothier, Ray Dolby, Thomas Alva Edison, John Ambrose Fleming, Heinrich Geißler, Heinrich Hertz, Herbert Eugene Ives, James Prescott Joule, Johann Kravogl, Robert von Lieben, Guglielmo Marconi, Georg Neumann, Kenneth Olsen, Waldemar Petersen, Georg Hermann Quincke, Johann Philipp Reis, Werner von Siemens, Nikola Tesla, Richard Ulbricht, Hans Vogt, Charles Wheatstone, Clarence Melvin Zener, die – abgesehen von X und Y – von jedem Buchstaben einen Namensvertreter nennt, ist eine bunte Palette ohne Anspruch auf Vollständigkeit. Drei Personen unter diesen Physikern und Ingenieuren, nämlich Walter H. Brattain, John Bardeen und William B. Shockley, spielen im Zusammenhang mit der Zahlenmaschine eine ganz besondere Rolle, denn sie erfanden ein elektrisches Gerät, das die bereits Ende des 19. Jahrhunderts von Edison als Prototyp entworfene Elektronenröhre ersetzte: den Transistor.
Für unsere Zwecke genügt es zu wissen, dass der Transistor ein aus sogenannten Halbleitern bestehendes Bauelement ist. Zur Zeit der Erfindung um 1950 war es ein zentimetergroßer Zylinder, von dem drei Drähte wegwiesen; heutzutage sind Transistoren mikroskopisch klein, aber an ihrem Wesen ändert das nichts. Die drei Drähte tragen die Bezeichnung B (für Basis), C (für Kollektor) und E (für Emitter). Wir verzichten darauf, über die Details der Wirkungsweise zu sprechen, sondern begnügen uns mit der fast sträflich groben Vereinfachung, die folgendes besagt: Wenn an den Draht B eine Spannung gelegt wird, dann erlaubt der Transistor, dass vom Draht C zum Draht E widerstandslos Strom fließt. Wenn hingegen am Draht B keine Spannung herrscht, lässt der Transistor keinen Strom vom Draht C zum Draht E fließen.
Abb. 6: Prinzip des NOT-Gatters: Mit U wird die Basisspannung bezeichnet. Wenn bei p eine Spannung angelegt ist, wenn also p = 1 ist, dann sorgt die geladene Basis B am Transistor für eine Stromleitung vom Kollektor C zum Emitter E in die Erde, und bei q liegt keine Spannung vor: q = 0. Wenn bei p keine Spannung angelegt ist, wenn also p = 0 ist, dann leitet der Transistor nicht, und bei q liegt eine Spannung vor: q = 1.
Damit verstehen wir bereits, wie man mit Elektrodynamik Logik betreiben kann: Betrachten wir den einfachsten Fall, dass an einen Draht, dessen Ende wir mit dem Buchstaben q bezeichnen, eine Spannung, die sogenannte Basisspannung, gelegt wird. Geschieht nur dies und sonst nichts, kann man am Drahtende q feststellen, dass diese Spannung (gegenüber der Erde, der man die Spannung null zuspricht) vorhanden ist. Man schreibt dafür q = 1. Ist aber der Draht dazwischen mit einem zweiten Draht verknotet, der seinerseits mit der Erde verbunden ist, fließt der Strom von der Spannungsquelle über den Knoten und den zweiten Draht in die Erde, und am Drahtende q herrscht keine Spannung mehr. Dafür schreibt man q = 0. Jetzt kommt der Transistor ins Spiel: Er wird so in den zweiten Draht eingebaut, dass der Drahtteil vom Knoten bis zum Transistor der Draht C und der Drahtteil vom Transistor zur Erde der Drahtteil E ist. Jetzt hängt es davon ab, ob am Ende des Drahtes B vom Transistor, das wir mit p bezeichnen wollen, eine Spannung herrscht, in diesem Fall schreiben wir p = 1, oder keine Spannung herrscht, in diesem Fall schreiben wir p = 0. Wenn nämlich p = 1 ist, lässt der Transistor den Strom von C nach E durch, und am Drahtende q herrscht keine Spannung, also ist q = 0. Wenn hingegen p = 0 ist, sperrt der Transistor den Stromfluss, und am Drahtende q bleibt die Basisspannung bestehen, also ist q = 1.
Das elektrische Bauelement symbolisiert die logische Negation: q bedeutet „nicht p“.
Wenn man solche Bauelemente parallel oder hintereinander schaltet, bekommt man alle logischen Verknüpfungen: Man kann zum Beispiel „weder p noch q“ zum Ausdruck bringen: Hier misst man beim Ausgangsdrahtende r genau dann eine Spannung, wenn weder der die Aussage p noch der die Aussage q symbolisierende Draht mit einer Spannung versehen sind. Mit anderen Worten: Nur bei p = 0 und bei q = 0 ist r = 1, denn r steht für „weder p noch q“, und tatsächlich stimmt r, wenn sowohl p als auch q falsch sind. Ist hingegen p = 1 und q = 0, oder ist p = 0 und q = 1, oder ist gar p = 1 und q = 1, dann ist r = 0, denn „weder p noch q“ ist falsch, weil ja mindestens eine der beiden Aussagen p oder q wahr ist.24
Abb. 7: Prinzip des NOR-Gatters: Nur bei p = 0 und bei q = 0 ist r = 1, denn nur dann leiten die beiden Transistoren nicht den Strom von der Basisspannung U in die Erde. In allen anderen Fällen wird der Strom in die Erde geführt und es ist r = 0.
Ein paar solcher Schaltungen aufeinandergetürmt, und man kann bereits rechnen wie einst Pascal mit seiner Maschine.25 Und unzählige Kaskaden derartiger Schaltungen in der richtigen Weise verdrahtet ergeben nichts anderes als eine Zahlenmaschine. Wenn ein Verfahren nach einem Programm abläuft und eindeutig aus einzelnen symbolischen Manipulationen besteht – die Zahlenmaschine kann es nachvollziehen.